Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Tarmann-Prentner, Mag. Korn, Dr. Stefula und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A*****, 2. M*****, beide vertreten durch Abel Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei G*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Vinatzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.800 EUR und Räumung (Streitwert 7.500 EUR), über die Revision (Revisionsinteresse 7.500 EUR) der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2019, GZ 22 R 4/19x-33, mit dem der Berufung der beklagen Partei gegen das Teilurteil des Bezirksgerichts Korneuburg vom 12. Dezember 2018, GZ 2 C 210/17x-25, Folge gegeben wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist seit 13. 7. 1990 mit T***** verheiratet. Die Parteien nutzten als Ehewohnung ein im ersten Stock eines Gebäudes auf der Liegenschaft *****, gelegenes Objekt. Eigentümer der Liegenschaft war die J***** & Co KG, deren unbeschränkt haftender Gesellschafter die T***** GmbH ist. Geschäftsführer und Gesellschafter dieser GmbH ist der Ehemann der Beklagten. Die Liegenschaft weist eine Gesamtfläche von 6.924 m2 auf. Auf ihr befindet sich ein Betriebsgebäude mit einer Lagerhalle, zwei Produktionshallen und ein Bürogebäude. Sämtliche Gebäudeteile sind baulich verbunden. In den 80er-Jahren wurde das Bürogebäude für Wohnzwecke aufgestockt. In diesem Gebäude befindet sich im ersten Stock die Ehewohnung mit einem Ausmaß von rund 200 m2. Ein Teil der Liegenschaft ist als Garten gestaltet.
Die Ehe ist mittlerweile (nicht rechtskräftig) geschieden. Mit einstweiliger Verfügung des Bezirksgerichts Korneuburg vom 17. 3. 2016 wurde zur Sicherung des dringenden Wohnbedürfnisses der Beklagten an der Ehewohnung ihrem Mann die Veräußerung der Liegenschaft verboten und dieses Verbot im Grundbuch angemerkt. Mit Urteil vom 27. 7. 2016 wurde T***** schuldig erkannt, die Veräußerung der Liegenschaft, wie auch jede einseitige oder rechtliche oder tatsächliche Veränderung zu unterlassen, die der Beklagten die Voraussetzungen der Wohnungsnutzung erschwert.
T***** bot der Beklagten statt der Ehewohnung eine andere Wohnung an, die von der T***** GmbH ausschließlich zu Wohnzwecken für ihre Dienstnehmer angemietet worden war, wobei ein Verstoß dagegen als Kündigungsgrund vereinbart wurde. Der Mietvertrag ist mit 30. 4. 2021 befristet. Eine Umschreibung des Mietvertrags auf die Beklagte ist seitens des Vermieters möglich. Das Angebot wurde von der Beklagten jedoch abgelehnt.
Über das Vermögen der J***** & Co KG wurde mit Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 9. 8. 2016, ein Insolvenzverfahren eröffnet. Ursache dafür war ein aushaftender Bankkredit, dessen Raten von 5.000 EUR monatlich infolge marktbedingter Umsatzeinbußen von der Gesellschaft nicht mehr gezahlt werden konnten. Nach Insolvenzeröffnung wurde der gesamte Kredit fällig gestellt. Das Insolvenzverfahren wurde mit 27. 1. 2017 nach Annahme eines Sanierungsplanes rechtskräftig aufgehoben.
Am 2. 2. 2017 schlossen die J***** & Co KG als Vermieter und der Erstkläger als Mieter einen Bestandvertrag über die Liegenschaft, auf der sich die Ehewohnung befindet. Als Mietzins wurden 5.000 EUR monatlich zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart. Weiters vereinbarten die Parteien eine Kaufoption, wobei dem Erstkläger oder einer von ihm namhaft zu machenden natürlichen oder juristischen Person das Recht eingeräumt wurde, das Eigentum an der Liegenschaft längstens binnen drei Monaten nach Löschung des zugunsten der Beklagten verbücherten Veräußerungsverbots lastenfrei zu erwerben. Als Kaufpreis wurden 560.000 EUR netto wertgesichert vereinbart.
