TE Vwgh Erkenntnis 2020/6/19 Ra 2020/03/0014

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Veröffentlicht am 19.06.2020
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Index

L65007 Jagd Wild Tirol
001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §52
JagdG Tir 1959 §5 Abs1
JagdG Tir 2004 §5
JagdG Tir 2004 §5 Abs5
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der T Vgenossenschaft I, vertreten durch Riedmüller & Mungenast Rechtsanwälte OG in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 11. Dezember 2019, Zl. LVwG-2019/23/1885-5, betreffend Feststellung einer Eigenjagd nach dem Tiroler Jagdgesetz 2004 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Landeck), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Die revisionswerbende Partei ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 161, KG 84005 I, bestehend aus den Grundstücken GSt.-Nr. 2252 und 2253. Laut Grundbuch weisen die beide Grundstücke eine Gesamtfläche von (gerundet) 123,5 Hektar auf. Die Liegenschaft stellt sich in der Natur als ehemalige Almfläche mit teilweise ausgeprägter hochalpiner Lage (von 1.980 bis 2.610 Metern Seehöhe) dar. Auf ihr finden sich bewachsene Almflächen, aber auch Felsstürze, Schotterreisen und felsdurchsetzte Steilflächen.

2        Mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2017 beantragte die revisionswerbende Partei die Feststellung des Vorliegens einer Eigenjagd auf der beschriebenen Liegenschaft.

3        Diesen Antrag wies das Landesverwaltungsgericht Tirol mit dem angefochtenen Erkenntnis - in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Landeck (belangte Behörde) vom 12. August 2019 - gemäß § 4 Abs. 2 iVm § 5 Abs. 5 Tiroler Jagdgesetz 2004 (TJG 2004) als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

4        Es stellte fest, dass die in Rede stehende Liegenschaft eine Gesamtfläche von 1.235.050 m2 aufweise. Rund 3,28 Hektar der Gesamtfläche seien über 120 Prozent steil, die Ödflächen machten 31,95 Hektar abzüglich 1,6 Hektar aus. Zusammengefasst errechne sich eine Gesamtfläche an land- und forstwirtschaftlich nutzbaren Flächen von 90,47 Hektar.

5        Beweiswürdigend stützte sich das Verwaltungsgericht auf die Ausführungen des beigezogenen Amtssachverständigen DI J. Dieser habe zu Recht „vegetationsarme Flächen“ des Grundstücks im Sinne der Benützungsarten-Nutzungs-Verordnung (BANU-V) nicht als land-, forst- oder almwirtschaftlich nutzbar angesehen und daher bei der Berechnung der land- oder forstwirtschaftlich nutzbaren Flächen im Sinne des § 5 Abs. 5 TJG 2004 nicht in Ansatz gebracht. Vor diesem Hintergrund sei dem Privatgutachter der revisionswerbenden Partei, der die gesamte Liegenschaft als land- oder forstwirtschaftlich nutzbar angesehen habe, nicht zuzustimmen.

6        Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, dass nach § 5 Abs. 5 TJG 2004 eine demselben Eigentümer gehörige zusammenhängende land- oder forstwirtschaftlich nutzbare Fläche im Ausmaß von 115 Hektar unter näher bestimmten Umständen als Eigenjagd festzustellen sei. Hierdurch habe der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass nicht jegliche Grundfläche zur Berechnung heranzuziehen sei, sondern eben nur jene Fläche, die einer land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung zugänglich sei. Im vorliegenden Fall sei die revisionswerbende Partei zwar Eigentümerin einer Liegenschaft im Ausmaß von rund 123,5 Hektar, davon sei aber nur ein bestimmter Teil (nämlich selbst nach der für die revisionswerbende Partei vorteilhaftesten Berechnung unter Einbeziehung der vom Sachverständigen abgezogenen Steilhänge höchstens 94,83 Hektar) land- oder forstwirtschaftlich nutzbar. Damit fehle bereits grundlegend die Voraussetzung der Mindestfläche von 115 Hektar land- oder forstwirtschaftlich nutzbarer Grundfläche, weshalb der Antrag abzuweisen gewesen sei.

7        Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit Hinweis auf die gesetzlichen Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG, die fallbezogen nicht vorlägen.

