Index
E1ENorm
GSpG 1989 §19 Abs7 idF 2014/I/013Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag. Liebhart-Mutzl und Dr. Koprivnikar sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des J Z in F, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 2. Dezember 2019, LVwG 30.23-2284/2018-30, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark), den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1) Hat das nationale Gericht in einem Strafverfahren, das zum Schutze einer Monopolregelung geführt wird, die von ihm anzuwendende Strafsanktionsnorm im Lichte der Dienstleistungsfreiheit zu prüfen, wenn es bereits zuvor die Monopolregelung entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes geprüft hat und diese Prüfung ergeben hat, dass die Monopolregelung gerechtfertigt ist?
2) Für den Fall der Bejahung der ersten Frage:
2a) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht?
2b) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von € 3.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht?
2c) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht?
2d) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10% der verhängten Geldstrafen vorsieht?
3) Für den Fall der Verneinung der ersten Frage:
3a) Ist Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht?
3b) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von € 3.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht?
3c) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht?
3d) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10% der verhängten Geldstrafen vorsieht?
Begründung
1 I. Die genannten Fragen stellen sich im Zusammenhang mit der Überprüfung der Strafbemessung eines Straferkenntnisses der zuständigen Strafbehörde, in dem Herr J Z (der Revisionswerber) der Begehung von zehn Übertretungen des Glücksspielgesetzes - GSpG ( in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 13/2014) schuldig erkannt wurde, und das er, nachdem seiner Beschwerde hinsichtlich des Strafausmaßes vom Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) teilweise Folge gegeben und die Strafen pro Übertretung herabgesetzt wurden, nunmehr vor dem vorlegenden Gericht mit Revision bekämpft.
2 Die mit dem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union herangetragenen unionsrechtlichen Fragen stehen repräsentativ für weitere Revisionsfälle beim vorlegenden Gericht.
3 II. Sachverhalt:
4 Mit behördlichem Straferkenntnis wurde (hier auf das Wesentliche zusammengefasst) der Revisionswerber schuldig erkannt, die von ihm als Geschäftsführer vertretene Gesellschaft (A GmbH) habe vom 30. April bis zum 3. Mai 2016 verbotene Ausspielungen in einem näher genannten Lokal mit insgesamt zehn Glücksspielautomaten unternehmerisch zugänglich gemacht und dadurch insgesamt zehn Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG begangen. Die A GmbH habe die Veranstaltung der verbotenen Ausspielungen in ihrem Lokal geduldet und an der Auszahlung erzielter Spielgewinne dadurch mitgewirkt, dass sie das Personal zur Auszahlung von Gewinnen angehalten habe. Die A GmbH hafte für die verhängten Geldstrafen sowie die Verfahrenskosten. Gemäß § 52 Abs. 2 GSpG verhängte die Verwaltungsstrafbehörde pro Übertretung - also pro Glücksspielautomat - jeweils eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von € 10.000,-- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen (bei zehn Geräten somit insgesamt € 100.000,-- sowie 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) und verpflichtete den Revisionswerber zusätzlich zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von € 10.000,--.
5 Als Veranstalterin der Glücksspiele mit diesen zehn Glücksspielautomaten wurde die in der Slowakei ansässige F s.r.o. von der Strafbehörde bestraft. Das Verwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen. Das von der F s.r.o. angestrengte Revisionsverfahren vor dem vorlegenden Gericht ist abgeschlossen (VwGH 25.9.2019, Ra 2019/09/0005, 0006, ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019090005.L00).
6 Die Beschlagnahme der zehn Glücksspielautomaten wurde sowohl gegenüber der A GmbH als auch gegenüber der (slowakischen) F s.r.o. angeordnet (vgl. das diesbezügliche Revisionsverfahren: VwGH 8.6.2018, Ra 2017/17/0453, ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170453.L00).
7 Der Revisionswerber erhob gegen das Straferkenntnis Beschwerde an das Verwaltungsgericht.
8 Das Verwaltungsgericht führte eine Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen das GSpG erlassen worden ist und vollzogen wird, durch und kam dabei zu dem Ergebnis, das die damit bewirkte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit gerechtfertigt sei. Es wies die vom Revisionswerber gegen das behördliche Straferkenntnis erhobene Beschwerde im ersten Rechtsgang sowohl hinsichtlich des Schuldspruches als auch hinsichtlich des Strafausspruches ab. Der Revisionswerber bekämpfte diese Entscheidung vor dem vorlegenden Gericht mittels Revision.
