Entscheidungsdatum
26.06.2020Norm
KFG 1967 §82 Abs8Text
Im Namen der Republik!
Erkenntnis
Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Mag. Claudia Brugger über die Beschwerde des DI T S, B, vertreten durch Pichler Rechtsanwalt GmbH, Dornbirn, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft B vom 24.09.2018 betreffend eine Übertretung nach dem Kraftfahrgesetz 1967, zu Recht erkannt:
Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.
Begründung
1. Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, er habe es im Zeitraum von 19.08.2016 bis 08.02.2018 als Benutzer des Fahrzeuges mit dem ausländischen Kennzeichen XXX unterlassen, den Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln nach Ablauf eines Monats nach der erstmaligen Einbringung des Fahrzeuges nach Österreich der Behörde in deren Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befinde, abzuliefern, obwohl Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht und in diesem verwendet werden würden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen seien. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 sei nur während eines Monats unmittelbar nach ihrer erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Nach Ablauf dieser Frist seien der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befinde, abzuliefern.
Das KFZ sei am 19.07.2016 (Zulassungsdatum) erstmalig in Österreich eingebracht worden. Der Standort in Österreich sei in B, Gstraße (Hauptwohnsitz). Er habe bis zum 08.02.2018 die Kennzeichen und den Fahrzeugschein nicht abgeliefert.
Als Tatort wurde B, Gstraße angeführt.
Die Bezirkshauptmannschaft erblickte hierin eine Übertretung des § 82 Abs 8 KFG. Es wurde eine Geldstrafe von 150 Euro verhängt und für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Stunden festgesetzt.
2.1 Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringt er im Wesentlichen vor, der angefochtene Bescheid werde seinem gesamten Umfang und Inhalt nach angefochten. Das angefochtene Straferkenntnis sei mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet. Die belangte Behörde verstoße gegen den Grundsatz der materiellen Wahrheit. Die belangte Behörde habe die amtswegige Sachverhaltsermittlung unterlassen. Es dürfe jedenfalls festgehalten werden, dass es Aufgabe der Behörde sei, im Beweisverfahren den Sachverhalt in jede Richtung gleichermaßen zu untersuchen und nach den Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechtes auch entlastende Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie belastende. Der Beschuldigte habe in seinem fristgerecht eingebrachten Einspruch die Einvernahme des Beschuldigten beantragt und zudem weitere entscheidungsrelevante Urkunden gelegt. Dem Antrag auf Parteieneinvernahme sei die belangte Behörde nicht nachgekommen. Somit habe die belangte Behörde ein Verfahrensprinzip des Parteiengehörs verletzt. Die belangte Behörde wäre jedenfalls zu einem anderen Ergebnis gekommen, wenn diese den Beschuldigten angehört und die Beweise dementsprechend gewürdigt hätte. Bei Parteieneinvernahme hätte die belangte Behörde auch festgestellt, dass der Beschuldigte über ein zweites privates Fahrzeug verfüge, welches er lediglich für Privatfahrten in Österreich nutze. Des Weiteren wäre die belangte Behörde durch die Einvernahme des Beschuldigten zum Ergebnis gekommen – so wie bereits die Finanzpolizei im Parallelverfahren – dass kein „dauernder Standort“ des Fahrzeuges des Beschuldigten in Österreich gegeben sei. Da die belangte Behörde jedoch keine Parteieneinvernahme durchgeführt habe, hätten wesentliche Inhalte nicht erhoben werden können. Auch bei Prüfung der gelegten Unterlagen wäre die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis gekommen. Dies deshalb, weil sich bereits aus dem Leasingvertrag ergebe, dass der Beschuldigte das Fahrzeug als Firmenfahrzeug nutze. Nach gängiger Rechtsprechung werde, um das Parteiengehör zu erfüllen, verlangt, dass die Partei zu offenkundigen Tatsachen gehört werde. Dieser Grundsatz sei von der belangten Behörde missachtet worden.
