Entscheidungsdatum
17.06.2020Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art. 130 Abs1 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Grois über die Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG der Frau A. B., Wien, C.-gasse, wegen Festnahme und demütigender Behandlung durch Organe der Landespolizeidirektion Wien am 08.01.2020,
zu Recht erkannt:
1. Gemäß § 28 Abs. 1 und 6 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und die Festnahme und Leibesvisitation der Beschwerdeführerin für rechtswidrig erklärt.
2. Der Bund als Rechtsträger der belangten Behörde hat gemäß § 35 VwGVG in Verbindung mit der VwG-Aufwandersatzverordnung – VwG-AufwErsV, BGBl. II Nr. 517/2013, der Beschwerdeführerin 737,60 Euro für Schriftsatzaufwand und 922,00 Euro für Verhandlungsaufwand an Aufwandersatz binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten.
3. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG unzulässig.
BEGRÜNDUNG
I.1.1. Mit dem am 17.02.2020 beim Verwaltungsgericht Wien eingelangten Schriftsatz erhob die Beschwerdeführerin eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und brachte darin vor:
„!. Beschwerdegegenstand
Gegen die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der Landespolizeidirektion Wien am 8.1.2020 im Kommissariat D. erhebt die Beschwerdeführerin gemäß Art 130 1Z 2 binnen offener Frist nachstehende
BESCHWERDE
an das Verwaltungsgericht Wien.
2. Sachverhalt
Am Mittwoch den 8 1 2020 fuhr ich mit dem Ziel E.-gasse (F.) in die G.-gasse in Wien und wollte auf der rechten Seite, vor Nr. 1 halten, als ich bemerkte, dass dort ein Baustelle war. Daher habe ich mein Auto schlampig auf die andere Strassenseite gestellt, obwohl viel Platz gewesen ist, bin ich mit den Vorderrädern auf dem Zebrastreifen gestanden.
Zu diesem Zeitpunkt war es genau 16:51 und schon recht dämmrig. Da die F. nur bis 17 Uhr offen hat, hatte ich nicht mehr viel Zeit, bin ausgestiegen, ein paar Schritte gegangen, habe mich umgedreht, festgestellt, dass ich nicht gut dastehe, gezögert (auf dem sehr breiten Zehbrastreifen hätten mindestens drei Mütter mit Kinderwägen nebeneinander die Strasse überquren können, ich habe also niemanden behindert), auf Grund der Zeitknappheit allerdings nur zugepiepst und bin zur F. gegangen. Dort habe ich ich, da ich den Abholschein verloren hatte, etwas länger gebraucht und war um 16: 58 wieder bei meinem Auto. Zu dem Zeitpunkt hat gerade ein größerer Mann mit Kopfbedeckung die Strasse überquert, der mich an jemanden erinnert hat.
Ich bin ins Auto eingestiegen, habe meine gerichteten Kleidungsstücke auf den Beifahrersitz gelegt, meine Geldbörse wieder verstaut, den Motor gestartet und bin, nachdem ich einen weissen Kastenwagen (Caddy) nach links in die H.-gasse habe einbiegen lassen, nach rechts in die H.-gasse gefahren und nach 100m links in den J. eingebogen. Das Strassennamenschild hat mich daran erinnert, dass am J. ein Geschäft ist, in dem ich etwas für meine Tochter besorgen sollte. Um zu erkunden wo, habe ich mich sofort an der rechten Strassenseite auf einen freien Platz gestellt um mein Smartphone zu konsultieren.
Plötzlich klopft ein Polizist an meine Fensterscheibe. Erschrocken, öffne ich das Fenster und sage, dass ich nur kurz etwas nachschauen wollte und gleich wieder weg bin.
Sie stehen völlig korrekt, das ist ein ordentlicher Parkplatz, aber darum geht es nicht
Worum denn dann
Das sage ich Ihnen dann. Geben Sie mir Ihre Fahrzeugpapiere. - Sie haben ein Organ der Strassenaufsicht angefahren.
Das ist sicher ein Irrtum, das sollte ich ja wohl gemerkt haben. Wann soll das bitte gewesen sein und wie sieht so ein Organ aus.?
Das war In der H.-gasse
Da war ich vor einer Minute, das ist richtig, aber dort war niemand den ich hätte anfahren können. Wie soll der ausgesehen haben?
So wie ich nur ohne Polizei.
So eine Uniform habe ich auch wenn ich beim Katastrophenhilfsdienst bin und Sie können sioch sicher sein, dass dort niemand mit so einer Uniform gewesen ist
Steigen Sie sofort aus und kommen Sie mit
Ich steige aus und gehe hinter meinem Auto herum auf den Gehsteig. Dort stehen ca 3 Polizeibeamte und ein ca 1.60m großer Mann mit einer wattierten Jacke, einer Warnweste, ohne Kopfbedeckung und wenig Haupthaar. Ich habe gefragt, ob es sich bei jenem Mann um besagtes Organ handelt und weshalb dieses, angeblich angefahren, so schnell hier sein kann.
Ich habe mir erlaubt zu bemerken, dass dieser Mann absolut nicht so aussieht wie von Herrn K. beschrieben.
Sie kommen jetzt mit und ich damit ich Ihre Aussage aufnehmen kann
Braucht das lange, denn ich habe noch ein paar Wege zu erledigen
Darauf habe ich keine Antwort bekommen. Ich bin Herrn K. dann in das Kommissariat am D. gefolgt. Das Angebot von Herrn K. habe mich zu setzen, habe ich nicht angenommen. Herr K. hat sich san seinen Computer gesetzt und begonnen, meine Daten von den Ausweisen abzuschreiben.
Nach zehn Minuten habe ich gefragt, ob das noch lange dauert, denn ich hätte noch einige Wege zu erledigen.
Herr K.:
Das ist ein schweres Delikt das Sie da begangen haben
Ich erstaunt: Mit der Schnauze auf dem Zebrastreifen stehen ist doch wohl kein so schweres Delikt.