8        Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Sie macht zur Zulässigkeit und in der Sache im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht habe den Rechtsbegriff der land- oder forstwirtschaftlich nutzbaren Fläche in § 5 TJG 2004 unrichtig ausgelegt. Es habe dazu fehlerhaft auf Begriffsbestimmungen der BANU-V zurückgegriffen (dabei handle es sich um eine auf der Grundlage des § 10 Abs. 2 Vermessungsgesetz erlassene Verordnung, der im gegebenen Zusammenhang keine rechtliche Verbindlichkeit zukomme), statt den Begriff autonom aus dem TJG 2004 zu interpretieren. Auch habe das Verwaltungsgericht den Aussagen des Privatgutachters zu wenig Beachtung geschenkt, wonach es sich bei der beantragten Eigenjagd um das Gebiet der „A-Alm“ handle, welche von der revisionswerbenden Partei bis in die 1960er-Jahre hinein als Stieralm betrieben worden sei. Über den Sommer seien jeweils ca. 20 Stiere aus den Betrieben und Zuchtvereinen der lokalen Rinderzüchter auf die Alm getrieben worden. Diese hätten auch in den steilen Hängen (bis zu den Graten an der Almgrenze) gegrast, sodass alle Stellen, an denen Gras zu finden gewesen sei, von den Stieren beweidet worden seien. Dies gelte auch für die steilen, steindurchsetzten Kare. Am durchgängigen Bewuchs der gesamten Almfläche mit Gras habe sich bei heute nichts geändert. Das Mindesterfordernis des Vorhandenseins einer entsprechenden land- oder forstwirtschaftlich nutzbaren Fläche von 115 Hektar wäre daher zu bejahen gewesen.

9        Die belangte Behörde hat zu dieser Revision keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10       Die Revision ist zulässig und begründet.

11       Das Verwaltungsgericht hat eine Auslegung der Wendung „land- oder forstwirtschaftlich nutzbare Grundfläche im Ausmaß von mindestens 115 Hektar“ in § 5 Abs. 5 TJG 2004 vorgenommen, ohne sich dabei auf höchstgerichtliche Rechtsprechung zu stützen. Wie im Folgenden noch darzulegen sein wird, hat es dabei bereits vorhandene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes außer Acht gelassen, die zur Klarstellung der Rechtslage auch näher präzisiert werden muss. Entgegen dem - im Übrigen nicht hinreichend begründeten - Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist die Revision daher zulässig.

12       Vorauszuschicken ist überdies, dass die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur relevanten Grundfläche teilweise unrichtig sein dürften und jedenfalls rechnerisch nicht mit dem Gutachten des Amtssachverständigen übereinstimmen, auf das sich das Verwaltungsgericht jedoch ausdrücklich stützt. Der Amtssachverständigen DI J. errechnete eine land- oder forstwirtschaftlich nutzbare Grundfläche von 90,47 Hektar. Seine Berechnungsgrundlagen werden in den Feststellungen des Erkenntnisses aber nicht richtig wiedergegeben: Der Sachverständige ging nicht von der grundbücherlich ausgewiesenen Gesamtfläche von 123,5 Hektar, sondern von der nachgemessenen Grundfläche von 124,04 Hektar aus. Davon zog er Ödflächen von 30,35 Hektar (31,95 Hektar abzüglich 1,6 Hektar) sowie Flächen von 3,28 Hektar ab; Letztere seien über 120 Prozent steil und aus Sicht des Sachverständigen deshalb landwirtschaftlich nicht nutzbar. So gelangte der Sachverständige zu der land- oder forstwirtschaftlich nutzbaren Fläche von 90,47 Hektar (rechnerisch richtig allerdings: 90,41 Hektar).

13       Auch die in der rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichts vorgenommene „für die Antragstellerin ... vorteilhafteste“ Berechnung unter Einrechnung aller Steilflächen (im Ergebnis „höchstens 94,83 Hektar“) ist nicht korrekt. Unter Einrechnung der Steilflächen (3,28 Hektar) würde sich bei Zugrundelegung der richtigen Zahlen eine Fläche von 93,69 Hektar ergeben (90,41 Hektar zuzüglich 3,28 Hektar Steilflächen).