9 In einem ersten Revisionsverfahren wurde die das Strafverfahren des Revisionswerbers betreffende Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom vorlegenden Gericht hinsichtlich des Schuldausspruchs bestätigt, hinsichtlich des Strafausspruches aber aufgehoben. In der Folge gab das Verwaltungsgericht mit dem im fortgesetzten Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis der Beschwerde des Revisionswerbers im Zusammenhang mit der Strafhöhe dahingehend Folge, dass es in Anwendung von § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG zehn Geldstrafen zu jeweils € 4.000,-- sowie zehn Ersatzfreiheitsstrafen zu je einem Tag verhängte (insgesamt sohin € 40.000,-- Geldstrafen sowie zehn Tage Ersatzfreiheitsstrafen). Der Kostenbeitrag für das erstinstanzliche Verwaltungsstrafverfahren (§ 64 VStG) wurde mit € 4.000,-- festgesetzt. Für das verwaltungsgerichtliche Verfahren schrieb das Verwaltungsgericht gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keine Kosten vor, weil für den Fall einer auch nur teilweisen Stattgabe keine Kosten vorzuschreiben sind.
10 Der Revisionswerber erhob gegen diese Strafbemessung die nunmehr vorliegende Revision an das vorlegende Gericht. Gegenstand des Verfahrens vor dem vorlegenden Gericht ist ausschließlich die Frage der Strafbemessung.
11 Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der vom Verwaltungsgericht durchgeführten Strafbemessung durch das vorlegende Gericht hängt davon ab, ob die die Strafbemessung regelnden Vorschriften des GSpG im Zusammenhalt mit den vom Verwaltungsgericht bei der Strafbemessung anzuwendenden Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes - VStG mit dem Unionsrecht (allgemeine Grundsätze für die Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit sowie Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) im Einklang stehen.
12 III. Rechtslage
13 III.1. Unionsrecht:
14 III.1.1. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Konsolidierte Fassung; AEUV), ABl. C 326/49 vom 26.10.2012, lautet (auszugsweise):
„DIENSTLEISTUNGEN
Artikel 56
(ex-Artikel 49 EGV)
Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.
Das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beschließen, dass dieses Kapitel auch auf Erbringer von Dienstleistungen Anwendung findet, welche die Staatsangehörigkeit eines dritten Landes besitzen und innerhalb der Union ansässig sind.“
III.1.2. Art. 49 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), C 364/1 vom 18.12.2000, lautet (auszugsweise):
„Artikel 49
Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen
1. [...]
2. [...]
3. Das Strafmaß darf gegenüber der Straftat nicht unverhältnismäßig sein.“
15 III.2. Nationales Recht:
III.2.1. Das Glücksspielgesetz - GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 13/2014 und BGBl. I Nr. 118/2015, lautet (auszugsweise):
„Ausspielungen
§ 2. (1) Ausspielungen sind Glücksspiele,
1. die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich macht und
2. bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz) und Verwaltungsstrafbestimmungen
3. bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn).
[...]
(4) Verbotene Ausspielungen sind Ausspielungen, für die eine Konzession oder Bewilligung nach diesem Bundesgesetz nicht erteilt wurde und die nicht vom Glücksspielmonopol des Bundes gemäß § 4 ausgenommen sind.
[...]
Aufsicht
§ 19. (1) Der Bundesminister für Finanzen hat den Konzessionär auf die Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder des Konzessionsbescheides oder sonstiger Bescheide oder Verordnungen, die auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassen worden sind, zu überwachen. Zu diesem Zweck kann der Bundesminister für Finanzen in die Bücher und Schriften des Konzessionärs Einsicht nehmen; er kann Überprüfungen an Ort und Stelle vornehmen oder durch Abschlußprüfer oder sonstige sachverständige Personen vornehmen lassen und vom Konzessionär Auskünfte über Geschäftsvorfälle, die Vorlage von Zwischenabschlüssen und von Ausweisen in bestimmter Form und Gliederung verlangen; solchen Verlangen hat der Konzessionär unverzüglich nachzukommen. Organe und Personen, deren sich der Bundesminister für Finanzen zur Ausübung seines Aufsichtsrechtes bedient, dürfen die Geschäftsräume des Konzessionärs betreten und haben sich zu Beginn der Amtshandlung unaufgefordert durch Vorlage eines schriftlichen Prüfungsauftrages auszuweisen. Die Kosten der Überwachung trägt der Konzessionär; der Bundesminister für Finanzen hat den jährlichen Personal- und Sachaufwand für die Überwachung des Konzessionärs gemäß der WFA-FinAV, BGBl. II Nr. 490/2012, in der Fassung der Kundmachung BGBl. II Nr. 78/2019, mit Bescheid zu bemessen und dem Konzessionär innerhalb von drei Monaten nach Ablauf jedes Quartals zur Zahlung innerhalb von 14 Tagen vorzuschreiben.
[...]
(7) Der Bundesminister für Finanzen hat bei der Aufsicht nach Abs. 1 zur Verhinderung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung die Bestimmungen der § 8 Abs. 5, § 9 Abs. 4, § 9a Abs. 2 bis 5, § 18, § 19 Abs. 3, § 24 Abs. 5, § 25 Abs. 2 und 5 bis 10, § 26, § 31 Abs. 1, 2 und 3 Z 1, § 32, § 33, § 37, § 38, § 40 Abs. 2 bis 4 FM-GwG [= Finanzmarkt-Geldwäschegesetz] sinngemäß anzuwenden.