Immerhin, Widerstand gegen die Staatsgewalt.
Ich bin sofort mit Ihnen mitgekommen.
Sie haben versucht ein Organ der Strassenverkehrsaufsicht anzufahren (Jetzt war es wenigstens nur mehr ein Versuch)
Und wer sagt das. Und wie habe ich mich konkret widersetzt, wenn ich diesen weder gesehen noch mit ihm gesprochen habe?
Ich rufe meine Feundin, Mag. L. an, die mir am Telefon bestätigt, dass die Organe der Polizei unterstehen und dadurch als quasi verlängerter Arm der Staatsgewalt gelten, aber keinen Grund sieht, mich festzunehmen - Herr K. ruft dazwischen, dass ich festgehalten und nicht festgenommen wurde.
Ich schlage Herrn K. vor, mich doch einfach zu vernehmen und dann gehen zu lassen.
Herr K. wollte das nicht, denn er glaube nur der Aussage des Strassenorgans. Um 17:20 springt Herr K. auf, lässt mich mit anderen Beamten im Raum zurück und kommt nach ca 5 Minuten wieder:
Und jetzt sage ich Ihnen etwas. Sie sind festgenommen.
Diese Festnahme wiederspricht dem § 15 StGB:
Der Versuch und die Beteiligung daran sind nicht strafbar, wenn die Vollendung der Tat mangels persönlicher Eigenschaften oder Verhältnisse, die das Gesetz beim Handelnden voraussetzt, oder nach der Art der Handlung oder des Gegenstands, an dem die Tat begangen wurde, unter keinen Umständen möglich war. Was der Fall ist, wenn man den Gegenstand oder die Person nie gesehen hat.
Ich habe daraufhin sofort meine Freundin, Mag. L. an, die sich auch anbeitet, sofort zu kommen. Mein Auto, bei dem die hinteren Türen nicht zum Schliessen gehen, stand noch vollgepackt mit Skiern, Kamera, sowie einiger Flaschen Wein, am J..
Herr K. hat mir ein „Informationsblatt für Festgenommene" zugeschoben.
In Ermangelung einer richtigen Brille, habe ich gesagt, dass ich das nicht lesen kann und einen Anwalt anrufen werde. Da mir keiner bekannt war, habe ich die Schweizer Botschaft in Wien angerufen, die mir zwei Namen genannt hat. Von einer Kanzlei, wurde mir ein Rückruf versprochen.
Ich habe mir in der Zwischenzeit auch erlaubt, auch ein Geschäft anzurufen, das so nett war mir eine Jacke für meine vor der Hochzeit stehende Tochter wegzulegen und die ich hätte abholen sollen.
Das hat Herrn K. offensichtlich in Rage versetzt und er hat mich angeschrien, ich hätte nun schon zehn Telefonate geführt und dürfe mit niemanden mehr sprechen. (Die ist nachvollziehbar unrichtig.)
Daraufhin wurden meine persönlichsten Dinge untersucht, ausgelehrt, besichtigt, angegriffen. Ich wurde einer zutiefst demütigenden Leibesvisitation unterzogen, bei der ich vor Kälte gezittert habe und mir vor Scham schlecht geworden ist.
Als Mag. M. gegen 18:30 gekommen ist, hat auch er als Grund meiner Festnahme nur herausfinden können, dass es niemanden gibt der mich vernehmen könne.
Zu dem Zeitpunkt war es bereits 18:30. Es wundert, dass es sehr wohl möglich gewesen ist, das Organ der Strassenaufsicht zu vernehmen, diejenige, die dieses aber aus welchen Gründen auch immer einer schweren Straftat beschuldigt aber nicht.
Obwohl ich an dem Tag erst ein kleines Frühstück hatte, habe ich nichts zu Essen bekommen können - das sei laut Herrn K. mein Problem
Zu keiner Zeit gab es einen Haftgrund:
Ein Haftgrund liegt vor, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, der Beschuldigte werde auf freiem Fuß
1.wegen Art und Ausmaß der ihm voraussichtlich bevorstehenden Strafe oder aus anderen Gründen flüchten oder sich verborgen halten,
2.Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, Spuren der Tat zu beseitigenoder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versuchen,
3.ungeachtet des wegen einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Straftat gegen ihn geführten Strafverfahrens
a.) eine strafbare Handlung mit schweren Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete Straftat mit schweren Folgen,
b.) eine strafbare Handlung mit nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete strafbare Handlung, wenn er entweder wegen einer solchen Straftat bereits verurteilt worden ist oder wenn ihm nunmehr wiederholte oder fortgesetzte Handlungen angelastet werden,
Es war also ausschließlich das Bedürfnis des Herrn K. mich festzunehmen.
Mir wurde dann erklärt, dass ich nun in die Rossauerkaserne erstellt überstellt werde.
Ich musste all meine persönlichen Dinge abgeben.
In aller Öffentlichkeit wurde ich sehr unfreundlich in einen „Arrestwagen" gesetzt. Dieser war grell beleuchtet, eiskalt, und es gab nicht die Möglichkeit irgendwo hinaus zu schauen. Da ich einen Rock anhatte war das eiskalte Eisen für mich unmöglich zu sitzen. Stehen gin auch nicht, weil wo anhalten. Ich habe meine Beine angezogen und so versucht mich auf der Bank klein zu machen. Auf Grund meiner Panik habe ich den Notknopf gedrückt. Da gab es nur leider keine Reaktion.
In einer Kurve bin ich von der Bank gefallen, was meiner Hand sehr weh getan hat und wo ich mir mein Kreuz verrissen habe.
Die Fahr hat unendlich lange gedauert und ich habe kaum Luft bekommen.
Beim Aussteigen hat Herr K. mich gefragt, ob ich denn Platzangst hätte. Mein Bejahen hat ihn zu einem kurzen Lacher verleitet.
Ausserdem war es so kalt, dass ich als ich die Füsse auf die Bank gestellt habe, runtergefallen bin und mich verlezt habe.
