Entscheidungsdatum
08.05.2020Norm
VwGG §46 Abs1Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch Dr. Köchle als Einzelrichterin über den Wiedereinsetzungsantrag der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 25. März 2020 betreffend Versäumung der Frist zur Erhebung einer ordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 31. Jänner 2020, Zl. LVwG-AV-754/001-2019, den
BESCHLUSS:
1. Der Wiedereinsetzungsantrag wird gemäß § 46 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985, BGBl. Nr. 10/1985 idgF, (VwGG) abgewiesen.
2. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 1/1930 idgF, (B-VG) nicht zulässig.
Begründung:
1. Maßgeblicher Sachverhalt und Verfahrensgang:
1.1. Herr B, ein am *** geborener Staatsangehöriger Mazedoniens, stellte am 02.01.2019 einen Antrag auf Erteilung eines Erstaufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 lit. b iVm § 8 Abs. 1 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich, der nunmehrigen Antragstellerin, vom 29. Mai 2019, Zl. ***, wurde dieser Antrag abgewiesen.
1.2. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 31. Jänner 2020, Zl. LVwG-AV-754/001-2019 stattgeben und dem Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens der beantragten Aufenthaltstitel für die Dauer von 12 Monaten erteilt (Spruchpunkt 1).
Da es nach Auffassung des Verwaltungsgerichts noch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage gibt, ob die Erteilungsvoraussetzung des § 21a Abs. 1 NAG (Nachweis von Deutsch-Kenntnissen auf A1 Niveau) auch dann zu verneinen ist, wenn erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ein Sprachzertifikat vorgelegt wird, das nicht älter als ein Jahr alt ist, während der Antragsteller bei Antragstellung nur über ein Sprachzertifikat verfügte, das schon im Zeitpunkt der Antragstellung älter als ein Jahr alt war, wurde in Spruchpunkt 3 des Erkenntnisses ausgesprochen, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig ist. In der Rechtsmittelbelehrung wurde auf die sechswöchige Revisionsfrist hingewiesen. Im Abschriftempfängertext wurde bei der der nunmehrigen Antragstellerin, der belangten Behörde im Ausgangsverfahren, darauf hingewiesen, dass der Verwaltungsakt gesondert übermittelt werde.
1.3. Das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 31. Jänner 2020, Zl. LVwG-AV-754/001-2019, wurde der Antragstellerin als belangter Behörde im Ausgangsverfahren elektronisch per Prozess am 31. Jänner 2020 zugestellt.
1.4. Mit gesondertem Schreiben des Verwaltungsgerichts vom 03. Februar 2020 wurden der Antragstellerin der durch diese vorgelegte Original (Papier-)Verwaltungsakt und ein Ausdruck des Aktenvermerks über ein Telefonat mit der anwaltlichen Vertretung des Beschwerdeführers im Ausgangsverfahren, in dem der Erhalt des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 31. Jänner 2010, Zl. LVwGAV-754/001-2019 bestätigte wurde, postalisch übermittelt.
1.5. Am 18. März 2020 langte beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die mit 16. März 2020 datierte ordentliche Revision der nunmehrigen Antragstellerin ein.
Darin wird zur Rechtzeitigkeit ausgeführt, dass das Erkenntnis des Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vom 31. Jänner 2020 Zl. LVwG-754/001-2019, der Antragstellerin am 11. Februar 2020 zugestellt worden sei und somit die Revision binnen offener Frist erhoben worden sei.
1.6. Mit Schreiben des Verwaltungsgerichts vom 19. März 2020 wurde der nunmehrigen Antragstellerin Gelegenheit gegeben, zum Umstand Stellung zu nehmen, dass sich die Revision vom 18. März 2020 vor dem Hintergrund dessen, dass das Erkenntnis nachweislich am 31. Jänner 2020 und nicht wie in der Revision angegeben am 11. Februar 2020 zugestellt worden sei, als verspätet erweise.
1.7. Daraufhin langte beim Verwaltungsgericht am 25. März 2020 das Schreiben der Antragstellerin vom am 25. März 2020 ein, mit dem die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend Versäumung der Frist zur Erhebung einer Revision beantragt wurde.
1.8. Begründend wird im Wiedereinsetzungsantrag Folgendes ausgeführt:
„Dass die gegenständliche Revision verspätet eingebracht wurde, ist erst durch den Verspätungsvorhalt offenkundig geworden,- die Tatsache, dass die Rechtsmittelfrist am 13.03.2020 abgelaufen ist, daher im Nachhinein gesehen unstrittig.
Die Revision wurde bereits eingebracht.
Dass die versäumte Handlung bereits vor dem Wiedereinsetzungsantrag gesetzt wurde, schadet nicht […].
Diesbezüglich darf jedoch zur Behördenorganisation Folgendes ausgeführt werden:
1.) Die Erkenntnisse werden in der Regel gemeinsam mit den Originalakten an die Wiedereinsetzungswerberin postalisch versendet. In weiterer Folge werden diese der Dienststellenleitung und anschließend an den zuständigen Sachbearbeiter weitergeleitet. Bei Bedarf bespricht der Sachbearbeiter eine etwaige Revisionserhebung mit dem zuständigen Juristen und lässt den Akt bei diesem, sofern die Einbringung eines außerordentlichen Rechtsmittels tatsächlich als erforderlich erkannt wurde.