(8) [...]
[...]
Verwaltungsstrafbestimmungen
§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60 000 Euro und in den Fällen der Z 2 bis 11 mit bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,
1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt;
[...]
(2) Bei Übertretung des Abs. 1 Z 1 mit bis zu drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen ist für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe in der Höhe von 1 000 Euro bis zu 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, bei Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 6 000 Euro bis zu 60 000 Euro zu verhängen.“
16 In der Regierungsvorlage zur Einführung dieser Strafsätze in § 52 Abs. 2 GSpG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 13/2014 findet sich folgende Begründung (Regierungsvorlage 24 BlgNR 25. GP, S 22 f):
„Zur Sicherstellung einer wirksamen Vollziehung sind aus Gründen der General- und Spezialprävention empfindliche Strafen erforderlich. Diese sollen dem durch die Tat erzielbaren wirtschaftlichen Nutzen begegnen und so das illegale Angebot zunehmend unattraktiv machen und weiter zurückdrängen. Aus diesem Grund wird eine Staffelung der zu verhängenden Strafen je nach Schwere des Eingriffes (Anzahl der Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstände) bzw. Häufigkeit der Eingriffe (Wiederholungsfall) und eine Mindeststrafenregelung sowie die Erhöhung des Maximalstrafbetrages normiert. Die Strafdrohung ist nach der Schädlichkeit dadurch differenziert, dass bei Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen die dreifache Mindeststrafe vorgesehen ist. Dadurch wird einerseits die typischerweise damit einhergehende organisierte (und mit qualifizierter Strafhöhe im Wiederholungsfall auch wiederholte) Übertretung des Gesetzes erfasst und andererseits dem typischerweise damit einhergehenden wirtschaftlichen Nutzen aus dem strafbaren Verhalten begegnet“.
III.2.2. Das Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013, lautet (auszugsweise):
„Besondere Fälle der Verantwortlichkeit
§ 9. (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
(2) [...]
[...]
(7) Juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften sowie die in Abs. 3 genannten natürlichen Personen haften für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.
[...]
Ersatzfreiheitsstrafe
§ 16. (1) Wird eine Geldstrafe verhängt, so ist zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen.
(2) Die Ersatzfreiheitsstrafe darf das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf § 12 nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.
[...]
Strafbemessung
§ 19. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
[...]
Außerordentliche Milderung der Strafe
§ 20. Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich oder ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, so kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.
[...]
Kosten des Strafverfahrens
§ 64. (1) In jedem Straferkenntnis ist auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.
(2) Dieser Beitrag ist für das Verfahren erster Instanz mit 10% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10 Euro zu bemessen; bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro anzurechnen. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat.
[...]“
17 III.2.3. Das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 122/2013, lautet (auszugsweise):
„Anzuwendendes Recht
§ 38. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, , mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles, und des Finanzstrafgesetzes - FinStrG, , und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.“
18 IV. Vorlageberechtigung und Problemstellung:
19 Der Verwaltungsgerichtshof ist ein Gericht im Sinne des Art. 267 AEUV, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechtes angefochten werden können. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die vorliegende Revision und damit über die Rechtmäßigkeit der Strafbemessung ist von den Antworten auf die im vorliegenden Ersuchen um Vorabentscheidung formulierten und im Folgenden näher erörterten Fragen zur Auslegung des Unionsrechts abhängig.
20 Der EuGH hat die Anwendbarkeit unionsrechtlicher Bestimmungen, insbesondere der GRC sowie des Art. 56 AEUV, für den Fall, dass der Veranstalter unzulässiger Glücksspiele in Österreich aufhältig und die vermeintliche Eigentümerin der Geräte eine in Tschechien ansässige Gesellschaft ist, bejaht (vgl. EuGH 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 10, 33 bis 36, ECLI:EU:C:2014:281). In dem dem vorliegenden Revisionsfall zugrunde liegenden Verwaltungsstrafverfahren ist die Veranstalterin der Glücksspiele eine in der Slowakei ansässige Gesellschaft (F s.r.o.); die vom Revisionswerber vertretene A GmbH hat diese Glücksspiele in einem Café zugänglich gemacht. Die Beschlagnahme der Glücksspielautomaten wurde sowohl gegenüber der vom Revisionswerber vertretenen A GmbH als auch gegenüber der F s.r.o. ausgesprochen. Im Übrigen wurde das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts vom EuGH auch schon darauf gestützt, dass keineswegs auszuschließen sei, dass Anbieter, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig seien, ein Interesse daran gehabt hätten oder hätten, etwa in Ungarn Glücksspielstätten zu eröffnen (EuGH 11.6.2015, Berlington Hungary, C-98/14, Rn. 27, ECLI:EU:C:2015:386).