Wie die belangte Behörde richtig erkenne, sei auf den „dauernden Standort“ abzustellen. Der Argumentationslinie der belangten Behörde könne jedoch nicht gefolgt werden. Dies aus mehreren Gründen:
Die belangte Behörde begründe die Entscheidung damit, dass der Beschuldigte seinen Pkw über einen Monat im Bundesgebiet verwendet habe. Die belangte Behörde verkenne jedoch, dass unter „dauerndem Standort“ iSd § 82 Abs 8 KFG es darauf ankomme, an welchem Ort der Zulassungsbesitzer über das Fahrzeug auch hauptsächlich verfüge. Es sei gängige Judikatur, dass als „dauernder Standort“ eines Fahrzeuges der Hauptwohnsitz des Verfügungsberechtigten, bei Fahrzeugen von Unternehmen der Ort, von dem aus der Antragsteller über das Fahrzeug verfüge, gelte. Der Beschuldigte habe sowohl einen Einmannbetrieb als auch seinen Hauptwohnsitz in Deutschland. Diese zwei Kriterien seien durchaus Indikatoren, um einen „dauernden Standort“ iSd § 82 Abs 8 KFG in Deutschland zu begründen. Der Halter trage auch die ganzen Kosten, welche mit dem Fahrzeug anfallen würden. Des Weiteren sei bereits ausführlich im Einspruch vorgebracht worden, dass der Beschuldigte in den 19 Monaten seit Abschluss des Leasingvertrages 32.000 km gefahren sei. Aufgrund der jährlichen Kilometerleistung ergebe sich somit, dass der Beschuldigte sein Fahrzeug fast gänzlich zu dienstlichen Zwecken nutze. Viel Raum für private Nutzung bleibe hier nicht. Der Beschuldigte nutze seinen Pkw hauptsächlich dafür, von seinem Unternehmen in M zu Geschäftspartnern und Geschäftsterminen zu gelangen. Dass der Beschuldigte zum Wohnort hin zu seiner Familie nach Österreich fahre, ändere nichts am dauernden Standort in Deutschland. Die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug verbleibe selbst bei Verwendung in Österreich im Ausland. Eine private Nutzungsmöglichkeit des Dienstfahrzeuges komme also auch nicht auf den Umfang an. Aus der Rechtsprechung werde hier auf den „angemessenen Umfang“ abgestellt. Als Richtwert für die Nutzung habe der UVS 10 % bis 12 % der gefahrenen Kilometerleistung herangezogen. Die private Nutzung erfolge lediglich in einem untergeordneten Ausmaß. Festzuhalten sei an dieser Stelle noch einmal, dass der Beschuldigte einen zweiten Pkw für seine Fahrten in Österreich besitze. Es werde auch darauf hingewiesen, dass in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs bei der Frage der tatsächlichen privaten Nutzungsmöglichkeit mehrfach und immer wieder auf ein zweites privates Fahrzeug verwiesen worden sei. Dies sei als klares Indiz zu werten. Zudem habe der VwGH ausgesprochen, dass für ein, auf die Kilometerleistung bezogen, zu 85 % nachweislich betrieblich in Deutschland genutztes Fahrzeug, keine Zulassungspflicht bestehe. Der Beschuldigte sei auch seiner Beweispflicht, dass das Fahrzeug in einem anderen Land dauerhaft verwendet worden sei, nachgekommen. Der Gegenbeweis sei dann erbracht, wenn der Beschuldigte vorbringe und beweise, dass der Zulassungsinhaber über das Fahrzeug aus einem anderen Land verfüge. Der Beschuldigte sei Geschäftsführer mit einem Unternehmenssitz in M. Bei der Gesamtbetrachtung wäre die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis gekommen, nämlich, dass die hauptsächliche Nutzung in Deutschland erfolge. Somit erweise sich das angefochtene Straferkenntnis als rechtswidrig und unbegründet, weshalb der Beschwerde Folge zu geben sei. Des Weiteren verkenne die belangte Behörde völlig zu Unrecht, dass die Entscheidung des EuGH vom 21.03.2002 jedenfalls maßgeblich für den vorliegenden Sachverhalt sei. Berücksichtigt werden müsse, dass der Beschuldigte durch das ergangene Straferkenntnis in seiner Arbeitnehmerfreizügigkeit eingeschränkt sei und somit gegen