Bisher war diese Vorgehensweise nicht zu beanstanden, da Aktenretournierung und Erkenntniszustellung zeitlich zusammenfielen, weshalb die Fristberechnung stets korrekt war und das Rechtsmittel rechtzeitig eingebracht wurde.
Durch die Nutzung der elektronischen Zustellung mittels Prozess in diesem Fall, kam es allerdings im Nachhinein betrachtet zum „Fristberechnungsfehler“, welcher an den im Akt befindlichen schriftlichen Zustellnachweis vom 11.02.2020 knüpfte.
Dass das Erkenntnis bereits zu einem vorigen Zeitpunkt (nun unbestritten der 31.01.2020) zugestellt wurde, war zu jenem Zeitpunkt, in dem der zuständige Jurist den Akt zwecks Revisionserhebung bekommen hat, nicht bekannt.
Ex ante betrachtet war der Zeitpunkt der Zustellung auch nicht zu hinterfragen, da der Zustellnachweis, datiert mit 11.02.2020, im Akt vorhanden war und aufgrund der – äußerst seltenen – Erkenntniszustellung mittels Prozess, überhaupt nicht an diese Option gedacht wurde. Die Akten im NAG-Bereich werden in den NÖ Landesbehörden auch noch als Papierakten geführt, eine LAKIS Anwendung ist erst im „Projektstadium“.
Im Anhang finden Sie einen Screenshot von den bei uns eingelangten Erkenntnissen, bei den PDF-Dokumenten handelt es sich um Scans von postalisch übermittelten Erkenntnissen, die Word-Dokumente wurde mittels Prozess an die Wiedereinsetzungswerberin versendet.
Dass dieses Erkenntnis mittels Zustellung per Prozess übermittelt wurde, lässt sich vermutlich auch aus der Tatsache heraus erklären, dass in diesem Fall eine besonders rasche Entscheidungsfindung erfolgte, um dem Beschwerdeführer in Bezug auf den baldigen Ablauf seiner visumfreien Zeit die Hin- und Rückreise zu ersparen und ihm ein schnellstmögliches Familienleben mit seiner in Österreich niedergelassenen Ehefrau zu ermöglichen.
Insofern unterlag man hinsichtlich des Zustellzeitpunktes einem Irrtum, somit einem inneren, psychischen Geschehen, unter welchem der Rechtsprechung des VwGH zufolge auch ein für die Versäumung der Prozesshandlung kausales Ereignis zu verstehen ist (vgl. zuletzt VwGH vom 06.04.2016, Ra 2016/03/0005, weiters: VwGH vom 23. Oktober 2006, 2006/12/0064; VwGH vom 25. Mai 2004, 2003/01/0644, 0214; zum Begriff des "Ereignisses" auch VwGH vom 17. Dezember 2009, 2008/22/0414).
Zum Maßstab der wirksamen Kontrolle stellte der VwGH in seinem Judikat vom 10.03.1998, Zl. 97/08/0405 klar:
[…]
Durch die Dienstanweisungskette ist grundsätzlich ein wirksames Kontrollsystem gegeben. Indem der Berechnungsfehler auf den eher untypischen Fall der elektronischen Zustellung zurückzuführen ist, wurde nach Bekanntwerden die Organisation und Ablauf von Posteingängen des NÖ LVWG überprüft und die diesbezüglichen Mängel im Ablauf behoben.
Es wurden zwischenzeitlich behördeninterne Vorkehrungen getroffen und die Mitarbeiter diesbezüglich angewiesen, künftig einen Screenshot vom Prozess des Einlangens anzufertigen und dem Akt beizulegen, um solche Vorfälle hintan zu halten.
Dass dieser Fehler nicht bereits bei den wenigen Fällen der elektronischen Zustellung in der Vergangenheit entdeckt wurde, ist darauf zurückzuführen, dass die Erhebung von außerordentlichen Rechtsmitteln in diesem Fällen nicht in Frage kam, weshalb auch keine Berechnung der Rechtsmittelfrist erfolgte.
2.) Zum Grad des minderen Versehens ist Folgendes auszuführen:
Das (vermeintliche) Ende der Revisionsfrist wurde mit 23.03.2020 im Fristenkalender fixiert, die Revision jedoch bereits am 18.03.2020 beim Landesverwaltungsgericht eingebracht. Aufgrund dieser Tatsache ist ein grundsätzlich wirksames Kontrollsystem offenkundig – die Revision wurde im Einklang mit der nachstehenden Rechtsprechung (VwGH vom 21.05.2019, Ra 2018/19/0406), somit nicht erst im letzten Moment geschrieben und eingebracht:
[…]
3.) Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch zu erwähnen, dass die Revision zu einem noch früheren Zeitpunkt hätte eingebracht werden können, nämlich sogar bis zu dem nun unbestrittenen Ende am 13.03.2020.
