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82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
B-VG Art139 Abs1 Z3Leitsatz
Zurückweisung von Anträgen auf Aufhebung von COVID-19-Verordnungen betreffend Ausnahmen vom Betretungsverbot von Sportstätten; mangelnde rechtliche Betroffenheit des Eigentümers einer sportstättenbetreibenden Fußball-Bundesliga-Mannschaft sowie Unzulässigkeit wegen zu eng gewählten AnfechtungsumfangsSpruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Anträge
1. Mit dem auf Art139 Abs1 Z3 B-VG gestützten, zur Zahl V401/2020 protokollierten Antrag begehren die Antragsteller, die Wortfolge "[…], in Kleingruppen von maximal sechs Kaderspielern mit gleichbleibender personeller Zusammensetzung […]" im ersten Satz sowie den Satz "Zwischen Kaderspielern, Betreuerinnen bzw Betreuern und Trainerinnen und Trainern ist ein Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten." in §5 Abs2 Z2 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl II 98/2020, idF BGBl II 162/2020 (im Folgenden: V gemäß §2 Z1 COVID-19-Maßnahmengesetz) als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Mit einem weiteren auf Art139 Abs1 Z3 B-VG gestützten, zur Zahl V420/2020 protokollierten Antrag begehren die Antragsteller, die Wortfolge "[…], in Kleingruppen von maximal sechs Kaderspielern mit gleichbleibender personeller Zusammensetzung […]" im ersten Satz sowie den Satz "Zwischen Kaderspielern, Betreuern und Trainern ist ein Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten." in §8 Abs2 Z2 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden (im Folgenden: COVID-19-LV), BGBl II 197/2020 als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
1. Die angefochtenen Verordnungen finden ihre gesetzliche Grundlage im Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz). Die Bestimmungen des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl I 12/2020, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I 23/2020 lauten auszugsweise:
"
Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen sowie Arbeitsorte
§1. Beim Auftreten von COVID-19 kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des §2 Abs3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten werden dürfen.
Betreten von bestimmten Orten
§2. Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Die Verordnung ist
1. vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt,
2. vom Landeshauptmann zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Landesgebiet erstreckt, oder
3. von der Bezirksverwaltungsbehörde zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf den politischen Bezirk oder Teile desselben erstreckt.
Das Betretungsverbot kann sich auf bestimmte Zeiten beschränken. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen jene bestimmten Orte betreten werden dürfen.
[…]
Strafbestimmungen
§3. (1) Wer eine Betriebsstätte betritt, deren Betreten gemäß §1 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.
(2) Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte, deren Betreten gemäß §1 untersagt ist, nicht betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 30 000 Euro zu bestrafen. Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte höchstens von der in der Verordnung genannten Zahl an Personen betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.
(3) Wer einen Ort betritt, dessen Betreten gemäß §2 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3 600 Euro zu bestrafen.
Inkrafttreten
§4. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.
(1a) Abs2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 16/2020 tritt rückwirkend mit 16. März 2020 in Kraft.
(2) – (3) […]
(4) Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes können vor seinem Inkrafttreten erlassen werden, dürfen jedoch nicht vor diesem in Kraft treten.
(5) §§1, 2 und §2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 23/2020 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft."
2. Vorgeschichte zur Verordnung gemäß §2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes:
Mit der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl II 98/2020 wurde gemäß §1 zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 das Betreten öffentlicher Orte verboten. Ausgenommen von diesem Verbot waren gemäß §2 Betretungen, die zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum erforderlich sind (Z1), die zur Betreuung und Hilfeleistung von unterstützungsbedürftigen Personen dienen (Z2), die zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der Deckung des Bedarfs zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann (Z3), die für berufliche Zwecke erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der beruflichen Tätigkeit zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann (Z4) sowie wenn öffentliche Orte im Freien alleine, mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, oder mit Haustieren betreten werden sollen, gegenüber anderen Personen ist dabei ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten (Z5).