geltende EU-Vorschriften verstoßen werde. Der Gerichtshof habe in der Entscheidung vom 15.12.2015, C-151/04 und C-152/04, bereits festgestellt, dass eine Verpflichtung, ein Firmenfahrzeug, das eine in einem anderen Mitgliedsstaat ansässige Gesellschaft ihrem in Dänemark wohnenden Arbeitnehmer überlasse, in Dänemark zuzulassen, eine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit darstellen. Es bestehe daher kein Zweifel, dass eine Verpflichtung zur Zulassung, wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende, ebenfalls eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit darstelle, soweit diese Verpflichtung für Selbstständige gelte. Sie beeinträchtige nämlich den Zugang der in Belgien wohnhaften Personen zur Beschäftigung als Selbstständige in anderen Mitgliedstaaten und könne daher diese Person davon abhalten, ihre Freizügigkeitsrechte auszuüben. Es gehe schlichtweg darum, dass ein Mitgliedstaat Zulassungssteuer auf ein Firmenfahrzeug, das einem Arbeitnehmer mit Wohnsitz in diesem Staat von einer Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat überlassen werde, dann erheben dürfe, wenn das Fahrzeug im Wesentlichen dauerhaft im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedsstaates genutzt werden solle oder tatsächlich so genutzt werde. Die belangte Behörde hätte prüfen müssen, ob der Beschuldigte sein Fahrzeug auf eine solche Art und Weise in Österreich nutze. Es werde beantragt, das Landesverwaltungsgericht möge das angefochtene Straferkenntnis aufheben und das Verfahren einstellen, in eventu das angefochtene Straferkenntnis aufheben und unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Mahnung erteilen, in eventu die verhängte Strafe gemäß § 20 VStG zu mildern.
2.2 Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 17.09.2019, Zl LVwG-1-564/2018-R16, wurde der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 90 Euro und die für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe auf 18 Stunden herabgesetzt werden. Im Übrigen wurde der Beschwerde keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass
- in der Tatzeitumschreibung das Datum statt „19.08.2016 bis 08.02.2018“ zu lauten hat „22.05.2017 bis 08.02.2018“;
- die Übertretungsnorm statt „§ 82 Abs 8 KFG“ zu lauten hat „§ 82 Abs 8 KFG 1967 BGBl Nr 267/1967 idF BGBl I Nr 102/2017“, und
- die Strafnorm statt „§134 KFG“ zu lauten hat „§ 134 Abs 1 KFG 1967 BGBl Nr 267/1967 idF BGBl I Nr 9/2017“.
2.3 Aufgrund der vom Beschuldigten gegen dieses Erkenntnis erhobenen außerordentlichen Revision hat der Verwaltungsgerichtshof mit Entscheidung vom 27.04.2020, Ra 2019/02/0240, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
3. Das Landesverwaltungsgericht hat in dieser Angelegenheit eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Folgender Sachverhalt steht fest:
Der Beschuldigte ist Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen XXX.
Der Beschuldigte ist Einzelunternehmer und betreibt in M, Estraße, ein Ingenieurbüro. Er verbringt ca vier/ fünf Tage pro Woche in M. In der Mietwohnung an der Adresse M, Estraße, hat er seit 01.11.2016 seinen Hauptwohnsitz in Deutschland gemeldet. Davor war er an der Adresse Sstraße in M wohnhaft. Ausgehend von M betreut der Beschuldigte seine Kunden, die ihren Sitz in Deutschland haben. Das verfahrensgegenständliche Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XXX wird hauptsächlich für die Fahrten zu seinen Kunden verwendet. Die Fahrten zu seinen Kunden tritt der Beschuldigte hauptsächlich von seinem Büro in M aus an. Mehrheitlich wird das Service, Winterreifenwechsel ua in M durchgeführt. Der Beschuldigte pflegt in Deutschland zudem seine Kontakte zu seinen Freunden sowie seinen Verwandten.
