TE Lvwg Erkenntnis 2020/7/6 LVwG-318-41/2020-R1

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Veröffentlicht am 06.07.2020
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Entscheidungsdatum

06.07.2020

Norm

BauG Vlbg 2001 §39 Abs1
BauG Vlbg 2001 §40 Abs1
WEG 2002 §18 Abs1
WEG 2002 §2 Abs5

Text

Im Namen der Republik!

Erkenntnis

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Mag. Nikolaus Brandtner über die Beschwerde der Eigentümergemeinschaft „Rstraße“, L, vertreten durch die Wgesellschaft mbH, B, wiederum vertreten durch Grass Dorner Rechtsanwälte, Bregenz, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde L vom 20.05.2020 betreffend feuerpolizeiliche und baurechtliche Aufträge, zu Recht erkannt:

Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde L vom 20.05.2020 ersatzlos behoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Begründung

1.   Mit angefochtenem Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde L vom 20.05.2020 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 9 Abs 2 Feuerpolizeiordnung, LGBl Nr 16/1949, idgF, sowie gemäß §§ 39 ff des Baugesetzes, LGBl Nr 52/2001, idgF, angewiesen, zur Behebung der festgestellten Mängel sofort folgende Maßnahmen durchzuführen oder durchführen zu lassen und deren Behebung durch einen dazu befugten Gewerbetreibenden oder sonst in geeigneter Weise bis zum 12.06.2020 nachzuweisen:

1. Die Fluchtwege aus der Tiefgarage seien normgerecht zu kennzeichnen (Nachleuchtende Fluchtwegs Piktogramme).

2. Die aus der Tiefgarage in die Treppenhäuser/Kellergeschossgang führenden Türen seien so auszubilden, dass diese ohne besondere Hilfsmittel jederzeit leicht geöffnet werden könnten (z.B. Notausgangsverschluss GEM. EN179).

3. Der Bereich der Kellerabteile sei gegenüber dem Treppenhaus jeweils brandschutztechnisch zu trennen (Brandschutztüren El230-C).

2.   Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringt sie im Wesentlichen vor, dass der angefochtene Bescheid mangels gesetzlicher Grundlage rechtswidrig sei. Das Mehrparteienhaus „Rstraße“ in L sei im Jahre 1972 durch die Baubehörde gesetzlich bewilligt worden und seien auch die Auflagen des dem seinerzeitigen Bauverfahren beigezogenen Sachverständigen für das Brandschutzwesen umgesetzt worden. Eine Notwendigkeit, im Bereich zwischen dem Kellerabteil und dem Treppenhaus Brandschutztüren einzubauen, habe zu diesem Zeitpunkt aus brandschutztechnischer Sicht nicht bestanden.

Der Baubescheid der Marktgemeinde L sei in Rechtskraft erwachsen. Die nachträgliche Vorschreibung des Einbaus von Brandschutztüren würde die Rechtskraft des Baubescheides durchbrechen und sei daher unzulässig und rechtswidrig. Die von der belangten Behörde angeführten Gesetzesgrundlagen würden keine taugliche gesetzliche Grundlage für die Durchbrechung der Rechtskraft bilden. Weiters stelle der Umstand, dass in der gegenständlichen Wohnanlage zwischen dem Kellerabteil und dem Treppenhaus keine Brandschutztüren eingebaut seien, keinen groben feuerpolizeilichen Mangel dar.

Darüber hinaus ermächtige das Vorarlberger Baugesetz die Behörde keineswegs, der Eigentümergemeinschaft nachträglich bauliche Veränderungen vorzuschreiben. Die Voraussetzungen des § 49 Abs 1 Baugesetz würden nicht vorliegen, da es sich beim betroffenen Objekt um ein Mehrparteienhaus, welches der Deckung von privatem Wohnbedarf diene, handle. Von der gemäß § 49 Abs 2 BauG vorgesehenen Verordnungsermächtigung habe die Vorarlberger Landesregierung bisher keinen Gebrauch gemacht, weshalb sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auch nicht auf eine derartige Verordnung berufen könne.

3.   Folgender Sachverhalt steht fest:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurden der Eigentümergemeinschaft „Rstraße“, L, gemäß § 9 Abs 2 Feuerpolizeiordnung, LGBl Nr 16/1949, idgF, und §§ 39 ff des Baugesetzes, LGBl Nr 52/2001, idgF, im Einzelnen näher bezeichnete feuerpolizeiliche und baurechtliche Aufträge erteilt, um die im Bescheid festgestellten Mängel zu beseitigen.

