TE OGH 2020/4/24 7Ob31/20i

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Veröffentlicht am 24.04.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** K*****, vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei A***** SE *****, vertreten durch Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die ordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Juli 2019, GZ 1 R 11/19t-15, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 20. September 2018, GZ 2 C 720/17x-11, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts – unter Einschluss der in Rechtskraft erwachsenen Abweisung (Punkt 1. des Ersturteils) – insgesamt wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.674,16 EUR (darin enthalten 373,54 EUR an USt und 1.431 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 9. 2. 2002 bis 31. 7. 2014 Geschäftsführer und Gesellschafter der B***** GmbH. Zwischen dieser (in der Folge Versicherungsnehmerin) und der Beklagten bestand ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung ARB 2000 zugrunde lagen. Diese lauten auszugsweise:

„Artikel 3

Für welchen Zeitraum gilt die Versicherung? (Zeitlicher Geltungsbereich)

[…]

3. Wird der Deckungsanspruch vom Versicherungsnehmer später als zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrags für das betreffende Risiko geltend gemacht, besteht, unabhängig davon, wann der Versicherungsnehmer Kenntnis vom Eintritt eines Versicherungsfalls erlangt, kein Versicherungsschutz.

[…]

Artikel 5

Wer ist versichert und unter welchen Voraussetzungen können mitversicherte Personen Deckungsansprüche geltend machen?

1. Versichert sind der Versicherungsnehmer und die in den Besonderen Bestimmungen jeweils genannten mitversicherten Personen. Die für den Versicherungsnehmer getroffenen Bestimmungen gelten sinngemäß auch für die mitversicherten Personen; das trifft insbesondere auch für die Erfüllung der Obliegenheiten zu (Art 8).

[…]

Der Kläger war in diesem Rechtsschutzversicherungsvertrag, der von der Versicherungsnehmerin mit 20. 9. 2010 storniert wurde, mitversichert.

Die Versicherungsnehmerin vermittelte unter anderem fondsgebundene Lebensversicherungen. Zusammen mit M***** H***** entwickelte der Kläger ein Finanzierungsmodell für Vermögensveranlagungen, in dem die jeweiligen Kunden Fremdwährungskredite, vorzugsweise in Schweizer Franken, aufnahmen und diese Kreditsumme in fondsgebundenen Lebensversicherungen, vorzugsweise bei W***** von C*****, investierten.

Auch der Kläger entschied sich für eine solche Veranlagung. Er nahm einen Fremdwährungskredit in Schweizer Franken über einen Betrag von 250.000 EUR auf und investierte einen Betrag von 277.511 EUR in eine fondsgebundene Lebensversicherung „W*****“. Der Kläger führte sich im Antrag vom 21. 4. 2004 selbst als Finanzvermittler und lukrierte selbst eine Provision, die ihm im Vertrag gutgeschrieben wurde.

Oberhalb der Unterschrift in diesem Antrag heißt es unter anderem: „Ich bin darüber belehrt worden, dass ich innerhalb von einer Frist von 14 Tagen (Personen mit Wohnsitz in Deutschland) oder 30 Tagen (Personen mit Wohnsitz in Österreich) nach Erhalt des Versicherungsscheins, der Polizzenbedingungen und der Verbraucherinformation dem Vertrag widersprechen kann. Zur Wahrung der Frist genügt rechtzeitiges Absenden der Widerspruchserklärung.

Der Kläger kündigte am 29. 7. 2011 die abgeschlossene Lebensversicherung, mit deren Erlös (über 300.000 EUR) er den Fremdwährungskredit teilweise zurückzahlte.

Seit „Ende 2015 bzw Anfang 2016“ war dem Kläger bekannt, dass bei mangelhafter Belehrung über das Rücktrittsrecht ein Rücktritt bei abgeschlossener Lebensversicherung auch unbefristet möglich ist. Da ihm nicht bekannt war, ob er von der Problematik betroffen war oder nicht, hob er den Versicherungsvertrag aus. Danach ließ er sich mit der weiteren Verfolgung seiner Ansprüche Zeit, weil er der Ansicht war, „dass die Zinsen ja weiterlaufen würden“. Erst am 19. 11. 2016 erklärt er gegenüber dem Lebensversicherer den Rücktritt von der Versicherung aufgrund mangelhafter Rücktrittsbelehrung. Diesen Rücktritt lehnte der Lebensversicherer am 25. 11. 2016 ab.