14       Die maßgebliche Bestimmung des § 5 Tiroler Jagdgesetz 2004 - TJG 2004, LGBl. Nr. 41/2004 idF LGBl. Nr. 26/2017, lautet auszugsweise wie folgt:

„§ 5 Eigenjagdgebiet

(1) Ein Eigenjagdgebiet ist eine im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes demselben Eigentümer (physische oder juristische Person oder Mehrheit von Personen) gehörige zusammenhängende land- oder forstwirtschaftlich nutzbare Grundfläche von mindestens 200 Hektar, gleichgültig, ob sie in der gleichen Ortsgemeinde liegt oder nicht.

(2) Ein Eigenjagdgebiet ist auch eine Grundfläche im Ausmaß von 115 bis 200 Hektar, wenn sie vor Inkrafttreten dieses Gesetzes als Eigenjagdgebiet festgestellt und ihrem Eigentümer die Ausübung der Jagd zuerkannt war.

(3) Eine Grundfläche im Ausmaß von 115 bis 200 Hektar, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes zwar als Eigenjagdgebiet festgestellt, deren Eigentümer aber die Ausübung der Jagd nicht zuerkannt war, ist dann ein Eigenjagdgebiet, wenn eine vom Eigentümer bis zum 31. Dezember 1965 beantragte Überprüfung ergibt, dass sich nach Einstands- und Äsungsbedingungen mindestens eine Schalenwildart als Standwild halten kann und die abschussplanmäßige Nutzung mindestens einer Wildart möglich ist.

(4) Sofern nicht die Voraussetzungen der Abs. 1 bis 3 vorliegen, ist ein Eigenjagdgebiet eine demselben Eigentümer (physische oder juristische Person oder Mehrheit von Personen) gehörige zusammenhängende land- oder forstwirtschaftlich nutzbare Grundfläche von mindestens 300 Hektar, gleichgültig, ob sie in der gleichen Ortsgemeinde liegt oder nicht.

(5) Abweichend vom Abs. 4 ist eine demselben Eigentümer (physische oder juristische Person oder Mehrheit von Personen) gehörige zusammenhängende land- oder forstwirtschaftlich nutzbare Grundfläche im Ausmaß von mindestens 115 Hektar dann ein Eigenjagdgebiet, wenn

a)   sich nach Einstands- und Äsungsbedingungen zumindest eine Schalenwildart ganzjährig als Standwild halten kann und die abschussplanmäßige Nutzung zumindest einer Schalenwildart möglich ist,

b)   Interessen der Landeskultur der Feststellung als Eigenjagdgebiet nicht entgegenstehen,

c)   die ordnungsgemäße Jagdausübung auf den betroffenen Grundflächen und den benachbarten Jagdgebieten nicht wesentlich erschwert wird und

d)   Dritte dadurch in ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden. ...“

15       § 5 TJG 2004 setzt Mindestgrößen von Liegenschaften voraus, um sie als Eigenjagdgebiete ansehen und feststellen zu können. Die im vorliegenden Fall maßgebliche Vorschrift des § 5 Abs. 5 TJG 2004 lässt es unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen (lit. a bis d) ausreichen, dass eine land- oder forstwirtschaftlich nutzbare Grundfläche im Ausmaß von mindestens 115 Hektar vorliegt, sofern - was hier nicht strittig ist - der Antrag auf Feststellung der Eigenjagd bis zum 31. Dezember 2017 eingebracht wurde (§ 69 Abs. 3 TJG 2004).

16       Auch die Jagdgesetze der anderen österreichischen Bundesländer sehen Mindestgrößen für Eigenjagdgebiete vor (vgl. § 4 Burgenländisches Jagdgesetz 2017; § 5 Kärntner Jagdgesetz 2000; § 6 Niederösterreichisches Jagdgesetz 1974; § 6 Oberösterreichisches Jagdgesetz; § 11 Salzburger Jagdgesetz 1993; § 3 Steiermärkisches Jagdgesetz 1986; § 6 Vorarlberger Jagdgesetz; § 5 Wiener Jagdgesetz). Keines dieser Gesetze enthält jedoch das im TJG 2004 vorgesehene Erfordernis der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzbarkeit der Grundfläche. Abgestellt wird vielmehr regelmäßig darauf, dass die Grundfläche einer bestimmten Mindestgröße eine für die zweckmäßige Ausübung der Jagd geeignete Gestaltung aufweisen muss.

