Index
82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerordnungLeitsatz
Keine Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten durch die Vorschreibung einer pauschalierten Jahresgebühr für die Überwachung von Tabak- und verwandten Erzeugnissen; keine unsachliche Aufteilung der individuellen Kosten durch Heranziehung der Höhe der Verkaufszahlen für die Zurechnung der Gesamtkosten auf die einzelnen Kostenträger iSd Äquivalenzprinzips; Festlegung des verhältnismäßigen Säumniszuschlags von 2% der Jahresgebühr (noch) gesetzlich gedeckt; kein Verstoß gegen das System der mittelbaren Bundesverwaltung durch Übertragung der Überwachung der Einhaltung von produktbezogenen Bestimmungen an den Bundesminister für Gesundheit; Frage der Zuständigkeit des erkennenden BVwG vom VwGH zu entscheidenRechtssatz
Keine Bedenken gegen §9 Abs9 Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw NichtraucherschutzG (TNRSG) und §2 TabakgebührenV (TabGebV):
Die Regelung des §9 Abs9 TNRSG, wonach "eine kostendeckende Jahresgebühr auf Basis der Verkaufszahlen von verwandten Erzeugnissen und Tabakerzeugnissen des vorangegangenen Wirtschaftsjahres unter Berücksichtigung des tatsächlichen finanziellen Aufwands für Kontrolltätigkeiten aus dem Vorjahr und des voraussichtlichen finanziellen Aufwands für Kontrolltätigkeiten angemessen und marktkonform festzulegen" ist, ist einem Verständnis zugänglich, dass damit angeordnet wird, dass der Verordnungsgeber bei Erlassung der TabGebV nach den Grundsätzen des Äquivalenzprinzips vorzugehen hat. Auch die Materialien bestätigen dies, soweit ausgeführt wird, dass bei der mit den Kontrolltätigkeiten betrauten AGES Kosten anfallen, "welche mit den noch extra festzulegenden Gebühren kostendeckend gegenfinanziert werden" sollen. Damit wird sichtlich auf ein Verständnis des Begriffes der Kostendeckung im Sinne einer Kostenäquivalenz abgestellt.
Vor diesem Hintergrund liegt im vorliegenden Fall kein Widerspruch zu Art18 Abs2 B-VG vor, zumal die zu besorgenden Kontrollaufgaben in §9 und den dort verwiesenen Bestimmungen des TNRSG hinreichend bestimmt sind. §9 Abs9 TNRSG legt zwar keine Höchstgrenze für die durch die TabGebV festzusetzende pauschalierte Jahresgebühr fest. Der durch die Gebühr abzudeckende Aufwand ist aber mit den jährlichen Kosten für die "nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes und der auf dessen Grundlage erlassenen Verordnungen zu erfüllenden Aufgaben, insbesondere hinsichtlich Meldetätigkeiten, Kontrolltätigkeiten, Datenanalyse und -bewertung, Laboruntersuchungen, Risikobewertung und Bewertung von Studien", hinreichend konkret umschrieben. Während der jährlich einmalige Anlass der Überprüfungen gemäß §9 Abs2 TNRSG aus dem Gesetz ablesbar ist, ergibt sich aus diesem nicht explizit, wie oft amtswegige Kontrollen gemäß §9 Abs3 TNRSG stattzufinden haben. Die aus diesen Kontrollen erwachsenden Kosten hängen damit grundsätzlich davon ab, wie häufig sie veranlasst werden. Dabei ist jedoch das Kriterium der Angemessenheit der Gebührenfestlegung in §9 Abs9 TNRSG zu berücksichtigen. In diesem Sinne hat der VfGH in seiner Judikatur nicht nur den Standpunkt eingenommen, das Äquivalenzprinzip gebiete, dass die gesamten Erträge der Einnahmen nicht höher sein dürfen als die gesamten der Einrichtung für die Erbringung der Leistungen erwachsenden Aufwendungen, sondern auch, dass die Leistungen zu angemessenen Gebühren zur Verfügung gestellt werden müssen. Im Übrigen besteht eine Bindung an das Effizienzprinzip der Bundesverfassung, wonach der Bundesminister unter Mitwirkung der AGES die ihm übertragenen Aufgaben sparsam, wirtschaftlich und zweckmäßig zu besorgen hat.
Schließlich droht im vorliegenden Fall auch nicht, dass die Gesamtkosten der Einrichtung willkürlich auf die einzelnen Leistungstypen umgelegt werden, zumal auch diese Zuordnung hinreichend determiniert sein muss und überdies dem Erfordernis der Sachlichkeit zu entsprechen hat. Das Äquivalenzprinzip erfordert dabei nicht, dass für jede einzelne Leistung oder Leistungstype eine Gebühr bemessen wird, die die individuellen Kosten eben dieser Leistung oder Leistungstype abdeckt, und dass als Verteilungsschlüssel für die Zurechnung der Gesamtkosten auf die einzelnen Kostenträger die Höhe der durch die Einzelleistungen jeweils verursachten direkten Kosten herangezogen werden muss. Im Sinne einer Gesamtbetrachtung des Kostenaufkommens können auch Typisierungen vorgenommen werden, solange eine nicht unsachliche Aufteilung der individuellen Kosten erfolgt. In diesem Sinne kann - wie in der TabGebV in Anknüpfung an §9 Abs9 TNRSG erfolgt - auch an die jeweiligen Verkaufszahlen des Vorjahres angeknüpft und können pauschalierte Gebührensätze für einzelne Produktkategorien festgelegt werden (vgl §2 Abs2 und 3 iVm der Anlage zur TabGebV).
