TE Vwgh Erkenntnis 1998/2/24 97/05/0016

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.02.1998
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VStG §24;
VStG §25 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Ing. PG in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. September 1996, Zl. UVS-04/A/41/00393/96, betreffend Zurückweisung der Berufung in einer Verwaltungsstrafsache wegen Übertretung der Bauordnung für Wien (weitere Partei gemäß § 21 VwGG: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 9. Juli 1996 wurde über "Ing. PH" (das ist der frühere Familienname des Beschwerdeführers vor seiner Eheschließung am 17. Mai 1996, aufgrund der er nunmehr den Familiennamen G führt) eine Geldstrafe von S 30.000,-- verhängt, da er "als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen berufenes Organ der A. GesmbH mit Sitz in W zu verantworten" habe, "daß diese Gesellschaft als Eigentümer des Hauses in W in der Zeit vom 29.12.1994 bis 13.11.1995 insofern nicht für die Erhaltung der Baulichkeit und der dazugehörigen Anlagen in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung für Wien entsprechenden Zustand gesorgt hat, als" er es unterlassen habe, "den Verputz des strassenseitigen Krönungsgesimses instandzusetzen".

In der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen, mit seinem neuen Familiennamen - unter leserlicher Anführung auch seines Vornamens und des Titels Ingenieur - unterzeichneten Berufung führte der Beschwerdeführer aus, daß gemäß dem Kaufvertrag vom 21. Oktober 1993 zwei näher genannte Verkäufer sich vertraglich verpflichtet hätten, die gesamte Renovierung der Außenfassade zu veranlassen. Es sei daher die Aufgabe der Verkäufer, für die Verputzarbeiten am Hauptgesimse Sorge zu tragen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unzulässig zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist nach Anführung des § 63 Abs. 5 AVG, des § 51 Abs. 1 und des § 51d VStG im wesentlichen damit begründet, daß das Berufungsrecht immer nur jener Person zustehe, an die der Bescheid gerichtet sei und die damit Partei dieses Verfahrens sei. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könne nur derjenige berufen, dem der Bescheid rechtswirksam zugestellt oder verkündet worden und für den er auch inhaltlich bestimmt sei. Die belangte Behörde gehe zweifelsfrei davon aus, daß diese Berufung von "Herrn Ing. PG" erhoben worden sei. Es könne daher der Berufungswerber "Ing. PG" nicht zulässigerweise gegen das gegen "Herrn Ing. PH" gerichtete Straferkenntnis berufen, dies auch dann nicht, wenn er Mitgeschäftsführer der Gesellschaft sei, als deren nach außen zur Vertretung Befugter "Ing. PH" bestraft worden sei.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 24 VStG in Verbindung mit § 63 Abs. 5 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 471/1995 ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Gemäß § 51 Abs. 1 VStG steht dem Beschuldigten das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu.

Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß der erstinstanzliche Bescheid, auch wenn er noch unter dem früheren Familiennamen des Beschwerdeführers an diesen gerichtet und diesem zugestellt worden war, gegenüber dem Beschwerdeführer wirksam erlassen worden ist.

Der Beschwerdeführer rügt, daß die belangte Behörde ohne seine Anhörung bzw. ohne Einsichtnahme in das Firmenbuch die Berufung zurückgewiesen habe. Er habe als Laie nicht daran gedacht, die Heiratsurkunde bzw. einen Auszug aus dem Firmenbuch vorzulegen.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, Slg. Nr. 11.625/A, ausgesprochen, daß bei einem Zweifel über den Parteiantrag und dessen Zurechnung die Verpflichtung der Behörde besteht, sich im Wege der Anhörung der Partei Klarheit darüber zu verschaffen, wer Rechtsmittelwerber ist. Im Hinblick auf die weitgehende Identität der Daten (der Vorname, der Titel und die Gesellschaft, für die gehandelt wurde), hätten bei der belangten Behörde Zweifel darüber entstehen müssen, ob es sich bei dem die Berufung erhebenden "Ing. PG" nicht doch um den Bestraften "Ing. PH" handelt. Genauso wie die Behörde in dem Fall, in dem sie von der Verspätung der Erhebung eines Rechtsmittels ausgeht, die Partei dazu hören muß (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 1993, Zl. 93/09/0334, und vom 12. Juli 1994, Zl. 93/04/0138), so hätte sie auch im vorliegenden Fall dem Beschwerdeführer dazu Parteiengehör gemäß dem zufolge § 24 VStG anwendbaren § 37 AVG einräumen müssen, daß der Bescheid an "Ing. PH" gerichtet gewesen und nunmehr von "Ing. PG" Berufung erhoben worden sei. Sofern sich die belangte Behörde auf die mangelnde Mitwirkung des Beschwerdeführers beruft, ist sie darauf hinzuweisen, daß die Annahme einer Mitwirkungspflicht voraussetzt, daß der Partei von der Behörde ausreichend Gelegenheit zur Mitwirkung geboten wurde (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 221, Anm. 4 zu § 37 AVG). In diesem Sinne hätte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zur Frage der Berufungslegitmation Parteiengehör gewähren müssen. Auch nach der hg. Judikatur enthebt die Mitwirkungspflicht der Partei die Behörde ihrer aus dem Grundsatz der Amtswegigkeit erfließenden Pflicht nicht, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (im vorliegenden Fall betreffend die Berufungslegitimation) beizutragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, Zl. 92/04/0276).

Die belangte Behörde hat daher, indem sie dem Beschwerdeführer zu seiner Berufungslegitimation kein Parteiengehör eingeräumt hat, § 37 AVG verletzt. Dies stellt jedenfalls einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, weil, wenn der Beschwerdeführer entsprechend seiner Mitwirkungspflicht im Rahmen der Gewährung des Parteiengehörs den Umstand seiner Verheiratung und seiner Namensänderung angegeben hätte, die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren betreffend Stempelgebühren war im Hinblick darauf abzuweisen, daß Stempelgebühren für die Beschwerde in dreifacher Ausfertigung und für den Bescheid in einfacher Ausfertigung gebühren.

Schlagworte

Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997050016.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten