Index
L37152 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Josef Rauter in Annenheim, vertreten durch Dr. Christian Kleinszig und Dr. Christian Puswald, Rechtsanwälte in St. Veit an der Glan, Unterer Platz 11, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 1. August 1997, Zl. 8 B-BRM-39/1/1997, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. Dr. Thomas Seelich in Wien und
2. Dr. Sabine Cramer in München, beide vertreten durch Clementschitsch - Flucher - Köffler, Rechtsanwälte in Villach, Moritschstraße 11), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860.- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstückes Nr. 364 der Liegenschaft EZ 545 der KG Sattendorf, welches am nördlichen Siedlungsrand der Ortschaft Annenheim am Fuße der Gerlitze liegt. Südlich wird dieses Grundstück durch den öffentlichen Weg Grundstück Nr. 518/2, KG Sattendorf, begrenzt. Richtung Norden steigt das Gelände dieses Grundstückes steil an. Im Osten grenzt an dieses Grundstück das Grundstück Nr. 407/10 desselben Grundbuches, welches im Miteigentum der mitbeteiligten Parteien steht.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Treffen vom 27. April 1983 wurde dem Beschwerdeführer die "Baubewilligung betreffend Errichtung eines Zubaues für Wirtschaftszwecke" auf dem Grundstück Nr. 364, KG Sattendorf, unter Nebenbestimmungen erteilt. U.a. wurde dem Beschwerdeführer vorgeschrieben, daß die "Situierung des geplanten Zubaues ... laut eingereichten Lageplan und der Abstandsflächenberechnung vorzunehmen" ist. Diesem Lageplan ist zu entnehmen, daß der in einer Größe von 9,50 m x 12,50 m geplante und bewilligte Bau derart an das bestehende Wohngebäude anzubauen ist, daß dessen nordwestlichster Teil von der nördlichen Grundstücksgrenze 3,75 m und dessen südöstlichster Teil von der östlichen Grundstücksgrenze 3,50 m entfernt ist.
Mit Ansuchen vom 5. April 1993 beantragte der Beschwerdeführer die "Genehmigung der Auswechslungspläne für den mit Bescheid vom 27.4.1983" genehmigten Zubau mit folgender "Änderungsbeschreibung":
"1.) Situierung: Das Gebäude bleibt in den Außenmaßen unverändert und wird um 4,70 m in Richtung Süden verschoben.
2.) Die Raumteilung entfällt zur Gänze. Es wird nur als ein Raum ausgeführt.
3.) Das bestehende Fenster vom Wohnhaus wird brandhemmend verschlossen."
In der über diesen Antrag durchgeführten Verhandlung der Baubehörde erster Instanz vom 13. Mai 1993 wendeten die mitbeteiligten Parteien ein, daß die Zustimmung der Voreigentümerin seinerzeit für den Fall der planmäßigen Errichtung erteilt worden sei, für die konsenswidrige Errichtung des Baues die nachträgliche Zustimmung jedoch nicht erteilt werde. "Gegen die Genehmigung des Baues im derzeitigen Bestand sprechen sich beide Nachbarn ausdrücklich dagegen aus, weil durch den errichteten Bau die in der Bauordnung garantierten Nachbarrechte in allen Belangen verletzt werden. Dies trifft für erforderliche Abstandsflächen und Erreichbarkeit des Zubaues für den eingeräumten Servitutsweg zu." Der Vertreter des Beschwerdeführers erklärte hiezu, daß der bewilligte Bau "lediglich aufgrund der Bodengegebenheiten (Felsen) ca. 4,10 m Richtung Süden" verschoben worden sei. Dadurch sei es zu keinerlei Änderung der Abstandsfläche zu dem Grundstück der mitbeteiligten Nachbarn gekommen, sodaß keine Veranlassung dafür bestehe, die von deren Rechtsvorgängerin seinerzeit erteilte Zustimmung zu widerrufen. Darüber hinaus begründe selbst die Nichteinhaltung der erforderlichen Abstandsfläche kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht. Es lägen die Voraussetzungen des § 9 der Kärntner Bauvorschriften vor.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Treffen vom 29. September 1993 wurde dem Ansuchen des Beschwerdeführers um "Abänderung der Baubewilligung vom 27.4.1983 bei Einhaltung der Vorschreibungen und Auflagen Folge gegeben". Aufgrund der Situierung des Nebengebäudes und des Geländeverlaufes könne § 9 der Kärntner Bauvorschriften angewendet werden, da durch die Baumaßnahmen keine Einschränkung der Nachbarrechte gegeben sei. Die dagegen erhobene Berufung der mitbeteiligten Nachbarn wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Treffen vom 18. Februar 1994 als unbegründet abgewiesen.
Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 19. April 1994 wurde der vorgenannte Berufungsbescheid aufgrund der Vorstellung der mitbeteiligten Nachbarn aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde zurückverwiesen, weil diesen ein Rechtsanspruch darauf zustehe, daß die Verringerung der Abstandsflächen nach § 9 der Kärntner Bauvorschriften nur erfolgen dürfe, wenn die dort genannten Voraussetzungen hiefür gegeben seien.
Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Treffen vom 13. März 1996 wurde die Berufung der mitbeteiligten Nachbarn gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Treffen vom 29. September 1993 "zurückgewiesen", weil die Voraussetzungen für die Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen gemäß § 9 der Kärntner Bauvorschriften vorlägen.
Über die Vorstellung der mitbeteiligten Nachbarn wurde hierauf mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 2. August 1996 dieser Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Treffen aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen. Es sei zunächst die Frage zu beantworten, ob das Bauvorhaben der Größe und der Form des Grundstückes angepaßt sei. Sei dies nämlich nicht der Fall, komme eine Verringerung der Abstandsflächen nicht in Betracht.
Der von der Berufungsbehörde in der Folge beigezogene Bausachverständige erstattete folgendes Gutachten:
"...
Auf dem Grundstück Nr. BA 364, KG Sattendorf, befinden sich mehrere Objekte. ... Das Grundstück selbst stellt in der Natur, durch Böschungsmauern und Baukörper gesichert, nahezu ebene Flächen dar, die teilweise gewachsen und teilweise durch Aufschüttungen entstanden sind. Das Urgelände ist leichter bis schwerer Felsboden.
An der Ostseite des bestehenden Hauptbaukörpers, welcher zur östlichen Grundgrenze einen Abstand von ca. 14 bzw. 14,75 m aufweist, befindet sich der laut Einreichunterlagen vorgesehene Zubau mit den Abmessungen von 17,5 x 9,5 m. Dieser Zubau wurde aufgrund einer Baubewilligung des Bürgermeisters der Marktgemeinde Treffen vom 27.4.1983, ... erteilt und in der Zwischenzeit auch errichtet.
Entgegen des Bewilligungsbescheides wurde die Situierung desselben dahingehend geändert, daß dieser, bedingt durch die vorhandenen Bodenverhältnisse (Fels), um 4,70 m nach Süden verschoben wurde, sodaß sich zur östlichen Grundgrenze an der nördlichen Außenmauer ein Abstand von 2,40 m und an der südlichen Außenmauer ein solcher von 1,90 m ergibt. Entlang der östlichen Außenmauer des Zubaues wurde eine Freitreppe von Süden nach Norden ansteigend errichtet, welche auf die Terrassenfläche des Zubaues führt und gegen Osten (zum Grundstück Nr. 407/10, KG Sattendorf) durch eine Stützmauer abgesichert ist.
Die Höhe des Zubaues beträgt an der Südostecke, und zwar an der Ostseite, gemessen von der Oberkante bis zur Auftrittsfläche der Stufe, 2,54 m, an der Südseite vergrößert um eine Stufenhöhe von 18 cm, 2,72 m, liegt somit über der Berechnungsgrundlage von 2,50 m, sodaß die Abstandsflächenregelung nach den Kärntner Bauvorschriften anzuwenden ist.
Die Höhe der Stützmauer und somit das weiter östlich angrenzende Niveau des Anrainergrundstückes beträgt 1,80 m, gemessen vom Podest der Freitreppe. Daraus ergibt sich, daß das angrenzende Niveau als gedachte Verlängerung bis zur südöstlichen Gebäudeecke lediglich um 1,24 m tiefer liegt als das Niveau der Terrassenfläche.