Die Benützung von Massenbeförderungsmitteln war nur für Betretungen gemäß §2 Z1 bis 4 der Verordnung zulässig.
Die Verordnung ist mit 16. März 2020 in Kraft getreten.
Sportstätten fanden in dieser Verordnung keine ausdrückliche Berücksichtigung. Auch für das Training von Kaderspielern, die als Angestellte der Sportvereine derart ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen, wurden bis zur V gemäß §2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl II 98/2020, idF BGBl II 162/2020 keine besonderen Regelungen vorgesehen. Ein Training in diesen Sportstätten konnte sohin unter Einhaltung der allgemeinen Regelungen stattfinden.
3. Mit der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl II 98/2020, idF BGBl II 107/2020 wurde (ua) erstmals das Betreten von Sportplätzen verboten, wobei hier dahingestellt blieb, ob private Sportstätten erfasst sind:
"§5. Das Betreten von Sportplätzen ist verboten."
Die Änderungen traten mit 20. März 2020 in Kraft.
4. Die maßgeblichen Bestimmungen der mit Antrag vom 23. April 2020 (V 401/2020) angefochtenen Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes (Verordnung gemäß §2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes), BGBl II 98/2020, in der angefochtenen Fassung BGBl II 162/2020 (idF BGBl II 166/2020 [VFB]) lauteten auszugsweise:
"§1. Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ist das Betreten öffentlicher Orte verboten.
§2. Ausgenommen vom Verbot gemäß §1 sind Betretungen,
1. die zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum erforderlich sind;
2. die zur Betreuung und Hilfeleistung von unterstützungsbedürftigen Personen dienen;
3. die zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der Deckung des Bedarfs zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann, sofern nicht durch entsprechende Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko minimiert werden kann. Diese Ausnahme schließt auch Eheschließungen und Begräbnisse im engen familiären Kreis mit ein;
3a. zum Erwerb von Waren oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen nach Maßgabe der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020 idgF;
4. die für berufliche Zwecke erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der beruflichen Tätigkeit zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann, sofern nicht durch entsprechende Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko minimiert werden kann. Das verpflichtende Tragen von den Mund- und Nasenbereich gut abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung als Barriere gegen Tröpfcheninfektion in Bereichen, wo dies nicht ohnehin auf Grund anderer Rechtsvorschriften verpflichtend erforderlich ist, ist nur im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zulässig. Dabei ist darauf zu achten, dass eine berufliche Tätigkeit vorzugweise außerhalb der Arbeitsstätte erfolgen soll, sofern dies möglich ist und Arbeitgeber und Arbeitnehmer darüber ein Einvernehmen finden.
4a. zum Zweck der Nutzung nicht öffentlicher Sportstätten im Sinn des §5 Abs2;
5. wenn öffentliche Orte im Freien alleine, mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, oder mit Haustieren betreten werden sollen, gegenüber anderen Personen ist dabei ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten.
[…]
§5. (1) Das Betreten von Sportstätten ist verboten.
(2) Ausgenommen vom Verbot des Abs1 sind Betretungen nicht öffentlicher Sportstätten
1. durch Spitzensportlerinnen und Spitzensportler im Sinne des §3 Z8 BSFG 2017, auch aus dem Bereich des Behindertensportes, die ihre sportliche Tätigkeit beruflich ausüben, daraus Einkünfte erzielen und bereits an internationalen Wettkämpfen im Sinne des §3 Z5 BSFG 2017 teilgenommen haben, sowie deren Betreuerinnen bzw Betreuer und Trainerinnen bzw Trainer. Zwischen Spitzensportlerinnen bzw Spitzensportlern, Betreuerinnen bzw Betreuern und Trainerinnen bzw Trainern ist ein Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten. Dabei ist darauf zu achten, dass Trainingseinheiten, sofern möglich, nicht in geschlossenen Räumlichkeiten erfolgen. Bei Trainingseinheiten in geschlossenen Räumlichkeiten hat pro Person 20 m² der Gesamtfläche der Räumlichkeit zur Verfügung zu stehen. Dies gilt auch für Gemeinschaftsräume.