21 Nach der Rechtsprechung des EuGH stellt eine Regelung, die u.a. den Betrieb von Glücksspielautomaten ohne vorab erteilte behördliche Erlaubnis verbietet, eine Beschränkung des durch Art. 56 AEUV garantierten freien Dienstleistungsverkehrs dar (vgl. in diesem Sinne u. a. Pfleger, Rn. 39), die Zulässigkeit einer solchen Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch die Regelungen des GSpG ist dabei vom nationalen Gericht anhand der Durchführung der unionsrechtlich gebotenen Gesamtwürdigung zu prüfen (vgl. näher Pfleger, Rn. 50). Diese Prüfung wurde bereits bei der Beurteilung des Schuldvorwurfs vorgenommen und ist nicht mehr Teil des nunmehrigen Revisionsverfahrens, das ausschließlich die Frage der Rechtmäßigkeit der Höhe der verhängten Strafen zum Gegenstand hat.
22 Aufgrund des feststehenden Schuldspruchs ist im Revisionsfall aus unionsrechtlicher Sicht lediglich die Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Sanktionen zu prüfen, die für den festgestellten verbotenen Eingriff in das Monopol zu erfolgen haben.
23 Der EuGH hat in seinem Urteil vom 12. September 2019, Maksimovic u.a., C-64/18, C 140/18, C-146/18 und C-148/18 (ECLI:EU:C:2019:723), über mehrere Vorabentscheidungsersuchen entschieden, die sich mit der Verhältnismäßigkeit einschlägiger österreichischer Bestimmungen befassten, welche für den Fall der Nichtbereitstellung von Lohnunterlagen bei grenzüberschreitendem Arbeitskräfteeinsatz sowie bei Nichteinholung von Beschäftigungsbewilligungen einerseits die Verhängung von Geldstrafen jeweils pro betroffenem Arbeitnehmer, und zwar in einer Mindesthöhe, ohne Höchstgrenze der insgesamt zu verhängenden Summe solcher Geldstrafen, und andererseits Ersatzfreiheitsstrafen vorsahen.
24 Der EuGH urteilte, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der in den dortigen Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die für den Fall der Nichteinhaltung arbeitsrechtlicher Verpflichtungen in Bezug auf die Einholung verwaltungsbehördlicher Genehmigungen und auf die Bereithaltung von Lohnunterlagen die Verhängung von Geldstrafen vorsieht,
- die einen im Vorhinein festgelegten Betrag nicht unterschreiten dürfen,
- die für jeden betreffenden Arbeitnehmer kumulativ und ohne Beschränkung verhängt werden,
- zu denen im Fall der Abweisung einer gegen den Strafbescheid erhobenen Beschwerde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 20 % der verhängten Strafe hinzutritt und
- die im Fall der Uneinbringlichkeit in Ersatzfreiheitsstrafen umgewandelt werden.
Diese Rechtsprechung hat der EuGH auch auf das LSD-BG übertragen (vgl. EuGH 19.12.2019, Rs. NE gegen Bezirkshauptmannschaft Hartberg, C-645/18).
25 Im vorliegenden Revisionsfall stellt sich nun bei der Prüfung der Verhängung der Sanktionen wegen mehrerer Übertretungen des GSpG die Frage der Auslegung der Art. 56 AEUV sowie allenfalls des Art. 49 Abs. 3 GRC zur Beurteilung der Unionsrechtskonformität des § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG sowie der §§ 16 und 64 Abs. 2 VStG.
26 V. Erläuterung der Vorlagefragen:
V.1. Prüfung der Strafbemessung anhand des Art. 56 AEUV (Frage 1):
27 Die Einrichtung staatlicher Monopole ist eine Maßnahme, die den in Art. 56 AEUV verbürgten freien Dienstleistungsverkehr und die in Art. 49 AEUV verbürgte Niederlassungsfreiheit beschränkt. Eine solche Monopolregelung, die insbesondere den Vorteil bietet, die Spiellust und den Betrieb der Spiele in kontrollierte Bahnen zu lenken, kann jedoch zur Verwirklichung von im Allgemeininteresse liegenden Zielen dienen (vgl. z.B. EuGH 8.9.2010, Markus Stoß ua, C-316/07, Rn. 79, ECLI:EU:C:2010:504).
28 Solche „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ sind Verbraucherschutz, Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen (vgl. EuGH, Pfleger, Rn. 41, mwN), wobei Art. 56 AEUV einer Regelung entgegensteht, die nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung verfolgt und nicht tatsächlich dem Anliegen entspricht, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen (EuGH, Pfleger, Rn. 56).
29 Nach der Rechtsprechung des EuGH stellen die Verhinderung und die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung legitime Ziele dar, zu deren Erreichung sich die Mitgliedstaaten sowohl auf internationaler als auch auf Unionsebene verpflichtet haben (EuGH 25.4.2013, Jyske Bank Gibraltar Ltd., C-212/11, Rn. 62, ECLI:EU:C:2013:270). Dabei ist die Bekämpfung der Geldwäsche, die Teil des Ziels des Schutzes der öffentlichen Ordnung ist, ein legitimes Ziel, das eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen kann (vgl. Jyske Bank Gibraltar Ltd., Rn. 64, mwN).
