TE OGH 2020/4/24 8ObA25/20i

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Veröffentlicht am 24.04.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzeden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. G***** N*****, vertreten durch Dr. Michael Gumpoltsberger, Rechtsanwalt in Wörgl, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle Tirol (vormals: Tiroler Gebietskrankenkasse), 6020 Innsbruck, Klara-Pölt-Weg 2, vertreten durch Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 28.025,87 EUR brutto sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Dezember 2019, GZ 13 Ra 37/19t-32, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO

zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der seit 1993 bei der Beklagten zunächst in allgemeinen Abteilungen als Verwaltungsangestellte beschäftigten Klägerin wurde nach Absolvierung ihres Studiums im Jahr 2007 förmlich der Dienstposten „Angelegenheiten von allgemeiner und grundsätzlicher Bedeutung“ in der Abteilung „Strategie und Recht“ verliehen. Am 15. 1. 2010 erfolgte eine förmliche Stellenbeschreibung des Dienstpostens. Diese wurde von der Klägerin und für die Beklagte von deren Direktor und dem damaligen Leiter des Direktionsbüros unterschrieben. Der Dienstposten diente insbesondere der Betreuung des *****fonds (*****F) durch die Klägerin. Wegen dieser „außerordentlichen Tätigkeit“ wurde ihr auch „widerruflich und längstens für die Dauer der angeführten außerordentlichen Tätigkeit“ eine Pauschale von zehn Überstunden gewährt, die später auf 15 Überstunden erhöht wurde.

Nachdem man der Klägerin eine Indiskretion angelastet hatte, wurde sie mit Schreiben vom 9. 11. 2017 mit Zustimmung des Betriebsrats in eine allgemeine Abteilung versetzt, damit sie dort als Juristin arbeite. An ihrem Grundbezug änderte sich dadurch nichts (sie war weiterhin in der Gehaltsgruppe E, Dienstklasse III eingestuft). Ihr wurde jedoch mitgeteilt, dass wegen des Wegfalls der „außerordentlichen Tätigkeit“ die Überstundenpauschale entfalle. Die Klägerin nahm ihre Arbeit in dieser Abteilung nur unter Protest auf.

Die Klägerin begehrt mit der Klage zum einen die Zahlung der ihr seither monatlich entgangenen Gelder aus der Überstundenpauschale, zum anderen die Feststellung, dass sie „nicht verpflichtet ist, der dienstlichen Anordnung/Weisung der beklagten Partei zur Arbeit in der Abteilung ***** gemäß Schreiben vom 9. 11. 2017 Folge zu leisten und sohin nicht zur Arbeit unter den veränderten Bedingungen in der neuen Stellung in der Abteilung ***** verpflichtet ist“.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren übereinstimmend statt.

In ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Beklagte vertritt in ihrem Rechtsmittel zur Begründung von dessen Zulässigkeit den Standpunkt, die Klägerin sei aufgrund des Direktionsrechts der Beklagten verpflichtet, die Tätigkeit in der ihr nunmehr zugewiesenen allgemeinen Abteilung aufzunehmen. Die Klägerin sei Juristin und könne sich nicht aussuchen, welche Juristenarbeit sie für die Beklagte zu erbringen habe. Es stelle sich die im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Frage, „ob eine Dienstnehmerin, die vor und nach Versetzung Juristentätigkeiten zu verrichten hat, aufgrund einer einzelvertraglichen Vereinbarung die Befolgung der Weisung, in einer anderen Abteilung als Juristin zu arbeiten, nur deswegen verweigern kann, weil die Abteilungen unterschiedliche Themen abzuarbeiten hätten (*****F- bzw ASVG)“. Auch mit der „Frage der Wirkung einer Versetzung auf eine derartige einzelvertragliche Vereinbarung“ habe sich das Höchstgericht bislang noch nicht zu befassen gehabt.

