TE OGH 2020/5/20 4Ob241/19y

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Veröffentlicht am 20.05.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die
Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin M* GmbH, *, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagte K* KG, *, vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 34.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. November 2019, GZ 1 R 162/19d-10, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 22. Oktober 2019, GZ 11 Cg 61/19m-6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Sicherungsantrag der Klägerin, der Beklagten möge untersagt werden, auch nur sinngemäß einen Vorsprung bei der Reichweite der „Kronen Zeitung“ gegenüber Druckwerken der Klägerin zu behaupten oder zu verbreiten, wenn sich dieser Vorsprung nur aus einer von mehreren Kategorien der zugrundeliegenden Datenquelle ergibt, ohne dass die Beklagte über die übrigen Kategorien der Datenquelle in gleichwertiger Form aufklärt, insbesondere unter Bezug auf die „Media-Analyse 2018“ für die „Kronen Zeitung“ gegenüber „Österreich“ einen Reichweitevorsprung von 111 % mehr Leser in Wien am Sonntag zu behaupten, wenn nicht in gleicher Auffälligkeit darauf hingewiesen wird, dass der Vorsprung der „Kronen Zeitung“ gegenüber der Kategorie „Österreich/oe24-Kombi“ geringer ausfällt, samt ihrem gleichlautenden Eventual-Sicherungsbegehren abgewiesen wird.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 6.588,18 EUR bestimmten Kosten des Provisorialverfahrens aller drei Instanzen (darin 883,53 EUR USt und 1.287 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Medieninhaberin der Kaufzeitung „Österreich“ und der Gratiszeitung „oe24“, die bis zur Umbenennung am 1. 7. 2018 ebenfalls „Österreich“ hieß. Die Beklagte ist Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“.

Beide Parteien sind Mitglieder des Vereins „Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse“, der im März 2019 in seinem Bericht „Media-Analyse 2018“ folgende Reichweitezahlen veröffentlichte:

                  • „Kronen Zeitung“ in Wien

Gesamtreichweite 22,2 % (351.000 Leser)

                  • „Kronen Zeitung“ in Wien am Sonntag

Reichweite 30,4 % (482.000 Leser)

                  • „Österreich/oe24-Kombi“ in Wien

Gesamtreichweite 18,3 % (289.000 Leser)

                  • „Österreich“ in Wien am Sonntag

Reichweite 14,4 % (228.000 Leser)

Die Reichweiteangaben zu „Österreich/oe24-Kombi“ sind ein Kombinationswert, der aus den Werten von „Österreich“ im ersten Halbjahr 2018 und den überschneidungsfreien Nettowerten von „Österreich“ und „oe24“ im zweiten Halbjahr 2018 gebildet wurden.

Die Beklagte veröffentlichte daraufhin in der Ausgabe des Druckwerks „extradienst“ (ein Magazin für die Kommunikationsbranche) vom 3. 5. 2019 folgende ganzseitige Einschaltung

Die Klägerin begehrte zur Sicherung ihres Unterlassungsanspruchs die Erlassung der im Spruch ersichtlichen einstweiligen Verfügung. Im Übrigen erhob die Klägerin ein (abgesehen von einer offenbar versehentlichen Auslassung) mit dem Haupt-Sicherungsbegehren gleichlautendes Eventual-Sicherungsbegehren.