2. durch Kaderspieler, Betreuerinnen bzw Betreuer und Trainerinnen bzw Trainer der zwölf Vereine der höchsten Spielklasse der österreichischen Fußball-Bundesliga sowie der ÖFB-Cup-Finalisten, in Kleingruppen von maximal sechs Kaderspielern mit gleichbleibender personeller Zusammensetzung. Zwischen Kaderspielern, Betreuerinnen bzw Betreuern und Trainerinnen und Trainern ist ein Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten. Dabei ist darauf zu achten, dass Trainingseinheiten, sofern möglich, nicht in geschlossenen Räumlichkeiten erfolgen. Hinsichtlich der Trainingseinheiten in geschlossenen Räumlichkeiten, gelten die Vorschriften der Z1.
[…]
§7. (1) Diese Verordnung tritt mit 16. März 2020 in Kraft und mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft.
(2) – (3) […]
(4) §2 Z4a und §5 in der Fassung BGBl II Nr 162/2020 treten mit 20. April 2020 in Kraft."
5. Die maßgeblichen Bestimmungen der mit Antrag vom 4. Mai 2020 (V 420/2020) angefochtenen Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden (COVID-19-Lockerungsverordnung – COVID-19-LV), BGBl II 197/2020, lauteten in der angefochtenen Fassung auszugsweise:
"Sport
§8. (1) Das Betreten von Sportstätten gemäß §3 Z11 BSFG 2017, BGBl I Nr 100/2017, zur Ausübung von Sport ist untersagt.
(2) Ausgenommen vom Verbot des Abs1 sind Betretungen nicht öffentlicher Sportstätten
1. durch Spitzensportler gemäß §3 Z8 BSFG 2017, auch aus dem Bereich des Behindertensportes, die ihre sportliche Tätigkeit beruflich ausüben, daraus Einkünfte erzielen und bereits an internationalen Wettkämpfen gemäß §3 Z5 BSFG 2017 teilgenommen haben, sowie deren Betreuer und Trainer sowie Vertreter der Medien. Zwischen Spitzensportlern, Betreuern und Trainern sowie Vertretern der Medien ist ein Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten. Trainingseinheiten haben, sofern möglich, nicht in geschlossenen Räumlichkeiten zu erfolgen. Bei Trainingseinheiten in geschlossenen Räumlichkeiten hat pro Person 20 m² der Gesamtfläche der Räumlichkeit zur Verfügung zu stehen. Dies gilt auch für Gemeinschaftsräume.
2. durch Kaderspieler, Betreuer und Trainer der zwölf Vereine der höchsten Spielklasse der österreichischen Fußball-Bundesliga sowie der ÖFB-Cup-Finalisten, in Kleingruppen von maximal sechs Kaderspielern mit gleichbleibender personeller Zusammensetzung. Zwischen Kaderspielern, Betreuern und Trainern ist ein Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten. Trainingseinheiten haben, sofern möglich, nicht in geschlossenen Räumlichkeiten zu erfolgen. Hinsichtlich der Trainingseinheiten in geschlossenen Räumlichkeiten gilt Z1.
(3) Ausgenommen vom Verbot des Abs1 sind weiters Betretungen nicht öffentlicher Sportstätten hinsichtlich jener Sportarten im Freiluftbereich durch Sportler, bei denen bei sportarttypischer Ausübung dieser Sportart zwischen allen Sportlern ein Abstand von mindestens zwei Metern eingehalten werden kann. Bei der Sportausübung ist dieser Abstand einzuhalten. Geschlossene Räumlichkeiten der Sportstätte dürfen nur betreten werden, soweit dies zur Ausübung des Sports im Freiluftbereich erforderlich ist. Das Verweilen in der Sportstätte ist mit der Dauer der Sportausübung beschränkt.
