TE OGH 2020/5/20 4Ob61/20d

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Veröffentlicht am 20.05.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers Ing. K***** E*****, vertreten durch Rechtsanwaltspartnerschaft Blümke & Schöppl in Linz, gegen die Beklagte R***** GmbH in Liquidation, *****, vertreten durch Mag. Willibald Berger als Nachtragsliquidator, Rechtsanwalt in Marchtrenk, wegen 47.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über den Rekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 16. September 2019, GZ 4 R 92/19f-42, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 13. Mai 2019, GZ 5 Cg 4/17p-38, teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Das unterbrochene Rekursverfahren wird fortgesetzt.

2. Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadenersatz und Feststellung nach dem Produkthaftungsgesetz (PHG) in Anspruch. Er hatte von der Beklagten einen Ofen mit Schiebetür gekauft. Im Dezember 2013 wollte er diesen beheizen, gab Holz hinein, entfachte das Feuer und wollte die Schiebetüre wieder nach unten bewegen. Da sie spießte, wollte sie der Kläger wieder ganz öffnen. In diesem Moment zerriss das Glas, wodurch der Kläger am Arm verletzt wurde.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht bestätigte mittels Teilurteils die Abweisung des halben Zahlungs- und Feststellungsbegehrens und hob im Übrigen die Entscheidung des Erstgerichts auf und trug ihm die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die Beklagte hätte über die Notwendigkeit des regelmäßigen Schmierens der Gleitlager der Schiebetüre und über die Gefahr, dass nicht geölte Gleitlager zu einem Glasbruch samt möglichen Verletzungsfolgen führen können, informieren müssen. Mangels dessen sei ihr eine Verletzung der Instruktionspflicht im Sinne des PHG vorzuwerfen. Dem Kläger sei aber auch ein Mitverschulden anzulasten, weil Ursache des Glasbruchs nicht nur die fehlende Wartung des Schiebemechanismus, sondern auch der nicht fachgerechte Einbau des Kamins gewesen sei, wobei die Verteilung des Schadens nach § 11 PHG mangels Bestimmbarkeit der Anteile im Verhältnis 1:1 stattfinde. Es bedürfte aber noch wesentlicher Feststellungen zur Schadenshöhe und zu den Dauerfolgen aus neurologischer Sicht. Die ordentliche Revision und der Rekurs gegen den aufhebenden Teil der Entscheidung seien in Ermangelung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zum Erfordernis von Warn- und Wartungshinweisen von Kaminherstellern zulässig.

Die Beklagte beantragt in ihrem Rekurs, das Urteil erster Instanz wiederherzustellen, in eventu die Verschuldensteilung zugunsten der Beklagten abzuändern.

Der Rekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Nach Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Rekurs der Beklagten wurde über das Vermögen des Klägers mit Beschluss des Landesgerichts Linz vom 24. 10. 2019 (AZ 17 S 121/19x) das Insolvenzverfahren in Form eines Sanierungsverfahrens ohne Eigenverwaltung eröffnet. Nach Bekanntgabe der rechtskräftigen Aufhebung des Sanierungverfahrens mit Beschluss vom 25. 3. 2020 beantragte der Kläger die Fortsetzung des Verfahrens.

1.2. Da die Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 7 Abs 1 IO im Rekursstadium eingetreten ist, kommt dem Obersten Gerichtshof als Rechtsmittelgericht die Entscheidung über den Aufnahmeantrag zu (§ 165 Abs 1 ZPO; RS0097353). Das Rekursverfahren ist aufgrund des Wegfalls des Unterbrechungsgrundes antragsgemäß fortzusetzen.

2.1. In der Rechtsprechung zu § 5 PHG werden drei Kategorien von Produktfehlern unterschieden, nämlich Konstruktionsfehler, Produktionsfehler und Instruktionsfehler (RS0107606). Bei der, im vorliegenden Fall allein relevanten, dritten Kategorie macht die unzureichende Darbietung das Produkt fehlerhaft. Im Rahmen seiner Instruktionspflicht hat der Hersteller den Benützer auf gefährliche Eigenschaften des Produkts hinzuweisen (RS0071549), wenn die berechtigten Sicherheitserwartungen des idealtypisch durchschnittlichen Produktbenützers eine solche Warnung verlangen (RS0071543). Ob bestimmte Produktinstruktionen erforderlich sind, entscheidet sich regelmäßig nach der Kasuistik des Einzelfalls (10 Ob 8/18a), sodass in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt. Eine solche zeigt auch der Rekurs der Beklagten nicht auf.

2.2. Soweit der Rekurs ausführt, der Kläger habe die Glasscheibe in einem „Gewaltakt“ zu öffnen versucht und die Beklagte habe Kamine nur an ausgesuchte Hafnerbetriebe verkauft, weicht er von den Feststellungen ab. Zu letzterem Punkt wurde festgestellt, dass gerade im vorliegenden Fall der Kamin direkt an den Kläger verkauft wurde.