30 Die Mitgliedstaaten verfügen nach dieser Rechtsprechung des EuGH „im Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen über ein ausreichendes Ermessen, um festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben. Soweit die von der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Voraussetzungen im Übrigen beachtet werden, ist es Sache jedes Mitgliedstaats, zu beurteilen, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Tätigkeiten in Bezug auf Spiele und Wetten vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen“ (vgl. Pfleger, Rn. 45, mwN).
31 Im vorliegenden Revisionsfall hat das Verwaltungsgericht im ersten Rechtsgang eine solche Prüfung des Eingriffs in die Dienstleistungsfreiheit in Form einer Gesamtwürdigung anhand der Kriterien des EuGH durchgeführt und ist zum Ergebnis gelangt, dass die Bestimmungen des GSpG, die eine Strafbarkeit von Automatenglücksspiel ohne die erforderliche Konzession vorsehen, nicht dem Unionsrecht widersprechen.
32 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision hat das vorlegende Gericht in der Schuldfrage zurückgewiesen, weil keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung geltend gemacht wurden. Im Umfang des Ausspruches über die Strafen sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens wurde das Erkenntnis vom vorlegenden Gericht aufgehoben.
33 Bei der Prüfung der gegen die im Ersatzerkenntnis vom Verwaltungsgericht durchgeführten Strafbemessung stellt sich für das vorlegende Gericht nun zunächst die Frage, ob in einem zweiten Schritt auch die Frage der Verhältnismäßigkeit der gesetzlich vorgesehenen Sanktionen, die für einen solchen Eingriff in das Monopol zu verhängen sind, ihrerseits anhand der Dienstleistungsfreiheit zu prüfen sind, oder ob dies (lediglich) anhand der innerstaatlichen Verfassungsordnung zu erfolgen hat (vgl. zu dieser bereits durchgeführten Prüfung der Verhältnismäßigkeit des § 52 Abs. 2 GSpG durch das nationale Verfassungsgericht: VfGH 10.3.2015, G 203/2014 u.a., VfSlg. 19.960, ECLI:AT:VFGH:2015:G203.2014).
34 V.2. Prüfung der Strafbemessung anhand des Art. 49 GRC:
35 Für den Fall der Verneinung der ersten Frage stellt sich für das vorlegende Gericht in einem weiteren Schritt die Frage, ob die vom vorlegenden Gericht bei der Überprüfung der vom Verwaltungsgericht durchgeführten Strafbemessung anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen als verhältnismäßig im Sinne des Art. 49 Abs. 3 GRC anzusehen sind.
36 V.3. Da die zum Verständnis der gestellten Fragen erforderlichen Erläuterungen sowohl unter dem Blickwinkel des Art. 56 AEUV als auch unter dem Blickwinkel des Art. 49 GRC nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ident sind, erfolgen diese gemeinsam, wobei zunächst die Frage nach der Auslegung des Art. 56 AEUV und im Klammerausdruck die gleichlautende Frage nach der Auslegung des Art. 49 Abs. 3 GRC angeführt wird.
37 V.3.1. Für den Fall der Bejahung der ersten Frage (Fragen 2a bis 2d) sowie für den Fall der Verneinung der ersten Frage (Fragen 3a bis 3d):
38 V.3.1.1. Vorauszuschicken ist, dass nach dem GSpG jede der in § 52 Abs. 1 inkriminierten Handlungen in Ansehung jedes einzelnen Glücksspielautomaten (bzw. Eingriffsgegenstandes) eine eigene Verwaltungsübertretung bildet (ständige Rechtsprechung des vorlegenden Gerichtes; vgl. z.B. VwGH 31.8.2016, 2013/17/0811, ECLI:AT:VWGH:2016:2013170811.X00), für die im Sinne des § 22 VStG nebeneinander Strafen zu verhängen sind (ständige Rechtsprechung des vorlegenden Gerichtes; vgl. z.B. VwGH 14.6.2018, Ra 2018/17/0055, mwN, ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170055.L00).
39 Im vorliegenden Revisionsfall hat das Verwaltungsgericht im Rahmen der Bemessung der Geldstrafen den Strafrahmen des § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG angewendet, der im Falle des erstmaligen unternehmerisch Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen mit mehr als drei Glücksspielautomaten eine Mindeststrafe von € 3.000,-- und eine Höchststrafe von € 30.000,-- pro Glücksspielautomat (bzw. Eingriffsgegenstand) vorsieht.