Diese Verzögerung ist auf die sich zu diesem Zeitpunkt bereits anbahnende „Corona-Krise“ zurückzuführen. Viele Fragen zum NAG im Zusammenhang mit „Corona“ beanspruchten viel personelle und fachliche Kapazität bei der Wiedereinsetzungswerberin, bevor noch Krisenstäbe einberufen worden sind und die Bundesregierung restriktive gesetzliche Maßnahmen erlassen hat.
Aufgrund der Zuständigkeitsregelung ist die Landeshauptfrau von Niederösterreich ua. für Aufenthaltstitel zuständig, die auf ein unbefristetes Niederlassungsrecht in einem anderem Schengenstaat zurückzuführen sind und deren Inhaber aufgrund dieses Aufenthaltstitels einen Umstieg auf einen österreichischen Aufenthaltstitel begehren […].
Im Hinblick auf den zu diesem Zeitpunkt bereits massiven Anstieg der Erkrankungen in Italien, führte der Weg von einigen Personen, die ein unbefristetes Niederlassungsrecht in Italien haben, zu der Wiedereinsetzungswerberin. Die Mitarbeiter der Wiedereinsetzungswerberin machten infolgedessen auf das nicht zu unterschätzende Risiko von Infektionen aufmerksam, was seitens der Dienststellenleitung zahlreiche Kontakte und auch Krisenbesprechungen mit Personalvertretung, Landesstellen bis zum Landessanitätsstab zur Folge hatte. In weiterer Folge spitzte sich die Lage immer mehr zu, bereits am Donnerstag, den 12.03.2020, wurde seitens der Abteilung Gespräche mit den Mitarbeitern zur Aufforderung der Landesamtsdirektion betreffend „Mobilen Arbeiten“ geführt.
Da die Wiedereinsetzungswerberin neben dem Bereich des Niederlassungs- und Aufenthaltswesens noch die wirtschaftliche und geistige Landesverteidigung (siehe Geschäftseinteilung des Amtes der NÖ Landesregierung) zu vollziehen hat, war die Dienststellenleitung im angesprochenen Zeitraum besonders gefordert und ist es nach wie vor.
Eine Priorisierung – vorrangig natürlich zugunsten des Schutzes und der Versorgung der Bevölkerung – musste vorgenommen werden, weshalb andere Angelegenheiten, ua. die Unterfertigung der bereits fertigen Revision, die aufgrund Dienstanweisung nur von der Dienststellenleitung bzw. deren Stellvertretung selbst zu unterfertigen ist, erst zu einem späteren Zeitpunkt erledigt werden konnten.
Aufgrund all der dargestellten Gründe und auch im Hinblick auf die nun in Kraft getretenen Regelungen des Gesetzgebers zur Wahrung (eigentlich Unterbrechung) von Fristen, ist aus Sicht der Wiedereinsetzungswerberin eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig.“
1.9. Als Beilagen zum Wiedereinsetzungsantrag wurden fünf Screenshots übermittelt, aus denen – nach dem im Wiedereinsetzungsantrag Ausgeführten – ersichtlich ist, welche der dort jeweils angeführten Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich der Antragstellerin auf elektronischem Weg per Prozess im LAKIS und welche der Antragstellerin postalisch zugestellt wurden.
2. Feststellungen:
2.1. Neben dem oben dargestellten maßgeblichen Verfahrensgang legt das Verwaltungsgericht dieser Entscheidung folgende maßgeblichen Feststellungen zugrunde:
2.2. Das in Revision gezogene Erkenntnis wurde der Antragstellerin auf elektronischem Weg mit Prozess in LAKIS am 31. Jänner 2020 zugestellt.
2.3. Der durch die Antragstellerin im dem in Revision gezogenen Erkenntnis zugrundeliegenden Verfahren vorgelegte Original (Papier)Verwaltungsakt wurde der Antragstellerin mit einem eigenen Schreiben auf dem Postweg zugestellt und langte bei dieser am 11. Februar 2020 ein.
2.4. Im Fristenkalender der zuständigen Abteilung der Antragstellerin wurde das Ende der Revisionsfrist mit 23. März 2020 eingetragen, da bei der Fristenberechnung irrtümlich das Datum der Zustellung des gesondert auf dem Postweg übermittelten Original Verwaltungsaktes (auch) als Datum der Zustellung des in Revision gezogenen Erkenntnisses zugrunde gelegt wurde.
2.5. Die mit 16. März 2020 datierte Revision wurde erst nach dem 13. März 2020 als dem letzten Tag der sechswöchigen Revisionsfrist beim LVwG NÖ eingebracht.
2.6. Der Text der mit 16. März 2020 datierten Revision wurde bereits vor dem 13. März 2020 als dem letzten Tag der Revisionsfrist fertiggestellt. Aufgrund der infolge der Covid19-Pandemie außergewöhnlich hohen Arbeitsbelastung der Antragstellerin und der in dieser Ausnahmesituation erforderlichen Priorisierung von Aufgaben wurde die Revision erst zu einem späteren Zeitpunkt unterfertigt.
2.7. Durch den Verspätungsvorhaltes des LVwG NÖ vom 19.03.2020 wurde bei der Antragstellering offenkundig, dass die Revision verspätet eingebracht wurde, weil bei der Berechnung der Revisionsfrist irrtümlich nicht das Datum der Zustellung des in Revision gezogenen auf elektronischem Weg zugestellten Erkenntnisses, sondern das Datum des Einlangens des auf dem Postweg rückübermittelten Original-Aktes zugrunde gelegt wurde.