Dem Erstkläger war bei Abschluss des Vertrags bekannt, dass auf der Liegenschaft ein Veräußerungsverbot zugunsten der Beklagten eingetragen ist und die Beklagte auf der Liegenschaft wohnt. Dies wusste auch die Zweitklägerin. Der Vertrag wurde in der Absicht abgeschlossen, dass die von der J***** & Co KG zu zahlenden Kreditraten durch Mieteinnahmen gedeckt werden. Die Bank war jedoch zu einer Fortsetzung des Kreditverhältnisses nicht bereit. Sie leitete ein Versteigerungsverfahren hinsichtlich der Liegenschaft ein. Daraufhin kauften die Kläger von der J***** & Co KG mit Kaufvertrag vom 23. 6. 2017 die Liegenschaft. Mit dem Kaufpreis wurde die offene Kreditforderung von 440.000 EUR getilgt. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags war das Veräußerungsverbot noch im Grundbuch eingetragen. Der Ehemann der Beklagten hatte zuvor versucht die Liegenschaft „ohne Ehewohnung“ zu verkaufen, dafür fanden sich jedoch keine Interessenten.
Die Kläger begehren die Zahlung von 1.800 EUR als Benutzungsentgelt für Oktober 2017 und die Räumung der Liegenschaft durch die Beklagte. Sie brachten vor, die Beklagte habe keinen Wohnungserhaltungsanspruch, da kein dringendes Wohnbedürfnis bestehe. Ihr sei eine Ersatzwohnung angeboten worden. Darüber hinaus bestehe ein Wohnungserhaltungsanspruch auch dann nicht, wenn die Handlungen des anderen Ehegatten, die zum Wohnungsverlust führten, durch die Umstände erzwungen würden. Die Liegenschaft sei das wesentliche Vermögen der insolventen Voreigentümerin gewesen. Im Insolvenzverfahren sei ein Sanierungsplan angenommen worden. Erst nach geräumter Übergabe der Liegenschaft werde aber der beim Treuhänder erliegende Kaufpreis zur Gänze ausbezahlt. Es bestehe damit die Gefahr, dass die J***** & Co KG erneut einen Insolvenzantrag werde stellen müssen.
Die Beklagte bestritt. Der ihr gemäß § 97 ABGB gegen den Ehegatten zustehende Anspruch sei gegenüber den Klägern wie jede andere Verletzung eines durch Besitzverstärkung erkennbaren Forderungsrechts bei dolosem Zusammenwirken mit dem Ehegatten geschützt. Die Kläger hätten eine mit dem Wohnungserhaltungsanspruch belastete Liegenschaft im Wissen um diesen Anspruch erworben.
Das Erstgericht gab mit Teilurteil dem Räumungsbegehren der Kläger Folge. Es ging davon aus, dass ein Wohnungserhaltungsanspruch dann nicht bestehe, wenn das Handeln, das zum Wohnungsverlust führe, durch die Umstände erzwungen werde. Der Ehemann der Beklagten habe die Liegenschaft zunächst vermietet. Schon diese Vermietung sei wirtschaftlich erzwungen gewesen und führe zum Verlust des Wohnungserhaltungsanspruchs der Beklagten. Der Verkauf der Liegenschaft sei dann erfolgt, um den fällig gestellten offenen Kredit zu tilgen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen dieses Teilurteil Folge und wies das Räumungsbegehren ab. Der Beklagten sei ein Wohnungserhaltungsanspruch rechtskräftig zuerkannt worden. Dass dieser Anspruch erloschen sei, hätten die Kläger nicht vorgebracht. Das Benutzungsrecht könne schlechtgläubigen Erwerbern der Wohnung mit Erfolg entgegengehalten werden.