Daraufhin erstattete der Kläger am 29. 11. 2016 eine Schadensmeldung. Mit Schreiben vom 29. 11. 2016 lehnte die Beklagte die Deckung mit der Begründung ab, dass die Nachmeldefrist von zwei Jahren bereits abgelaufen sowie, dass der Schaden nicht unverzüglich gemäß § 33 VersVG gemeldet worden sei.

Mit 18. 5. 2018 bestätigte der nunmehrige Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin, dass er im Juli 2014 im Zuge der Gespräche zum Unternehmenskauf dem Kläger unwiderruflich bestätigt und zugestimmt habe, dass dieser auch in Zukunft alle Deckungsansprüche aus der Rechtsschutzversicherung als mitversicherte Person gegen den Rechtsschutzversicherer geltend machen könne. Am gleichen Tag erklärte der nunmehrige Liquidator der Versicherungsnehmerin der Klagsführung und Geltendmachung des Deckungsanspruchs gegenüber der Beklagten ausdrücklich zugestimmt zu haben.

Der Kläger begehrt – soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse – die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten aufgrund des vormals bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrags mit der Versicherungsnehmerin für die klageweise Geltendmachung von Rückabwicklungsansprüchen im Zusammenhang mit dem am 19. 11. 2016 erklärten Rücktritt gegenüber dem Lebensversicherer. Der Lebensversicherungsvertrag sei vom Kläger ausschließlich für seinen privaten Lebensbereich abgeschlossen worden und stehe in keinem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Vermögensberater. Die Nachhaftungszeit sei nicht verstrichen, die vereinbarte Klausel sei gemäß § 864a ABGB nichtig, da diese Ausschlussfrist objektiv und subjektiv ungewöhnlich sei.

Die Beklagte beantragt die kostenpflichtige Klagsabweisung. Es bestehe kein Versicherungsschutz, da die Nachhaftungsfrist entsprechend Art 3.3 ARB 2000 im Zeitpunkt der Schadensmeldung bereits über vier Jahre abgelaufen gewesen sei. Die Schadensmeldung sei durch den Kläger nach Bekanntwerden des Versicherungsfalls nicht unverzüglich im Sinn des § 33 VersVG gemeldet worden. Die Beklagte sei daher leistungsfrei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Versicherungsfall sei im Jahr 2004 mit der Übermittlung der behaupteten unrichtigen Belehrung über das Rücktrittsrecht eingetreten. Nach den Versicherungsbedingungen bestehe kein Versicherungsschutz mehr, wenn der Deckungsanspruch vom Versicherungsnehmer später als zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrags geltend gemacht werde, unabhängig davon, wann der Versicherungsnehmer Kenntnis vom Eintritt eines Versicherungsfalls erlangt habe. Diese Bestimmung sei unter Unternehmern durchaus üblich, darüber hinaus sei der Kläger selbst Versicherungsmakler und Versicherungsagent und müssten gerade ihm derartige Bestimmungen in Versicherungsbedingungen bekannt sein. Im Übrigen sei der Kläger selbst nur versicherte Person, weshalb auf seine Eigenschaft als Unternehmer oder Verbraucher nicht abzustellen sei.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil in diesem Umfang im klagsstattgebenden Sinn ab. Art 3.3 ARB 2000 sei im Sinn des § 864a ABGB objektiv und subjektiv ungewöhnlich, im Sinn einer geltungserhaltenden Reduktion aber nur teilnichtig. Vom Versicherungsschutz seien Versicherungsfälle ausgeschlossen, die dem Versicherer später als zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrags für das betreffende Risiko gemeldet würden, wenn den Versicherungsnehmer an der verspäteten Meldung ein Verschulden treffe oder er unverschuldet erst nach Ablauf der Ausschlussfrist Kenntnis vom Versicherungsfall erlangt, es aber im Sinn des § 33 Abs 1 VersVG unterlassen habe, unverzüglich eine Schadensmeldung an den Versicherer zu erstatten.