...
Der östliche Teil des Grundstückes, und zwar östlich des bestehenden Wohnobjektes (BA 364) stellt eine nach Norden ansteigende, nahezu rechteckige Grundfläche (gesehen von der südlichen Gebäudeflucht des Bestandes mit der Ost- und Nordgrenze des Baugrundstückes) dar.
Dieser Grundstücksflächenform und der Größe ist der Standort des beantragten Zubaues als angepaßt zu bezeichnen. Dies auch aus dem Grunde, als in Verbindung mit der Notwendigkeit der Größe des Zubaues eine andere Fläche auf dem Baugrundstück infolge sonstiger vorhandener Baulichkeiten nicht zur Verfügung steht.
Außerdem wird durch die geplante Ausführung weitgehendst auf das Ortsbild Rücksicht genommen, da nahezu der gesamte Baukörper in das Gelände gebaut ist und hauptsächlich nur die Südfassade zur Gänze sichtbar ist.
Der südliche Bereich, auf welchem die ursprüngliche Baubewilligung erteilt worden war, stellt in der Natur leichten bis schweren Fels dar, wobei für die Bebauung desselben verhältnismäßig hohe Aufwendungen zur Schaffung der Baulandreife erforderlich wären. Für eine solche Baulandreife wären teilweise Sprengungen unumgänglich, wodurch auch Beeinträchtigungen des bestehenden Wohnhauses nicht auszuschließen wären. Um solchen Eventualfällen bzw. Schäden vorzubeugen, die eine Verteuerung des Bauvorhabens zweifelsfrei mit sich bringen würden, wird eine Verringerung der Abstandsfläche in Erwägung gezogen.
Durch das geplante bzw. bereits errichtete Vorhaben wird außerdem der Lichteinfall im Sinne des § 48 Abs. 1, erster und zweiter Satz nicht verhindert, da die Höhenlage des angrenzenden Grundstückes lediglich mit einer Differenz von 1,24 m gegeben ist. Eine Errichtung von Gebäuden des unbebauten Nachbargrundstückes wird bei Einhaltung der sich aus §§ 4 bis 7 ergebenden Abstände nicht verhindert, ebenso wenig wie eine Verbauung entsprechend dem Bebauungsplan.
Aus diesen Gründen liegen auch die Möglichkeiten der Verringerung der Tiefe von Abstandsflächen nach § 9 Abs. 2 lit. b, c und d vor und könnte die Baubehörde diese anwenden."
Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Treffen vom 25. Februar 1997 wurde die Berufung der mitbeteiligten Parteien gegen den Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 29. September 1993 abgewiesen. Aufgrund des eingeholten Amtssachverständigengutachtens käme im gegenständlichen Fall eine Verringerung der Tiefe von Abständen gemäß § 9 Abs. 2 Kärntner Bauvorschriften in Betracht.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 1. August 1997 wurde auf Grund der Vorstellung der mitbeteiligten Parteien dieser Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Treffen gemäß § 95 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1993, LGBl. Nr. 77, aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Baubehörden zurückverwiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde hiezu aus, daß bereits in ihrem aufhebenden Bescheid vom 2. August 1996 hervorgehoben worden sei, daß bei der Frage der zweckmäßigen Bebauung wirtschaftliche Gesichtspunkte zweifelsfrei eine Rolle spielten, weil jedes Grundstück nur dann als zweckmäßig bebaubar beurteilt werden könne, wenn eine wirtschaftlich vernünftige Bauführung zulässig sei, also ein entsprechend langer und breiter Baukörper unter Einhaltung der gesetzlichen Abstandsvorschriften errichtet werden könne. Wäre die Errichtung eines solchen Baukörpers unzulässig, dann könnte von einer zweckmäßigen Bebauung nicht gesprochen werden und es wäre durch die Gewährung einer Ausnahme eine zweckmäßigere Bebauung zuzulassen. Mag auch zutreffen, daß aufgrund der Bodenverhältnisse eine Änderung der ursprünglich genehmigten Situierung durch eine Verschiebung um 4,20 m notwendig und auch wirtschaftlich