2.8. Das Datum der Zustellung des postalisch übermittelten Verwaltungsaktes wurde deshalb irrtümlich der Berechnung der Revisionsfrist als Zustelldatum zugrunde gelegt, weil der Antragstellerin in der überwiegenden Zahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren, in denen vom LVwG NÖ über Beschwerden gegen von der Wiedereinsetzungswerberin als nach dem Niederlassungsgesetz in erster Instanz zuständiger Behörde erlassene Bescheide entschieden wurde, das verfahrensabschießende Erkenntnis auf dem Postweg unter gleichzeitiger Übermittlung des an die Antragstellerin zurückzustellenden Original Verwaltungsaktes zugestellt wird. Vor diesem Hintergrund wurde im vorliegenden Fall die Option, dass das in Revision gezogene Erkenntnis auf elektronischem Weg zugestellt worden sein könnte, nicht bedacht und in der irrigen Annahme, dass vorliegend das in Revision gezogene Erkenntnis gleichzeitig mit dem Verwaltungsakt übermittelt worden sei, die Revisionsfrist unter Zugrundelegung des Datums des Einlangens des zurückgestellten Verwaltungsaktes berechnet.
2.9. Im dem der in Revision gezogenen Entscheidung zugrunde liegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurden der Antragstellerin sowohl die Ladung zur mündlichen Verhandlung als auch Schreiben des LVwG NÖ, mit denen der Antragstellerin durch den Beschwerdeführer im Ausgangsverfahren vorgelegte Unterlagen zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt wurden, auf elektronischem Weg durch Prozess in LAKIS zugestellt und war das vorliegend in Revision gezogene gezogenen Erkenntnis nicht das erste Erkenntnis des LVwG NÖ, das der Antragstellerin auf elektronischem Weg mit Prozess in LAKIS zugestellt wurde.
2.10. Im Abschriftempfängertext des in Revision gezogenen Erkenntnisses findet sich der Vermerk „Der Verwaltungsakt wird gesondert übermittelt.“
2.11. Nach Bekanntwerden der Versäumung der Revisionsfrist im vorliegenden Fall wurden die Mitarbeiter der Antragstellerin angewiesen, künftig einen Screenshot vom Prozess des Einlangens anzufertigen und dem Akt beizufügen.
3. Beweiswürdigung:
3.1. Der unter Pkt. 1. dargelegte maßgebliche Verfahrensgang und Sachverhalt gründet sich auf die unbedenklichen und unstrittigen Inhalte der vorliegenden Gerichtsakten des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich zu den Zlen. LVwG-AV-754/001-2019 (Erkenntnis), LVwG-AV-754/004-2019 (Revision vom 16. März 2020 und Verspätungsvorhalt) und LVwG-AV-754/005 (Antrag auf Wiedereinsetzung).
3.2. Das Datum der Zustellung des in Revision gezogenen Erkenntnisses ist im die Zustellung an die Antragstellerin dokumentierenden Prozessbaustein in LAKIS ersichtlich und wurde durch die Antragstellerin auch nicht bestritten. Auch dass der Original (Papier-)Verwaltungsakt mit einem gesonderten Schreiben an die Antragstellerin zugestellt wurde, ist unstrittig. Das Datum der Zustellung des Original (Papier-)Verwaltungsaktes ergibt sich aus dem im Akt des Verwaltungsgerichts (zur Zahl LVwG-AV-754/001-2019) befindlichen Zustellnachweis. Zum im Abschriftsempfängertext enthaltenen Hinweis, wonach der Bezug habende Original (Papier-)Verwaltungsakt gesondert übermittelt werde, ist auf das das in Revision gezogene Erkenntnis bzw. auf den die Antragstellerin betreffenden Abschriftsempfängertext zu verweisen.
3.3. Dass bis zum Ablauf der Revisionsfrist am 13.03.2020 keine Revision beim LVwG NÖ eingebracht wurde, kann auf Grundlage des den Eingang der Revision beim LVwG NÖ am 18.03.2020 dokumentierenden Eingangsstempels und aufgrund der Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag, wo die Einbringung nach dem 13.03.2020 nicht nur zugestanden (S. 1 des Wiedereinsetzungsantrages) somderm auch ausdrücklich ausgeführt wird, dass die Revision „bereits am 18.03.2020 beim Landesverwaltungsgericht eingebracht“ worden sei (S. 4 des Wiedereinsetzungsantrages) festgestellt werden.
3.4. Die unter Pkt. 2.4, 2.6. bis 2.8. und 2.11. getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag, wobei insbesondere zu den Umständen, die zur Versäumung der Revisionsfrist geführt haben, vom Zutreffen des im Wiedereinsetzungsantrag Vorgebrachten ausgegangen wird.