In der Rossauerkaserne musste ich mich noch einmal all meiner Kleider entledigen und von diesmal nur einer Beamtin abgegriffen. Dabei sind mir die Tränen gekommen und die Beamtin meinte, ich soll mich nicht so anstellen, das sei wie beim Arzt.
Ihre Griffe entsprechen nicht einer ärztlichen Untersuchung, ausserdem kann ich mir aussuchen zu welchem Arzt ich gehe und wo er mich angreift.
Ich wurde in eine ca. 2,5 x 1,5m große Zelle gesteckt und musste warten. Ein vergittertes Fenster führt dort in einen Gang. Herr K. kam zu dem Fenster und wollte aufnehmen, wo ich mich verletzt habe.
Darüber möchte ich Ihnen keine Auskunft geben, ich möchte mit Ihnen überhaupt nichts mehr zu tun haben, sonst konstruieren Sie mir dafür auch noch etwas.
Ich habe dann in der Zelle versucht Dehnungsübungen zu machenum meinem Kreus Erleichterung zu verschaffen.
Danach wurde ich Erkennungsdienstlich erfasst. Ein Beamter hat sich über die mangelnde Qualität der Arbeit der Jungen ausgelassen, das ja wirklich auch niemand nach meinem Geburtsort gefragt hat.
Danach wurde ich von einer juristin befragt, was keine 20 Minuten gedauert hat.
Danach wurde ich entlassen.
Beweis: Parteienvernehmung
Einvernahme der einschreitenden Beamten
Mag. L.
Mag. M.
3. Zulässigkeit der Beschwerde
Laut § 173 StPO Zulässigkeit hat es zu keinem Zeitpunkt auch nur den geringsten Anlass für eine Festnahme gegeben. Die Festnahme und erkennungsdienstliche Erfassung stellen daher einen massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, gegen die Menschenwürde und persönliche Ehre der Beschwerdeführerin dar. Die stigmatisierende Behandlung der Beschwerdeführerin ist mit den Bürgerrechten nicht vereinbar.
4. Beschwerdegründe
Nach § 15 StBG ist der Versuch nicht strafbar, wenn die Vollendung der Tat mangels persönlicher Eigenschaften oder Verhältnisse, die das Gesetz beim Handelnden voraussetzt, oder nach der Art der Handlung oder des Gegenstands, an dem die Tat begangen wurde, unter keinen Umständen möglich war.
Der „Versuch" unterliegt in dem Fall dem subjektiven Empfindens einer Person, die niemals Kontakt zu der Beschwerdeführerin gehabt hat. Wie sich herausgestellt hat, hat der Beschuldiger bereits um 16:51 eine Anzeige geschrieben, die die Beschwerdeführerin in Form einer Anonymverfügung zugestellt bekommen und bereits bezahlt hat Er hätte also mindestens 6 Minuten bei dem Auto warten müssen um, als die Beschwerdeführerin wieder ins Auto eingestiegen ist, sich vorstellen zu können, dass diese versucht ihn anzufahren.
Nicht nur der vorgeworfene Versuch eines Widerstandes ist also keineswegs strafbar, auch bestand zu keinem Zeitpunkt ein Haftgrund:
Ein Haftgrund liegt vor, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, der Beschuldigte werde auf freiem Fuß
1. wegen Art und Ausmaß der ihm voraussichtlich bevorstehenden Strafe oder aus anderen Gründen flüchten oder sich verborgen halten,
2. Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, Spuren der Tat zu beseitigenoder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versuchen,
3. ungeachtet des wegen einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Straftat gegen ihn geführten Strafverfahrens
• eine strafbare Handlung mit schweren Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete Straftat mit schweren Folgen,
• eine strafbare Handlung mit nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete strafbare Handlung, wenn er entweder wegen einer solchen Straftat bereits verurteilt worden ist oder wenn ihm nunmehr wiederholte oder fortgesetzte Handlungen angelastet werden.
5. Beschwerdeanträge
Aus diesen Gründen richtet die Beschwerdeführerin an das Verwaltungsgericht Wien die
ANTRÄGE
1. die gegenständliche Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 28 Abs 6 VwGVG für rechtswidrig zu erklären
2. dem Rechtsträger der belangten Behörde den Ersatz der der Beschwerdeführerin entstandenen Anwaltskosten binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution aufzutragen.
3. Dem Rechtsträger der belangten Behörde Schmerzengeld für erlittene seelische und körperliche Schmerzen (chronische Blasenentzündung, Schambeinentzündung), das die nach den erlittenen Traumata notwendige Psychotherapie sowie Physiotherapie abzudecken in der Lage ist, aufzutragen.“
Der Beschwerde in Kopie angeschlossen war die Honorarnote 20/183 von N. Rechtsanwälte OG vom 29.01.2020.
1.2. Im Hinblick auf die beim Verwaltungsgericht Wien aufgetretenen Zweifel, ob über die Festnahme hinaus weitere Teile der von der Beschwerdeführerin genannten Amtshandlung in Beschwerde gezogen waren, wurde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit eingeräumt bekanntzugeben, ob über die Festnahme hinaus weitere Handlungen konkret in Beschwerde gezogen werden. Unter einem wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, wenn keine entsprechende Bekanntgabe erfolgt, dass das Verwaltungsgericht Wien von einem auf den Beschwerdegrund der Festnahme beschränkten Beschwerdegegenstand ausgeht. Zu den Begehren auf Ersatz entstandener Anwaltskosten sowie Auferlegung von Schmerzensgeld für erlittene seelische und körperliche Schmerzen wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichtes Wien gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG auf allfällige Erklärung der Rechtswidrigkeit bzw. Aufhebung des Akts unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt beschränkt ist; ein inhaltlicher Abspruch der von der Beschwerdeführerin unter den Punkten 2. und 3. gestellten Anträgen ist dem Verwaltungsgericht Wien jedoch nicht eröffnet.
