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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des N, vertreten durch Dr. Gerhard Koller, Rechtsanwalt in Wien VIII, Friedrich Schmidt-Platz 7, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 19. Dezember 1995, Zl. MA 61/IV-S 830/95, betreffend Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 19. Dezember 1995 widerrief die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 2 in Verbindung mit § 16 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), die mit ihrem Bescheid vom 8. Februar 1994 - gleichzeitig mit der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft an seine Ehegattin - ausgesprochene Zusicherung der Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer und wies gleichzeitig das Ansuchen des Beschwerdeführers auf Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 leg. cit. ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde hat den Widerruf der Zusicherung der Erstreckung der Verleihung und die Abweisung des Erstreckungsantrages des Beschwerdeführers damit begründet, daß dieser, nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten ein Staatsangehöriger Jugoslawiens bzw. Bosnien-Herzegowinas, der seit 2. November 1989 ununterbrochen den Hauptwohnsitz in Österreich hat, neuerlichen, nach Beibringung eines Nachweises über seine Bemühungen um das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband eingeleiteten Erhebungen zufolge mit Straferkenntnis des Bezirkspolizeikommissariates Wien-Mariahilf vom 13. Jänner (richtig 20. September) 1995 wegen § 99/2a in Verbindung mit § 4/1c StVO und § 99/1b in Verbindung mit § 5/2 StVO mit Geldstrafen in der Gesamthöhe von S 8.500,-- bestraft worden sei. In diesem Zusammenhang sei dem Beschwerdeführer auch die Lenkerberechtigung für einen Zeitraum von zwölf Monaten entzogen worden. Diese Verwaltungsübertretung stelle ein Einbürgerungshindernis gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG dar. Diese Straftat zwinge die Behörde zu dem Schluß, daß der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, die österreichische Rechtsordnung, insbesondere die der Hintanhaltung von Gefahren für Leben, Gesundheit und Sicherheit der Allgemeinheit dienenden Vorschriften zu beachten. Die in § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG für die Verleihung der Staatsbürgerschaft geforderte Voraussetzung, daß der Fremde seinem bisherigen Verhalten nach Gewähr dafür zu bieten habe, keine Gefahr für die öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu bilden, könne nicht als erfüllt betrachtet werden. Da eine Voraussetzung der Verleihung der Staatsbürgerschaft, welche im Zeitpunkt der Zusicherung noch gegeben gewesen sei, weggefallen sei, habe die Zusicherung der Verleihung widerrufen und das Ansuchen um Erstreckung der Verleihung abgewiesen werden müssen.
Der Beschwerdeführer macht in der Beschwerde zunächst geltend, Kriterium für die Abgrenzung strafbarer Handlungen, die einer Verleihung der Staatsbürgerschaft entgegenstünden, von solchen, die ihr nicht schadeten, sei das Ausmaß der Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Da es sich bei der dem Beschwerdeführer entgegengehaltenen Bestrafung nicht um eine gerichtliche Verurteilung, sondern nur um eine Verwaltungsübertretung handle, sei nicht vom Tatbestand der allgemeinen abstrakten Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit auszugehen, sondern sei jenes Tatbestandsmerkmal, welches besage, daß "strafbare Handlungen mit Freiheitsstrafen von unter 6 Monaten zu keiner Versagung führen", heranzuziehen gewesen. Die belangte Behörde sei auf die "Abgrenzung Verwaltungsübertretung - Verurteilung durch ein Strafgericht einerseits, Freiheitsstrafe andererseits" und auf den qualitativen Unterschied im Unrechtsgehalt nicht eingegangen. Bei der Ausübung des Ermessens sei die Behörde "an den Willen des Gesetzgebers im Sinne von leges speciales" gebunden und dürfe nicht einen allgemeinen Tatbestand einem speziellen vorziehen, weshalb die vorliegende Verwaltungsübertretung kein Hindernis für die Verleihung der Staatsbürgerschaft darstelle.
Gemäß § 16 Abs. 1 StbG ist die Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Fremden unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 2 auf seinen Ehegatten zu erstrecken, wenn
1.
die Ehe weder von Tisch und Bett noch sonst ohne Auflösung des Ehebandes gerichtlich geschieden ist;
2.
er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach § 33 Fremder ist und
3. a)
die Ehe seit mindestens einem Jahr aufrecht ist und er seinen "Hauptwohnsitz" seit mindestens vier Jahren ununterbrochen im Gebiet der Republik hat oder bei einer Ehedauer von mindestens zwei Jahren ein solcher Wohnsitz seit mindestens drei Jahren besteht oder
b) die Ehe seit mindestens fünf Jahren aufrecht ist.