3.5. Dass in dem dem in Revision gezogenen Erkenntnis zugrundeliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Ladungen und sonstige Schriftstücke des LVwG NÖ auf elektronischem Weg zugestellt wurden, ist im Bezug habenden verwaltungsgerichtlichen Akt ersichtlich. Dass der Antragstellerin bereits vor dem gegenständlich in Revision gezogenen Erkenntnis verfahrensabschließende Entscheidungen auf elektronischem Weg per Prozess in LAKIS zugestellt wurden, ergibt sich aus dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag selbst (S. 2 des Wiedereinsetzungsantrages) und aus den als Beilagen zum Wiedereinsetzungsantrag übermittelten Screenshots.
4. Erwägungen:
4.1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist gegen die Versäumung einer Frist einer Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie die Frist durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis versäumt hat. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Bereits im Wiedereinsetzungsantrag ist anzugeben, aus welchem Grund der Antragsteller diese Voraussetzungen als erfüllt ansieht. Dabei trifft den Antragsteller die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen (vgl. etwa VwGH 24.11.2005, 2005/11/0176 und VwGH 23.04.2015, Zl. 2012/07/0222, mwH mwH).
Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist dabei nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers abgesteckt wird.
4.2. Vorliegend begehrt die Antragstellerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der unbestritten versäumten Frist zur Erhebung der ordentlichen Revision gegen das Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 31. Jänner 2020, Zl. LVwG-AV-754/004-2019, zusammengefasst mit der Begründung, dass aufgrund eines Irrtums über den Zustellzeitpunkt des in Revision gezogenen Erkenntnisses das Ende der Revisionsfrist unrichtig berechnet worden sei.
4.3. Wie im Wiedereinsetzungsantrag zutreffend ausgeführt, kann ein Irrtum über den Zeitpunkt der Zustellung eines Geschäftsstückes grundsätzlich als unvorhergesehenes Ereignis einen Grund für eine Wiedereinsetzung darstellen (VwGH 06.04.2016, Ra 2016/03/0005). Voraussetzung dafür ist jedoch, dass dem Antragsteller diesbezüglich kein Versehen oder nur ein minderer Grad des Versehens angelastet werden kann.
4.4. Nach der auch im Wiedereinsetzungsantrag zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Gebietskörperschaft in gleicher Weise wie eine Rechtsanwaltskanzlei verpflichtet, die Mindesterfordernisse einer sorgfältigen Organisation zu erfüllen und hat diese im Rahmen des Zumutbaren ein Kontrollsystem, das die Einhaltung von Fristen sicherstellen soll, zu schaffen.
In Anbetracht der Bedeutung von Rechtsmittelfristen trifft jede Partei in Bezug auf deren Einhaltung eine erhöhte Sorgfaltspflicht (vgl. etwa VwGH 22.3.2012, 2012/09/0019, mwH). Aufgrund seiner zentralen Bedeutung für die an diesen anknüpfende Berechnung der Rechtsmittelfrist kommt dem Zeitpunkt der Zustellung eines Geschäftsstücks besondere Bedeutung zu. Daher unterliegt das Zustelldatum einer besonderen Prüfpflicht (vgl. z.B. VwGH 13.12.1989, 89/03/0091; 08.07.1992, 92/03/0093). Dementsprechend darf etwa ein Rechtsanwalt die Information seiner Kanzleikraft über den Zustellzeitpunkt nicht ungeprüft übernehmen (vgl. VwGH 13.12.1989, 89/03/0091) und hat der Kanzleibetrieb so eingerichtet sein, dass durch eine entsprechende Organisation und ein entsprechendes Kontrollsystem sichergestellt wird, dass nicht nur bei der Fristenberechnung als solcher, sondern auch bei der Anbringung von Einlaufstempeln – auf deren Grundlage in der Folge die Fristberechnung erfolgt – Irrtümer aller Voraussicht nach ausgeschlossen werden können (vgl. VwGH 08.10.1996, 96/04/0192).
Diese Grundsätze sind auch auf für die an die Organisation von Behörden zu stellenden Anforderungen übertragbar. Auch Behörden haben durch eine entsprechende Organisation und ein entsprechendes Kontrollsystem sicherzustellen, dass der Zustellzeitpunkt als fristauslösendes Ereignis korrekt dokumentiert und geprüft wird und dass Fristen ausgehend vom tatsächlichen Zustelldatum berechnet werden.
4.5. Welche Vorkehrungen im Rahmen der Organisation der Antragstellerin vor Bekanntwerden der gegenständlichen Fristversäumung bestanden hatten, um sicherzustellen, dass die Fristberechnung ausgehend vom tatsächlichen Zustelldatum erfolgt, wird im Wiedereinsetzungsantrag nicht dargetan.
Zwar wird auf die Dienstanweisungskette verwiesen und dargestellt, dass in Fällen, in denen der Verwaltungsakt und das Erkenntnis gleichzeitig bei der Antragstellerin einlangen, das Erkenntnis und der Verwaltungsakt der Dienststellenleitung und in der Folge dem zuständigen Sachbearbeiter weitergeleitet werden, der wiederum mit dem zuständigen Juristen die Frage, ob eine Revision erhoben werden soll, bespreche, wobei für den Fall, dass ein Rechtsmittel erhoben werde, der Akt beim zuständigen Juristen verbleibe.