Der Kläger habe unverschuldet erst nach Ablauf der Ausschlussfrist Kenntnis vom Versicherungsfall erlangt. Die in § 33 Abs 1 VersVG normierte Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeige entstehe in der Rechtsschutzversicherung erst, wenn sich kostenauslösende Maßnahmen abzeichnen würden. Solche hätten sich für den Kläger erst mit der Ablehnung seines Rücktritts durch den Lebensversicherer am 25. 11. 2016 abgezeichnet; die am 29. 11. 2016 erstattete Schadensmeldung sei unverzüglich erfolgt.

Das Berufungsgericht ließ über Antrag der Beklagten die ordentliche Revision nachträglich nach § 502 Abs 1 ZPO zu. Es sei denkbar, dass es die zu § 33 Abs 1 VersVG ergangenen Entscheidungen insofern auf den vorliegenden Fall unrichtig angewendet habe, als bei einem – wie hier gegebenen – bewussten Zuwarten des Versicherungsnehmers mit der Anspruchsverfolgung nach Ablauf der Ausschlussfrist nicht mehr von einer unverzüglichen Schadensmeldung auszugehen sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

1. Der Kläger leitet aus einer behaupteten fehlerhaften Belehrung über sein Rücktrittsrecht durch den Lebensversicherer ein unbefristetes Rücktrittsrecht vom Lebensversicherungsvertrag und darauf aufbauend Rückabwicklungsansprüche ab, für deren Verfolgung er vom beklagten Rechtsschutzversicherer Kostendeckung begehrt. In diesem Fall liegt bereits in der behaupteten fehlerhaften Belehrung im Jahr 2004 der Keim der späteren Auseinandersetzung über die Wirksamkeit des Rücktritts. Dieser allein maßgebliche Verstoß ist der Versicherungsfall (7 Ob 194/18g). Dies wird im Revisionsverfahren auch nicht mehr in Zweifel gezogen.

2.1 Mit einem Risikoausschluss begrenzt der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ohne dass es dabei auf ein schuldhaftes, pflichtwidriges Verhalten des Versicherungsnehmers ankäme (RS0080166, RS0080068). Art 3.3 ARB 2000 regelt in diesem Sinn einen Risikoausschluss. Wird der Deckungsanspruch vom Versicherungsnehmer später als zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrags für das betreffende Risiko geltend gemacht, soll, unabhängig davon, wann der Versicherungsnehmer Kenntnis vom Eintritt eines Versicherungsfalls erlangt, kein Versicherungsschutz bestehen. Der Zweck von Ausschlussfristen in Versicherungsbedingungen liegt in der Herstellung von möglichst rascher Rechtssicherheit und Rechtsfrieden, also darin, den (verspätet in Anspruch genommenen) Versicherer vor Beweisschwierigkeiten infolge Zeitablaufs zu schützen (vgl RS0082216) und eine alsbaldige Klärung der Ansprüche herbeizuführen. Es soll damit eine Ab- und Ausgrenzung schwer aufklärbarer und unübersehbarer (Spät-)Schäden bewirkt werden (7 Ob 22/10a mwN). Ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko soll ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden (RS0080166 [T10]).