vertretbar sei, wäre es jedoch möglich, einen dem Grundstück angepaßten, entsprechend langen und breiten Baukörper unter Einhaltung der gesetzlichen Abstandsvorschriften im östlichen Bereich zu errichten. Es spreche nichts gegen die Auffassung, daß eine wirtschaftlich vernünftige Bauführung auch unter der Voraussetzung zulässig sei, daß die Länge des Baukörpers so weit verringert werde, daß der gesetzliche Abstand gegeben sei. Gehe man von dem gesetzlich geforderten Mindestabstand von 3 m aus, würde dies bedeuten, "daß der Baukörper an der Ostseite lediglich um 60 cm an der nördlichen Außenkante und um 1,10 m an der südlichen Außenkante gekürzt werden müßte", sodaß der Zubau immer noch eine Länge von 11,90 m bzw. 11,40 m aufweisen würde, d.h. noch eine wirtschaftlich vertretbare Bauführung möglich wäre, zumal es sich im vorliegenden Fall lediglich um die Errichtung eines Wirtschaftsraumes handle. Inwiefern genau die im Plan ausgewiesene Größe für den Verwendungszweck erforderlich sei, lasse sich den Aktenunterlagen nicht entnehmen. Eine Ausnahmebestimmung dürfe keinesfalls so ausgelegt werden, daß zu Lasten des Nachbarn jede beliebige größere Ausnützung des Bauplatzes zulässig wäre; nicht einmal eine aus wirtschaftlichen Gründen beabsichtigte Erweiterung eines Betriebes für sich allein genommen rechtfertige eine Ausnahme von geltenden Abstandsvorschriften unter dem Titel einer zweckmäßigen Bebauung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht "auf Verringerung der Tiefe von Abstandsflächen betreffend die Errichtung eines Zubaues" auf dem Grundstück des Beschwerdeführers verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer vor, auch bei einer vollkommen konsenslosen Errichtung eines Bauwerkes verliere der Bauwerber seinen Rechtsanspruch auf Verringerung der Tiefe von Abstandsvorschriften nicht und könnten demnach die Bestimmungen des § 9 Kärntner Bauvorschriften auch im Fall einer nachträglichen Baubewilligung zur Anwendung kommen. Der Beschwerdeführer könne aufgrund der geologischen Verhältnisse nicht verpflichtet werden, den Zubau zu verkürzen, zumal die Größe von 105,60 m2 für die Verwendung als Wirtschaftsraum erforderlich sei. Alle Voraussetzungen des § 9 Kärntner Bauvorschriften seien erfüllt. Die Errichtung des Zubaues in der vorhandenen Größe sei für den Beschwerdeführer, der eine Fremdenpension betreibe, unerläßlich. Es handle sich um einen Zubau an das Haupthaus, welcher wegen der nördlich und südlich des Hauptgebäudes vorhandenen natürlichen Terrassenbildung, der besonderen geologischen Verhältnisse und der darüber hinaus südlich des Hauptgebäudes unterirdisch errichteten Garagen und des Transformatorhäuschens nur in Richtung Osten an das Hauptgebäude habe angebaut werden können. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 2 lit. a bis d Kärntner Bauvorschriften lägen vor. Im Verfahren seien nie Einwände dahingehend erhoben worden, daß die gegenständliche Bauführung zu Lasten der Nachbarn gehe. Nachteile der Nachbarn seien auch von der belangten Behörde nicht festgestellt worden. Das Nachbargrundstück sei im Bereich des Zubaues gänzlich unbebaut und nicht kultiviert. Es sei kein objektiver Grund erfindlich, warum der seit Jahren in der Natur vorhandene Zubau die Nachbarn in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzen sollte.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligten Parteien erstatteten ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. II Abs. 2 der Übergangsbestimmungen des Gesetzes LGBl. Nr. 44/1996 betreffend die Wiederverlautbarung der Kärntner Bauordnung (Kärntner Bauordnung 1996 - K-BO 1996) ist auf den Beschwerdefall die Kärntner Bauordnung 1992, LGBl. Nr. 64 (in der Folge: BO), anzuwenden.
