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L00209 Auskunftspflicht Informationsweiterverwendung WienNorm
AuskunftspflichtG Wr 1988 §1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der Ä W, vertreten durch die Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stadiongasse 2, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 3. Oktober 2019, Zl. VGW-101/042/5187/2019-2, betreffend Auskunftserteilung nach dem Wiener Auskunftspflichtgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Schreiben vom 12. September 2018 stellte die Revisionswerberin einen auf § 1 Abs. 1 Wiener Auskunftspflichtgesetz gestützten Antrag an die belangte Behörde, diese möge
„1. in Erfüllung der Auskunftspflicht eine Kopie der Kooperationsvereinbarung, abgeschlossen zwischen der P. GmbH & Co KG und der Stadt W, dem K oder dem A (als Teilunternehmung des K) samt allen Anlagen (insbesondere dem Leistungskatalog und der Vergütungsvereinbarung) ausfolgen;
2. in eventu (falls dies nicht möglich sein sollte): folgende Auskünfte über den Inhalt der in Punkt 1. genannten Kooperationsvereinbarung erteilen:
a) ...“.
2 Mit (ausschließlich den Hauptantrag Punkt 1. erledigendem) Bescheid vom 31. Jänner 2019 stellte die belangte Behörde gemäß § 3 Abs. 3 Wiener Auskunftspflichtgesetz fest, dass die von der Revisionswerberin „begehrte Auskunft durch Übermittlung einer Kopie“ der genannten Kooperationsvereinbarung nicht erteilt werde.
3 In der Begründung wurde ausgeführt, die Stattgabe des Ersuchens der Revisionswerberin käme der Gewährung von Akteneinsicht im sanitätsbehördlichen Bewilligungsverfahren, in welchem die Revisionswerberin (anders als im Verfahren zur Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums betreffend den Bedarf) keine Parteistellung habe, gleich. Das Wiener Auskunftspflichtgesetz räume jedoch keinen Anspruch auf Akteneinsicht ein, sondern lediglich die Weitergabe von Informationen über einen Akteninhalt, der in aller Regel nicht jene Detailliertheit an Informationen aufweisen werde, die bei der Einsicht in die Akten zu gewinnen wäre (Hinweis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
4 Eine Entscheidungspflicht betreffend den Eventualantrag bestehe noch nicht, weil der Hauptantrag noch nicht rechtskräftig abgewiesen worden sei.
5 Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde der Revisionswerberin änderte das Verwaltungsgericht den Spruch des genannten Bescheides dahin, dass der Hauptantrag der Revisionswerberin gemäß § 3 Abs. 3 Wiener Auskunftspflichtgesetz zurückgewiesen werde.
Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
6 In der Begründung wird nach breiter Wiedergabe des Verfahrensgeschehens und nach wörtlichem Zitat des in Rede stehenden Hauptantrages ausgeführt, dass mit diesem Antrag keine Auskunft, sondern Akteneinsicht samt Fertigung einer Kopie aus dem Akt begehrt werde.
7 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes umfasse aber die Auskunftspflicht nicht das Recht auf Akteneinsicht (Hinweis auf VwGH 1.9.2010, 2009/17/0153 und VwGH 27.11.2018, Ra 2017/02/0141). Ein Auskunftsantrag nach dem Auskunftspflichtgesetz, in welchem die Einsicht in einen Akt begehrt werde, stelle überhaupt keinen Auskunftsantrag nach dem Auskunftspflichtgesetz dar und sei daher zurückzuweisen.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich die Revisionswerberin verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. aus vielen VwGH 19.2.2020, Ra 2020/11/0009, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 14.10.2019, Ra 2019/11/0157, mwN).
12 Soweit die Revision eine dem angefochtenen Erkenntnis anhaftende Aktenwidrigkeit (und insoweit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG) zu erkennen vermeint, weil das Verwaltungsgericht den Antrag der Revisionswerberin als solchen auf „Akteneinsicht samt Fertigung einer Kopie aus dem Akt“ bezeichnet hat, so handelt es sich im angefochtenen Erkenntnis zwar um eine überschießende Formulierung, aber nicht um eine aktenwidrige Feststellung. Gemeint ist nämlich offensichtlich, dass die von der Revisionswerberin (im gegenständlich ausschließlich relevanten Hauptantrag) begehrte Ausfolgung einer Kopie des Kooperationsvertrages aus rechtlicher Sicht einem Begehren auf Akteneinsicht entspreche, das nicht zulässiger Gegenstand eines Auskunftsbegehrens sei.
13 Die letztgenannte Ansicht wird von der Revision im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung als Abweichung von der hg. Rechtsprechung angesehen, weil der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 29. Mai 2018, Ra 2017/03/0083 (bei dem es um ein umfassenderes Auskunftsbegehren als gegenständlich gegangen sei), und vom 13. September 2016, Ra 2015/03/0038, zugrunde liegenden Fällen keinen („verbrämten“) Antrag auf (Akten-)Einsicht im Rahmen des gestellten Auskunftsbegehrens gesehen habe.