1.3. Mit Eingabe vom 10.03.2020 nahm die Beschwerdeführerin dazu Stellung und brachte vor:
„Bezugnehmend auf Ihre Aanfrage vom 19.2.2020, möchte ich gerne darauf verweisen, dass die Beschwerde sich auf die
Festnahme und die Behandlung meiner Person als „Schwerverbrecher",
Das demütigende Verhalten mir gegenüber
Und die Art und Weise, wie es überhaupt zu der Festnahme gekommen ist, (Aus der Behauptung einer fahrlässigen Körperverletzung wurde der Versuch einer fahrlässigen Körperverletzung und plötzlich Widerstand gegen die Stattsgewalt)
Die Honorarnote von dem in aller Eile engagierten Anwalt lege ich diesem Schreiben gerne bei, bei den Behandlungakosten für die durch den Transport im Arrestwagen ausgelöste Erkrankung erlaube ich mir, die Belege nachzureichen.“
2. Das Verwaltungsgericht Wien übermittelte die Beschwerde der belangten Behörde mit dem Ersuchen um Aktenvorlage und der Möglichkeit zur Erstattung einer Gegenschrift. Unter einem wurde um Bekanntgabe der an der Amtshandlung beteiligten bzw. anwesenden Beamten samt deren konkreten Aufgaben bzw. Funktionen im Zuge der Amtshandlung ersucht.
Die belangte Behörde erstattete nach Ablauf der eingeräumten Frist eine Gegenschrift und legte in Kopie den Akt … vor. Die Gegenschrift ist wie folgt ausgeführt:
„I. SACHVERHALT
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem im vorgelegten Akt enthaltenen Amtsvermerk des SPK … vom 08.01.2020. Zu ergänzen ist, dass die Fahrt mit dem Arrestantenwagen lediglich ganz wenige Minuten dauerte und dabei von der Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: „BESCHWERDEFÜHRER“) kein Alarm ausgelöst wurde. Anzumerken ist außerdem, dass die Sitzbänke in den Arrestantenfahrzeugen nicht aus Eisen sondern aus Kunststoff bestehen.
An den in Beschwerde gezogenen Handlungen waren beteiligt:
Bezlnsp. P., RevInsp. K. und RevInsp. R.
Diese Beamten waren in ihrer Funktion als Streifenbeamte tätig. Die Visitierung der BF wurde - nach derzeitigen Informationsstand - von RevInsp. S. in der Pl D. durchgeführt.
Beweis: vorgelegter Verwaltungsakt
II. RECHTSLAGE
Die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: „BF") erachtet ihre Festnahme und ihre Visitierung in der PI D. für rechtswidrig.
a) Die BF war beim Wegfahren mit dem PKW beinahe mit dem Parkraumüberwachungsorgan T. kollidiert. Dieser stand unmittelbar beim vorderen Teil des PKW, erstellte gerade eine Organstrafverfügung gegen die PKW-Lenkerin und konnte einen Zusammenstoß nur durch einige rasche Schritte vermeiden.
Sohin bestand gegen die BF der dringende Verdacht des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt. Gegen die BF wurde daher kurz danach, als sie von den o.g. EB angetroffen wurde, die Festnahme nach der StPO ausgesprochen. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Z 2 lit. a PersFrG darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn er einer bestimmten, mit gerichtlicher oder finanzbehördlicher Strafe bedrohten Handlung verdächtig ist, und zwar zum Zwecke der Beendigung des Angriffes oder zur sofortigen Feststellung des Sachverhalts, sofern der Verdacht im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Tat oder dadurch entsteht, dass er einen bestimmten Gegenstand innehat.
Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs ist der Beurteilung der Frage, ob der im § 170 Abs. 1 StPO für die Festnahme zwingend vorausgesetzte Tatverdacht vertretbarer Weise angenommen wurde, jener Sachverhalt zugrunde zu legen, der sich den einschreitenden Behördenorganen im Zeitpunkt der Amtshandlung darbot (VfGH 7.10.1991, B 1352/90 u.a. [für den damals gültigen § 175 StPO]). Die Festnahme gemäß §§ 171 Abs. 2 Z 1 i.V.m. 170 Abs. 1 Z 1 StPO erfolgte daher zu Recht.
b) Zur Visitierung:
Die Visitierung der BF beruhte auf § 40 Abs. 1 SPG und fand in keiner Weise demütigend statt. Der höhere Grad der Intensität/Genauigkeit der Durchsuchung war allein schon deshalb angezeigt, da gegen die BF lediglich eine Organstrafverfügung wegen Falschparkens, also einer relativ geringfügigen Verwaltungsübertretung, ausgestellt werden sollte. Das beabsichtigte Ausstellen einer Organstrafverfügung reichte aus, die BF dazu zu bewegen, mit ihrem PKW auf das anwesende Organ der Straßenaufsicht zu zu fahren, sohin mit einer extrem überzogenen Gewalteinwirkung zu reagieren. Unter diesen Umständen musste zur Gewährleistung der Sicherheit von Personen, die während der Anhaltung mit der BF zu tun hatten, eine genauere Durchsuchung ihrer Bekleidung erfolgen.
Hinzu kommt noch, dass diese massive Reaktion der BF auf das bloße Ausstellen einer Organstrafverfügung wegen einer vergleichsweise geringfügigen Verwaltungsübertretung äußerst ungewöhnlich war und auch als Anzeichen für eine mögliche psychische Ausnahmesituation der BF angesehen werden konnte. Auch aus diesem Grund war die genauere Personsdurchsuchung zur Vorbeugung einer Gefährdung notwendig.
Die Landespolizeidirektion Wien stellt daher den
ANTRAG,
die Beschwerde in diesem Punkt kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
An Kosten werden
• Schriftsatzaufwand und
• Vorlageaufwand
gemäß § 1 der VwG-AufwErsV in der geltenden Fassung verzeichnet.“
In dem ebenso zum Sachverhaltsvorbringen erhobenen Amtsvermerk ist ausgeführt:
„Betreff: B. A.;
Verdacht auf: Widerstand gegen die Staatsgewalt - Vergehen (OZ 001)
zum Nachteil von: T.
