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98 WohnbauNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung von Individualanträgen auf Aufhebung der Bestimmung betreffend die geschäftliche Zuverlässigkeit von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern gemeinnütziger Bauvereinigungen mangels Eingriffs dieser an die Bauvereinigungen gerichteten Regelung in die Rechtssphäre der antragstellenden Vorstands- und AufsichtsratsmitgliederSpruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit ihren gleichlautenden Anträgen vom 13. und 20. Dezember 1995 begehren die Antragsteller - gestützt auf Art139 B-VG - den §3 Abs3 Z1 der Gebarungsrichtlinienverordnung BGBl. Nr. 523/1979, als gesetz- bzw. als verfassungswidrig aufzuheben und dem Rechtsträger die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
2. Die Antragsteller erachten sich durch die behauptete Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit der bekämpften Bestimmung unmittelbar in ihren Rechten verletzt, da diese Bestimmung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für sie wirksam geworden sei. Sie begründen dies im wesentlichen wie folgt:
"Ich bin österreichischer Staatsbürger und seit 1955 ehrenamtliches Mitglied des Vorstandes/Aufsichtsrates der Oberwarter Gemeinnützigen Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft. Mit Urteil des OLG Wien ... wurde ich rechtskräftig wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht zu einer Geldstrafe von 150 Tagsätzen verurteilt.
Bei der gesetzlichen Prüfung der Geschäftsjahre 1992 und 1993 der Oberwarter Genossenschaft durch die Prüfer des Verbandes Gemeinnütziger Bau- und Siedlungsvereinigungen sollte die Tatsache, daß ich nach wie vor dem Vorstand/Aufsichtsrat der Genossenschaft angehöre, zu einer Beanstandung führen. Diese Beanstandung wurde durch folgende Formulierung zum Ausdruck gebracht:
'Die geschäftliche Zuverlässigkeit eines Vorstands- und eines Aufsichtsratsmitgliedes ist nach dem Wortlaut des §24 WGG in Verbindung mit §3 Abs3 GRV formell nur eingeschränkt gegeben.'
Nach der Schlußbesprechung, aber vor Vorliegen eines Prüfungsberichtes erging ein für die Burgenländische Landesregierung von Landesrat Dipl.Ing. F gezeichnetes Schreiben vom 27.6.1995 an die Oberwarter Siedlungsgenossenschaft, in dem es unter anderem heißt: 'In Ausübung des Aufsichtsrechtes ist daher gem. §29 WGG die umgehende Abstellung des angeführten Mangels durch Abberufung des Vorstandsmitgliedes/Aufsichtsratsmitgliedes Dkfm. Dr. H V/Dir. J P von seinen Funktionen herbeizuführen und eine
entsprechende Meldung abzugeben.'
In einer am 12.9.1995 mit Landesrat Dipl.Ing. F stattgefundenen Besprechung wurde der gegenständliche Sachverhalt ausdrücklich dahingehend beurteilt, daß ein Mangel vorliege, der zur Setzung von aufsichtsratsbehördlichen Maßnahmen gem. §29 Abs3 WGG berechtigte und - sollte eine Abberufung nicht umgehend erfolgen - die Landesregierung ein Verfahren nach §35 WGG androhte, mit der die Anerkennung der Gemeinnützigkeit der Oberwarter Siedlungsgenossenschaft aberkannt würde.
Angesichts dieses Sachverhaltes sind meine Interessen, nämlich die weitere Ausübung der Tätigkeit als Vorstandsmitglied/Aufsichtsratsmitglied der Oberwarter Siedlungsgenossenschaft, aktuell beeinträchtigt, weil ich im Falle der Aberkennung der Gemeinnützigkeit keine Möglichkeit mehr hätte, meine Tätigkeit auszuüben."