40 Die Strafbemessung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist: Die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht hat dabei zunächst die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat zu bewerten. In der Folge sind bei der Strafbemessung die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen (vgl. VwGH 29.1.2020, Ra 2019/09/0079, ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090079.L00). Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die einschlägigen Vorschriften des gerichtlichen Strafrechts (§§ 32 bis 35 StGB) sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung des vorlegenden Gerichtes; vgl. z.B. VwGH 27.6.2019, Ra 2018/02/0096, ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018020096.L00; VwGH 18.3.2004, 2003/05/0201, ECLI:AT:VWGH:2004:2003050201.X00, zur Berücksichtigung eines Konkursverfahrens; VwGH 16.9.2010, 2009/09/0181, ECLI:AT:VWGH:2010:2009090181.X00, zur Berücksichtigung einer langen Verfahrensdauer als Milderungsgrund).
41 Dabei ist auch zu beachten, dass die im GSpG hier pro Übertretung vorgesehene Mindeststrafe von € 3.000,-- bei der Strafbemessung im Einzelfall gemäß § 20 VStG bis zur Hälfte (d.h. auf € 1.500,-- pro Gerät) unterschritten werden kann, sofern die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist.
42 V.3.1.2. Vor dem Hintergrund der erwähnten Rechtsprechung des EuGH zur Unzulässigkeit der Verhängung von Mindeststrafen, kumulativen Geldstrafen und deren Umwandlung in Ersatzfreiheitsstrafen bei Verletzung arbeitsrechtlicher Verpflichtungen (vgl. Rs. Maksimovic) stellt sich im Revisionsfall die Frage, ob Art. 56 AEUV (sowie im Fall der Verneinung seiner Anwendbarkeit auf den vorliegenden Fall Art. 49 Abs. 3 GRC) so auszulegen ist, dass er auch einer Regelung wie § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG entgegen steht, mit anderen Worten, ob die Überlegungen des EuGH in der Rs. Maksimovic auf eine Regelung übertragbar sind, die wie § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit Strafe bedroht, entgegen § 2 Abs. 4 GSpG Glücksspiele ohne Konzession und damit auch ohne Aufsicht z.B. hinsichtlich des Spielerschutzes zu veranstalten, zu organisieren, unternehmerisch zugänglich zu machen, oder sich an ihnen als Unternehmer zu beteiligen.
43 Eine solche Vorschrift trägt, wie der Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH zur Prüfung der Zulässigkeit der Einrichtung eines Glücksspielmonopols mehrfach ausgesprochen hat, u.a. mit der Festlegung des normativen Rahmens für die behördliche Aufsicht in § 50 GSpG und der damit einhergehenden strikten behördlichen Kontrolle ausreichend Sorge dafür, dass die Ziele des Gesetzgebers tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden (vgl. z.B. VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mwN, ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170048.L00): Übertretungen des GSpG müssen wirkungsvoll geahndet werden, um dem mit einem Konzessionssystem kombinierten Monopolsystem zum Durchbruch zu verhelfen, weil es andernfalls wirkungslos wäre. Die Beachtung des Monopols (seiner Effizienz) ist vielmehr sicherzustellen (vgl. Stoß u.a., Rn. 84 ff).
44 Das vorlegende Gericht ist der Meinung, dass es sich bei den in § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG genannten Übertretungen nicht um Übertretungen bloßer Ordnungsvorschriften handelt, die administrativen Zwecken dienen. Vielmehr soll das unionsrechtlich zulässigerweise geschaffene Monopol gegen Personen gesichert werden, die keine Regelungen hinsichtlich des Spielerschutzes einhalten und sich keiner Aufsicht (etwa im Hinblick auf die Unterbindung von Geldwäsche, vgl. § 19 Abs. 7 GSpG) unterwerfen. Sanktioniert wird beispielsweise das Veranstalten verbotener Ausspielungen mit Glücksspielapparaten, die notorisch ein besonders hohes Suchtpotential und daher eine besonders hohe Gefährlichkeit mit sich bringen (vgl. hiezu VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 79, ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170048.L00). Die in § 52 Abs. 2 GSpG geregelten Strafsätze stellen pro Übertretung dabei auf die Gesamtanzahl der sogenannten Eingriffsgegenstände (insbesondere auf die Anzahl der Glücksspielautomaten) ab.
45 Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Verfahren zur Erteilung einer Konzession bzw. Bewilligung nach dem GSpG nicht bloß um einen Akt handelt, bei dem seitens des Konzessionswerbers lediglich formalen Erfordernissen Genüge getan werden muss. Vielmehr ist aufgrund der äußerst geringen Zahl der zur Vergabe stehenden Konzessionen bzw. Bewilligungen und der hohen Anforderungen, die an einen Konzessionswerber gestellt werden, im Ergebnis davon auszugehen, dass das Durchführen von Glücksspielen im Regelfall verboten ist und nicht als Ausübung einer an sich erlaubten, von den Grundfreiheiten garantierten Tätigkeit angesehen werden kann. Die Verhängung strenger Strafen kann daher nicht die Ausübung einer jedermann eingeräumten Freiheit weniger attraktiv machen, sie soll vielmehr ihrer Intention nach das Veranstalten (Organisieren, Zugänglichmachen und sich daran unternehmerisch Beteiligen) aller Arten von Glücksspielen durch Personen ohne Konzession bzw. Bewilligung und die sich daraus ergebenden negativen Effekte für das Allgemeininteresse der Gesellschaft effektiv verhindern.