Gemäß § 21 Abs. 2 BO sind Anrainer, die in Baubewilligungsverfahren Parteistellung genießen, die Eigentümer der im Einflußbereich des Vorhabens liegenden Grundstücke.
Gemäß Abs. 5 dieses Paragraphen sind öffentlich-rechtliche Einwendungen der Parteien (Abs. 4) im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf die Bestimmungen des Baurechtes oder der Bebauungspläne stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Hiezu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bebauungsweise, die Ausnutzbarkeit des Baugrundstückes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Grundstücksgrenzen und von Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen auf Nachbargrundstücken, die Gebäudehöhe sowie jene Bestimmungen, die dem Schutz der Nachbarschaft in gesundheitlichen Belangen, im Interesse der Brandsicherheit oder gegen Immissionen dienen.
Bestimmungen über die Abstände von Grundstücksgrenzen und von Gebäuden im Sinne des § 21 Abs. 5 BO, welche auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen, ergeben sich entweder aus den §§ 4 bis 10 der Kärntner Bauvorschriften oder aus einem Bebauungsplan (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. August 1996, Zl. 96/05/0069). § 9 der hier maßgeblichen Bauvorschriften, auf welchen sich der Beschwerdeführer beruft, hat folgenden Wortlaut:
"§ 9
Verringerung der Tiefe von Abstandsflächen
(1) Die sich aus §§ 4 bis 7 ergebende Tiefe von Abstandsflächen ist zu verringern, wenn in einem vorhandenen Baubestand bereits Abstände verwirklicht sind, die von den Bestimmungen der §§ 4 bis 7 abweichen, Interessen der Sicherheit nicht entgegenstehen und insgesamt ein den öffentlichen Interessen zumindest in gleicher Weise wie bisher entsprechender Zustand beibehalten wird.
(2) Die Tiefe der Abstandsflächen ist überdies zu verringern, wenn das Vorhaben, obwohl es der Größe und Form des Grundstückes angepaßt ist, ohne Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen nicht errichtet werden könnte und wenn
a) im Hinblick auf die Lage und Form des Grundstückes sowie eine zweckmäßige Bebauung und den Verwendungszweck des Gebäudes keine Interessen der Gesundheit oder der Sicherheit oder des Schutzes des Ortsbildes verletzt werden,
b) bei auf dem eigenen oder auf benachbarten Grundstücken bestehenden sowie auf dem eigenen Grundstück zu errichtenden Gebäuden, die Aufenthaltsräume enthalten, ein Lichteinfall im Sinne des § 48 Abs. 1 erster und zweiter Satz nicht verhindert wird,
c) eine der Größe und Form von unbebauten benachbarten Grundstücken entsprechende Errichtung von Gebäuden bei Einhaltung der sich aus §§ 4 bis 7 ergebenden Abstände nicht verhindert wird und
d) eine nach einem Bebauungsplan mögliche Verbauung von unbebauten Nachbargrundstücken bei Einhaltung der sich aus §§ 4 bis 7 ergebenden Abstände nicht verhindert wird."
Im vorhandenen Baubestand, worunter die zulässigerweise errichteten baulichen Anlagen zu verstehen sind, auf dem Grundstück des Beschwerdeführers wurden keine Abstände verwirklicht, die von den Bestimmungen der §§ 4 bis 7 der Bauvorschriften abweichen, weshalb § 9 Abs. 1 der Kärntner Bauvorschriften im Beschwerdefall nicht zur Anwendung kommen kann. Auch die Beschwerdeausführungen stützen sich nicht auf diese Gesetzesstelle.