Beim VfGH sind auch keine Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §2 Abs6 TabGebV entstanden, zumal der Festlegung eines verhältnismäßigen Säumniszuschlages von 2% der Jahresgebühr bzw einer geringfügigen pauschalen Bearbeitungsgebühr iHv € 25,- (noch) eine hinreichende Verbindung mit der gesetzlichen Grundlage in §9 Abs9 TNRSG zugesonnen werden kann. Diese Kosten fließen - vergleichbar mit der Vorschreibung von Verzugszinsen bzw Kosten für die Abdeckung zusätzlichen Verwaltungsaufwandes in anderen Bereichen der Rechtsordnung, wogegen grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen - gleichsam in die Kalkulation der in Rede stehenden pauschalierten Jahresgebühr ein.
Zur kompetenzrechtlichen Lage und zur Zuständigkeit des Bundesministers:
Die Jahresgebühr ist nicht als Abgabe iSd §5 F-VG zu qualifizieren, weil sie nicht der Einnahmenerzielung des Bundes zur relativ freien Verfügung im eigenen Haushalt dient, sondern einem eng umgrenzten Zweck der Deckung des Aufwandes in tatsächlicher Höhe betreffend eine ganz bestimmte Verwaltungsaufgabe (s §9 Abs9, §10g TNRSG). Auf Grund dieser Zweckbezogenheit ist die Regelung als materiengesetzliche Regelung in einer Angelegenheit des Art10 B-VG zu werten.
Gemäß §9 Abs1 TNRSG ist der Bundesminister für Gesundheit mit der Überwachung der Einhaltung der produktbezogenen Bestimmungen des TNRSG durch besonders geschulte Organe betraut, wofür er sich geeigneter Aufsichtsorgane der AGES bedienen kann. Gegen diese Zuständigkeit der Ministerialinstanz bestehen aus Anlass der Beschwerdefälle und mit Blick auf die Rsp des VfGH keine verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal der VfGH ausgesprochen hat, dass es verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen ist, auch im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung in einem bestimmten Ausmaß und unter Einhaltung sonstiger verfassungsrechtlicher Vorgaben dem Bundesminister Agenden zur Besorgung zu übertragen. Bei der Überwachung und Kontrolle des produktbezogenen Tabakrechts handelt es sich in diesem Sinne um die Besorgung einer einzelnen Aufgabe des Kompetenztatbestandes "Gesundheitswesen", was schon aus den spezifischen Vollzugshandlungen und dem beschränkten Adressatenkreis dieser Handlungen ersichtlich ist. Ferner ist es an sich auch zulässig, vorzusehen, dass sich der Bundesminister zur Besorgung solcher Aufgaben ihm direkt zugeordneter Hilfsorgane bedient, wenngleich diese Ermächtigung von Verfassungs wegen beschränkt ist. Dass im hier vorliegenden Fall mit der AGES ein ausgegliederter Rechtsträger zur Mitwirkung herangezogen wird, steht dem nicht entgegen, zumal die AGES bei der Besorgung der spezifischen Aufgaben nach dem TNSRG unmittelbar an die Weisungen des Bundesministers gebunden ist, nicht "im Bereich der Länder" (im geografischen Sinn des Art102 B-VG) eingerichtet wurde und auch sonst keine Gefahr besteht, dass damit das System der mittelbaren Bundesverwaltung unterlaufen würde. Vor diesem Hintergrund ist es im Ergebnis zulässig, dass die in Rede stehende Angelegenheit unmittelbar vom Bundesminister besorgt wird.
Zur Frage der Zuständigkeit des BVwG:
In der mit E v 7.10.2015, E1279/2015, beginnenden stRsp hat der VfGH ausgesprochen, dass er der Rsp des VwGH entnimmt, dass dieser Fragen der Zuständigkeit eines Verwaltungsgerichtes, die sich aus einem im bisherigen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht deutlich gewordenen Kompetenzkonflikt zwischen Verwaltungsgerichten ergeben, im Zuge einer bei ihm anhängig gemachten Revision unabhängig davon aufgreift, ob die Verwaltungsgerichte die ordentliche Revision zugelassen haben. Vor diesem Hintergrund geht der VfGH mit Blick auf Art133 Abs1 Z3 B-VG weiterhin davon aus, dass solche Fragen der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte dem VwGH zur Klärung überlassen werden können.
Zur Nichtanwendung des §2 Abs6 TabGebV durch das BVwG:
Bei Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der TabGebV bzw §2 Abs6 TabGebV (Säumniszuschlag von 2 % der in Rede stehenden Jahresgebühr bzw den pauschalen Bearbeitungsbetrag iHv € 25,-) wäre das BVwG verpflichtet gewesen, gemäß Art139 Abs1 Z1 iVm Art89 Abs2 B-VG einen Antrag auf Aufhebung der Verordnung beim VfGH zu stellen. Ausschließlich dieser hat die Rechtmäßigkeit genereller Normen zu überprüfen; bis zu ihrer Aufhebung durch den VfGH sind sie für jedermann - auch für die Verwaltungsgerichte und selbst im Falle einer gesetz- bzw verfassungswidrigen Kundmachung, sofern ein Mindestmaß an Publizität gegeben ist - verbindlich. Allerdings sind die beschwerdeführenden Parteien durch diese - als objektive Willkür durch grobe Verkennung der Rechtslage zu qualifizierende - Rechtswidrigkeit der angefochtenen Erkenntnisse nicht iSd Art144 B-VG beschwert.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Tabak, Äquivalenzprinzip, Determinierungsgebot, Bundesverwaltung mittelbare, Bundesminister, Bundesministerium, Kompetenz Bund - Länder Gesundheitswesen, Abgabenbegriff, Gebühr, Verwaltungsgericht Zuständigkeit, Verwaltungsgerichtshof ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:E248.2019Zuletzt aktualisiert am
25.08.2021