Laut Seite 1 des vorgelegten Leasingvertrages ist der Verwendungszweck des gegenständlichen Fahrzeuges die bereits ausgeübte selbständige Tätigkeit des Beschuldigten.
Am Wochenende fuhr der Beschuldigte regelmäßig nach Österreich zurück, um dieses mit seiner Familie (Ehefrau und Kind) zu verbringen. Jeweils am Sonntagabend fuhr der Beschuldigte wieder nach M. Zu Urlaubszeiten (ca vier Wochen im Jahr) hielt sich der Beschuldigte auch länger in Österreich auf.
Die Ehegattin des Beschuldigten verfügt in Österreich über ein eigenes Fahrzeug der Marke „S“.
Der Beschuldigte hat seit 2001 durchgehend seinen Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet. Er hat gemeinsam mit seiner Familie im Zeitraum von 13.09.2005 bis 23.05.2017 in H, Kstraße, und im Zeitraum von 22.05.2017 bis 08.04.2019 in B, Gstraße in einer Mietwohnung gewohnt.
Das Fahrzeug der Marke A mit dem amtlichen Kennzeichen XXX wurde zur angeführten Tatzeit überwiegend in Deutschland verwendet.
4. Dieser Sachverhalt wird aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere aufgrund der mündlichen Verhandlung, der Einvernahme des Beschuldigten, der Aussage der Zeugin J S sowie der Aktenlage als erwiesen angenommen.
Unstrittig ist, dass der Beschuldigte Zulassungsbesitzer des gegenständlichen Fahrzeuges ist.
Dass der Beschuldigte seit 01.11.2016 seinen Wohnsitz in Deutschland an der Adresse Estraße, M, gemeldet hat, ergibt sich aus der Anmeldebestätigung des Kreisverwaltungsreferates der Landeshauptstadt M vom 10.11.2016.
Die Feststellung, dass der Beschuldigte davor an der Adresse Sstraße in M wohnhaft war, basiert auf den Angaben in der Zulassung vom 19.07.2016 („Antrag auf KFZ-Versicherung bei der A Autoversicherung AG“) und ist unbestritten.
Der Beschuldigte führte im Rahmen der mündlichen Verhandlung aus, dass er freiberuflich tätig sei und das Unternehmen in M als Einzelunternehmer betreibe. Er habe dafür keine juristische Person gegründet. Er sei in diesem Unternehmen alleine tätig. Das gegenständliche Fahrzeug mit dem M Kennzeichen XXX werde hauptsächlich für die Fahrten zu seinen Kunden verwendet werden. Er trete die Fahrten zu seinen Kunden hauptsächlich von seinem Büro in M an. Seine Kunden seien ua B in S, aber auch I in M. Er habe, abgesehen von seinen beruflichen Kontakten, Kontakt zu seinen Verwandten in Deutschland sowie zu seinen Freunden, die ebenfalls in Deutschland wohnen würden. Ausgehend von diesen Angaben, waren die unter Pkt 3 getroffenen Feststellungen zur beruflichen Situation des Beschuldigten sowie seinen gesellschaftlichen Kontakten in Deutschland zu treffen. Im Zuge des Verfahrens ist diesbezüglich nichts Gegenteiliges bekannt geworden.
Aufgrund den Angaben des Beschuldigten im Zuge der mündlichen Verhandlung, wonach er jedes Wochenende nach Österreich nach Hause gefahren sei, er diese Fahrten regelmäßig durchgeführt habe, da er seine Familie hier habe und die Aufenthalte in Österreich von Freitag bis Sonntagabend dauerten, waren unter Pkt 3 die diesbezüglichen Feststellungen zu treffen. Die Zeugin J S (Ehefrau des Beschuldigten) bestätigte dies unter Wahrheitspflicht und führte glaubwürdig aus, dass ihr Mann meist Donnerstag bzw Freitag von der Arbeit gekommen und über das Wochenende geblieben sei.