Den Klägern sei der Anspruch der Beklagten bekannt gewesen. Die Kläger behaupteten auch nur wirtschaftliche Probleme der seinerzeitigen Liegenschaftseigentümerin, nicht des Ehemanns der Beklagten. Im konkreten Fall sei der Ehegatte nicht Träger des Unternehmens. Die Verfügungsbefugnis iSd § 97 ABGB führe nicht dazu, dass bei Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Ehegatten die wirtschaftliche Lage der von ihm maßgeblich beeinflussten Gesellschaft heranzuziehen sei. Gerade die Gründung einer solchen Gesellschaft diene dazu, die dahinter stehende natürliche Person vor dem Zugriff von Gläubigern zu schützen. Es wäre daher ein Wertungswiderspruch, wenn sich diese natürliche Person nun auf wirtschaftliche Schwierigkeiten der Gesellschaft stützen könnte. Das Räumungsbegehren sei daher abzuweisen.
Die Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, inwieweit ein bösgläubiger Dritter geltend machen könne, dass ein mit Urteil zugesprochener Wohnungserhaltungsanspruch doch nicht zu Recht bestehe und inwieweit bei der Beurteilung der Interessenabwägung zur Ermittlung des Wohnungserhaltungsanspruchs relevant sein könne, dass sich eine im Einflussbereich des Anspruchsgegners befindliche GmbH & Co KG in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinde.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Parteien mit dem Antrag, die Entscheidung dahingehend abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zur Klarstellung zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Der sich aus § 97 ABGB ergebende familienrechtliche Anspruch auf Wohnungsschutz regelt einen Teilaspekt der ehelichen Beistandspflicht, nämlich die Verpflichtung des über die Wohnung verfügungsberechtigten Ehegatten, alles zu tun und zu unterlassen, damit der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte diese nicht verliert (vgl RIS-Justiz RS0009534; Hinteregger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 97 Rn 3).
2. § 97 ABGB soll dem berechtigten Ehegatten den räumlichen Lebensbereich erhalten, der ihm bisher zur Deckung der den Lebensverhältnissen der Ehegatten entsprechenden Bedürfnisse diente und den er weiter benötigt (RS0009580 [T15]).
Neben einem dringenden Wohnbedürfnis des berechtigten Ehegatten setzt der Anspruch die Verfügungsbefugnis des anderen Ehegatten voraus. Dabei macht es keinen Unterschied, ob er Eigentümer, Wohnungseigentümer, Mitglied einer Genossenschaft oder Mieter ist (RS0047318; Stabentheiner in Rummel, ABGB3 Rz 1 zu § 97 mwN). Die Verfügungsbefugnis kann sich aber etwa auch aus der Stellung in einer Familiengesellschaft ergeben (vgl 7 Ob 86/03b).
Der verfügungsberechtigte Ehegatte hat das Interesse des anderen an der Wohnungsnutzung so zu wahren, wie ein verständiger und vorsorglicher Benützer die eigenen Interessen wahren würde (RS0009534 [T4]). Er hat in Erfüllung seiner Beistandspflichten auch jede einseitige rechtliche oder tatsächliche Veränderung zu unterlassen, die dem auf die Wohnung angewiesenen Ehegatten die Voraussetzungen der Wohnungsnutzung erschwert (RS0009534 [T3]).
3. Der Wohnungserhaltungsanspruch ist gemäß § 97 Satz 2 ABGB ausgeschlossen, wenn der Wohnungsverlust durch die Umstände erzwungen ist. Das Gesetz verlangt demnach (arg: „erzwungen“) zwar eine gewisse Zwangslage des verfügungsberechtigten Ehegatten, die zur Aufgabe der Wohnung nötigt. Eine echte „Zwangslage“ im Sinn fehlender Alternativen ist aber nicht gefordert. Daher können auch wirtschaftliche Gründe den verfügungsberechtigten Ehegatten zur Wohnungsaufgabe nötigen. Ob ihm dann im Einzelfall dennoch die Erhaltung der Wohnung zumutbar gewesen wäre, ist aufgrund einer Interessenabwägung zu beurteilen (RS0015115; Ferrari in Schwimann/Kodek5 § 97 Rz 5; Stabentheiner in Rummel3 § 97 ABGB Rz 7). Dabei gehen die Interessen der Gläubiger des verfügungsberechtigten Ehegatten im Allgemeinen den Interessen des Ehegatten vor (vgl 7 Ob 72/08a mwN).