(4) Flugfelder gemäß Luftfahrtgesetz, BGBl Nr 53/1957, sind nicht öffentlichen Sportstätten gleichgestellt. Abs3 ist sinngemäß anzuwenden.
[…]
Inkrafttreten
§13. (1) Diese Verordnung tritt mit 1. Mai 2020 in Kraft und mit Ablauf des 30. Juni 2020 außer Kraft.
(2) Mit Ablauf des 30. April 2020 treten
1. die Verordnung betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 6/2020, und
2. die Verordnung gemäß §2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl II Nr 98/2020,
außer Kraft."
6. Am 14. Mai 2020 hat der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz erneut Lockerungen verordnet; der hier maßgebliche §8 der Verordnung wurde im Zuge dessen zur Gänze novelliert. Die Verordnung betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden (COVID-19-Lockerungsverordnung – COVID-19-LV), BGBl II 197/2020, idF BGBl II 207/2020 lautete sodann auszugsweise wie folgt:
"Sport
§8. (1) Das Betreten von Sportstätten gemäß §3 Z11 BSFG 2017, BGBl I Nr 100/2017, ist untersagt.
(2) Abweichend von Abs1 dürfen Sportstätten zur Sportausübung im Freiluftbereich betreten werden, wenn während der Sportausübung gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens zwei Metern eingehalten wird.
(3) Bei der Ausübung von Mannschaftssport im Freiluftbereich durch Spitzensportler gemäß §3 Z6 BSFG 2017, auch aus dem Bereich des Behindertensports, die aus ihrer sportlichen Tätigkeit Einkünfte erzielen, kann der Abstand von zwei Metern unterschritten werden, wenn der verantwortliche Mannschaftsarzt ein dem Stand der Wissenschaft entsprechendes COVID-19-Präventionskonzept ausgearbeitet hat, wodurch das Infektionsrisiko minimiert werden kann, und der dessen Einhaltung laufend kontrolliert. Dieses ist zu befolgen. Vor erstmaliger Aufnahme des Trainings- und Wettkampfbetriebes ist durch molekularbiologische Testung nachzuweisen, dass Sportler, Betreuer und Trainer SARS-CoV-2 negativ sind. Bei Bekanntwerden einer SARS-CoV2-Infektion bei einem Sportler, Betreuer oder Trainer ist in den folgenden 14 Tagen nach Bekanntwerden der Infektion vor jedem Spiel die gesamte Mannschaft, alle Betreuer und Trainer einer molekularbiologischen Testung auf das Vorliegen von SARS-CoV-2 zu unterziehen.
(4) Das COVID-19-Präventionskonzept gemäß Abs3 hat zumindest folgende Themen zu beinhalten:
1. Schulung von Sportlern und Betreuern in Hygiene, Verpflichtung zum Führen von Aufzeichnungen zum Gesundheitszustand,
2. Verhaltensregeln von Sportlern, Betreuern und Trainern außerhalb der Trainings- und Wettkampfzeiten,
3. Gesundheitschecks vor jeder Trainingseinheit und jedem Wettkampf,
4. Vorgaben für Trainings- und Wettkampfinfrastruktur,
5. Hygiene- und Reinigungsplan für Infrastruktur und Material,
6. Nachvollziehbarkeit von Kontakten im Rahmen von Trainingseinheiten und Wettkämpfen,
7. Regelungen zum Verhalten beim Auftreten von COVID-19-Symptomen,
8. bei Auswärtswettkämpfen Information der dort zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde, dass ein Erkrankungsfall an COVID-19 bei einem Sportler, Betreuer oder Trainer aufgetreten ist.
(5) Abweichend von Abs1 ist das Betreten von Sportstätten gemäß §3 Z11 BSFG 2017 zur Sportausübung in geschlossenen Räumlichkeiten nur durch Spitzensportler gemäß §3 Z6 BSFG 2017, auch aus dem Bereich des Behindertensports, zulässig. Bei der Sportausübung hat pro Spitzensportler 20m² der Gesamtfläche der jeweiligen Räumlichkeit zur Verfügung zu stehen und ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten.