14 Mit diesem Vorbringen wird ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung bzw. eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt:
15 Das Wiener Auskunftspflichtgesetz, LGBl. Nr. 20/1988 idF LGBl. Nr. 33/2013, lautet auszugsweise:
„§ 1. (1) Die Organe des Landes und der Gemeinde Wien sowie der durch Landesgesetz geregelten Selbstverwaltung haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskunft zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.
(2) Auskunft ist eine Wissenserklärung. Sie hat auf dem Wissen zu beruhen, über das ein auskunftspflichtiges Organ in dem Zeitpunkt verfügt, in dem das Auskunftsbegehren bei ihm einlangt.
(3) Jedermann hat das Recht, Auskünfte zu verlangen.
(4) ...
(5) Auskunft ist nur insoweit zu erteilen, als dadurch die Besorgung der übrigen Aufgaben eines Organes nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Auskunft ist nicht zu erteilen, wenn sie offenkundig mutwillig begehrt wird.
...
§ 3. (1) Auskunft ist nach Möglichkeit mündlich oder telefonisch zu erteilen.
...
(3) Wird die Auskunft ausdrücklich verweigert oder nicht fristgerecht erteilt, hat das Organ auf Antrag des Auskunftswerbers innerhalb von drei Monaten ab Antrag mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden, ob die Auskunft zu erteilen ist. Wird die Auskunft nachträglich erteilt, endet die Pflicht zur Bescheiderlassung.
(4) ...“
16 Der Auskunftsbegriff im Sinn des Art. 20 Abs. 4 B-VG ist im Bundesrecht und Landesrecht grundsätzlich ident. Auskünfte im Sinne der Auskunftspflichtgesetze des Bundes und der Länder haben stets Wissenserklärungen zum Gegenstand, wobei deren Inhalt ausschließlich solche Informationen sind, die zum Zeitpunkt der Anfrage der Verwaltung bereits bekannt sind und nicht erst von der ersuchten Verwaltungseinheit zum Zweck der Erfüllung der Auskunftspflicht beschafft werden müssen. Auskunftserteilung bedeutet die Weitergabe von Informationen über einen Akteninhalt, die in aller Regel nicht jene Detailliertheit an Informationen aufweisen wird, die bei der Einsicht in die Akten zu gewinnen wäre (vgl. VwGH 13.9.2016, Ra 2015/03/0038 (dort Rn 17), mwN).
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits mehrfach klargestellt, dass das Recht auf Auskunft gemäß Art. 20 Abs. 4 B-VG und den Auskunftspflichtgesetzen des Bundes und der Länder keinen Anspruch auf Akteneinsicht einräumt (vgl. VwGH 29.5.2018, Ra 2017/03/0083 (dort Rn 30), mit Verweis auf VwGH 22.10.2013, 2012/10/0002). Mit dem Verweis der Revision auf die Ausführungen im zitierten Erkenntnis Ra 2017/03/0083 (wonach etwa ein journalistischer Hintergrund des Auskunftsbegehrens die Auskunftserteilung durch Gewährung des Zuganges zu den relevanten Dokumenten gebieten kann; vgl. Rn 29 f.), wird fallbezogen kein Abweichen von dieser Judikatur aufgezeigt, weil ein solcher Hintergrund gegenständlich nicht ersichtlich ist.
18 Im Zulässigkeitsvorbringen wird, wie dargestellt, nicht grundsätzlich in Abrede gestellt, dass die Auskunftspflicht nach dem Auskunftspflichtgesetz entsprechend der Judikatur nicht geeignet ist, eine Akteneinsicht durchzusetzen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis Ra 2017/02/0141, Rn 23, mwN, auf welches das Verwaltungsgericht, entgegen der Meinung der Revisionswerberin, zutreffend verwiesen hat).
19 Vielmehr meint die Revision, dass der gegenständliche Antrag nach dem Wiener Auskunftspflichtgesetz zu Unrecht als ein in Wahrheit auf die Akteneinsicht abzielender Antrag gewertet worden sei, wenn man als Vergleichsmaßstab die den zitierten Erkenntnissen Ra 2017/03/0083 und Ra 2015/03/0038 zugrunde liegenden Auskunftsbegehren heranzieht.
20 Dieser Vergleich ist aber für die Zulässigkeit der Revision nicht entscheidend, weil einer in vertretbarer Weise vorgenommenen Auslegung von Parteierklärungen - wie hier des gegenständlichen Antrags der Revisionswerberin - keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt und eine solche Auslegung daher nicht revisibel ist (vgl. das zitierte Erkenntnis Ra 2017/02/0141, Rn 24).
21 Im Revisionsfall ist es als vertretbar anzusehen, wenn das Verwaltungsgericht den in Rede stehenden Antrag, „eine Kopie der Kooperationsvereinbarung ... auszufolgen“, als Begehren auf Akteneinsicht und nicht als Antrag auf Erteilung einer - in aller Regel einen höheren Abstraktionsgrad aufweisenden (vgl. abermals Ra 2017/02/0141, Rn 27) - Auskunft gewertet hat.
22 Die Revision war somit zurückzuweisen.
Wien, am 25. Mai 2020
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020110031.L00Im RIS seit
11.07.2020Zuletzt aktualisiert am
11.07.2020