4. Ausnahmsweise können Ansprüche aus § 97 ABGB auch gegen Dritte geltend gemacht werden, wenn diese dolos mit dem verfügungsbefugten Ehegatten zusammenwirken (RS0009660; RS0009553). Schlechtgläubigkeit des Dritten liegt aber nicht erst bei arglistigem Zusammenwirken mit dem über die Wohnung verfügenden Ehegatten vor, sondern schon dann, wenn der Dritte Kenntnis vom dringenden Wohnbedürfnis des auf die Wohnung angewiesenen anderen Ehegatten hat (RS0015114) oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben musste (RS0015114 [T1], vgl auch Aicher in Rummel/Lukas4, § 1053 ABGB Rz 13 f mwN). Das fremde Forderungsrecht, in das eingegriffen wird, ist der sich aus § 97 ABGB ergebende Wohnungserhaltungsanspruch.
Gegen den Dritten besteht ein klagbarer Anspruch auf Unterlassung des bewussten Eingriffs in ein fremdes Forderungsrecht (vgl RS0009553 [T6]) bzw eine nachträgliche Verpflichtung zum Schadenersatz durch Naturalrestitution (1 Ob 221/99b; 5 Ob 88/01d ua). Der Ehegatte, der ein dringendes Wohnbedürfnis hat, kann dem Dritten, etwa im Fall einer Räumungsklage, seinen familienrechtlichen Wohnungsbewahrungsanspruch mit Erfolg entgegenhalten (RS0009661).
5. Die Beklagte verfügt über einen gerichtlichen Titel zur Durchsetzung ihres Wohnungserhaltungsanspruchs. Den Klägern wiederum war unstrittig zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bestandvertrags mit Kaufoption sowie des späteren Kaufvertrags bekannt, dass die Beklagte auf der Liegenschaft wohnt und im Grundbuch ein Veräußerungsverbot gemäß § 382 Abs 1 EO eingetragen ist.
Die Kläger berufen sich nun darauf, dass der Wohnungserhaltungsanspruch zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bestandvertrags mit Kaufoption nicht mehr bestand. Auch wenn sie darauf verweisen, an die rechtskräftige Entscheidung zwischen der Beklagten und ihrem Ehemann nicht gebunden zu sein, machen sie nicht geltend, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung zwischen den Ehegatten der Wohnungserhaltungsanspruch nicht zu Recht bestand, sondern nur, dass er in der Folge weggefallen sei.
Zu prüfen ist daher, ob durch eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der zuvor dargestellten Interessenabwägung der Wohnungserhaltungsanspruch der Beklagten erloschen ist.
Dabei ist der vorliegende Fall durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass zu den Vermögensverhältnissen des Ehemanns der Beklagten kein Vorbringen erstattet wurde. Die Kläger machen vielmehr geltend, dass die Gesellschaft, die Eigentümerin der Liegenschaft war, aufgrund einer wesentlichen Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation zu einem Verkauf gezwungen war.
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass es auf die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft, da diese eine vom verpflichteten Ehegatten unterschiedliche Rechtsperson ist, nicht ankommt. Dem kann insoweit gefolgt werden, als eine wirtschaftliche Zwangslage eines Dritten allein keinen Einfluss auf den zwischen den Ehegatten bestehenden Wohnungserhaltungsanspruch haben kann. Da aber bei Beurteilung des Bestehens des Anspruchs die Einflussmöglichkeit des Ehegatten in der Gesellschaft relevant sein kann, kann auch die wirtschaftliche Lage einer solchen Gesellschaft nicht jedenfalls außer Betracht bleiben, wenn geprüft wird, ob der verfügungsberechtigte Ehegatte aus wirtschaftlichen Gründen zur Wohnungsaufgabe genötigt ist. Ist die Veräußerung etwa zum Erhalt der Gesellschaft, die die wirtschaftliche Existenzgrundlage des verfügungsberechtigten Ehegatten bildet, erforderlich, können wesentliche Interessen vorliegen, die dann gegen die des anderen Ehegatten am Erhalt der Ehewohnung abzuwägen sind.
