RS Vfgh 2020/6/8 E4386/2019

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Veröffentlicht am 08.06.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

EMRK Art8
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §10
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander und im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch Erlassung einer Rückkehrentscheidung betreffend einen Staatsangehörigen von Afghanistan; mangelnde Auseinandersetzung mit der bevorstehenden Geburt eines weiteren Kindes sowie mangelnder Begründungswert herabwürdigender Aussagen durch das BVwG zur Familiengründung während eines anhängigen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz

Rechtssatz

Art 8 EMRK:

Im Zeitpunkt der gegenständlichen Rückkehrentscheidung war es absehbar, dass der Beschwerdeführer demnächst erneut Vater werden würde. Davon ausgehend hätte sich das BVwG sohin mit der Schwangerschaft und den Auswirkungen der Rückkehrentscheidung auf die Trennung des Beschwerdeführers von seiner Familie sowie auch mit den damit einhergehenden Folgen für die Lebensgefährtin auseinandersetzen und begründen müssen, warum diese Trennung samt den damit einhergehenden Folgen im öffentlichen Interesse geboten ist.

Indem das BVwG diesen Umstand bei seiner Interessenabwägung nicht berücksichtigt hat, hat es - ungeachtet des Umstandes, dass das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthalts bewusst sein hätte müssen - diese mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel belastet.

BVG-Rassendiskriminierung:

Das BVwG stellt zur Begründung der Rückkehrentscheidung mehrfach auch darauf ab, dass die Gründung einer Familie während des Asylverfahrens "verantwortungslos" sei. Das BVwG verwendet dabei im Zusammenhang zur Beschreibung der Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner Lebensgefährtin und der Einordnung als Familienleben den Begriff "schwängern". Weiters führt es an, dass die Trennung des Beschwerdeführers von seiner Familie auch deswegen gerechtfertigt sei, "da der BF andernfalls für sein verantwortungsloses Verhalten samt Missachtung der österreichischen Gesetz[e] belohnt und im Vergleich zu AsylwerberInnen", die "bewusst vorbeugen/verhindern, während ihrer anhängigen Asylverfahren Kinder in Österreich zu zeugen", bevorzugt würde. Der VfGH vermag nicht zu erkennen, welcher Begründungswert diesen, als solche herabwürdigenden Äußerungen zukommen soll.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Privat- und Familienleben, Entscheidungsbegründung, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E4386.2019

Zuletzt aktualisiert am

14.07.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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