TE Vwgh Beschluss 2020/5/23 Ra 2020/08/0010

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Veröffentlicht am 23.05.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §37
AVG §45 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VStG §54a Abs1 Z1
VStG §54b Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des D J in M, vertreten durch Dr. Georg Lehner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Südtirolerstraße 12a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom 29. April 2019, Zl. LVwG-S-564/001-2019, betreffend Strafaufschub (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Landesverwaltungsgericht den Antrag des Revisionswerbers vom 18. Jänner 2018 auf Gewährung von Strafaufschub (für die Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe von 178 Stunden) bis zum 30. Juni 2019 bzw. einen anderen festzusetzenden Zeitpunkt gemäß § 54a Abs. 1 VStG abgewiesen. Das auf Bezahlung der Strafe in angemessenen Raten gerichtete Eventualbegehren wurde gemäß § 54b Abs. 3 VStG abgewiesen.

5        Das Unternehmen des Revisionswerbers (Pizzazubereitung) befinde sich in einem positiven Aufwärtstrend, der sich in der Steigerung des Gewinns von 2015 auf 2016 um 100% dokumentiere. Für die Jahre 2017 und 2018 seien keine Ergebnisse (keine Gewinn- und Verlustrechnungen) vorgelegt worden. Seit 2016 beschäftige der Revisionswerber Personal, das ihn für die Dauer der Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe vertreten könne. Der Revisionswerber, der an der vollen Darstellung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht mitgewirkt habe und auch zur mündlichen Verhandlung unter Berufung auf eine „Unabkömmlichkeit im Unternehmen“ nicht erschienen sei, sei in der Lage, die aushaftenden Strafen sofort zu bezahlen. Das Verfahren diene der Vollzugsverschleppung.

6        Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Landesverwaltungsgericht habe beantragte Beweise (Vernehmung des Revisionswerbers, Vernehmung eines Zeugen, Einholung eines Sachverständigengutachtens) nicht aufgenommen und die überlange Dauer des Verfahrens nicht berücksichtigt.

7        Dem ist zunächst zu erwidern, dass das Landesverwaltungsgericht in nicht unvertretbarer Beweiswürdigung des Gesamtverhaltens des Revisionswerbers davon ausgegangen ist, dass er an der Klärung des Sachverhalts nicht mitwirkt und das Verfahren lediglich der Vollzugsverschleppung dient. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass er zur Verhandlung nicht erschienen ist, ohne rechtzeitig eine begründete und bescheinigte Vertagungsbitte zu stellen bzw. ohne sich damit zu entschuldigen, dass ihm auf Grund eines unvorhergesehenen und bescheinigten Ereignisses ein Erscheinen nicht möglich gewesen wäre.

8        Rechtsfragen des Verfahrensrechts - wie hier die behauptete unrichtige Sachverhaltsfeststellung - sind nur dann von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall erforderliche Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (VwGH 2.5.2019, Ra 2019/08/0022). Im vorliegenden Fall war die Vernehmung des Revisionswerbers als Partei das in erster Linie in Frage kommende und von seiner Mitwirkung abhängige Beweismittel, um auf der Grundlage entsprechender Feststellungen gemäß § 54a Abs. 1 Z 1 VStG die Rechtsfrage zu klären, ob die Erwerbsmöglichkeit des Revisionswerbers durch den sofortigen Vollzug der Freiheitsstrafe gefährdet würde. Die besondere Mitwirkungspflicht des Revisionswerbers ergibt sich aus dem in seinem Interesse gestellten Antrag (vgl. VwGH 20.11.2019, Ra 2018/15/0014) sowie aus seiner Nähe zum Beweis bzw. der Kenntnis der in seiner Sphäre liegenden Umstände (VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, 20.11.2019, Ro 2019/03/0022).

9        Der Revisionswerber ist seiner Vernehmung in Verschleppungsabsicht ferngeblieben. Dem Landesverwaltungsgericht lagen infolge der Verletzung seiner Mitwirkungspflicht keine Ermittlungsergebnisse vor, bei denen es - bei allfälligen Zweifeln an der Verwirklichung bzw. Nichtverwirklichung des genannten Tatbestandes - im Rahmen der Beweiswürdigung hätte in Betracht ziehen können, den Revisionswerber zur weiteren Mitwirkung an der Klärung des Sachverhalts (insbesondere durch Vorlage aussagekräftiger Unterlagen) aufzufordern oder seine Angaben einer Kontrolle durch die von ihm beantragten sachverständigen Zeugen oder durch Sachverständige zu unterziehen. Das Absehen des Landesverwaltungsgerichts von weiteren Beweisaufnahmen war im Hinblick darauf jedenfalls nicht unvertretbar.

10       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 23. Mai 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020080010.L01

Im RIS seit

15.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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