Vorfallszeit: 08.01.2020, 16:50 Uhr (OZ 001, Tatzeit)
Vorfallsort: Wien, G.-gasse (OZ 001, Tatort)
Am 08.01.2020 um 16.52 Uhr wurden wir (Rvl. R., Rvl. K. und der ML) im Rahmen des Streifendienstes von einem Kontrollorgan der PÜG angesprochen, dass er soeben von einer Dame, welcher er ein BOM ausgestellt hatte, beinahe überfahren wurde.
Der Geschädigte gab an, dass er im rechten vorderen Bereich des Fahrzeuges (fahrbahnseitig) stand und gerade ein BOM befüllte. Währenddessen war die Beschuldigte zu ihrem Fahrzeug gekommen und kommentarlos eingestiegen. Als sich die Geschädigte im Fahrzeug befand, bestand lt. dem Geschädigten über längere Zeit Blickkontakt, sodass anzunehmen ist, dass die Beschuldigte den Geschädigten tatsächlich wahrgenommen hatte.
Anschließend ging der Geschädigte Richtung Windschutzscheibe um das BOM hinter den Scheibenwischer zu klemmen. Zu dem Zeitpunkt startete die Beschuldigte den Motor, lenkte nach rechts und fuhr los.
Dabei musste der Geschädigte mehrere Schritte zur Seite ausweichen um nicht vom Fahrzeug erfasst zu werden. Als er sich auf Höhe des Beifahrerfensters befand, bestand nochmals für kurze Zeit Blickkontakt und er schimpfte lauthals mit der Geschädigten.
Wir fuhren in Richtung J., in die sich angeblich die Beschuldigte entfernt hatte. Dort konnte der besagte PKW in Wien, J. aufgefunden werden.
Die Beschuldigte befand sich im Fahrzeug am Lenkersitz.
Sie wurde durch uns zur Ausweisleistung aufgefordert und anschließend mit den Vorwürfen konfrontiert.
Sie bestritt diese jedoch vehement und behauptete, dass sie gar nicht in der G.-gasse gewesen sei.
Der Geschädigte kam unmittelbar danach zu uns und erkannte sowohl die Lenkerin, als auch das Fahrzeug eindeutig wieder.
Darauf wurden beide ersucht, uns zur nahegelegenen Pl D. zur genauen Sachverhaltsklärung zu begleiten. Beide waren einverstanden.
Nach genauerer Befragung konnte festgestellt werden, dass es sich bei dem vom Geschädigten beschriebenen Verhalten, um einen versuchten Widerstand gegen die Staatsgewalt handelt, da die Handlung augenscheinlich darauf abzielte, die aufrechte Amtshandlung zu verhindern.
Daher wurde Fr. B. am 08.01.2020 um 17.15 Uhr gem. § 170 StPO festgenommen, da die Beschuldigte unmittelbar nach der Tat glaubwürdig an der Begehung beschuldigt wurde.
Durch den diensthabenden ZJ Mag. U. wurde nach Schilderung des Sachverhaltes um 17.20 Uhr die Abgabe in den Arrest verfügt.
Sie wurde unmittelbar danach über den Tatvorwurf belehrt.
Das Infoblatt für Festgenommene wurde ihr in deutscher Sprache ausgefolgt. Personsdurchsuchung erfolgte um 18.10 Uhr durch wEB Rvl. S..
Sie hatte im Zuge der Anhaltung die Möglichkeit sowohl einen Rechtsanwalt, als auch eine Vertrauensperson zu kontaktieren.
Die Fotos, welche das Fahrzeug der Fr. B. im Bereich vor, bzw. auf dem Schutzweg in Wien, G.-gasse zeigen, liegen dem Akt bei.
Das Fahrzeug der Fr. B. wurde mit ihrem Einverständnis samt Inhalt und Zulassungsschein durch ihre Schwägerin Fr. übernommen.
Um 19.30 Uhr wurde Fr. B. mit dem FROSCH in das PAZ Roßauer Lände überstellt.
Da sich die Festgenommene während der gesamten Amtshandlung kooperativ zeigte, war zu keiner Zeit Anwendung von Zwangsgewalt erforderlich.“
Der vorgelegte Verwaltungsakt umfasst weiters auszugsweise:
- Anhalteprotokoll I (Gericht), worin die Festnahme der Beschwerdeführerin aus eigenem durch BezInsp P. am 08.01.2020 um 17:15 am Ort: Wien, D., wegen versuchtem Widerstand gegen die Staatsgewalt am 08.01.2020 um 17:00 Uhr, in Wien, G.-gasse, vermerkt ist;
- Im Amtsvermerk vom 08.01.2020 ist, neben den oben wiedergegebenen inhaltlich Ausführungen, einerseits die Festnahme der Beschwerdeführerin auf der PI D. gemäß § 170 StPO durch BezInsp P. samt der von ihm durchgeführten Belehrung sowie eine „Durchsuchung“ gemäß § 40 SPG am Ort der PI D. durch RvI S.;
- Lichtbildbeilage: zwei Bilder mit dem Beisatz „Foto des PÜG Organ von der Verwaltungsübertretung, vor der Tatzeit“, welche ein dunkelfarbiges VW-Auto von vorne und von hinten zeigen, wobei beide Vorderräder im Bereich der Bodenmarkierung des Schutzweges positioniert sind;
Ein Bild mit dem Beisatz „Kleidung des PÜG Organ zum Zeitpunkt der Amtshandlung, sowie eine Haube in dunkelblau“; darauf ist ein in dunkler Bekleidung (Langarmjacke und Langbeinhose) sowie vermutlich eine Warnweste bekleideter Mann ohne Haube von vorne abgebildet. Ein Hinweis auf eine amtliche Funktion (zB: Straßenaufsicht odgl) ist nicht ersichtlich;
- Zeugeneinvernahme T. vom 08.01.2020 im Zeitraum 17:39 bis 18:26 Uhr; am Ort der PI D.;
- Festnahme durch die Kriminalpolizei wegen des Tatverdachts „Sie werden beschuldigt versucht zu haben ein Organ der öffentlichen Aufsicht mit ihrem Fahrzeug anzufahren“;
- Beschuldigtenvernehmung der Beschwerdeführerin am 08.01.2020 im Zeitraum 20:17 bis 20:40 Uhr in Anwesenheit von Rechtsanwalt Mag. M. am Ort des Journaldienstes …;
- Amtsvermerk vom 08.01.2020 der Mag.a V., LPD Wien, Journaldienst, mit folgendem Wortlaut:
„Im Rahmen der Vernehmung gibt die Beschuldigte an, dass Sie das Organ der Straßenaufsicht zu keiner Zeit vor bzw. bei ihrem Fahrzeug wahrgenommen hat.