(6) […]
(7) Das Betreten von Sportstätten gemäß §3 Abs11 BSFG 2017 ist auch Betreuern, Trainern und Schiedsrichtern unter den in Abs2 bis 6 jeweils genannten Voraussetzungen gestattet. Das Betreten von Sportstätten durch Vertreter der Medien ist zulässig, wenn gegenüber anderen Personen ein Abstand von mindestens zwei Metern eingehalten wird.
[…]
Inkrafttreten
§13. (1) Diese Verordnung tritt mit 1. Mai 2020 in Kraft und mit Ablauf des 30. Juni 2020 außer Kraft.
(2) Mit Ablauf des 30. April 2020 treten
1. die Verordnung betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020, und
2. die Verordnung gemäß §2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl II Nr 98/2020,
außer Kraft.
(3) §2 Abs3, §4 Abs2, §5 Abs1 Z3, 4 bis 6, der Entfall des §5 Abs5, §6, §7 Abs2, §7 Abs3 Z4 und 6, §7 Abs4, §8, §9 Abs1, 1a und 1b, Abs2, Abs4 und 5, §10 Abs2, 5 und 6, §11 Abs1 Z1, Abs2a und Abs5 in der Fassung BGBl II Nr 207/2020 treten mit Ablauf des 14. Mai 2020 in Kraft."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Die Antragsteller legen ihre Bedenken wie folgt dar:
1.1. Die Erstantragstellerin sei eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des Zweitantragstellers und führe den professionellen sportlichen Betrieb einer Fußballmannschaft in der höchsten Spielklasse der österreichischen Fußball-Bundesliga; der Trainingsbetrieb werde an nicht öffentlichen Sportstätten abgehalten. Die Zulässigkeit des Antrages begründen beide Antragsteller im Wesentlichen damit, dass ihnen als von den Verordnungen erfasste Sportbetriebe der höchsten Spielklasse nicht zumutbar sei, durch rechtswidriges Verhalten ein Verwaltungsstrafverfahren gemäß §3 COVID-19-Maßnahmengesetz zu provozieren und so die Prüfung der Verfassungskonformität an den Verfassungsgerichtshof zu erwirken. Die Erstantragstellerin sei zudem Pächterin einer privaten Sportstätte, die ihren Arbeitnehmern zur Berufsausübung (insbesondere zum professionellen Trainingsbetrieb) diene.
1.2. Der Schutzbereich der geltend gemachten Grundrechte erfasse auch juristische Personen. Die hoheitlich verfügten Zutrittsbeschränkungen würden die Antragsteller zum einen in ihrem Hausrecht verletzen. Zum anderen würden sie einen professionellen Trainingsbetrieb, der den größten Teil der Ausübung des Berufes ausmache, und sohin die Wettbewerbsfähigkeit bzw damit einhergehend die Erwerbsfähigkeit der Mannschaft verunmöglichen. Es sei daher auch die Erwerbsausübungsfreiheit verletzt. Im Übrigen seien die Beschränkungen auf Kleingruppen bzw der vorgeschriebene Abstand von zwei Metern weder geeignet noch erforderlich, die Gesundheitsgefährdungen bzw -beeinträchtigungen hintanzuhalten, und daher völlig unverhältnismäßig und willkürlich.
1.3. §5 V gemäß §2 Z1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes bzw §8 COVID-19-LV verletze sie daher unmittelbar in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unverletzlichkeit des Hausrechtes gemäß Art9 StGG und Art8 EMRK, auf Erwerbsfreiheit gemäß Art6 StGG und Art15 GRC sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B-VG und Art2 StGG. Deshalb würden die auf Art139 Abs1 Z3 B-VG gestützten Anträge gestellt und der Ersatz der Kosten begehrt.