17       Das in Rede stehende Erfordernis der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzbarkeit wurde im Tiroler Jagdrecht erstmals mit dem Tiroler Jagdgesetz 1959, LGBl. Nr. 10/1959, aufgestellt und ) bis heute aufrecht erhalten (Wiederverlautbarungen als Tiroler Jagdgesetz 1969, LGBl. Nr. 19/1969; Tiroler Jagdgesetz 1983, LGBl. Nr. 60/1983; TJG 2004). Davor verlangte das Tiroler Jagdgesetz, LGBl. Nr. 8/1948, in seinem § 8 eine „jagdwirtschaftlich nutzbare Grundfläche“ von einer näher umschriebenen Mindestgröße.

18       Die Gesetzesmaterialien zum Tiroler Jagdgesetz 1959 (Stenographische Berichte des Tiroler Landtages, IV. Periode, 17. Tagung am 27. Februar 1959, S. 16 ff) geben keinen Hinweis darauf, welche Überlegungen den Landesgesetzgeber dazu geführt haben, das genannte Erfordernis einzuführen.

19       Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass die Auslegung der in Rede stehenden Norm des TJG 2004 autonom zu erfolgen hat und Rückschlüsse aus einer wesentlich später zu einer bundesrechtlichen Norm (Vermessungsgesetz) ergangenen Verordnung (Benützungsarten-Nutzungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 116/2010 idF BGBl. II Nr. 242/2010), die für ihre Zwecke Begriffsdefinitionen etwa zu „landwirtschaftlich genutzten Grundflächen“, zu „Alpen“ und zu „vegetationsarmen Flächen“ enthält, nur bedingt von Bedeutung sein können. Verbindlichkeit kommt ihnen für die Auslegung des TJG 2004 jedenfalls nicht zu.

20       Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in einer Entscheidung aus dem Jahr 1962 mit dem Erfordernis der „landwirtschaftlichen Nutzbarkeit“ von Grundflächen bei der Feststellung einer Eigenjagd nach dem Tiroler Jagdrecht bereits auseinandergesetzt. Die belangte Behörde hatte in diesem Fall ihre Entscheidung auf das Gutachten des alpwirtschaftlichen Amtssachverständigen gestützt und aus der im Gutachten bekundeten Tatsache, dass allgemein nur 1/4 der gesamten für die Eigenjagdbefugnis beanspruchten Fläche als landwirtschaftlich nutzbar angesehen werden könne, den Schluss gezogen, dass die Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Tiroler Jagdgesetz 1959 („land- oder forstwirtschaftlich nutzbare Grundfläche“ einer bestimmten Größe) nicht gegeben sei. Dazu hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass § 5 Abs. 1 Tiroler Jagdgesetz 1959 „nicht von der zu fordernden Intensität der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzbarkeit“ spreche, sondern „nur ganz allgemein“ normiere, dass „die betreffende Grundfläche in dieser Art nutzbar sein müsse. Wo die Grenzen der hier in Betracht kommenden landwirtschaftlichen Nutzbarkeit anzusetzen seien bzw. wo von einer solchen Nutzbarkeit nach den Grundsätzen einer rationellen Wirtschaftsführung nicht mehr die Rede sein könne, [sei] daher ... Gegenstand des zu führenden Sachverständigenbeweises und [bedürfe] für jeden Einzelfall sorgfältiger Begründung“ (VwGH 13.12.1962, 2317/61, VwSlg. Nr. 5924 A/1962).

21       Für die Beurteilung, ob die in Frage kommenden Grundflächen land- oder forstwirtschaftlich nutzbar sind, kommt es demnach nicht darauf an, dass die gesamte Fläche (in ihrer gesetzlich geforderten Mindestgröße) zu 100 Prozent land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden kann. Entscheidend ist vielmehr, ob die Gesamtliegenschaft nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten land- oder forstwirtschaftlich nutzbar ist, was durch Sachverständigenbeweis geklärt werden muss.