Unter Berücksichtigung des gesamten Akteninhaltes, der aufrechten Meldung sowie des Fehlens von Vormerkungen konnte kein Grund für eine Einlieferung in die Justizanstalt Josefstadt gefunden werden.
Frau B._wurde deshalb um 20:50 Uhr aus der Haft entlassen.“
- Abschluss-Bericht vom 23.01.2020
Die Gegenschrift wurde der Beschwerdeführerin mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht.
3. Beim Verwaltungsgericht Wien fand am 03.06.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung in der Beschwerdesache zur Einvernahme der Beschwerdeführerin sowie der Zeugen T. und BzI P. statt.
Am Beginn der Verhandlung konkretisierte die Beschwerdeführerin den Beschwerdegegenstand der demütigenden Behandlung dahingehend, weil sich nicht sofort um 17.00 bzw. 18.00 Uhr von den Polizisten einvernommen wurde, hinsichtlich ihrer Leibesvisitation sowie die Verweigerung des von ihr im Zuge ihrer Anhaltung bei der Polizeiinspektion D. nachgefragten Essens.
Weiters erklärte sie, die in ihrem Beschwerdeschriftsatz vom 12.02.2020 unter den Punkten 2. und 3. gestellten Anträge nicht mehr aufrecht zu erhalten.
4.1. In der Beschwerdesache wird folgender Sachverhalt festgestellt und als erwiesen angenommen:
Die Beschwerdeführerin hielt am 08.01.2020 um ca. 16:51 Uhr mit den Vorderrädern ihres Fahrzeuges auf den Schutzweg in Wien, G.-gasse. Herr T. war zu diesem Zeitpunkt als Organ der Straßenaufsicht bzw. Parkraumüberwachungsorgan tätig und beanstandete diese von ihm wahrgenommene Übertretung der Straßenverkehrsordnung. Die Beschwerdeführerin befand sich zum Zeitpunkt des Beginns der Beanstandung nicht im Fahrzeug. Konkret beabsichtigte Herr T. ein bargeldloses Organstrafmandat („BOM“) wegen der von ihm beanstandeten Verwaltungsübertretung hinter dem Scheibenwischer am Fahrzeug der Beschwerdeführerin zu hinterlassen. Für den Fall, dass in weiterer Folge wegen der beanstandeten Verwaltungsübertretung ein förmliches Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet werden würde, fertigte Herr T. auch Fotos von der konkreten Abstellposition des Fahrzeuges der Beschwerdeführerin an und stand dazu in weiterer Folge einige Meter rechts vor dem rechten Fahrzeugkotflügel am Schutzweg.
Die Beschwerdeführerin war zwischenzeitlich zum Fahrzeug zurückgekehrt. Zwischen Herrn T. und der Beschwerdeführerin fand keinerlei Kommunikation statt; Herr T. hat auch das Zurückkommen der Beschwerdeführerin selbst nicht wahrgenommen, sondern diese erst wahrgenommen, als sie nach rechts losfuhr. Herr T. war mit dunkelfarbiger Hose und Jacke bekleidet. Über der dunklen Jacke trug er – zumal es bereits auch dunkel war – eine gelbe Warnweste, welche keinerlei Beschriftung aufwies. Weiters war rechts an der Hüfte über der Hose am Gurt ein Gerät angebracht. Als Kopfbedeckung trug er keine weiße Kappe mit Wappen sondern eine dunkelblaue Haube mit der Aufschrift „Straßenaufsicht“. Nicht festgestellt konnte werden, dass die Beschwerdeführerin Herrn T. gesehen bzw. wahrgenommen hat. Als die Beschwerdeführerin mit ihrem Fahrzeug nach rechts losgefahren war, musste Herr T. ein bis zwei Schritte zurücktreten. Herr T. erteilte der Beschwerdeführerin keinen Befehl und setzte ihr gegenüber keinen Zwangsakt.
Die Beschwerdeführerin hielt, nachdem sie losgefahren war, in unmittelbar daran anschließendem Kreuzungsbereich G.-gasse/H.-gasse ordnungsgemäß an um sich zu vergewissern, ob Fußgänger oder Fahrzeuge kommen, und fuhr dann weiter in Richtung J., wo sie ihr Fahrzeug anhielt, um in ihrem Mobiltelefon Nachschau zu halten.