Die Feststellungen betreffend die Wohnsitze des Beschuldigten in Österreich ergeben sich aus dem Melderegisterauszug vom 18.04.2019. Dem Auszug aus dem Melderegister vom 18.04.2019 ist zu entnehmen, dass der Beschuldigte im Zeitraum von 13.09.2005 bis 23.05.2017 in H, Kstraße, und im Zeitraum von 22.05.2017 bis 08.04.2019 in B, Gstraße wohnhaft war. In Zusammenschau mit den Angaben des Beschuldigten, wonach er jedes Wochenende nach Hause gefahren sei, da er seine Familie hier habe, sowie den Angaben der Zeugin J S, die – wie oben bereits dargelegt – unter Wahrheitspflicht im Rahmen der mündlichen Verhandlung glaubhaft ausführte, dass ihr Mann meist Donnerstag bzw Freitag von der Arbeit gekommen sei und über das Wochenende geblieben sei, war die Feststellung zu treffen, dass er an den angeführten Wohnsitzen gemeinsam mit seiner Familie wohnte. Dem Melderegisterauszug vom 19.04.2019 ist zu entnehmen, dass die Ehegattin des Beschuldigten im Zeitraum von 13.09.2005 bis 23.05.2017 in H, Kstraße, und im Zeitraum von 23.05.2017 bis 01.04.2019 in B, Gstraße, ihren Hauptwohnsitz polizeilich gemeldet hatte. Dass es sich dabei um Mietwohnungen handelte, ergibt sich aus den Angaben des Beschuldigten.
Dass die Ehegattin des Beschuldigten in Österreich über ein eigenes Fahrzeug der Marke „S“ verfügte, ergibt sich aus der glaubwürdigen Aussage der Zeugin J S. Diese führte im Zuge der mündlichen Verhandlung unter Wahrheitspflicht aus, dass ihr eigene Auto ein S sei.
Die Feststellung, dass das verfahrensgegenständliche Fahrzeug zur verfahrensgegenständlichen Zeit überwiegend in M/Deutschland verwendet wurde, basiert auf den Angaben des Beschuldigten in Zusammenschau mit dem von ihm im Zuge des Verfahrens vorgelegten Stundenaufzeichnungen sowie den Angaben der Zeugin J S. Der Beschuldigte legte im Rahmen der mündlichen Verhandlung – wie bereits oben ausgeführt - dar, dass er freiberuflich tätig sei und das Unternehmen in M als Einzelunternehmer betreibe. Er habe dafür keine juristische Person gegründet. Das verfahrensgegenständliche Fahrzeug mit dem M Kennzeichen XXX werde hauptsächlich für Fahrten zu seinen Kunden verwendet. Er trete die Fahrten zu seinen Kunden hauptsächlich von seinem Büro in M an. Seine Kunden seien ua B in S, aber auch I in M. Zum Beweis dafür wurden vom Beschuldigten Stundenlisten aus den Jahren 2016 und 2017 vorgelegt. Aus den vorgelegten Stundenlisten ergibt sich, dass der Beschuldigte im Zeitraum von September 2016 bis April 2017, im Juni 2017, Juli 2017 August 2017 und Oktober 2017 – in Anbetracht des Stundenausmaßes - an ca fünf Tagen/Woche für das Unternehmen „I AG“ bzw für das Unternehmen „B“ tätig war, wobei es sich den Angaben des Beschuldigten nach bei den Unternehmen „B“ und „I“ um seine Hauptkunden handelte. Wie bereits oben erwähnt, bestätigte die Zeugin J S im Rahmen der mündlichen Verhandlung, dass ihr Mann meist Donnerstag bzw Freitag von der Arbeit gekommen und über das Wochenende geblieben sei. Die Zeugin führte zudem unter Wahrheitspflicht aus, dass ihr Auto ein S sei und es sich dabei um das Familienfahrzeug handle, mit dem Einkaufsfahrten, die Fahrten der Kinder zur Schule etc durchgeführt werden würde, dies deshalb, da ihr Mann nicht da gewesen sei. In Gesamtbetrachtung der Angaben des Beschuldigten, wobei diesbezüglich nichts Gegenteiliges bekannt wurde, der Aussage der Zeugin J S, den vorgelegten Stundenaufzeichnungen sowie unter Berücksichtigung dessen, dass das gegenständliche Fahrzeug mit der Standortadresse des Ingenieurbüros zugelassen wurde und dass die Ehegattin des Beschuldigten im Inland über einen PKW der Marke „S“ verfügte, war festzustellen, dass das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XXX zur angeführten Tatzeit überwiegend im Ausland, nämlich Deutschland verwendet wurde.