22       Mit anderen Worten vertrat der Verwaltungsgerichtshof in der zitierten Entscheidung eine Auslegung der umstrittenen Norm, die sich schon vom Ansatz her von jener unterscheidet, wie sie der Amtssachverständigeund ihm folgend das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall vertreten haben. Er verlangte nicht, die Gesamtfläche der Liegenschaft rechnerisch zunächst um alle jene Teilflächen zu vermindern, die nicht land- oder forstwirtschaftlich nutzbar sind, und anschließend zu prüfen, ob die so errechnete verbleibende Fläche noch die gesetzlich erforderliche Mindestgröße aufweist. Der Verwaltungsgerichtshofverstand das gesetzliche Erfordernis der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzbarkeit der Grundfläche vielmehr dahingehend, dass die zu beurteilende Grundfläche die gesetzlich geforderte Mindestgröße aufweist und in einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung land- oder forstwirtschaftlich nutzbar ist (vgl. in diesem Sinne auch Abart/Lang/Obholzer, Kommentar zum Tiroler Jagdrecht3 [2000], § 5 Tiroler Jagdgesetzes 1983, S. 28, und Abart, Kommentar zum Tiroler Jagdgesetz 2004 [2005], § 5 TJG 2004, S. 31: „Inwieweit von einer land- oder forstwirtschaftlichen Nutzbarkeit gesprochen werden kann, ist Sache eines Sachverständigenbeweises. In Fällen, in denen lediglich etwa ein Zehntel des für das EJ in Betracht gezogenen Gesamtgebietes nicht land- oder forstwirtschaftlich nutzbar ist, liegt die Nutzbarkeit der Gesamtfläche auch nach den Grundsätzen einer rationellen Wirtschaftsführung im Gebirgsbereiche ohne Zweifel noch vor“).

23       Der Verwaltungsgerichtshof hält diese Auslegung des Begriffs der zusammenhängenden „land- oder forstwirtschaftlich nutzbaren Grundfläche“, deren Vorliegen seit dem Tiroler Jagdgesetz 1959 Voraussetzung für die Feststellung eines Eigenjagdgebietes ist, auch für den Anwendungsbereich der mit LGBl. Nr. 64/2015 (vorübergehend) eingeführten Möglichkeit der Feststellung eines Eigenjagdgebietes geringerer Größe in § 5 Abs. 5 TJG 2004 aufrecht. Sie findet im Wortlaut der Norm Deckung und steht in keinem Widerspruch zu den historisch-teleologisch erkennbaren Absichten des Landesgesetzgebers. Dessen Anliegen, Eigenjagden einerseits an eine bestimmte Mindestgröße der Grundflächen und andererseits an deren - gesamthaft betrachtete - land- oder forstwirtschaftliche Nutzbarkeit zu binden, wird dadurch bestmöglich entsprochen. Durch die wirtschaftliche Gesamtbetrachtung erübrigen sich umfangreiche fotogrammetrische Auswertungen und Streitigkeiten über die im Detail anzurechnenden Flächen, wie sie etwa auch gegenständlich auftauchen, wodurch sowohl den Interessen des Antragstellers als auch der Verwaltungsökonomie Rechnung getragen wird.

24       Nach den bisherigen Verfahrensergebnissen lässt sich für den vorliegenden Fall abschätzen, dass etwa 3/4 der Gesamtfläche der gegenständlichen Liegenschaft land- oder forstwirtschaftlich nutzbar zu sein scheinen (vgl. dazu rechnerisch die Rn. 12 und 13 dieses Erkenntnisses). Dabei macht es im Ergebnis keinen relevanten Unterschied, ob die Steilhänge - wie die revisionswerbende Partei verlangt - zur Gänze als landwirtschaftlich nutzbar angesehen werden oder ein Abzug von der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche von 3,8 Hektar im Sinne der Ausführungen des Amtssachverständigen erfolgt.

25       Im fortgesetzten Verfahren wäre auf dieser Grundlage zu klären, ob die Liegenschaft nach den Grundsätzen einer rationellen Wirtschaftsführung land- oder forstwirtschaftlich nutzbar ist. Dazu wird grundsätzlich die Aufnahme eines Sachverständigenbeweises aus dem Gebiet der Almwirtschaft erforderlich sein. Soweit die land- oder forstwirtschaftliche Nutzbarkeit bejaht wird, hätte das Verwaltungsgericht in einem nächsten Schritt zu beurteilen, ob auch die übrigen Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 TJG 2004 für die Feststellung der Eigenjagd vorliegen.

26       Da die Aufnahme dieser Beweise im Hinblick auf die vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilte Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts unterblieben ist, wurde das angefochtene Erkenntnis mit sekundären Feststellungsmängeln belastet.

27       Es war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

28       Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 19. Juni 2020

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes Fachgebiet

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020030014.L00

Im RIS seit

17.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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