Zwischenzeitlich informierte Herr T. Polizisten (unter anderem BzI P.), welche sich in einem vorbeifahrenden Streifenwagen befanden, darüber, dass er fast angefahren worden wäre und dass das nach Kennzeichen konkretisierte Fahrzeug in Richtung J. gefahren sei. Der Streifenwagen fuhr in die angegebene Fahrtrichtung, wo das von der Beschwerdeführerin gelenkte Fahrzeug mit dieser in angehaltener Position angetroffen wurde. Herr T. wurde herbeigeholt. Bei der Beschwerdeführerin wurde eine Kontrolle durchgeführt und der hinzukommende Herr T. bestätigte, dass es sich bei dem von der Beschwerdeführerin gelenkten Fahrzeug um jenes Fahrzeug handelt, welches ihn fast angefahren hätte. BzI P. ging dabei vom Kenntnisstand aus, dass Herr T. ein Organmandat ausgestellt hat bzw. ausstellen wollte und die Beschwerdeführerin auf ihn zugefahren sei, weil sie die Ausstellung des Mandats verhindern wollte. Gegenüber BzI P. bestätigte Herr T. auch, dass es einen Blickkontakt zwischen ihm und der Beschwerdeführerin gegeben hat, als diese Gas gegeben hat und losgefahren sei, weshalb BzI P. auch zum Ergebnis gekommen war, dass die Beschwerdeführerin Herrn T. wahrgenommen haben hat müssen. Die Beschwerdeführerin bestritt am J. gegenüber dem sie befragenden Organ, dass sie Herrn T. beinahe angefahren bzw. überfahren hat, bzw. erklärte, dass sie niemanden gesehen hat. Sie fragte auch nach, wie denn ein solches Parkraumüberwachungsorgan aussehe und auf den Hinweis, dass diese eine ähnliche Uniform hätten, wie die einschreiten Polizeibeamten, erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie selbst eine solche Uniform habe, wenn sie im Katastrophendienst tätig sei, aber niemanden zuvor so gesehen zu haben. Auch zu dem später am J. hinzukommenden und von ihr dort wahrgenommenen Herrn T. meinte sie, dass dieser nicht wie ein Parkraumüberwachungsorgan aussehe.
Zur weiteren Sachverhaltsabklärung begaben sich die Beschwerdeführerin und Herr T. zur nahe gelegenen Polizeiinspektion D.. Die Beschwerdeführerin war kooperativ.
Gegenüber der Beschwerdeführerin wurde dann um ca. 17:15 Uhr bei der PI D. durch BzI P. aus eigenem wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt, konkret, weil sie versucht hatte, Herrn T. mit ihrem Fahrzeug umzufahren, um diesen zu hindern, ein (bargeldloses) Organmandat auszustellen, gemäß § 171 Abs. 2 in Verbindung mit § 170 Abs. 1 Z 1 StPO festgenommen.
Nicht festgestellt konnte werden, dass der Beschwerdeführerin das von ihr nachgefragte Essen verweigert worden wäre.
Wegen der erfolgten Festnahme wurde die Beschwerdeführerin um 18:10 Uhr (und in weiterer Folge nach Überstellung in das Polizeianhaltezentrum Roßauer Lände) durch weibliche Beamtinnen einer Visitation unterzogen. Dabei musste sie sich komplett (inklusive Unterwäsche) entkleiden bzw. die Unterhose am Körper herunter ziehen, wobei von Beamtinnen in die Hose bzw. zwischen die Beine geschaut wurde. Die Beschwerdeführerin wurde dabei mit Handschuhen abgetastet.
Auf Hinweis von Organen der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin sich einen Anwalt nehmen könne, kontaktierte sie einen ihr von der schweizerischen Botschaft bekannt gegebenen Anwalt, der um ca. 18:20 Uhr bei der Polizeiinspektion D. eintraf und in weiterer Folge mit der Beschwerdeführerin sprach.
Herr T. wurde am selben Tag, von 17:40 Uhr bis 18:26 Uhr, von Polizeibeamten der belangten Behörde bei der PI D. als Zeuge wegen Verdachts des Widerstands gegen die Staatsgewalt zu seinem Nachteil einvernommen. Die Beschwerdeführerin selbst fragte nach, warum sie nicht bei der PI D. einvernommen wurde. Sie wurde erst um 20:17 Uhr (bis 20:40 Uhr) im Polizeianhaltezentrum Roßauer Lände von Mag.a V. als Beschuldigte wegen des Verdachts des Widerstands gegen die Staatsgewalt einvernommen und sodann gleich um 20:50 Uhr aus der Haft entlassen.
4.2. Diese Feststellungen wurden aufgrund der von den Parteien vorgelegten Schriftsätze, Unterlagen, Fotos, der unbedenklichen und unbestrittene Aktenlage, der Parteieneinvernahme und der Einvernahme der genannten Zeugen getroffen.
Nicht festgestellt konnte werden, dass die Beschwerdeführerin Herrn T., bevor sie angefahren ist, diesen gesehen bzw. wahrgenommen hat. Der Zeuge T. sagte im Zuge seiner Zeugeneinvernahme glaubhaft aus, dass er den Eindruck gehabt hat, dass ihn die Beschwerdeführerin anlässlich ihres Losfahrens gesehen habe und deshalb auch als Parkraumüberwachungsorgan wahrgenommen haben hätte müssen. Demgegenüber sagte die Beschwerdeführerin ebenso glaubhaft aus, dass sie keine Person und insbesondere auch kein Organ der Straßenaufsicht wahrgenommen hat. Dafür spricht auch, dass, wie der Zeuge T. im Zuge seiner Einvernahme ausgesagt hat, die Beschwerdeführerin gleich anschließend im Kreuzungsbereich vorschriftsgemäß gehalten hat, was wiederum prima vista ein atypisches Folgeverhalten nach einer Hinderung an einer Beanstandung wegen einer Verwaltungsübertretung ist.
Ungeachtet dessen steht in der Beschwerdesache fest, dass Herr T. auch gegenüber den einschreitenden Beamten zum Ausdruck gebracht hat, dass ihn die Beschwerdeführerin anlässlich ihres Losfahrens wahrgenommen hätte haben müssen. Diese Äußerung sowie die Annahme, dass die Beschwerdeführerin Herrn T. bei der Ausstellung eines Organstrafmandates durch das Losfahren hindern wollte, war Grundlage für die Festnahme der Beschwerdeführerin durch BzI P..
Unstrittig ist weiters, dass der Beschwerdeführerin während der beschwerdegegenständlichen Amtshandlung kooperativ war. Sie war selbst auf ihre rasche Einvernahme bedacht; dass sie doch erst beträchtliche Zeit nach dem Zeugen T. bei der belangten Behörde einvernommen wurde, ergab sich, wie BzI P. darlegte, aus dem Umstand, dass Beschuldigtenvernehmungen wegen des Verdachts des Widerstand gegen die Staatsgewalt bzw. tätlichen Angriffs gegen einen Beamten grundsätzlich im Anhaltebereich von Angehörigen des rechtskundigen Dienstes durchgeführt werden.
