Entscheidungsdatum
05.03.2020Index
41/02 StaatsbürgerschaftNorm
StbG 1985 §19 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Stojic über die Beschwerde des Herrn A. B. (geb.: 1985, StA: Bosnien und Herzegowina), vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, vom 28.11.2019, Zl. …, mit welchem das Ansuchen um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz (StbG), abgewiesen wurde,
zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der angefochtene Bescheid behoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit dem angefochtenen Bescheid, zugestellt am 13.12.2019 hat die belangte Behörde spruchgemäß den Staatsbürgerschaftsantrag des Beschwerdeführers vom 18.05.2017 abgewiesen und in der Begründung dazu ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am 18.05.2017 um Verleihung der Staatsbürgerschaft angesucht habe und aufgrund der angeführten Vormerkungen ein Verleihungshindernis vorliege.
Dagegen hat der rechtsanwaltlich vertretene Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 08.01.2020 rechtzeitig Beschwerde eingebracht.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Nach Einsichtnahme in den Bezug habenden verwaltungsbehördlichen Akt zu Zl: … wird festgestellt:
Der nunmehrige Beschwerdeführer stellte bei der belangten Behörde am 18.05.2017 persönlich einen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Dieses Ansuchen wurde am selben Tag vom Beschwerdeführer im Hinblick auf seine zu diesem Zeitpunkt noch nicht getilgte strafrechtliche Verurteilung vollinhaltlich zurückgezogen.
Der Beschwerdeführer brachte in weiterer Folge am 23.03.2018 wiederum einen Staatsbürgerschaftsantrag ein. Die belangte Behörde führte daraufhin das Ermittlungsverfahren und erließ den oben zitierten Bescheid vom 28.11.2019.
Beweiswürdigung:
Die Feststellungen gründen sich auf den insoweit eindeutigen und unbestrittenen Akteninhalt.
Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 19 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz – StbG idF. BGBl. I. 122/2009 sind Anträge auf Verleihung und Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft persönlich bei der Behörde zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.
Gemäß § 13 Abs. 7 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991- AVG, idF. BGBl. I Nr. 57/2018 können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden.
Bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft respektive der Erledigung eines Staatsbürgerschaftsansuchens handelt es sich um einen antragsgebundenen Verwaltungsakt. Der verfahrenseinleitende Antrag kann in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden, wodurch die Entscheidungsbefugnis und die Zuständigkeit der Behörde wegfällt.
Der angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom 28.11.2019 spricht mit der Abweisung eines Antrags „vom 18.05.2017“ über ein Ansuchen ab, dass bereits vollinhaltlich zurückgezogen wurde.
Die belangte Behörde beabsichtigte mit dem angefochtenen Bescheid erkennbar wohl das spätere Staatsbürgerschaftsansuchen des Beschwerdeführers vom 23.03.2018 inhaltlich zu erledigen und ist ihr ein Fehler beim Antragsdatum unterlaufen.
Folgende Erwägungen sprechen jedoch fallbezogen gegen die Annahme eines unwesentlichen bloßen Schreibfehlers im Spruch des angefochtenen Bescheides:
Ein Anbringen (Antrag) wird regelmäßig durch das Antragsdatum und die Aktenzahl umschrieben und näher präzisiert.
Für die Bedeutung einer Aussage im Spruch eines Bescheides kommt es entscheidend darauf an, wie der Inhalt objektiv zu verstehen ist, und nicht etwa, wie ihn die belangte verstanden wissen wollte oder wie ihn der Empfänger verstand (vgl. dazu etwa VwGH 15.12.1994, Zl. 93/15/0243).
Der Spruch einer Entscheidung ist im Zusammenhang mit dessen Begründung zu verstehen, wenn wegen der Unklarheit des Spruches an seinem Inhalt Zweifel bestehen (vgl. VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0039). Die Begründung einer Entscheidung kann daher zur Auslegung eines Spruches einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, dessen Inhalt für sich allein betrachtet Zweifel offen lässt, herangezogen werden (vgl. VwGH 14.3.2018, Ra 2017/17/0722).
Bei eindeutigem Spruch ist auch die Begründung nicht zu seiner Ergänzung oder Abänderung heranzuziehen (VwGH 23.1.1996, Zl. 95/05/0210).
Die „Sache“ und damit die von der Verwaltungsbehörde zu erledigende Angelegenheit werden durch den Bescheidspruch begrenzt.
Für das Verwaltungsgericht Wien folgt daraus bindend, dass als „Sache des Beschwerdeverfahrens“, somit als Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, jene Angelegenheit anzusehen ist, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001 u.a.).
Den Antrag im Spruch mit einem (gänzlich) anderen Datum zu bezeichnen stellt nach hg. Ansicht einen wesentlichen Mangel dar. Dies insbesondere auch deshalb, da es sich hier nicht um eine reine Verwechslung von Zahlen handelt, vielmehr auf ein tatsächlich auch eingebrachtes früheres Ansuchen abgestellt wird. Aus der Bescheidbegründung lässt sich ebenfalls nichts Gegenteiliges gewinnen, da diese ebenfalls ausschließlich auf den bereits zurückgezogenen Antrag vom 18.05.2017 Bezug nimmt.
Dem Verwaltungsgericht Wien ist es überdies verwehrt den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens durch Änderung des Antragsdatums, auf das sich ein (antragsbedürftiger) Bescheid in seinem Spruch bezieht, auszutauschen. Dies würde die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts überschreiten.
Die belangte Behörde wird in weiterer Folge somit über den Antrag des Beschwerdeführers vom 23.03.2018 zu entscheiden haben.
Zu den aufscheinenden Vormerkungen des Beschwerdeführers wird angemerkt, dass sich das zweifelsfrei als gravierend einzustufende strafbare Verhalten der schweren Körperverletzung (und das damit verbundene, mittlerweile aufgehobene Waffenverbot) auf einen Vorfall beziehen, welcher mehr als acht Jahre zurückliegt. Für eine aktuelle Gefährdungsprognose kommt es daher entscheidend auf das seither gezeigte Verhalten des Betroffenen an. Durch den Verweis auf zwei Verkehrsstrafen in der jüngeren Vergangenheit wird die Schwere des (neuerlichen) Fehlverhaltens und sich ein daraus zu schließendes negatives Charakterbild noch nicht ausreichend deutlich gemacht.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Antrag; Anbringen; Spruch; Auslegung; Sache des Beschwerdeverfahrens; Prozessgegenstand; MangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.152.080.1226.2020Zuletzt aktualisiert am
17.07.2020