Wer innerhalb dieses Prozesses für die Berechnung und Festsetzung der Revisionsfrist im Fristenkalender zuständig ist bzw. war ergibt sich aus dieser Darstellung ebensowenig, wie sich aus dem Wiedereinsetzungsantrag ergibt, wer für die Dokumentation und Prüfung des tatsächlichen Zustellzeitpunktes zuständig ist und durch welche Vorkehrungen sichergestellt wird bzw. wurde, dass der Fristberechnung das tatsächliche Zustelldatum zugrunde gelegt wird. Auch wie und in welcher Form – also etwa ausgedruckt oder durch elektronisches Weiterleiten – das der Antragstellerin ausschließlich auf elektronischem Weg zugestellte Erkenntnis der für die Fristenberechnung zuständigen Person übermittelt wird und ob etwa im Fall des Ausdruckens des elektronisch zugestellten Erkenntnisses ein den Zustellzeitpunkt dokumentierender Eingangsstempel oder ähnliches angebracht wird oder ob für den für die Revision verfassenden Juristen und/oder die für die Fristenberechnung zuständige Person bei ein elektronischen Weiterleitung des der Antragstellerin elektronisch zugestellten Erkenntnisses der Zustellzeitpunkt ersichtlich war, ergibt sich aus dem Wiedereinsetzungsantrag nicht.
4.6. Zwar könnten die Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag, wonach der Zeitpunkt der Zustellung nicht zu hinterfragen gewesen sei, weil ein mit 11.02.2020 datierter Zustellnachweis im Akt vorhanden gewesen sei, dahingehend verstanden werden, dass bei der Berechnung der Revisionsfrist aufgrund dessen, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle Erkenntnisse des LVwG NÖ und zurückzustellende Originalakten unter einem an die Antragstellerin übermittelt werden, stets das auf dem das Einlangen des Originalaktes dokumentierenden „Zustellnachweis“ vermerkte Datum abgestellt und davon ausgegangen wurde, dass Erkenntnis und Originalakt unter einem übermittelt und somit auch gleichzeitig zugestellt wurden.
In einem Vorgehen, nach dem ein im Akt befindlicher „Zustellnachweis“ ohne weitere Prüfung, ob sich dieser auch tatsächlich auf die für den Fristenlauf maßgebliche Zustellung (auch) des Erkenntnisses bezieht, der Fristenberechnung zugrundegelegt wird, kann jedoch kein wirksames Kontrollsystem gesehen werden, da der Zeitpunkt der Zustellung von Erkenntnis keineswegs in jedem Fall mit jenem der Zustellung des Original (Papier-)Verwaltungsaktes zusammenfallen müssen.
Schließlich kann eine wirksame Zustellung eines Erkenntnisses neben der Zustellung auf elektronischem Weg etwa auch per Telefax erfolgen und kann der Zustellzeitpunkt von Erkenntnis und Originalakt selbst bei einer postalischen Übermittlung auch des Erkenntnisses auseinanderfallen, wenn beispielsweise – etwa aus Gründen der Kanzleiorganisation – zwar sowohl das Erkenntnis als auch der zurückzustellende Originalakt zwar jeweils auf dem Postweg, jedoch mit gesonderten, nicht zwangsläufig am selben Tag abgefertigten Sendungen zugestellt werden.
Bei einem ohne weitere Prüfung, ob sich ein im Akt befindlicher „Zustellnachweis“ tatsächlich auf die fristauslösende Zustellung (auch) des Erkenntnisses, gegen das ein Rechtsmittel erhoben werden soll, bezieht, erfolgten irrtümlichen Zugrundelegen des vom Datum der Zustellung des Erkenntnisses abweichenden Datum der Zustellung des rückübermittelten Verwaltungsaktes kann angesichts dessen, dass es eine ganze Reihe an Konstellationen geben kann, in denen das Zustelldatum von Erkenntnis und Originalakt nicht zusammenfallen, nicht von einem bloß minderen Grad des Versehens gesprochen werden.
4.7. Von einem bloß minderen Grad des Versehens kann bei einer solchen Vorgehensweise insbesondere dann nicht ausgegangen werden, wenn – wie dies vorliegend erfolgt ist – im Abschriftempfängertext des Erkenntnisses ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass der Verwaltungsakt gesondert übermittelt werde.
Vielmehr hätte – unabhängig von der Art der Zustellung des Erkenntnisses – jedenfalls dieser Hinweis zum Anlass genommen werden müssen, den (offenbar einzigen) im Akt befindlichen, das Einlangen bei der Antragstellerin dokumentierenden „Zustellnachweis“ dahingehend zu prüfen, ob mit diesem nun (auch) der Zeitpunkt der Zustellung des Erkenntnisses oder (nur) der Zeitpunkt des Einlangens des – schon ausweislich des Hinweises im Abschiftempfängertextes gesondert übermittelten – Verwaltungsaktes dokumentiert wird, da bei einer gesonderten Übermittlung von Verwaltungsakt und Erkenntnis geradezu typischerweise von unterschiedlichen Zustellzeitpunkten auszugehen ist. Dass und in welcher Form eine solche Prüfung, ob ein im Akt befindlicher „Zustellnachweis“ (auch) den Zustellzeitpunkt eines Erkenntnisses, gegen das Revision erhoben werden soll, dokumentiert, nach der Organisation der Abläufe bei der Antragstellerin im Allgemeinen vorgesehen wäre oder dass und wie eine solche Prüfung konkreten Fall erfolgt wäre, wurde im Widereinsetzungsantrag jedoch nicht vorgebracht.