Nicht festgestellt konnte werden, dass der Beschwerdeführerin das von ihr nachgefragte Essen verweigert worden wäre. Die Beschwerdeführerin sagte dazu aus, sie habe einen Beamten gefragt, ob sie etwas zu essen haben könne, weil sie seit dem Frühstück nicht mehr gegessen habe, worauf ihr gegenüber erwidert worden sei, dass das ihr Problem sei. Eine konkrete Essenverweigerung lässt sich aus der von der Beschwerdeführerin beschriebenen Reaktion nicht erschließen. Der Zeuge BzI P. hat im gegebenen Zusammenhang angegeben, Essen für vorläufig angehaltene Personen sei auf der PI D. nicht vorhanden.
Nicht bestritten wurde, dass die Beschwerdeführerin zwei Mal – einerseits in der Polizeiinspektion D. und andererseits im Polizeianhaltezentrum Roßauer Lände – in der festgestellten Art von weiblichen Beamtinnen visitiert wurde.
II.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit. Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen (§ 28 Abs. 6 VwGVG).
2. Die Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes – SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zuletzt geändert durch Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 105/2019, und in der Fassung der Kundmachung BGBl. I Nr. 113/2019 (VfGH) lauten auszugsweise:
„Allgemeine Gefahr; gefährlicher Angriff; Gefahrenerforschung(1) Eine allgemeine Gefahr besteht
1.
bei einem gefährlichen Angriff (Abs. 2 und 3)
oder
2.
(...).
(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Verlangen eines Verletzten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand
1.
nach dem Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, ausgenommen die Tatbestände nach den §§ 278, 278a und 278b StGB, oder
2.
nach dem Verbotsgesetz, StGBl. Nr. 13/1945, oder
3.
nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, oder
4.
nach dem Suchtmittelgesetz (SMG), BGBl. I Nr. 112/1997, ausgenommen der Erwerb oder Besitz von Suchtmitteln zum ausschließlich persönlichen Gebrauch (§§ 27 Abs. 2, 30 Abs. 2 SMG), oder
5.
nach dem Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 (ADBG 2007), BGBl. I Nr. 30, oder
6.
nach dem Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz (NPSG), BGBl. I Nr. 146/2011,
handelt.
(3) Ein gefährlicher Angriff ist auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Bedrohung (Abs. 2) vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird.
(4) (...)“
„Durchsuchung von Menschen(1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Menschen, die festgenommen worden sind, zu durchsuchen, um sicherzustellen, daß diese während ihrer Anhaltung weder ihre eigene körperliche Sicherheit noch die anderer gefährden und nicht flüchten.
(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind außerdem ermächtigt, Menschen zu durchsuchen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, diese stünden mit einem gegen Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum gerichteten gefährlichen Angriff in Zusammenhang und hätten einen Gegenstand bei sich, von dem Gefahr ausgeht.
(3) Die den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes in den Abs. 1 und 2 eingeräumten Befugnisse gelten auch für das Öffnen und das Durchsuchen von Behältnissen (zB Koffer oder Taschen), die der Betroffene bei sich hat.
(4) Bei Durchsuchungen gemäß Abs. 1 und 2 haben sich die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf eine Durchsuchung der Kleidung und eine Besichtigung des Körpers zu beschränken, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, der Betroffene habe einen Gegenstand in seinem Körper versteckt; in solchen Fällen ist mit der Durchsuchung ein Arzt zu betrauen.“
3.1. Die im Beschwerdeverfahren relevanten Bestimmungen des Strafgesetzbuches – StGB, BGBl. Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 111/2019, lauten auszugsweise:
„Strafbarkeit vorsätzlichen und fahrlässigen Handelns(1) Wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, ist nur vorsätzliches Handeln strafbar.
(2) (…)“
„Strafbarkeit des Versuches(1) Die Strafdrohungen gegen vorsätzliches Handeln gelten nicht nur für die vollendete Tat, sondern auch für den Versuch und für jede Beteiligung an einem Versuch.
(2) Die Tat ist versucht, sobald der Täter seinen Entschluß, sie auszuführen oder einen anderen dazu zu bestimmen (§ 12), durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt.
(3) Der Versuch und die Beteiligung daran sind nicht strafbar, wenn die Vollendung der Tat mangels persönlicher Eigenschaften oder Verhältnisse, die das Gesetz beim Handelnden voraussetzt, oder nach der Art der Handlung oder des Gegenstands, an dem die Tat begangen wurde, unter keinen Umständen möglich war.“
„Widerstand gegen die Staatsgewalt(1) Wer eine Behörde mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt und wer einen Beamten mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung hindert, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, im Fall einer schweren Nötigung (§ 106) jedoch mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer eine Behörde mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt oder einen Beamten mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einer Amtshandlung nötigt.
(3) Als Amtshandlung im Sinn der Abs. 1 und 2 gilt nur eine Handlung, durch die der Beamte als Organ der Hoheitsverwaltung oder der Gerichtsbarkeit eine Befehls- oder Zwangsgewalt ausübt.
(4) Der Täter ist nach Abs. 1 nicht zu bestrafen, wenn die Behörde oder der Beamte zu der Amtshandlung ihrer Art nach nicht berechtigt ist oder die Amtshandlung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstößt.“
3.2 Die im Beschwerdeverfahren relevanten Bestimmungen der Strafprozeßordnung 1975 - StPO, BGBl. Nr. 631/1975 (WV), zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 24/2020, lauten auszugsweise:
„Gesetz- und Verhältnismäßigkeit(1) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht dürfen bei der Ausübung von Befugnissen und bei der Aufnahme von Beweisen nur soweit in Rechte von Personen eingreifen, als dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen und zur Aufgabenerfü