5. Nach § 134 Abs 1 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967), BGBl Nr 267/1967 idF BGBl I Nr 9/2017, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5.000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer diesem Bundesgesetz, den aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Art 5 bis 9 und 10 Abs 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr 561/2006, der Verordnung (EU) Nr 165/2014 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl Nr 518/1975 idF BGBl Nr 203/1993, zuwiderhandelt. Bei der Einbringung von Fahrzeugen in das Bundesgebiet sind solche Zuwiderhandlungen auch strafbar, wenn sie auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann anstelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können die Geldstrafen und die Freiheitsstrafen auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.
Nach § 82 Abs 8 KFG 1967, BGBl Nr 267/1967 idF BGBl I Nr 102/2017, sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 ist nur während eines Monats ab der erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet unterbricht diese Frist nicht. Nach Ablauf eines Monats ab der erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. Wenn glaubhaft gemacht wird, dass innerhalb dieses Monats die inländische Zulassung nicht vorgenommen werden konnte, darf das Fahrzeug ein weiterer Monat verwendet werden. Danach sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. Die Ablieferung begründet keinen Anspruch auf Entschädigung.
Die in § 82 Abs 8 KFG 1967 vorgesehene Vermutung, ein Kraftfahrzeug, das von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet wird, habe seinen dauernden Standort im Inland, ist ausdrücklich dem Gegenbeweis zugänglich ("bis zum Gegenbeweis"). Damit handelt es sich um eine widerlegliche Rechtsvermutung, die der Person, die das Fahrzeug in das Bundesgebiet eingebracht hat, die Möglichkeit einräumt, den Gegenbeweis zu erbringen, dass das Fahrzeug seinen dauernden Standort tatsächlich nicht im Inland hat. Um diesen Gegenbeweis erbringen zu können, hat diese Person dabei von sich aus initiativ und umfassend darzulegen, aus welchen Gründen das Fahrzeug nicht als ein Fahrzeug mit dauerndem inländischem Standort anzusehen ist, und dafür auch die erforderlichen Beweise anzubieten (VwGH 03.10.2016, Ra 2016/02/0151).
Bei Einbringen oder Verwenden eines nicht in Österreich zugelassenen Fahrzeuges mit ausländischem Kennzeichen durch eine Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland ist demnach – abgesehen vom Fall des erbrachten Gegenbeweises, dass das Fahrzeug nicht mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen ist – die Verwendung dieses Fahrzeuges nach einem Monat ab der Einbringung in das Bundesgebiet, sofern nicht die Unmöglichkeit der vorherigen Zulassung glaubhaft gemacht wird, gemäß § 82 Abs 8 KFG unzulässig. Das Gesetz stellt nicht darauf ab, dass die das Fahrzeug in das Bundesgebiet einbringende Person dieses auch anschließend verwendet oder dass die Verwendung durch ein und dieselbe Person erfolgt und ist die Frist des § 82 Abs 8 KFG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht auf die Verwendung durch eine Person beschränkt, sondern auf das Fahrzeug bezogen (VwGH 21.11.2012, 2010/16/0254).
Zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Voraussetzungen ein Fahrzeug mit ausländischem Kennzeichen im Inland zuzulassen ist, richtet sich danach, ob es über einen dauernden Standort im Inland oder im Ausland verfügt. Bei der Bestimmung des dauernden Standortes kommt es darauf an, von wem das Fahrzeug im Inland verwendet wird. Wird das Fahrzeug durch eine natürliche Person mit Hauptwohnsitz im Inland verwendet, so ist dies nach § 82 Abs 8 KFG zu beurteilen.