Die Beklagte vermittle mit ihrer Einschaltung den irreführenden und falschen Eindruck, dass die „Kronen Zeitung“ in Wien um 254.000 mehr Leser oder 111 % mehr Reichweite als „Österreich“ habe, während verschwiegen werde, dass die Reichweite der „Österreich/oe24-Kombi“ wesentlich höher sei als jene von „Österreich“ am Sonntag. Die Reichweite von Medien sei ein wesentliches Kriterium für den Verkauf von Anzeigenflächen. Die Behauptung eines Vorsprungs, der in dieser Höhe nicht gegeben sei, sei eine irreführende Geschäftspraktik nach § 2 UWG und eine Herabsetzung der Klägerin nach § 7 UWG.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Die Beklagte habe blickfangartig mit der Schlagzeile „111 % mehr Leser in Wien als 'Österreich'“ geworben und dies mit einem Balkendiagramm unterlegt, das diesen Vorsprung optisch untermauere, während in deutlich kleinerer Schrift am Rande der Einschaltung darauf hingewiesen werde, dass diese Behauptung nur die Sonntagsausgabe betreffe. Dadurch entstehe für einen bloß oberflächlichen Betrachter der Eindruck, dass die Zeitung der Beklagten regelmäßig und nicht nur an Sonntagen einen Vorsprung von 111 % mehr Lesern habe, was aber unstrittig nicht der Fall sei, weshalb die Beklagte einen Verstoß gegen § 2 UWG verantworte.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Ein Werbetext sei nach seiner Gesamtheit zu beurteilen. Richte er sich an Fachkreise, sei für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung die Verkehrsauffassung dieser Fachkreise maßgebend. Da der Gesamteindruck bereits durch jene Teile der Ankündigung, die als Blickfang besonders herausgestellt seien, entscheidend geprägt werde, dürfe der blickfangartig herausgestellte Teil der Ankündigung auch für sich allein nicht irreführend sein. Ein aufklärender Hinweis könne eine Täuschung durch eine mehrdeutige Werbeaussage nur verhindern, wenn er von den angesprochenen Verkehrskreisen auch wahrgenommen werde, was im Regelfall gleiche Auffälligkeit voraussetze. Die Einschaltung der Beklagten enthalte in mittelgroßer Schrift die Schlagwörter „Leser & Reichweite“, „228.000 Leser“ und „482.000 Leser“, hingegen sei der nachfolgende aufklärende Hinweis, dass damit nur die Sonntagsausgabe gemeint sei, in noch kleinerer Schrift ausgeführt, wodurch nicht gewährleistet sei, dass dieser Hinweis vom durchschnittlich aufmerksamen Betrachter überhaupt wahrgenommen werde. Die Anzeige erwecke damit beim Betrachter unweigerlich den unrichtigen Eindruck, dass die Zeitung der Beklagten insgesamt und nicht nur am Sonntag mehr als doppelt so viele Leser wie jene der Klägerin erreiche, worin eine Irreführung nach § 2 UWG liege.

Die Beklagte macht in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs geltend, dass die Leser des Fachmediums sehr wohl in der Lage gewesen seien, die aufklärenden Hinweise wahrzunehmen. Somit liege keine Irreführung vor. Das Unterlassungsbegehren sei aber auch schon deshalb unberechtigt, weil in der Media-Analyse 2018 für die „Österreich/oe24-Kombi“ am Sonntag gar kein Kombinationswert ausgewiesen sei, den die Beklagte für einen allfälligen Vergleich hätte heranziehen können. Der Beklagten könne daher nicht aufgetragen werden, zu unterlassen, „auch nur sinngemäß einen Vorsprung bei der Reichweite der 'Kronen Zeitung' gegenüber Druckwerken der Klägerin zu behaupten, wenn sich der Vorsprung in dieser Höhe aus der zugrundeliegenden Datenquelle nur aus einer von mehreren Kategorien der Datenquelle ergibt“, weil es in der Media-Analyse 2018 für den Sonntag nicht mehrere Kategorien für die Tageszeitung der Klägerin gebe.

Die Klägerin beantragt in ihrer vom Senat freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht seiner Entscheidung einen vom Antragsvorbringen nicht gedeckten Irreführungssachverhalt zugrunde gelegt hat; er ist auch berechtigt.

1.1. Beim Irreführungstatbestand ist zu prüfen, wie ein Durchschnittsverbraucher die strittige Ankündigung versteht, ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte (RS0123292).