2.2 Der Oberste Gerichtshof hat bereits zu 7 Ob 22/10a, 7 Ob 201/12b (Rechtsschutzversicherung) und 7 Ob 250/01t, 7 Ob 47/19s (Unfallversicherung) zu vergleichbaren Klauseln Stellung genommen: Der richtige Ansatz für die Kontrolle von Risikobegrenzungen durch Ausschlussfristen sind nicht Verjährungsvorschriften, sondern die Inhalts-, Geltungs- und Transparenzkontrolle (RS0116097). Wird eine Ausschlussfrist versäumt, so erlischt der Entschädigungsanspruch (RS0082292). Dieser Rechtsverlust tritt grundsätzlich auch dann ein, wenn die Geltendmachung des Rechts während der Laufzeit unverschuldet unterblieben ist (RS0034591). Die Berufung auf den Ablauf einer Ausschlussfrist kann gegen Treu und Glauben verstoßen, insbesondere dann, wenn der Versicherer ein Verhalten gesetzt hat, durch das der Versicherungsnehmer veranlasst wurde, seine Forderungen nicht fristgerecht geltend zu machen (RS0016824, RS0082179 ua). Eine Ausschlussfrist ist nicht objektiv ungewöhnlich. Sie ist zur Risikoabgrenzung sowohl in Österreich als auch in Deutschland üblich. Eine Bedingung aber, die eine Ausschlussfrist regelt und allein auf einen objektiven fristauslösenden Zeitpunkt abstellt, ist im Zusammenhang mit § 33 Abs 1 VersVG, wonach der Versicherungsnehmer den Eintritt des Versicherungsfalls, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, unverzüglich dem Versicherer anzuzeigen hat, ungewöhnlich, weil dadurch der Anspruch erlischt, auch wenn unverzüglich nach Kenntnis vom Versicherungsfall eine Schadensanzeige erstattet wurde. Hat der Versicherungsnehmer vor Ablauf der Ausschlussfrist keine wie immer gearteten Hinweise darauf, dass sich ein Versicherungsfall während der Vertragszeit ereignet haben könnte, so ist der Anspruchsverlust auch im Fall der unverzüglichen Meldung nach § 33 Abs 1 VersVG als objektiv und subjektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB zu beurteilen.

2.3 In diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 7 Ob 22/10a die vergleichbare Klausel Art 7.5.2 ARB 1988 (vor der Judikatur des EuGH, C-618/10 [Banco Espanol de Crédito]; RS0128735) als teilnichtig dahin beurteilt, dass sie mit folgendem reduzierten Inhalt gilt: Vom Versicherungsschutz sind Versicherungsfälle ausgeschlossen, die dem Versicherer später als [Ausschlussfrist] nach Beendigung des Versicherungsvertrags für das betreffende Risiko gemeldet werden, wenn den Versicherungsnehmer an der verspäteten Meldung ein Verschulden trifft oder er unverschuldet erst nach Ablauf der Ausschlussfrist Kenntnis vom Versicherungsfall erlangt, es aber im Sinn des § 33 Abs 1 VersVG unterlässt, unverzüglich eine Schadensmeldung an den Versicherer zu erstatten.

2.4 Der Kläger genießt als Mitversicherter Versicherungsschutz im gleichen Umfang wie die Versicherungsnehmerin (eine GmbH) (7 Ob 36/18x; Art 5.1 ARB 2000). Die jüngere Judikatur lehnt eine geltungserhaltende Reduktion zwar bei Verbrauchergeschäften als unzulässig ab. Bei Unternehmergeschäften – wie hier – ist eine geltungserhaltende Reduktion hingegen grundsätzlich weiter anerkannt (4 Ob 76/17f).

2.5 Daraus folgt, dass im vorliegenden Fall Art 3.3 ARB 2000 mit dem unter Punkt 2.3 angeführten reduzierten Inhalt gilt.

3. Fraglich ist, ob der Kläger, der zwar unverschuldet erst nach Ablauf der Ausschlussfrist Kenntnis vom Versicherungsfall erlangte, es im Sinn des § 33 Abs 1 VersVG unterlassen hat, unverzüglich eine Schadensmeldung an den Versicherer zu erstatten.

3.1 Wie ausgeführt hat der Versicherungsnehmer nach § 33 Abs 1 VersVG den Eintritt des Versicherungsfalls, nachdem er davon Kenntnis erlangt hat, unverzüglich dem Versicherer anzuzeigen.