1.4. Mit weiteren Äußerungen vom 3. Juni 2020 haben die Antragsteller ihre verfassungsrechtlichen Bedenken erneuert und ergänzend Verletzungen in Art16 und 17 GRC vorgebracht. Zur aktuellen Betroffenheit wird ausgeführt, eine Aufhebung der zu V401/2020 und V420/2020 angefochtenen Bestimmungen komme nicht mehr in Betracht, da jene außer Kraft getreten seien. Gemäß Art139 Abs4 B-VG sei dadurch die Zulässigkeit der Individualanträge jedoch nicht berührt und es müsse nunmehr festgestellt werden, dass die Bestimmungen gesetz- bzw verfassungswidrig gewesen seien. Die Rechtssphäre der Antragsteller sei weiterhin ganz massiv beeinträchtigt. Zum einen sei die Verordnung durch Beschluss in das Verbandsrecht der Österreichischen Fußball-Bundesliga rezipiert worden, zum anderen seien die Antragsteller vom Senat 1 der Österreichischen Fußball-Bundesliga mit einer Geldstrafe und einem Abzug von sechs Punkten wegen eines Verstoßes gegen die bekämpfte Verordnung bestraft worden. Damit sei der gesamte sportliche Erfolg der Antragsteller gefährdet und ein finanzieller Verlust in Millionenhöhe verbunden. Die Feststellung der Gesetz- bzw Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen bewirke auch einen Wegfall der verbandsinternen Strafbarkeit. Im Übrigen bestehe – angesichts des (vermeintlichen) Verstoßes der Antragsteller – die Befürchtung der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens. Insofern sei es den Antragstellern nicht zumutbar, die Gesetz- bzw Verfassungswidrigkeit erst in diesem Verfahren geltend zu machen.
2. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnungen vorgelegt und eine Äußerung erstattet. Zur Zulässigkeit wird vorgebracht, die angefochtenen Bestimmungen seien bereits außer Kraft getreten, eine rechtliche Nachwirkung sei nicht behauptet worden und auch nicht ersichtlich. Die Anträge seien sohin mangels aktueller Betroffenheit zur Gänze zurückzuweisen.
In der Sache führt der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz eingangs wie folgt aus:
"Zum Zeitpunkt der Kundmachung der Verordnung BGBl II Nr 162/2020 am 18. April 2020 war es erst zwei Wochen her, dass die errechnete effektive Reproduktionszahl den Wert 1 zum ersten Mal wieder unterschritten hat. Eine effektive Reproduktionszahl von knapp über 1 oder darunter bedeutet, dass d[a]s epidemiologische Geschehen zumindest kurzfristig unter Kontrolle ist und keine Überlastung des Gesundheitssystems zu erwarten ist. Im Zeitpunkt, wo diese Verordnung ausgearbeitet wurde, war eben erst klar geworden, dass die effektive Reproduktionszahl vorerst (und ungeachtet der Auswirkung weiterer Lockerungsschritte) relativ stabil auch unter diesem Wert bleiben wird. Die Zahl der Neuerkrankungen war damals noch viermal höher als heute.
[…]
Im Bereich des Sportes ist aber zwingend die große körperliche Anstrengung zu berücksichtigen: Das intensivere Ein- und Ausatem-Verhalten führt zu einem raumgreifenderen Transport von Aerosolen und der darin befindlichen Viren. Eine belgisch/niederländische aerodynamische Studie hat dabei festgestellt, dass unter besonderen Bedingungen (Abwesenheit von Gegenwind, Rückenwind und Seitenwind) für bewegte Personen (insbesond[e]re auch beim Laufen im Windschatten) Entfernungen von bis zu 10 Metern empfehlenswert wären, um eine erhebliche[…] Tröpfchenexposition verlässlich zu vermeiden […]."