46 V.3.1.3. Es stellt sich daher die Frage, ob Art. 56 AEUV (sowie Art. 49 Abs. 3 GRC) auch einer Regelung entgegensteht, deren Normzweck darin gelegen ist, eine unrechtmäßige Handlung zu unterbinden, die eine hohe Sozialschädlichkeit aufweist. Bei den in § 52 Abs. 1 GSpG umschriebenen Tatbildern handelt sich nicht um die Verletzung einer bloßen Anmeldeverpflichtung, sondern um die Beeinträchtigung gewichtiger öffentlicher Interessen, zu deren Sicherstellung nach Ansicht des österreichischen Gesetzgebers aus Gründen der General- und Spezialprävention empfindliche Strafen erforderlich sind (Regierungsvorlage 24 BlgNR 25. GP, 22 f).
47 Dabei ist nach Ansicht des vorlegenden Gerichtes getrennt zu prüfen, ob Art. 56 AEUV (sowie Art. 49 Abs. 3 GRC) vor dem Hintergrund dieses Normzwecks der im Folgenden dargestellten gesetzlich vorgegebenen Vorgangsweise bei der Strafbemessung entgegensteht:
48 V.3.1.3.1. Verhängung von Geldstrafen ohne betragsmäßige Höchstgrenze sowie Mindeststrafen(Fragen 2a und 2b bzw. Fragen 3a und 3b)
49 Zunächst ist pro Übertretung, also pro Glücksspielautomat, eine Geldstrafe von (im vorliegenden Revisionsfall) mindestens € 3.000,--zu verhängen (die jeweils unter besonderen Umständen gemäß § 20 VStG um die Hälfte unterschritten werden kann).
50 Die Gesamtsumme der gegenüber dem Beschuldigten verhängten Geldstrafen ergibt sich letztlich aus der Anzahl der Übertretungen, mithin aus der Anzahl der eingesetzten Glücksspielautomaten (bzw. Eingriffsgegenständen). Diese Vorgangsweise soll nach dem Willen des österreichischen Gesetzgebers dem durch die Tat erzielbaren wirtschaftlichen Nutzen begegnen und so das illegale Angebot zunehmend unattraktiv machen und weiter zurückdrängen (Regierungsvorlage 24 BlgNR 25. GP, 22 f).
51 Im typischen Fall der Ausmessung gleich hoher Geldstrafen pro Übertretung ergibt sich die Gesamtstrafsumme folglich aus einer Multiplikation der Anzahl der Glücksspielautomaten (bzw. Eingriffsgegenstände) mit der Höhe der einzelnen Geldstrafe. Eine unterschiedliche Bemessung der Geldstrafen pro Übertretung könnte sich hingegen etwa daraus ergeben, dass Geräte unterschiedlich lange aufgestellt waren, weil ein kürzerer Tatzeitraum entsprechend milder zu sanktionieren wäre.
52 Angesichts des im vorliegenden Revisionsfall anzuwendenden Mindeststrafsatzes (pro Glücksspielautomat bzw. Eingriffsgegenstand € 3.000,--) ergeben sich schon bei einer größeren Anzahl von Glücksspielautomaten (bzw. Eingriffsgegenständen) wie etwa im vorliegenden Revisionsfall Mindeststrafsummen von € 30.000,--, im Falle einer „Spielhölle“ mit etwa 50 Glücksspielautomaten (bzw. Eingriffsgegenständen) betrüge die Summe der Mindeststrafen bereits € 150.000,--. Die österreichischen Gesetzesmaterialien führen hiezu aus, dass die Strafdrohung nach der Schädlichkeit dadurch differenziere, dass bei Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten die dreifache Mindeststrafe vorgesehen sei. Dadurch werde einerseits die typischerweise damit einhergehende organisierte Übertretung des Gesetzes erfasst und andererseits dem typischerweise damit einhergehenden wirtschaftlichen Nutzen aus dem strafbaren Verhalten begegnet (Regierungsvorlage 24 BlgNR 25. GP, 22 f).
53 Die Gesamtsumme der Geldstrafen ist bei diesem Sanktionsmodell naturgemäß nach oben offen, weil sie zwingend von der Anzahl der aufgestellten Glücksspielautomaten (bzw. Eingriffsgegenstände) abhängig ist und das Gesetz keine Höchstgrenze für die Gesamtsumme der Geldstrafen normiert. Dies gilt auch dann, wenn die Mindeststrafen für einzelne Übertretungen gemäß § 20 VStG bis zur Hälfte unterschritten werden dürfen.
