TE Vfgh Beschluss 1996/6/10 B520/96

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Veröffentlicht am 10.06.1996
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §148 Abs2

Leitsatz

Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist; irrtümliche Falschadressierung des Beschwerdekuverts als bloß minderer Grad des Versehens; Kenntnis dieses Hindernisses erst durch Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes

Spruch

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist wird bewilligt.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Beschwerdeführer erhob am 10. Juli 1995 gemäß Art144 B-VG Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 19. Mai 1995, Z Ge-211336/35-1995/Myh/H, mit dem ihm die Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes, eingeschränkt auf das Kehrgebiet Linz-Land, untersagt worden war. Diese Beschwerde wurde zwar am letzten Tag der Beschwerdefrist, jedoch mittels eines an den Verwaltungsgerichtshof adressierten Kuverts zur Post gegeben, wodurch es zur Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof kam. Der Verfassungsgerichtshof hat aus diesem Grund die Beschwerde mit Beschluß vom 28. November 1995, Z B2185/95-5, zurückgewiesen.

2. Mit Schriftsatz vom 1. Februar 1996 beantragte der Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, er sei durch ein unabwendbares Ereignis ohne sein Verschulden an der Wahrung der Beschwerdefrist gehindert gewesen.

Die tägliche Abfertigung der Poststücke obliege seit vielen Jahren einer verläßlichen Mitarbeiterin seines Beschwerdevertreters. Sie sei für diese Aufgabe entsprechend geschult worden und werde bei dieser Tätigkeit regelmäßig durch den Beschwerdevertreter selbst überprüft. Durch die am Tag der Postaufgabe der Beschwerde herrschende besondere Arbeitsbelastung, die durch die vorangegangene berufsbedingte Abwesenheit des Beschwerdevertreters hervorgerufen worden war, sei es zur irrtümlichen Falschadressierung des Beschwerdekuverts gekommen. Ein derartiger Fehler sei der Kanzleiangestellten bisher noch nie unterlaufen. Dieses Versehen könne daher - wenn überhaupt - nur als minderer Grad des Versehens angesehen werden.

II. 1. Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der ZPO sinngemäß anzuwenden: Gemäß §148 Abs2 ZPO muß der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen 14 Tagen nach Wegfall des Hindernisses, welches die Versäumung verursachte, gestellt werden.

Die rechtzeitige Einbringung der Beschwerde wurde durch die irrtümliche Falschadressierung des Beschwerdekuverts verhindert. Dieses Hindernis gelangte dem Beschwerdeführer erst durch die am 18. Jänner 1996 erfolgte Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses zur Kenntnis und fiel damit zu diesem Zeitpunkt weg. Die Frist des §148 Abs2 ZPO hat daher mit diesem Tag zu laufen begonnen.

Da der Wiedereinsetzungsantrag am 1. Februar 1996 zur Post gegeben wurde, ist er rechtzeitig.

2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auch begründet.

Gemäß §146 Abs1 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1981, 11706/1988).

Nach dem vom Verfassungsgerichtshof als glaubhaft angenommenen Vorbringen des Beschwerdeführers kann der Verfassungsgerichtshof - zumal ja nur das Beschwerdekuvert falsch adressiert wurde, die vom Verwaltungsgerichtshof weitergeleitete Beschwerde aber auf der ersten Seite den Verfassungsgerichtshof als Adressaten bezeichnet - nicht finden, daß der unterlaufene Fehler einen minderen Grad des Versehens übersteigt und der Fristversäumung mehr als leichte Fahrlässigkeit zugrundeliegt (vgl. VfSlg. 12372/1990).

3. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher zu bewilligen.

Dieser Beschluß konnte gemäß §33 zweiter Satz VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B520.1996

Dokumentnummer

JFT_10039390_96B00520_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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