2.3. Soweit das Rechtsmittel geltend macht, es habe keine Verpflichtung bestanden, auf die „besondere Gefährlichkeit des Hantierens mit dem Sichtfenster“ hinzuweisen, geht es am eigentlichen Klagsvorwurf vorbei. Das Bedienen des Schiebeelements war an sich nicht gefährlich, sondern wurde es erst im Verlauf der Zeit, weil der Kläger aufgrund unzureichender Wartungshinweise das linke Gleitlager nicht geschmiert hatte. Damit kam wegen der unterlassenen Aufklärung die im Produkt schlummernde Gefährlichkeit zum Tragen, was den Vorwurf eines Instruktionsfehlers trägt (vgl Rabl, PHG, § 5 Rz 142). Der Produktfehler ergibt sich dann aus dem gänzlichen Fehlen einer Anweisung oder Gebrauchsanleitung oder aufgrund inhaltlicher Mängel der gelieferten Gebrauchsanleitung (vgl Rabl aaO, § 5 Rz 144).

2.4. Auch mit dem Vorbringen, die Beklagte habe darauf vertrauen dürfen, dass der Hafnerbetrieb den Kläger aufklären würde, zeigt der Rekurs keine erhebliche Rechtsfrage auf:

Es ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen der Pflicht des Herstellers zum Hinweis auf Gefahren, die sich bei der Benützung des Produkts und aus einer fehlerhaften Montage des Produkts ergeben können (6 Ob 535/94). Ginge es um die Montage des Kamins, wäre der Beklagten zuzustimmen, dass bei der Prüfung einer Warnpflichtverletzung auf das Wissen eines Fachmanns, hier also eines Hafners, abzustellen ist, wenn der Hersteller damit rechnen kann, dass ein solcher das Gerät montieren wird (RS0071535). Tatsächlich geht es jedoch um die laufende Wartung des Kamins, deren Unterbleiben zu einer besonderen Gefährlichkeit des Glasfensters führte. Die Wartung ist aber im laufenden Betrieb nicht von einem Hafner, sondern vom Endverbraucher vorzunehmen. Ein Schutzbedürfnis des Endverbrauchers, ist dann gegeben, wenn der Produzent damit rechnen muss, dass sein Produkt in die Hände von Personen gerät, die mit den Produktgefahren nicht vertraut sind (6 Ob 73/04k). Inhalt und Umfang der Instruktionen sind dann nach der am wenigsten informierten und damit gefährdetsten Benutzergruppe auszurichten (RS0026022 [T4]).

2.5. Die Haftung nach dem PHG (auf das sich der Kläger stützt) ist verschuldensunabhängig (RS0111171). Das Vorbringen der Beklagten, auf die Aufklärung durch den Hafnerbetrieb vertraut zu haben, ist in diesem Zusammenhang daher unbeachtlich.

2.6. Soweit die Rekurswerberin argumentiert, der Kläger habe die Notwendigkeit des Schmierens des Gleitlagers gekannt, sodass es einer Instruktion nicht bedurft habe, weicht sie ebenfalls von den Feststellungen ab. Die zu schmierenden Teile des Kamins lagen hinter einer Abdeckung verborgen, die der Kläger auf der linken Seite für nicht öffenbar hielt. Damit war weder allgemein noch ihm im Besonderen bekannt, dass dort aneinander reibende Teile zu warten waren, wodurch sich der Fall von dem der Entscheidung 9 Ob 109/03z zu Grunde liegenden Sachverhalt unterscheidet. Zudem müssen Warnhinweise klar und allgemein verständlich formuliert sein. Das spezielle Risiko ist in einer ganzen Tragweite möglichst eindrucksvoll zu schildern. Die Instruktion muss daher geeignet sein, das Risiko einer Rechtsgutverletzung zu beseitigen (RS0071554). Warnhinweise müssen umso deutlicher ausfallen, je größer das Ausmaß der potentiellen Schadensfolgen und je versteckter die Gefährlichkeit ist (RS0071554 [T1]). Eine Warnung dahingehend, dass bei unterlassener Schmierung nicht nur die im Rekurs betonte Schwerfälligkeit des Schiebeglases sondern dessen plötzliches Bersten zu befürchten sei, wurde nicht erteilt.

2.7. Letztlich rekurriert der Rekurs auch mit dem Vorbringen, der Beklagten sei die Gefährlichkeit nicht vorhersehbar gewesen, neuerlich auf die im Zusammenhang mit dem PHG nicht relevante Verschuldensfrage. Soweit die Beklagte im Übrigen davon ausgeht, die unterbliebene Wartung habe erst im Zusammenspiel mit der falschen Montage zur Gefährlichkeit geführt, weicht sie von den Feststellungen ab. Zwar trat als konkrete Schadensursache die unsachgemäße Installation hinzu, jedoch stellte das Erstgericht auch fest, dass alleine aufgrund der fehlenden Schmierung des Gleitlagers eine gefahrlose Bedienung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht möglich gewesen wäre.

2.8. Zusammenfassend hält sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach der Beklagten ein haftungsbegründender Instruktionsfehler anzulasten sei, im Rahmen der Rechtsprechung.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 40 ZPO. Der Kläger hat keine Rekursbeantwortung erstattet.

Textnummer

E128533

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00061.20D.0520.000

Im RIS seit

15.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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