4.8. Der Antragstellerin wurden im Laufe dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens – ebenso wie dies in anderen verwaltungsgerichtlichen Verfahren regelmäßig der Fall ist – Schriftstücke des LVwG NÖ wie etwa Ladungen oder zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelte Unterlagen ausschließlich auf elektronischem Weg per Prozess in LAKIS übermittelt und wurden der Antragstellerin – wie sich aus den Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag und den übermittelten Screenshots ergibt – auch bereits vor der Zustellung des vorliegend in Revision gezogenen Erkenntnisses auch verfahrensabschließende Entscheidungen des LVwG NÖ auf elektronischem Weg per Prozess in LAKIS zugestellt. Vor diesem Hintergrund kann in einer Zustellung eines Erkenntnisses auf elektronischem Weg per Prozess in LAKIS – ungeachtet dessen, dass verfahrensabschließende Entscheidungen des LVwG NÖ der Antragstellerin in den meisten Fällen postalisch und unter einem mit dem rückzustellenden Verwaltungsakt zugestellt werden – keine so ungewöhnliche Form der Zustellung gesehen werden, dass diese als solche als unvorhergesehenes Ereignis angesehen werden könnte.
Auch führt der Umstand, dass der Antragstellerin Erkenntnisse des LVwG NÖ in der überwiegenden Zahl der Fälle unter einem mit dem zurückzustellenden Originalakten postalisch übermittelt werden, nicht dazu, dass eine Organisation der behördeninternen Abläufe, die keine Vorkehrungen dafür trifft, dass auch bei Zustellungen, die in anderer Form erfolgen, als in der überwiegenden Zahl der Fälle (zu denken wäre etwa auch an per Telefax erfolgende Zustellungen oder gesonderte postalische Zustellungen von Erkenntnis einer- und Verwaltungsakt andererseits) sichergestellt wird, dass der fristauslösende Zustellzeitpunkt entsprechend dokumentiert und kontrolliert wird, als eine ein über ein Versehen mindern Grades hinausgehendes Verschulden ausschließende, Fristversäumnisse in aller Regelung im Rahmen des Zumutbaren ausschließende Organisation angesehen werden könnte.
Im Wiedereinsetzungsantrag wird zwar ausgeführt, dass nunmehr Mängel im Ablauf behoben und behördeninterne Vorkehrungen getroffenen worden seien, indem insbesondere die Anweisung erteilt worden sei, dass künftig vom Prozess des Einlangens ein Screenshot anzufertigen und dem Akt beizulegen sei.
Dass solche oder sonstige, ein wirksames Kontrollsystem, durch das sichergestellt worden wäre, dass Irrtümer über den Zeitpunkt der Zustellung auch bei auf elektronischem Weg erfolgten Zustellungen aller Voraussicht nach ausgeschlossen sind, begründende Vorkehrungen auch vor dem Einlangen des Verspätungsvorhaltes im vorliegenden Fall bestanden hätten, wird im Wiedereinsetzungsantrag jedoch gerade nicht vorgebracht, sondern ausgeführt, dass durch die nunmehr getroffenen Vorkehrungen Fristsäumnisse künftig ausschließen sollen. Deshalb muss davon ausgegangen werden, dass vor dem Bekanntwerden der Fristversäumnis im vorliegenden Fall keine entsprechenden Maßnahmen vorgesehen waren und dass die Organisationsabläufe auf eine Weise ausgestaltet waren, durch die nicht sichergestellt gewesen war, dass im Fall elektronisch zugestellter Erkenntnisse eine für die für die Fristberechnung zuständige Person ersichtliche Dokumentation des Zustellzeitpunktes vorgesehen gewesen wäre.
Da es sich bei einer elektronischen Zustellung mit Prozess in LAKIS zwar um eine im Vergleich zur postalischen Zustellung weniger häufig vorkommende, jedoch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren übliche und auch hinsichtlich verfahrensabschließender Entscheidungen keineswegs erstmalige Form der Zustellung handelt, kann bei einer Organisation der behördeninternen Abläufe, die keine wirksamen Vorkehrungen dafür trifft, dass der Zustellzeitpunkt auch bei einer elektronischen Zustellung in einer Form dokumentiert wird, dass dieser für die mit der Fristenberechnung betrauten Person ersichtlich ist, nicht von einer Organisation der behördeninternen Abläufe bzw. von einem Kontrollsystem gesprochen werden, durch die bzw. durch das durch Irrtümer über den Zustellzeitpunkt verursachte Versäumungen von Revisionsfristen in aller Regel ausgeschlossen würden.