4.   Dieser Sachverhalt wird auf Grund der Aktenlage als erwiesen angenommen. Dieser Sachverhalt ist insoweit unstrittig.

5.   Gemäß § 9 Abs 2 Feuerpolizeiordnung, LGBl Nr 16/1949, idF LGBl Nr 34/1999, hat der Bürgermeister den Eigentümer oder Verfügungsberechtigten mit schriftlichem Bescheid anzuweisen, die feuerpolizeilichen Mängel im Sinne des § 6 Abs 2 oder des § 7 Abs 2 und 7 binnen einer zu bestimmenden angemessenen Frist zu beheben oder beheben zu lassen. Der Bürgermeister hat die Behebung der Mängel durch eine Nachbeschau überprüfen zu lassen, soweit die Behebung der Mängel nicht in anderer Weise, insbesondere durch eine Bestätigung eines dazu befugten Gewerbetreibenden, nachgewiesen ist. Zum Nachweis des ordnungsgemäßen und einsatzbereiten Zustandes von Brandmeldeeinrichtungen oder Brandschutzanlagen sowie der elektrischen Einrichtungen kann der Bürgermeister die Vorlage eines Prüfbefundes eines dazu befugten Gewerbetreibenden verlangen. Mängel, die baurechtlichen Bestimmungen widersprechen, sind nach diesen zu beheben.

Hinsichtlich der Vorschreibung nach dem Baugesetz bleibt mangels näherer Bezeichnung und mangels diesbezüglicher Begründung im Bescheid der belangten Behörde im Dunkeln, nach welchen Vorschriften die Behebung der Mängel vorgeschrieben wurde. Aber auch Aufträge nach den Bestimmungen des Baugesetzes in den § 39 ff, LGBl Nr 52/2001, idgF, sind an den Eigentümer oder den Bauberechtigten (wenn der Bauherr oder der Bauausführende nicht herangezogen werden kann), der über das Bauwerk oder die sonstige Anlage verfügungsberechtigt ist, zu richten. So ordnet bspw – unabhängig von deren Anwendung im gegenständlichen Fall – § 39 Abs 3 Baugesetz, LGBl Nr 52/2001, idF LGBl Nr 47/2017, an, dass die Behörde im Rahmen der Überwachung der Bauausführung mit Bescheid die zur Abwehr der Gefahren notwendigen Maßnahmen dem Bauherrn oder den Bauausführenden, subsidiär dem Eigentümer oder dem Bauberechtigten, aufzutragen hat. Auch nach § 45 Baugesetz, LGBl Nr 52/2001, idF LGBl 29/2011, trifft die Erhaltungspflicht den Eigentümer oder den Bauberechtigten. Wird diese nicht eingehalten, so kann die Behörde mit Bescheid die erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen nach § 46 Abs 1 Baugesetz verfügen. Hierbei gelten die Vorschriften der §§ 29 Abs 5 und 38 bis 40 sinngemäß. Dies gilt ebenfalls für die Erteilung von nachträglichen Aufträgen nach § 49 Abs 1 Baugesetz, LGBl Nr 52/2001, idF LGBl Nr 78/2017.

Nach § 2 Abs 5 Wohnungseigentumsgesetz 2002 (WEG), BGBl I Nr 70/2002, idF BGBl I Nr 124/2006, ist Wohnungseigentümer ein Miteigentümer der Liegenschaft, dem Wohnungseigentum an einem darauf befindlichen Wohnungseigentumsobjekt zukommt. Alle Wohnungseigentümer bilden zur Verwaltung der Liegenschaft die Eigentümergemeinschaft; sie ist eine juristische Person mit Rechtsfähigkeit in dem durch § 18 Abs 1 und 2 bestimmten Umfang.

Nach § 18 Abs 1 WEG 2002 kann die Eigentümergemeinschaft in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie klagen und geklagt werden. Für Klagen gegen die Eigentümergemeinschaft ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Sprengel die Liegenschaft gelegen ist. Bei diesem Gericht kann auch ein Wohnungseigentümer von der Eigentümergemeinschaft geklagt werden. Forderungen gegen die Eigentümergemeinschaft können gegen die einzelnen Wohnungseigentümer nur nach Maßgabe des Abs 4 zweiter Satz und nur durch gesonderte Klagsführung geltend gemacht werden.