Die österreichische Staatsbürgerschaft darf gemäß § 10 Abs. 1 StbG einem Fremden insbesondere nur dann verliehen werden, wenn
(Z. 2) er durch ein inländisches Gericht
a) weder wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten
b) noch wegen eines Finanzvergehens zu einer Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist; . . . . . (Z. 6) er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet.
Gemäß § 20 Abs. 2 StbG ist die Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft (Erstreckung der Verleihung) zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine der hiefür erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.
Bei der gemäß § 10 Abs. 1 StbG vorzunehmenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist - wie die belangte Behörde richtig ausgeführt hat - vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, welches durch das sich aus den von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt ist, auszugehen. Hiebei stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern ist es lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluß rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit erlassene Vorschriften mißachten (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1996, Zl. 95/01/0118, und die dort zitierte Judikatur).
Unbestritten ist der Beschwerdeführer nach der Zusicherung der Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft an ihn in der Weise straffällig geworden, daß er im Zusammenhang mit einem beim Lenken eines Kraftfahrzeuges verursachten Sachschaden es unterlassen hat, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, und sich geweigert hat, obwohl vermutet werden konnte, daß er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigen Zustand befand, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Dieser Verstoß gegen der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienende Schutznormen, wobei es sich um eine der schwerstwiegenden, die Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer in gröbster Weise gefährdende Übertretung - Verweigerung der Atemluftuntersuchung - handelt, hat die belangte Behörde, insbesondere auch, weil es sich um einen erst kurz vor ihrer Entscheidung begangenen Rechtsbruch gehandelt hat, zu Recht veranlaßt, davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit erlassene Vorschriften mißachten werde.
Dem Beschwerdeführer ist auch zu widersprechen, wenn er offenbar meint, aus einer Verwaltungsstrafe könne eine negative Prognose über sein zukünftiges Verhalten nicht abgeleitet werden. Vielmehr stellt § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG in keiner Weise darauf ab, ob gerichtliche Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen oder Strafen im Verwaltungsweg verhängt wurden, sodaß für den Bereich dieser Gesetzesstelle von einer verwaltungsbehördlichen Geldstrafe grundsätzlich die gleichen Wirkungen wie von einer gerichtlichen Strafe ausgehen können.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kamen für die Beurteilung seines Einbürgerungsansuchens auch andere Bestimmungen als der von ihm ausschließlich als maßgeblich angesehene § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG in Betracht. Aus dieser Bestimmung kann insbesondere nicht abgeleitet werden, daß das Verleihungshindernis des von der belangten Behörde herangezogenen Abs. 1 Z. 6 dieses Paragraphen nur dann in Frage kommen könne, wenn Verurteilungen zu sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafen vorlägen. Vielmehr handelt es sich bei dem in Abs. 1 Z. 6 dieses Paragraphen normierten Tatbestand um einen solchen, der ein eigenständiges Verleihungshindernis ohne Bedachtnahme auf andere Verleihungshindernisse umschreibt. Maßgeblich ist im Fall des Abs. 1 Z. 6 dieses Paragraphen die sich gegebenenfalls aus den Straftaten eines Einbürgerungswerbers ergebende Prognose über sein künftiges Verhalten, während in den Fällen der Ziffer 2 dieses Absatzes bereits die gerichtliche Verurteilung zu einer sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafe das Verleihungshindernis zur Folge hat, ohne daß aus der zuletzt genannten Bestimmung ein auch für alle anderen Verleihungshindernisse geltender Grundsatz abgeleitet werden könnte.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag somit insgesamt darin, daß die belangte Behörde angesichts des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers - wenn auch mit einer äußerst knapp gehaltenen Begründung - im Hinblick auf die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides erst nicht einmal fünf Monate zurückliegende, schwerwiegende Straftat des Beschwerdeführers darauf geschlossen hat, daß dieser keine Gewähr dafür biete, keine Gefahr für die öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu bilden, Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken.
Konnte die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgehen, daß nach Zusicherung der Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer eine der hiefür maßgeblichen Voraussetzungen weggefallen ist, so erweist sich auch der Widerruf dieser Zusicherung als durch das Gesetz gedeckt.
Weder aus dem Spruch noch aus der Begründung des angefochtenen Bescheides kann ein Hinweis darauf entnommen werden, daß die belangte Behörde ihre Entscheidung unter Anwendung von Ermessen getroffen hätte. Zur Übung des ihr in § 11 StbG eingeräumten Ermessens hätte sie nur gelangen können, wenn sie davon ausgegangen wäre, daß der Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer kein Hindernis entgegenstehe. Da die belangte Behörde aber, wie sich dem angefochtenen Bescheid eindeutig entnehmen läßt, vom Vorliegen des Verleihungshindernisses des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG ausgegangen ist, gehen die gegen die angebliche Ermessensübung durch die belangte Behörde gerichteten Einwendungen ins Leere.
Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Antrages auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996010107.X00Im RIS seit
11.01.2001