I.1. Bei der Frage, ob eine Versetzung des Dienstnehmers im Sinn einer Änderung des Tätigkeitsbereichs und/oder des Dienstorts zulässig ist, ist zwischen der dienstvertraglichen und der betriebsverfassungsrechtlichen Zulässigkeit zu unterscheiden. Im vorliegenden Fall ist – aufgrund der erfolgten Zustimmung des Betriebsrats – nur die dienstvertragliche Zulässigkeit gegenständlich. Dafür ist nur entscheidend, ob sich die Anordnung des Dienstgebers (Weisung) über einen Wechsel des Tätigkeitsbereichs oder des Tätigkeitsorts des Dienstnehmers im Rahmen der Weisungsbefugnis bewegt, die sich aus dem Dienstvertrag oder aus vereinbarten Gestaltungsvorbehalten ergibt. Eine Versetzung ist nur innerhalb der durch den Dienstvertrag gegebenen Grenzen zulässig. Der Dienstvertrag umschreibt die Gattung der Arbeit allgemein und steckt damit einen weiteren oder engeren Rahmen der vom Dienstnehmer nach Bedarf auszuführenden Tätigkeit ab. Andere als die so vereinbarten Dienste braucht der Arbeitnehmer regelmäßig nicht zu leisten (RIS-Justiz RS0021472; RS0029509). Nur innerhalb des Arbeitsvertrags können Versetzungen einseitig, das heißt ohne Zustimmung des Arbeitnehmers, im Rahmen des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber vorgenommen werden. Fällt der „neue Arbeitsplatz“ in den vom Arbeitnehmer arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeitsbereich, ist der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich verpflichtet, einer „Versetzungsanordnung“ des Arbeitgebers Folge zu leisten. Werden hingegen die Grenzen des Arbeitsvertrags überschritten, kann die Änderung des Tätigkeitsbereichs nur im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer erfolgen (RS0021472 [T8]).

I.2. Das Berufungsgericht ging aufgrund der Unterfertigungen der Stellenbeschreibung des Dienstpostens der Klägerin im Jahr 2010 davon aus, dass diese Inhalt des Arbeitsvertrags zwischen den Streitparteien geworden sei. Dies zieht die Beklagte in der außerordentlichen Revision nicht in Zweifel. Sie releviert also etwa gar nicht, dass es sich bei der Stellenbeschreibung bloß um eine schriftliche Weisung gehandelt habe, deren Erhalt bestätigt wurde. Vielmehr geht sie selbst von einer „derartigen einzelvertraglichen Vereinbarung“ aus. Dies zugrunde gelegt entspricht aber die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Klägerin nicht verpflichtet sei, eine andere Arbeit als die in ihrem Vertrag mit der Beklagten vorgesehene zu erbringen, der ständigen Rechtsprechung. In der Rechtsprechung ist auch durchaus anerkannt, dass ein Arbeitnehmer als Jurist auch mit ganz bestimmten Tätigkeiten, etwa der Vertrags- und Angebotsprüfung und Vertragserstellung (vgl 9 ObA 107/19d, wo ein solcher vertraglicher Tätigkeitsbereich ausschlaggebend war), betraut sein kann. Allein im Belieben des Arbeitgebers stehende Versetzungen aus einer Abteilung in eine andere, also bloß organisatorische Änderungen, können naturgemäß nicht als Begründung für einen einseitigen Eingriff in den arbeitsvertraglichen Tätigkeitsbereich dienen.

I.3. Auf die Frage, ob eine solche einzelvertragliche Vereinbarung mit den Grundsätzen des § 460 ASVG vereinbar ist, kommt die Beklagte im Unterschied zu ihrer Berufung nicht mehr zurück.

I.4. Auf die von der Revisionswerberin aufgeworfene Frage, ob sich der vertragliche Tätigkeitsbereich aufgrund einer elfmonatigen Tätigkeit in einer anderen Abteilung verändern könnte, muss nicht eingegangen werden, weil diese Verwendung vor der (Neu-)Vereinbarung des Tätigkeitsbereichs durch die Stellenbeschreibung vom 15. 1. 2010 erfolgte, der nach der insoweit unbekämpften Beurteilung des Berufungsgerichts vertragsändernde bzw -einschränkende Wirkung zukam.

II. Die Beklagte vertritt in der außerordentlichen Revision weiters die Ansicht, dass die Klägerin aufgrund der Formulierung des Feststellungsbegehrens jede Anweisung von Arbeit verweigern könne und sie gar keine Arbeit zu akzeptieren bräuchte, was auf eine gänzliche Arbeitsverweigerung hinausliefe.

II.1. Damit missversteht die Beklagte den Inhalt des Feststellungsbegehrens, welches auf das Fehlen einer Verpflichtung zur Arbeit „gemäß Schreiben vom 9. 11. 2017“ und unter den veränderten Bedingungen in der neuen Stellung gerichtet ist. Es geht daher lediglich um diese Änderung des Tätigkeitsinhalts. Die Befürchtung, dass die Klägerin keiner Weisung zur Arbeitsleistung mehr nachkommen müsse, ist daher unbegründet.

II.2 Auf sonstige Fragen, wie die Berechtigung des Leistungsbegehrens generell (Widerruflichkeit der Überstundenpauschale, Subsidiarität der Überstundenpauschale gegenüber einer Funktionszulage), kommt die außerordentliche Revision nicht mehr zurück.

Zusammengefasst gelingt es der Revisionswerberin nicht, eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zur Darstellung zu bringen, weswegen die außerordentliche Revision zurückzuweisen ist. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Textnummer

E128485

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00025.20I.0424.000

Im RIS seit

10.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.07.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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