Den Bedenken der Antragsteller wird auf das Wesentliche zusammengefasst wie folgt entgegengetreten:
Eine Verletzung des Hausrechtes gemäß Art9 StGG sei schon deshalb ausgeschlossen, da die angefochtenen Bestimmungen keine Regelungen im Zusammenhang mit Hausdurchsuchungen treffen würden. Sofern Art8 EMRK auch die Nutzung eines Sportplatzes durch eine Profimannschaft erfasse, sei ein Eingriff zum Schutz der Gesundheit jedenfalls zulässig. Bei den angefochtenen Beschränkungen handle es sich um Erwerbsausübungsschranken, die bei einer Gesamtabwägung der Interessen gerechtfertigt seien. Die "2-Meter-Abstandsregelung" sowie das Training in Kleingruppen sollten eine Verbreitung des Virus in der gesamten Mannschaft hintanhalten und würden sohin auch im Interesse der sportlichen Handlungsfähigkeit der Gesamtmannschaft liegen. Eine gleichheitswidrige Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit der Spieler könne verneint werden, zumal die Einschränkungen für alle Mannschaften der österreichischen Fußball-Bundesliga wirksam gewesen seien.
IV. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:
1. Zur Zulässigkeit
1.1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B?VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).
1.2. Schon diese Voraussetzung trifft für den Zweitantragsteller nicht zu:
1.3. Der Zweitantragsteller leitet seine rechtliche Betroffenheit allein aus seiner Eigenschaft als Eigentümer der gemäß den Richtlinien der österreichischen Fußball-Bundesliga sportstättenbetreibenden Erstantragstellerin ab. Dass dieses Verhältnis keine rechtliche Betroffenheit erzeugt, wurde vom Verfassungsgerichtshof schon mehrfach dargetan (vgl VfSlg 11.369/1987, 11.454/1987, 20.037/2015).
1.4. Die rechtliche Betroffenheit des Zweitantragstellers ist daher zu verneinen, seine Anträge sind sohin schon mangels Legitimation zurückzuweisen.
1.5. Aber auch die Anträge der Erstantragstellerin sind unzulässig, zumal der Umfang der angefochtenen Wortfolgen unzutreffend gewählt wurde: §5 Abs2 V gemäß §2 Z1 COVID-19-Maßnahmengesetz, BGBl II 98/2020, idF BGBl II 162/2020 (idF BGBl II 166/2020 [VFB]) sowie §8 Abs2 COVID-19-LV, BGBl II 197/2020, normieren – unter bestimmten Voraussetzungen – die Ausnahme vom Grundsatz, dass das Betreten von Sportstätten verboten ist. Die Erstantragstellerin wird durch diese Ausnahme privilegiert. Wenn nun in §5 Abs2 Z2 V gemäß §2 Z1 COVID-19-Maßnahmengesetz bzw in §8 Abs2 Z2 COVID-19-LV spezifische Regelungen – im Sinne von Einschränkungen der Privilegierung – für eine bestimmte Personengruppe der zwölf Vereine der höchsten Spielklasse der österreichischen Fußball-Bundesliga sowie der ÖFB-Cup-Finalisten getroffen wurden, nämlich, welche Voraussetzungen beim Training einzuhalten sind, genügt es nicht, nur diese als verfassungswidrig anzufechten. Die Erstantragstellerin wäre vielmehr gehalten gewesen, all jene (Teile von) Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es wäre sodann Sache des Verfassungsgerichtshofes darüber zu befinden, auf welche Weise eine behauptete Verfassungswidrigkeit beseitigt werden kann (vgl VfSlg 16.756/2002 mwN), käme doch sonst eine allfällige Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen einem Akt positiver Gesetzgebung gleich (vgl VfSlg 13.915/1994). Die Anträge der Erstantragstellerin sind schon aus diesem Grund zurückzuweisen, weshalb auf weitere Zulässigkeitsfragen nicht mehr einzugehen ist.
V. Ergebnis
1. Die Anträge des Zweitantragstellers sind schon mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen. Die Anträge der Erstantragstellerin erweisen sich als zu eng gefasst und daher unzulässig; sie sind sohin ebenfalls zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Legitimation, Gesundheitswesen, COVID (Corona)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:V401.2020Zuletzt aktualisiert am
31.07.2020