Die Anwendung des Abs. 2 des § 9 Kärntner Bauvorschriften erlaubt eine Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen - abgesehen von den weiteren Tatbestandsmerkmalen der lit. a bis d dieser Gesetzesstelle - dann, wenn das Vorhaben, obwohl es der Größe und Form des Grundstückes angepaßt ist, ohne Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen nicht errichtet werden könnte. Für die Zulässigkeit der Verringerung der Tiefe der nach den Kärntner Bauvorschriften vorgesehenen Abstandsflächen ist nicht - wie dies aus der Begründung des angefochtenen Bescheides hervorleuchtet - von einer "zweckmäßigen Bebauung" unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte auszugehen (das Tatbestandsmerkmal "zweckmäßige Bebauung" findet sich nur in lit. a des § 9 Abs. 2 Kärntner Bauvorschriften bei Berücksichtigung der Interessen der Gesundheit, Sicherheit und des Schutzes des Ortsbildes), vielmehr hat die Behörde das vom Baubewilligungsantrag umfaßte Bauvorhaben dahingehend zu prüfen, ob es der Größe und Form des Grundstückes angepaßt ist und ohne Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen nicht errichtet werden könnte. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Einleitungssatz der Kärntner Bauvorschriften hat daher die Behörde auch nicht zu beurteilen, "inwiefern genau die im Plan ausgewiesene Größe für den Verwendungszweck erforderlich wäre", wie dies die belangte Behörde vermeint. Aufgrund der von der Berufungsbehörde, gestützt auf das Gutachten des Amtssachverständigen, getroffenen Feststellungen ist im Beschwerdefall davon auszugehen, daß das hier zu beurteilende Bauvorhaben des Beschwerdeführers der Größe und Form seines Grundstückes angepaßt ist. Die mitbeteiligten Parteien sind diesen Feststellungen nicht auf gleicher fachlicher Ebene begründet entgegengetreten. Der Sachverständige führte in seinem Gutachten auch aus, daß aufgrund der Größe des Vorhabens eine andere Fläche auf dem Baugrundstück infolge sonstiger vorhandener Baulichkeiten nicht zur Verfügung steht. Der südliche Teil des Grundstückes stelle in der Natur leichten bis schweren Fels dar. Eine Bebauung dieses Bereiches würde verhältnismäßig hohe Aufwendungen erfordern; Sprengungen wären unumgänglich, Beeinträchtigungen des bestehenden Wohnhauses könnten nicht ausgeschlossen werden. Diese fachkundigen Ausführungen sind in die insoweit unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Berufungsbescheides eingeflossen. Aufgrund dieses Sachverhaltes ist davon auszugehen, daß aus wirtschaftlichen Gründen und solchen der Sicherheit von Personen und Sachen das hier zu beurteilende Bauvorhaben auf dem Grundstücksteil, der hiefür ursprünglich vorgesehen war (Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Treffen vom 27. April 1983), nicht errichtet werden kann. Auch die mitbeteiligten Parteien nahmen in ihrer Vorstellung an, daß das Bauvorhaben unter Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen bzw. konsensgemäß nur "angepaßt" errichtet werden kann.
Aus diesen Gründen erweist sich somit die im angefochtenen Bescheid vertretene Rechtsansicht der belangten Behörde, die Anwendbarkeit des § 9 Abs. 2 Kärntner Bauvorschriften über die Verringerung der Tiefe von Abstandsflächen erfordere eine Überprüfung, ob eine (andere) wirtschaftlich vertretbarere Bauführung noch möglich wäre, als rechtsirrig. Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, daß das Recht des Nachbarn auf Einhaltung des Seitenabstandes insoweit relativiert ist, als dem Nachbarn ein Rechtsanspruch darauf zusteht, daß nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die (vom Bauwerber begehrte) Ausnahme gewährt wird (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 15. September 1992, Zl. 89/05/0201). Ob die unter lit. a bis d angeführten Tatbestandsvoraussetzungen für die Zulässigkeit der Verringerung der Tiefe von Abstandsflächen nach § 9 Abs. 2 Kärntner Bauvorschriften im gegenständlichen Beschwerdefall vorliegen, kann derzeit vom Verwaltungsgerichtshof abschließend nicht beurteilt werden, weil aufgrund der Rechtsansicht der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid eine diesbezügliche Begründung unterblieben ist.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Im Hinblick auf die Erledigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
Baubewilligung BauRallg6Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997050251.X00Im RIS seit
18.02.2002Zuletzt aktualisiert am
21.01.2010