1.2. Grundlage dieser Prüfung kann nur ein vom Kläger behaupteter konkreter Sachverhalt sein. Es genügt daher nicht, dass der Kläger ganz allgemein behauptet, dass der Beklagte durch eine bestimmte Angabe „in die Irre führe“; er muss vielmehr den Irreführungspunkt detailliert in drei Schritten benennen: Welchen Eindruck gewinnt der Durchschnittsverbraucher von der Angabe, inwieweit weicht dieser Eindruck von der Wirklichkeit ab, und ist der unrichtige Eindruck geeignet, die geschäftliche Entscheidung zu beeinflussen. Dieser so präzisierte Irreführungspunkt muss sich auch im Begehren widerspiegeln (vgl dazu bereits 4 Ob 184/18i: Der Kläger bestimmt durch sein Vorbringen das Prüfkalkül für die behauptete Abweichung von den Tatsachen. Die beanstandeten Werbeaussagen sollen deshalb irreführend sein, weil sie mit den angegebenen [Prüf-]Tatsachen nicht übereinstimmen).

2.1. Die Klägerin bemängelt im Sicherungsantrag das Verschweigen ihres Produkts „Österreich/oe24-Kombi“; dieser Kombiwert sei für die Werbewirtschaft relevant. Damit hat sie den Irreführungspunkt konkretisiert, der folgerichtig auch im Begehren Ausdruck findet: „… wenn sich der Vorsprung nur aus einer von mehreren Kategorien der Datenquelle ergibt ...“. Die damit angesprochene (in der beanstandeten Veröffentlichung nach Ansicht der Klägerin fehlende) Kategorie ist die Reichweite des Druckwerks „Österreich/oe24-Kombi“. Von einer Irreführung durch einen zu klein geschriebenen aufklärenden Hinweis, dass sich der beanstandete Vergleich (nur) auf die Sonntagsausgaben bezieht, ist im Antragsvorbringen und -begehren hingegen nicht die Rede.

2.2. Die Klägerin geht in ihrem Vorbringen nämlich ganz selbstverständlich von folgendem Eindruck der beanstandeten Einschaltung aus: „dass 'Österreich' bei der Reichweite 'Wien' am Sonntag […] eine Reichweite von […] aufweise; während die 'Kronen Zeitung' bei der Reichweite 'Wien' am Sonntag […] eine Reichweite von […] aufweise.“

2.3. Die Vorinstanzen beurteilen entgegen diesem Vorbringen nicht den (allein) geltend gemachten Irreführungspunkt, wenn sie rechtlich eine Irreführung darin erblicken, dass die Schlagzeile und ein auffälliges Balkendiagramm mit einer deutlich kleineren Schrift am Rand der Einschaltung kombiniert wird, die darüber aufklärt, dass sich der Vergleich (nur) auf die Sonntagsausgaben der beiden Zeitungen bezieht. Von diesem Umstand (der Vergleich bezieht sich nur auf die Sonntagsausgaben) geht allerdings die Klägerin ganz selbstverständlich aus. Die Vorinstanzen setzen sich damit (im Sinne einer nicht gebotenen amtswegigen allseitigen Prüfung aller nur erdenkbarer Irreführungsvarianten) über den von der Klägerin beanstandeten Irreführungspunkt und das darauf abzielende Begehren hinweg.

2.4. Der Revisionsrekurs zeigt zutreffend auf, dass das Unterlassungsbegehren schon deshalb nicht zu Recht bestehen kann, weil in der Media-Analyse 2018 gar kein Wert für die „Österreich/oe24-Kombi“ am Sonntag ausgewiesen ist, den die Beklagte im Werbevergleich hätte heranziehen können.

3. Die unterlassene Nennung eines in der bezogenen Datenquelle nicht erwähnten (weiteren) Vergleichswerts macht den beanstandeten Werbevergleich nicht unrichtig und kann deshalb auch den Tatbestand der Anschwärzung (§ 7 UWG) nicht erfüllen.

Der Sicherungsanspruch der Klägerin besteht daher nicht zu Recht. Dem Revisionsrekurs ist somit Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen sind dahin abzuändern, dass der Sicherungsanspruch abgewiesen wird.

4. Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 52 ZPO, in Ansehung des Rechtsmittelverfahrens auch noch iVm § 50 ZPO.

Schlagworte

Österreich/oe24-Kombi

Textnummer

E128534

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:E128534

Im RIS seit

15.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.07.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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