Gemäß § 18 Abs 2 WEG 2002 können die Wohnungseigentümer der Eigentümergemeinschaft aus ihrem Miteigentum erfließende Unterlassungsansprüche sowie die Liegenschaft betreffende Gewährleistungs- und Schadenersatzsprüche abtreten, wodurch die Eigentümergemeinschaft diese Ansprüche erwirbt und in eigenem Namen geltend machen kann. Unterlässt die Eigentümergemeinschaft die Geltendmachung eines ihr abgetretenen Anspruchs und droht dadurch eine Frist für die Anspruchsverfolgung abzulaufen, so kann der betreffende Wohnungseigentümer den Anspruch für die Eigentümergemeinschaft geltend machen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24.10.2006, Zl 2006/06/0165, festgehalten hat, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in früheren Erkenntnissen unter Hinweis auf sein zur Vorgängerbestimmung des § 18 Abs 1 WEG 2002, dem § 13c Abs 1 WEG 1975, ergangenes Erkenntnis vom 27.02.1998, Zl 96/06/0182, und das Urteil des OGH vom 29.10.2004, 5 Ob 88/04h, festgehalten, dass mit der mit eingeschränkter Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Eigentümergemeinschaft nach § 18 Abs 1 WEG an den Eigentumsverhältnissen an der Liegenschaft und an den darauf befindlichen Gebäuden nichts geändert werden sollte und dass die Eigentümergemeinschaft vom Gesetzgeber auch nicht in der Weise ausgeformt wurde, dass sie in Bezug auf einen Abbruchauftrag gemäß § 129 Abs 10 Bauordnung für Wien in die Rechtsstellung der Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaft einzutreten hätte. Ein solcher Auftrag dürfe daher rechtens auch nicht der Eigentümergemeinschaft erteilt werden, weil diese nicht Eigentümerin der Liegenschaft sei.

In diesem Erkenntnis vom 24.10.2006 führt der Verwaltungsgerichtshof zu vergleichbaren Bestimmungen des § 7 Abs 3 Steiermärkisches Feuerpolizeigesetz 1985, LGBl 49, idF LGBl Nr 59/1995, und des § 103 Steiermärkisches Baugesetz, LGBl Nr 59/1995, aus, dass diese Bestimmungen auf die Eigentümerrechte abstellen würden, als Adressat von Aufträgen nach diesen Bestimmungen kämen nach wie vor die Eigentümer bzw die Miteigentümer, nicht aber die Eigentümergemeinschaft nach § 18 Abs 1 WEG, in Betracht. Zur Nachfolgebestimmung des § 18 Abs 1 WEG stellt der Verwaltungsgerichtshof unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung fest, dass sich am Wesen der Eigentümergemeinschaft nichts geändert habe, sie also weiterhin als juristische Person mit Teilrechtsfähigkeit, nämlich mit Rechtsfähigkeit nur auf dem Gebiet der Verwaltung der Liegenschaft, konzipiert sei. Wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft nach der WEG-Novelle 2002 nunmehr aus ihrem Miteigentum erfließende Unterlassungsansprüche sowie die Liegenschaft betreffende Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche in die Eigentümergemeinschaft abtreten könnten, seien davon nicht öffentlich-rechtliche Verpflichtungen der Eigentümer (Miteigentümer) einer baulichen Anlage erfasst.

Auch § 9 Abs 2 der Vorarlberger Feuerpolizeiordnung sowie die Bestimmungen der § 39 ff des Vorarlberger Baugesetzes stellen auf die Eigentümerrechte ab. Als Adressat von Aufträgen nach diesen Bestimmungen kommen daher nur die Eigentümer bzw die Miteigentümer (hinsichtlich des Baugesetzes subsidiär nach dem Bauherrn oder dem Bauausführenden), nicht aber die Eigentümergemeinschaft nach § 18 Abs 1 WEG 2002, in Betracht. Die Entgegennahme der im angefochtenen Bescheid verfügten feuerpolizeilichen und baurechtlichen Aufträge gehört nicht zum Wirkungsbereich der Eigentümergemeinschaft nach § 18 Abs 1 WEG 2002.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Vorstellungs- und Beschwerdelegitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Abwehr des ihr erteilten Auftrages aber jedenfalls zu bejahen (vgl VwGH 13.11.2001, 2001/05/0633). Da sich der angefochtene Bescheid an die Eigentümergemeinschaft richtet und diese gemäß § 18 Abs 1 WEG 2002 zu Unrecht angewiesen wurde, gemäß § 9 Abs 2 Feuerpolizeiordnung sowie gemäß §§ 39 ff des Baugesetzes die im Bescheid festgestellten Mängel zu beheben, war spruchgemäß zu entscheiden.

6.   Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

7.   Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Baurecht, Baueinstellung, Wiederherstellungsauftrag, nicht an Eigentümergemeinschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2020:LVwG.318.41.2020.R1

Zuletzt aktualisiert am

14.07.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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