3.2 Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof ausgesprochen hat, dass die in § 33 Abs 1 VersVG normierte Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeige eines Versicherungsfalls für die Rechtsschutzversicherung eingeschränkt gilt, weil der Versicherungsnehmer den Versicherer nicht nach jedem Versicherungsfall, sondern nur dann zu unterrichten hat, wenn er aufgrund eines Versicherungsfalls Versicherungsschutz „begehrt“ (7 Ob 140/16p mwN). Dies beruht auf der Überlegung, dass der Versicherer kein Interesse daran haben kann, von jedem möglichen Schadenereignis oder Verstoß gegen vertragliche oder rechtliche Rechtspflichten zu erfahren, ohne dass feststeht, dass dies zu einer kostenauslösenden Reaktion führen kann. Erst wenn sich kostenauslösende Maßnahmen abzeichnen, das heißt, wenn sich die rechtliche Auseinandersetzung so weit konkretisiert hat, dass der Versicherungsnehmer mit der Aufwendung von Rechtskosten rechnen muss und deshalb seine Rechtsschutzversicherung in Anspruch nehmen will, entsteht für ihn die Obliegenheit, den Versicherer unverzüglich zu informieren und kostenauslösende Maßnahmen mit ihm abzustimmen (RS0080833 [T10]).

3.3 Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um das Entstehen und die allfällige Verletzung der Obliegenheit zur Anzeige im engeren Sinn, sondern um das Vorliegen des vereinbarten – bereits in seiner Geltung reduzierten – Risikoausschlusses des Art 3.3 ARB 2000.

3.4 Der Kläger erlangte spätestens Anfang 2016 Kenntnis vom Versicherungsfall, der bereits 2004 eingetreten war. Ihm war zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass bei mangelhafter Belehrung über das Rücktrittsrecht der Rücktritt vom Lebensversicherungsvertrag unbefristet möglich ist, woraufhin er seinen Antrag aushob, um festzustellen, ob diese Problematik auch seinen Lebensversicherungsvertrag betrifft. Aufgrund der in diesem Antrag enthaltenen – vom Kläger als mangelhaft erachteten – Belehrung, erklärte er letztlich seinen Rücktritt gegenüber dem Lebensversicherer aber erst Ende 2016 und begründet damit diesem gegenüber seinen Rückabwicklungsanspruch. Er unterließ die Verfolgung seiner Ansprüche während rund 10 Monaten im Hinblick darauf, dass die Zinsen, die er offenbar gleichfalls dem Lebensversicherer gegenüber im Zuge der begehrten Rückabwicklung geltend zu machen beabsichtigte, ohnedies weiterlaufen würden.

3.5 Jedem durchschnittlichen Versicherungsnehmer muss bewusst sein, dass ein Versicherungsfall unverzüglich dem Versicherer zu melden ist. Schon im Hinblick auf den leicht einsichtigen in Punkt 2.1 der Entscheidung dargestellten Zweck von zulässig vereinbarten Ausschlussklauseln besteht (im Gegensatz zur Obliegenheit während eines ohnehin laufenden Vertrags) umso mehr ein Interesse des Rechtsschutzversicherers, unverzüglich von allen Versicherungsfällen, von denen der Versicherungsnehmer unverschuldet erst nach Ablauf der Ausschlussfrist erfährt, sofort informiert zu werden, muss er doch für die Deckung (gesondert) vorsorgen. Der Versicherungsnehmer ist in diesem Fall gehalten, seine Ansprüche, falls er welche geltend machen will, aktiv und ohne Aufschub zu verfolgen und nicht unbegründet zuwarten und die Ablehnung des Anspruchs bewusst hinausschieben. Ist ein Rechtsstreit in der Zukunft absehbar, ist der Versicherer sofort davon in Kenntnis zu setzen. Andernfalls hätte es der Versicherungsnehmer durch das Zuwarten mit der Anspruchserhebung in der Hand, die in der Ausschlussklausel vereinbarte Nachhaftungsfrist nach Belieben hinauszuschieben, was mit dem Zweck einer Ausschlussklausel unvereinbar ist.

3.6 Da der Kläger die Anspruchsverfolgung bewusst hinausschob und erst nach Ablehnung die Beklagte verständigte, hat er die Schadensmeldung nicht unverzüglich erstattet, sodass sein Anspruch erloschen ist.

4. Der Revision war daher schon aus diesem Grund Folge zu geben, ohne dass es eines Eingehens auf die von der Beklagten behaupteten Verfahrensverstöße des Berufungsgerichts bedurfte.

5. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E128498

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00031.20I.0424.000

Im RIS seit

10.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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