Dadurch ist aber für die Kläger im vorliegenden Fall nichts gewonnen, weil, wie dargestellt, mangels Vorbringens zu den Vermögensverhältnissen des verpflichteten Ehegatten keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung besteht, dass der verfügungsberechtigte Ehegatte nicht auf andere Weise als durch Veräußerung der Liegenschaft den Bestand der Gesellschaft hätte erhalten können. Im Rahmen dieser Beurteilung ist – wie ausgeführt – gerade nicht allein auf die Vermögenslage der Gesellschaft abzustellen.
Damit wurde aber weder für den Zeitpunkt des Abschlusses des Bestandvertrags noch des Kaufvertrags der behauptete Wegfall des Wohnungserhaltungsanspruchs der Beklagten nachgewiesen.
7. In der Revision wird weiters geltend gemacht, dass durch die Vermietung der Wohnung gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen wurde. Soweit dabei auf den Mietvertrag durch die T***** GmbH über die Anmietung einer Wohnung zu Wohnzwecken für Dienstnehmer Bezug genommen wird, handelt es sich nicht um das verfahrensgegenständliche Objekt, sondern um die vom Ehemann der Beklagten angebotene Ersatzmietwohnung. Darauf muss daher nicht weiter eingegangen werden. Tatsächlich haben die Kläger in erster Instanz nur geltend gemacht, dass die J***** & Co KG nicht berechtigt gewesen sei, der Beklagten Nutzungsrechte an der Liegenschaft einzuräumen (S 5 in ON 7). Die Beklagte leitet aber ihre Nutzungsrechte nicht aus einem Rechtsgeschäft mit der J***** & Co KG ab, sondern aus dem familienrechtlichen und damit gesetzlichen Wohnungserhaltungsanspruch gegenüber ihrem Ehemann. Dessen frühere Berechtigung zur Nutzung des Objekts (vor Vermietung/Verkauf an die Kläger) wird aber von keiner der Parteien in Frage gestellt.
8. Die Kläger argumentieren weiters damit, dass es sich bei der Liegenschaft, auf der sich das zu räumende Objekt befindet, um Bauland-Industriegebiet im Sinne des niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 2014 handelt, in dem Wohngebäude sowie eine Wohnungsnutzung nicht zuzulassen sind. Der Wohnungserhaltungsanspruch sei daher nichtig, die Berufung der Beklagten darauf sei rechtsmissbräuchlich.
Durch die Raumordnungsgesetze der Länder sollen räumliche Entwicklungsziele festgelegt werden. Im Rahmen überörtlicher Raumordnungsprogramme hat die Gemeinde ein örtliches Raumordnungsprogramm aufzustellen, in dem sie Planungsziele festlegen und jene Maßnahmen zu bezeichnen hat, die zur Erreichung dieser Ziele gewählt werden (vgl § 13 NÖ Raumordnungsgesetz).
Die Festlegung dieser Ziele hat jedoch keinen unmittelbaren Einfluss auf privatrechtliche Vereinbarungen (RS0120725 im Zusammenhang mit Wohnungseigentum: „baurechtliche oder raumordnungsrechtliche Widmungen definieren die privatrechtlichen Rechtsverhältnisse der Wohnungseigentümer nicht“). Der Wohnungserhaltungs-anspruch nach § 97 ABGB an der ehelichen Wohnung ist nicht davon abhängig, ob das genutzte Objekt sich in einem Bereich befindet, der nach der Raumordnung zu Wohnzwecken gewidmet ist.
9. Insgesamt hat es daher im Ergebnis bei der Entscheidung des Berufungsgerichts zu bleiben, dass das Räumungsbegehren aufgrund des Wohnungserhaltungs-anspruchs der Beklagten nicht berechtigt ist.
10. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.
Textnummer
E128540European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00044.19G.0518.000Im RIS seit
15.07.2020Zuletzt aktualisiert am
27.11.2020