54 V.3.1.3.2. Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen (Frage 2c bzw. 3c)
55 In einem weiteren Schritt stellt sich die Frage, ob der hohe Unrechtsgehalt sowie die Sozialschädlichkeit der Übertretungen die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen rechtfertigen. Diese werden nur dann vollzogen, wenn weder der Bestrafte noch die zur Haftung verpflichtete Gesellschaft die verhängten Geldstrafen bezahlen.
56 Wird eine Geldstrafe verhängt, so ist zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen (§ 16 Abs. 1 VStG). Gemäß § 16 Abs. 2 VStG darf die einzelne Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG (Bemessung der Freiheitsstrafe) nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.
57 Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind hingegen nur bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen (§ 19 Abs. 2 letzter Satz VStG).
58 § 52 Abs. 2 GSpG sieht weder eine Freiheitsstrafe vor noch ist für die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe von § 16 Abs. 2 VStG Abweichendes vorgesehen (vgl. VwGH 28.5.2018, Ra 2018/17/0081, ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170081.L00). Die Ersatzfreiheitsstrafe beträgt daher maximal zwei Wochen pro Übertretung.
59 Nach der ständigen Judikatur des vorlegenden Gerichtes zum VStG besteht zwischen der Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe und der Geldstrafe insofern ein innerer Zusammenhang, als etwa bei der Ausmessung der Ersatzfreiheitsstrafe darauf Bedacht zu nehmen ist, ob der Beschuldigte die Übertretung vorsätzlich oder nur fahrlässig begangen hat: Würde etwa das Verwaltungsgericht eine behördlich festgesetzte Geldstrafe herabsetzen, weil anders als von der Behörde angenommen eine bloß fahrlässige Tatbegehung stattgefunden hat, so hätte dies auch in der Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe Niederschlag zu finden (vgl. näher VwGH 28.5.2013, 2012/17/0567, ECLI:AT:VWGH:2013:2012170567.X00).
60 Nach der weiteren ständigen Rechtsprechung des vorlegenden Gerichtes ist überdies dann, wenn zwischen der Höhe der verhängten Geldstrafe und der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe ein erheblicher, nach dem Verhältnis zur Höchststrafe zu bemessender Unterschied besteht, dafür eine ausreichende Begründung erforderlich (vgl. VwGH 6.9.2016, Ra 2016/09/0056, ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016090056.L00).
61 Das System der Ersatzfreiheitsstrafe soll gewährleisten, dass für die festgestellte strafbare Handlung auch im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Strafe vollzogen werden kann. Andernfalls blieben finanziell schlecht gestellte Personen straflos.
62 Ebenso wie bei der Verhängung der Geldstrafen ist aufgrund der Kumulation auch bei der Summe der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen keine gesetzliche Obergrenze vorgesehen. Auch die Dauer der insgesamt verhängten Ersatzfreiheitsstrafe ergibt sich (bei Geldstrafen in jeweils gleicher Höhe) aus der Multiplikation zwischen einer verhängten Ersatzfreiheitsstrafe mit der Anzahl der Übertretungen (Glücksspielautomaten bzw. andere Eingriffsgegenstände).
63 V.3.1.3.3. Verfahrenskostenbeitrag (Frage 2d bzw. Frage 3d)
64 Zuletzt stellt sich für das vorlegende Gericht die Frage, ob das Unionsrecht so auszulegen ist, dass es der Verhängung eines zwingenden Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens entgegensteht: Bei Erlassung eines Straferkenntnisses durch die Strafbehörde hat diese gemäß § 64 Abs. 2 VStG dem Bestraften einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen vorzuschreiben. Wird die von der Strafbehörde verhängte Sanktion vom Verwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren herabsetzt, hat das Verwaltungsgericht auch diesen behördlichen Verfahrenskostenbeitrag herabzusetzen. Dieser beträgt auch in diesem Fall 10 % der Gesamtsumme dieser herabgesetzten Geldstrafen. Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Revisionsfall die zehn Geldstrafen auf je € 4.000,-- herabgesetzt (zusammen somit 10 x € 4.000,-- = € 40.000). Der behördliche Verfahrenskostenbeitrag wurde daher vom Verwaltungsgericht in Anwendung des § 64 Abs. 2 VStG mit 10 % dieser herabgesetzten Geldstrafen, somit mit insgesamt € 4.000,-- bemessen. Das ergibt für den Revisionswerber einen Gesamtbetrag von € 44.000,-- an Geldstrafen und Verfahrenskosten.
65 V.4. Da die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht als derart offenkundig erscheint, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (vgl. hierzu das Urteil des Gerichtshofes vom 6.10.1982, Rs. 283/81, Srl. C.I.L.F.I.T. u.a.), werden die eingangs formulierten Vorlagefragen gemäß Art. 267 AEUV mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegt.
Wien, am 27. April 2020
Gerichtsentscheidung
EuGH 61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020170013.L00Im RIS seit
17.03.2021Zuletzt aktualisiert am
07.05.2021