4.9. Zum Vorbringen, wonach deshalb ein „grundsätzlich wirksames Kontrollsystem offenkundig“ sei, weil die Revision bereits am 18. März 2020 und somit nicht am letzten Tag des im Fristenkalender der Antragstellerin fälschlich mit 23.03.2020 fixierten Fristenendes beim LVwG NÖ eingebracht worden sei, ist festzuhalten, dass aus der im Wiedereinsetzungsantrag zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgeleitet werden kann, dass das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems jedenfalls schon allein deshalb angenommen werden kann, wenn ein Rechtsmittel nicht am letzten Tag der Rechtsmittelfrist eingebracht wird.
Dass mit dem Einbringen eines Rechtsmittels nicht bis zum letzten Tag einer – aufgrund eines Irrtums über den Zustellzeitpunkt – falsch berechneten Rechtsmittelfrist zugewartet wird, begründet für sich allein noch kein wirksames, durch Irrtümer über den fristauslösenden Zustellzeitpunkt verursachte Fristversäumnisse in aller Regel ausschließendes wirksames Kontrollsystem.
4.10. Zu den Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag, wonach die Revision auch zu einem früheren Zeitpunkt, „sogar bis zu dem nun unbestrittenen Ende am 13.03.2020“ eingebracht werden hätte können, sich die Einbringung jedoch aufgrund der durch die Auswirkungen der Covid19-Pandemie hohen Arbeitsbelastung und der erforderlichen Prioritätensetzung verzögert habe, ist festzuhalten, dass die beschrieben Auswirkungen der Covid19-Pandemie keineswegs in Zweifel gezogen werden. Jedoch ergibt sich aus dem Wiedereinsetzungsantrag klar, dass die Fristversäumnis vorliegend auf den Irrtum über den Zeitpunkt der Zustellung des Erkenntnisses zurückzuführen ist, zumal davon auszugehen ist, dass die angesprochene erforderliche Prioritätensetzung, aufgrund derer die Unterfertigung der nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag schon zuvor fertig gestellten Revision erst am 16.03.2020 erfolgte, auch unter Berücksichtigung dessen vorgenommen wurde, dass aufgrund des Irrtums über den Zustellzeitpunkt davon ausgegangen wurde, dass die Frist für die Einbringung der Revision erst am 23.03.2020 ende. Dass eine Unterfertigung und Einbringung der Revision zu einem bestimmten Zeitpunkt schon vor dem 13.03.2020 tatsächlich geplant gewesen wäre um diese noch vor dem 13.03.2020 einbringen zu können und die unerwartete und unvorhersehbare hohe Arbeitsbelastung und Notwendigkeit der Prioritätensetzung die eigentlich für einen vor dem Ende der Revisionsfrist geplanten Zeitpunkt verhindert hätte, wird im Wiedereinsetzungsantrag auch nicht ausdrücklich behauptet. Davon, dass in der durch die Covid19-Pandemie bedingten, stark erhöhten, Prioritätensetzungen erforderlich machenden Arbeitsbelastung bei der Antragstellerin das unvorhergesehene Ereignis zu sehen wäre, das vorliegend zur Versäumung der ausgehend von einem irrtümlich angenommenen Zustellungszeitpunkt falsch berechneten Revisionsfrist geführt hätte, kann daher vor dem Hintergrund des im Wiedereinsetzungsantrag Vorgebrachten nicht ausgegangen werden.
4.11. Da ausgehend von den Ausführungen im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag ein Irrtum über den Zeitpunkt der Zustellung des in Revision gezogenen Erkenntnisses als das die Fristversäumnis verursacht habende unvorhergesehene Ereignis anzusehen ist und aus den oben dargelegten Gründen der Umstand, dass das Erkenntnis anders als die Mehrheit der Erkenntnisse des LVwG NÖ auf elektronischem Weg per Prozess zugestellt wurde, nicht dazu führt, dass der Irrtum über das Zustelldatum als ein Versehen bloß minderen Grades zu qualifizieren wäre und da weiteres weder eine Behördenorganisation noch ein Kontrollsystem dargetan wurde, durch das eine entsprechende Dokumentation und Kontrolle des fristauslösenden Zustellzeitpunktes sichergestellt und somit durch Irrtümer hinsichtlich des fristauslösenden Zustellzeitpunktes versurachte Fristversäumnisse in aller Regel ausgeschlossen würden, liegen fallbezogen unter Zugrundelegung des Vorbringens im Wiedereinsetzungsantrag die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht vor.
Daher ist der Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 46 VwGG abzuweisen.
5. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da der als erwiesen angenommene Sachverhalt und die in diesem Verfahren anzuwendenden Rechtsvorschriften eindeutig sind und im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis weder von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht noch eine solche Rechtsprechung fehlt und die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch einheitlich beantwortet wird und die Frage des Vorliegens eines minderen Grades des Versehens grundsätzlich keine Rechtsfrage ist, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt (vgl. VwGH 22.03.2018, Ra 2018/01/0107, mwN. (vgl. etwa VwGH 27.02.2019 Ra 2019/05/0044 unter Verweis auf VwGH 22.09.2015, Ra 2015/04/0070, mwH).
Schlagworte
Fremden- und Aufenthaltsrecht; Verfahrensrecht; Wiedereinsetzung; Revisionsfrist;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.754.005.2019Zuletzt aktualisiert am
13.07.2020