Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des Benjamin Appau in Linz, geboren am 24. November 1966, vertreten durch Dr. Hermann Fromherz, Dr. Friedrich Fromherz und Mag. Dr. Wolfgang Fromherz, Rechtsanwälte in Linz, Graben 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Dezember 1995, Zl. 4.337.323/7-III/13/95, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, eine Staatsangehöriger Ghanas, der am 21. April 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 23. April 1992 einen Asylantrag gestellt hat, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 23. Juni 1992, mit dem festgestellt worden war, daß er die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle, mit Berufung bekämpft.
Nach der mit hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/19/1166, wegen der rechtsirrigen Anwendung des Asylgesetzes 1991 ausgesprochenen Aufhebung ihres über diese Berufung ergangenen Bescheides vom 20. Februar 1994 wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 29. Dezember 1995 die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG neuerlich ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hat bei seiner Ersteinvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 14. Mai 1992 ausgeführt, er gehöre seit 1990 der
"CDR (Committee Defence of the Revolution)" als Mitglied an. In Ghana herrsche eine Militärdiktatur bzw. Militärregierung, für deren Änderung der Beschwerdeführer als Student immer wieder demonstriert habe. Anläßlich einer Demonstration im November 1991 sei er deshalb von der Polizei bis Jänner 1992 in Haft genommen worden. Nach seiner Entlassung sei er von der Polizei ständig zur Nachtzeit aufgesucht und kontrolliert worden. Im April 1992 sei er, ohne den Grund hiefür zu kennen, von der Polizei abermals für acht Tage inhaftiert worden. Man habe ihn beschuldigt, der Führer der Partei CDR zu sein und habe ihn für die anderen Demonstrationen verantwortlich gemacht. Am 20. April (1992) habe er aus der Haft entkommen können und sei aus Angst, wieder gefangen und wahrscheinlich getötet zu werden, nach Togo geflohen. Im Fall der Rückkehr in sein Heimatland würde er von der Polizei gefangen und vielleicht sogar getötet werden. Sollte die Regierung umgebildet oder gestürzt werden, würde er in sein Heimatland zurückkehren.
In seiner Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, seine Fluchtgründe seien in der Niederschrift über die Ersteinvernahme nur unvollständig und zum Teil nicht korrekt wiedergegeben worden, weil er nur die Möglichkeit gehabt habe, auf ihm gestellte Fragen zu antworten, sodaß er die Flucht nicht aus seiner Sicht habe darstellen können, weshalb "viele Punkte im Erstinterview nicht enthalten" seien. In diesem Zusammenhang erhob er schwerste Bedenken gegen den Dolmetscher und den aufnehmenden Beamten, weil diese nicht fähig seien, "Tatsachen zeitlich richtig einzuordnen, deutsche Sätze zu schreiben, geschweige denn englische Sätze in die deutsche Sprache zu übersetzen". Seine Schwierigkeiten hätten am 4. Juni 1990 begonnen, als er als 24jähriger Student gezwungen gewesen sei, Mitglied bei der CDR zu werden, weil er sonst nicht hätte weiter studieren können. Die CDR vertrete allerdings nicht die Interessen der Studierenden, sondern unterstütze nur die Militärregierung. Als sich die Zustände an der Universität verschlimmert hätten, sei es zu Demonstrationen der Studenten gekommen, die aber zu keinen Verbesserungen, sondern lediglich zu einem Durchgreifen der Regierung geführt hätten. Am 2. November 1991 seien der Beschwerdeführer und Dutzende andere Studenten festgenommen worden. Ohne Prozeß sei der Beschwerdeführer im Jänner 1992 wieder freigelassen und gewarnt worden, sich keinesfalls mehr politisch zu betätigen. Obwohl er diese Warnung befolgt habe, habe ihn die Polizei ständig kontrolliert, wobei sein Zimmer mitten in der Nacht durchsucht worden sei. Anfangs April 1992 sei er wieder verhaftet worden. Er sei nicht vernommen worden, doch habe er gehört, daß man ihn der "Führerschaft der Demonstrationen" beschuldigt habe. Am 8. April 1992 sei er mit der Drohung, "vorsichtig zu sein", entlassen worden. Am 17. April 1992 sei er von der Universität weg wieder verhaftet worden. Es sei von ihm verlangt worden, die Organisatoren der Demonstrationen anzugeben, was ihm aber nicht möglich gewesen sei. Man habe ihm gedroht, ihn in die Hauptstadt Accra zu verlegen, von wo er nicht so schnell zurückkommen würde. Da ihm bekannt gewesen sei, daß Studenten, die mit ihm gemeinsam am 2. November 1992 verhaftet worden seien, nicht mehr zurückgekommen seien, sei er "ungefähr am 20. April 1992" aus dem Gefängnis geflohen. Wenige Tage später habe er, weil er einer unterdrückten Minderheit angehöre, wegen seiner Flucht gesucht werde und mit einer Verurteilung zu einer längeren Gefängnisstrafe oder sogar Todesstrafe habe rechnen müssen, Ghana illegal und unerkannt verlassen.
Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides zur Kritik an dem die Ersteinvernahme leitenden Beamten und an dem beigezogenen Dolmetscher zunächst ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die Richtigkeit und Vollständigkeit (der Wiedergabe) seiner Angaben mit seiner Unterschrift bestätigt und hätte schon während der Einvernahme Verständigungsschwierigkeiten aufzeigen bzw. die Unterfertigung der Niederschrift verweigern können. Dieser Ansicht der belangten Behörde ist insoweit beizupflichten, als dem § 14 AVG entsprechende Niederschriften gemäß § 15 leg. cit. vollen Beweis über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung liefern, wobei der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zulässig bleibt. Daraus, daß der Beschwerdeführer bereits in der Berufung, anläßlich deren Erstellung ihm - wie er in der Beschwerde ausführt - erst die Fehlerhaftigkeit der Übersetzung aufgefallen sei, auf die nicht richtige bzw. unvollständige Wiedergabe seiner Angaben hingewiesen hat, ist zwar abzuleiten, daß er mit diesem Vorbringen nicht die Unrichtigkeit der Niederschrift selbst, sondern die Unrichtigkeit der seitens des Dolmetschers zu Protokoll gegebenen Übersetzung seiner Angaben und eine Mangelhaftigkeit der Vernehmung geltend machen wollte. Die Berufungsausführungen weisen aber - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - gegenüber den Ausführungen vor der Behörde erster Instanz derart gravierende Widersprüche auf, die im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer am Ende der Niederschrift über seine Ersteinvernahme bestätigt hat, den ihm in englischer Sprache zur Kenntnis gebrachten Inhalt der Niederschrift verstanden zu haben und damit einverstanden zu sein, mit einer unrichtigen Übersetzung der erstinstanzlichen Angaben des Beschwerdeführers nicht mehr erklärbar sind. So hat der Beschwerdeführer bei seiner Ersteinvernahme erklärt, seitens der Polizei bezichtigt worden zu sein, der Führer der CDR zu sein, während er in der Berufung ausgeführt hat, es handle sich bei der CDR um die "regierende Partei".
Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ohne Einräumung des Parteiengehörs dem Beschwerdeführer entgegengehalten hat, es habe im fraglichen Zeitraum keine regierende Partei in Ghana existiert, sondern als zentraler Machtträger nur der "PNDC", der sekundäre Organisationen ins Leben gerufen habe, wäre es dem Beschwerdeführer frei gestanden, in der Beschwerde - ohne gegen das gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot zu verstoßen - hiezu ein Tatsachenvorbringen zu erstatten. Davon hat der Beschwerdeführer nur insoweit Gebrauch gemacht, als er ausgeführt hat, er habe, indem er den CDR als regierende Partei bezeichnet habe, sinngemäß den gleichen Standpunkt wie die belangte Behörde vertreten. Durch diese Darlegungen vermag der Beschwerdeführer aber den aufgezeigten Widerspruch seiner Berufungsausführungen zu der bei der Ersteinvernahme aufgestellten Behauptung, wegen seiner Mitgliedschaft bei der CDR von staatlichen Behörden verfolgt worden zu sein, nicht zu entkräften. Da eine Verfolgung durch staatliche Behörden wegen der Mitgliedschaft zur Regierungspartei logischen Überlegungen widerspricht, ist der belangten Behörde beizupflichten, wenn sie diesem Vorbringen die Glaubwürdigkeit versagt hat.
Die belangte Behörde ist somit in der zentralen Frage des Grundes für die vom Beschwerdeführer behaupteten Verfolgungshandlungen zu Recht davon ausgegangen, daß die diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers nicht schlüssig sind. Damit kommt aber der Frage, ob der belangten Behörde hinsichtlich ihrer darüber hinausgehenden Feststellungen (der Beschwerdeführer sei entgegen seiner Behauptung nicht Student; das polizeiliche Einschreiten gegen Teilnehmer an nicht genehmigten Demonstrationen sei nicht gegen deren politische Überzeugung gerichtet; umfassende Reformen im Heimatland des Beschwerdeführers) Verfahrensfehler unterlaufen sind, keine entscheidende Bedeutung zu, weil die belangte Behörde auch bei Vermeidung solcher allfälliger Fehler angesichts der aufgezeigten Unglaubwürdigkeit des Vorbringens zu keinem anderen Bescheid hätte gelangen können.
Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996010129.X00Im RIS seit
20.11.2000