Nach § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 ist gegen die darin vorgesehene Vermutung, ein Kraftfahrzeug, das von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet wird, habe seinen dauernden Standort im Inland, ausdrücklich der Gegenbeweis zulässig ("bis zum Gegenbeweis"). Damit handelt es sich um eine widerlegliche Rechtsvermutung, die der Person, die das Fahrzeug in das Bundesgebiet eingebracht hat, die Möglichkeit einräumt, den Gegenbeweis zu erbringen, dass das Fahrzeug seinen dauernden Standort tatsächlich nicht im Inland hat. Um diesen Gegenbeweis erbringen zu können, hat diese Person dabei von sich aus initiativ und umfassend darzulegen, aus welchen Gründen das Fahrzeug nicht als ein Fahrzeug mit dauerndem inländischem Standort anzusehen ist, und dafür auch die erforderlichen Beweise anzubieten (VwGH 03.10.2016, Ra 2016/02/0151).
Unbestritten hat der Beschuldigte seinen Wohnsitz im Inland und den PKW der Marke Audi A3 Sportback mit dem amtlichen Kennzeichen XXX im Inland verwendet. Somit greift die Standortvermutung des § 82 Abs 8 KFG 1967.
Der Beschuldigte hat im Zuge des Verfahrens vorgebracht, dass er das verfahrensgegenständliche Fahrzeug hauptsächlich in Deutschland – jenem Ort an welchem er auch sein Unternehmen als Einzelperson führt – nutze. Der Beschuldigte brachte weiter vor, dass er das gegenständliche Fahrzeug mit dem M Kennzeichen XXX hauptsächlich für Fahrten zu seinen Kunden verwende, dass er die Fahrten zu seinen Kunden hauptsächlich von seinem Büro in M aus antrete, dass seine Hauptkunden ua B in S, aber auch I in M seien, dass Service, Winterreifen etc für das verfahrensgegenständliche Fahrzeug in M durchgeführt werden würden, dass das Fahrzeug der einzige Gegenstand sei, der in Deutschland vorsteuerabzugsberechtigt sei sowie dass er den gegenständlichen PKW über seine Firma angemeldet habe.
Der Beschuldigte hat glaubhaft dargelegt und auch durch Beweismittel belegt, dass die Verwendung des verfahrensgegenständlichen Kfz überwiegend im Ausland stattfand. Zusammengefasst ergibt sich nach dem Gesamtbild der vorliegenden Umstände (Zulassung des Fahrzeuges mit der Standortadresse des Ingenieurbüros, selbständige Tätigkeit an zumindest fünf Tagen/Woche im Ausland, Fahrten zu den Kunden in Deutschland, Service mehrheitlich in Deutschland, Familienfahrzeug in Österreich,), dass im verfahrensgegenständlichen Zeitraum die zeitlich stark überwiegende Verwendung des verfahrensgegenständlichen PKW mit ausländischen Kennzeichen, nämlich im Durchschnitt an zumindest fünf Tagen der Woche, in Deutschland stattfand.
Demzufolge wurde der Gegenbeweis erbracht, dass sich - trotz des gegenständlich im Inland gelegenen Hauptwohnsitzes des Beschuldigten – der dauernde Standort des PKW mit ausländischem Kennzeichen im Ausland befindet. Auch wenn der Beschuldigte das in Rede stehende Fahrzeug gelegentlich für Fahrten an seinen Wohnsitz verwendet hat, ist davon auszugehen, dass der PKW weit überwiegend im Ausland genutzt wurde und seinen dauernden Standort am Betriebsstandort (Einzelunternehmen) in M/Deutschland hatte. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
6. Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Kraftfahrrecht, dauernder Standort Inland, Gegenbeweis erbrachtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGVO:2020:LVwG.1.564.2018.R16Zuletzt aktualisiert am
09.07.2020