Die Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit der bekämpften Verordnungsbestimmung ergebe sich - so führen die Antragsteller mit näherer Begründung weiter aus - im wesentlichen daraus, daß der Verordnungsgeber dabei die Ermächtigung des §24 des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes überschritten und diese Bestimmung bei der Verordnungserlassung überdies gleichheitswidrig angewendet habe.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation im Normenprüfungsverfahren ist - wie der Verfassungsgerichtshof etwa in seinen Beschlüssen VfSlg. 8009/1977 und 8060/1977 bereits ausgeführt hat -, daß die Norm nicht bloß faktische Wirkung zeitigt, sondern die Rechtssphäre der betreffenden Person berührt, also in deren Rechtssphäre eingreift und diese im Fall ihrer Rechtswidrigkeit verletzt. Anfechtungsberechtigter ist also von vornherein nur ein Rechtsträger, an den oder gegen den sich die angefochtene Norm wendet (Normadressat).
2. Die angefochtene Bestimmung der Gebarungsrichtlinienverordnung BGBl. Nr. 523/1979 hat folgenden Wortlaut:
"Die geschäftliche Zuverlässigkeit von Mitgliedern des Vorstandes und Aufsichtsrates, von Geschäftsführern, Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten ist jedenfalls nicht anzunehmen, wenn eine solche Person
1. wegen einer vorsätzlichen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlung
...
von einem Gericht rechtskräftig verurteilt worden ist."
Die Bestimmung steht in folgendem normativen Zusammenhang:
Zufolge der Promulgationsklausel der Gebarungsrichtlinienverordnung ist diese auf §23 Abs2 (seit dem 2. Wohnrechtsänderungsgesetz BGBl. Nr. 68/1991: Abs3) des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes gegründet. Diese Bestimmung lautet:
"Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten kann durch Verordnung Richtlinien erlassen, die unter Berücksichtigung branchenüblicher Verhältnisse Regelungen zur Sicherung einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung und Geschäftsgebarung zu enthalten haben."
Materielle Grundlage für die angefochtene Verordnungsbestimmung ist aber vor allem §24 WGG. Diese Bestimmung lautet wie folgt:
"Es dürfen keine Tatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß ein dem satzungsmäßigen Zweck oder den guten Sitten entsprechender Geschäftsbetrieb nicht stattfindet oder nicht stattfinden wird. Im Vorstand, im Aufsichtsrat, als Geschäftsführer, Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter der Bauvereinigung dürfen nur Personen tätig sein, bei denen keine Tatsachen vorliegen, die Zweifel an ihrer geschäftlichen Zuverlässigkeit rechtfertigen. Mit der Geschäftsführung dürfen nur Personen betraut werden, die nach ihrer Ausbildung oder ihrer beruflichen Tätigkeit Gewähr für eine ordnungsmäßig Geschäftsführung bieten."
Zu berücksichtigen ist hier weiters auch §35 Abs2 Z2 WGG.
Diese Bestimmung lautet wie folgt:
"Die Anerkennung (als gemeinnützige Bauvereinigung) ist ... zu entziehen, wenn
...
2. der tatsächliche Geschäftsbetrieb der Bauvereinigung den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder einer nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung zuwiderläuft ..."
Ferner ist darauf hinzuweisen, daß gemäß §35 Abs1 erster Satz leg.cit. diese Anerkennung nur mit Bescheid entzogen werden kann.
3. Aus all dem wird deutlich, daß Normadressat der angefochtenen Verordnungsbestimmung ausschließlich die betreffende gemeinnützige Bauvereinigung ist, nicht aber das betreffende Mitglied (in den vorliegenden Fällen) des Vorstandes bzw. des Aufsichtsrates, das wegen der rechtskräftigen Verurteilung wegen einer vorsätzlichen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlung von der Bauvereinigung nicht mehr länger in dieser Funktion belassen werden darf. Es mag sein, daß diese an die gemeinnützige Bauvereinigung adressierte Norm faktische Reflexwirkungen für das betreffende Mitglied des Vorstandes bzw. des Aufsichtsrates zeitigt. Damit ist jedoch die oben dargestellte Voraussetzung für die Zulässigkeit des Individualantrages auf Normenkontrolle, daß nämlich die Norm in die Rechtssphäre der betreffenden Person eingreift, noch nicht gegeben.
4. Die Verordnungsprüfungsanträge waren somit aus den genannten Gründen wegen des Fehlens der Antragsberechtigung als unzulässig zurückzuweisen.
5. Dieser Beschluß konnte gem. §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, WohnungsgemeinnützigkeitsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:V220.1995Dokumentnummer
JFT_10039390_95V00220_00