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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §354;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidel, über die Beschwerde
1. des Josef Moisl und 2. der Gertraud Moisl, beide in Abtenau, beide vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, Museumstraße 5/II, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 12. August 1997, Zl. 1/01-36.394/5-1997, betreffend wasserpolizeilicher Auftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Schreiben vom 12. Juli 1996 wandten sich die Beschwerdeführer mit der Bitte um Abhilfe an die Bezirkshauptmannschaft H. (BH) gegen die Ehegatten P., weil diese ein unbenanntes Gerinne nicht ordnungsgemäß räumten, wodurch es zu Überflutungen und Vernässungen eines Grundstückes der Beschwerdeführer komme.
Die BH forderte die Ehegatten P. auf, das Gerinne zu räumen.
Darauf reagierten die Ehegatten P. mit dem Hinweis, sie hätten sich bereits mit Schreiben vom 19. September 1995 bei der BH darüber beschwert, daß die Beschwerdeführer die natürlichen Abflußverhältnisse zum Nachteil der Liegenschaften der Ehegatten P. geändert hätten.
Die BH führte am 19. September 1996 eine mit einem Ortsaugenschein verbundene Verhandlung durch. Dabei führte der Amtssachverständige für Wasserbautechnik aus, ein als Grenzgraben vermutlich während der Urbarmachung des Gebietes angelegter Graben entwässere ein nach Nordwesten einfallendes Waldgebiet und Wiesenflächen. Der Graben mit einer durchschnittlichen Profilgröße von 30 auf 30 cm verlaufe leicht aufgedämmt an den Grundgrenzen und am Wegrand; im Weiler A. werde das Wasser über einen Kanal in den D.-Bach eingeleitet; dieser wiederum sei ein rechter Zubringer zum S.-Bach. Die Begehung habe gezeigt, daß der unterste Bachteil, beginnend vom Verrohrungseinlauf, entlang der Straße, dann entlang des Weges zum ausgeprägten Knick nach Süden schlecht bis gar nicht geräumt sei und kaum ein Abflußprofil aufweise. Am folgenden Bachlauf in südliche Richtung bis zum Hangfuß sei ein weitgehend geräumtes und abfuhrfähiges Bachprofil vorhanden. Im beginnenden Steilgelände münde in diesen Graben ein in der Hangfallinie ankommender Bach, der aus einem bewaldeten Gebiet komme. In diesem Bereich sei orographisch links ein weiterer Graben zugeleitet. Dieser komme aus einer weiter südlich gelegenen Rinne. Wie sich beim Ortsaugenschein gezeigt habe, habe diese Rinne ursprünglich in west-nord-westliche Richtung entwässert, das Wasser sei teils versickert und teils oberflächlich abgeflossen und in die angrenzenden Wiesen ausgetreten. Um dies zu verhindern, sei im Bereich des Rückeweges, der die Entwässerung dieses Hanges auf sich konzentriert habe, eine Ausleitung errichtet worden. Diese bewirke die Zuleitung dieses Wassers in den genannten Graben. Die Frage, ob zum bestehenden Bach ein weiterer Graben zugeleitet worden sei, sei zu bejahen. Es lasse sich in der Natur klar erkennen, daß vom Bereich der Ausleitung beim Rückeweg bis zur Einmündung in den Bach ein ausgeprägtes Bachbett fehle. Dies lasse sich daran erkennen, daß weder Wurzeln ausgewaschen noch Steine freigeschwemmt seien und auch kein eingetieftes Bachbett vorhanden sei. Das aus der Waldfläche kommende Wasser sei der Hangfallinie folgend dem Schwemmkegelverlauf entsprechend abgeflossen und zu einem Großteil versickert. Bei größeren Ereignissen werde das Wasser in die angrenzenden Wiesenflächen ausgetreten sein. Durch die Holzbringung und durch das Entstehen eines Rückeweges sei das Wasser dieser Runse auf diesen Rückeweg konzentriert worden, der sich als "Bachbett" ausgebildet habe. Zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes sei notwendig, bei der Ausleitung vom Rückeweg in das Waldgrundstück den Durchbruch durch den leichten Damm wieder zu verschließen.
Die Beschwerdeführer bestritten, die natürlichen Abflußverhältnisse geändert zu haben; sie vertraten vielmehr die Auffassung, sie hätten die natürliche Abflußverhältnisse, wie sie früher bestanden hätten, wiederhergestellt. Weiters machten sie geltend, die strittige Maßnahme sei nicht auf Grundstücken der Beschwerdeführer, sondern auf einem dem P.M. gehörigen Grundstück vorgenommen worden. § 39 WRG 1959 richte sich aber an den Grundeigentümer.
Mit Bescheid vom 6. Juni 1997 trug die BH den Beschwerdeführern gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 auf, bei der Ausleitung vom Rückeweg in das Waldgrundstück auf Grundstück 335/1, KG U. den Durchbruch, der das Abfließen des Wassers vom Rückeweg in das Gerinne, welches durch die Grundstücke 334, 332, 333, 326, je KG U. führt, durch Errichtung eines die ankommenden Wässer mit Sicherheit abhaltenden Dammes aus Steinen und Erdmaterial wieder zu verschließen.
Die Beschwerdeführer beriefen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 12. August 1997 gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge.
In der Begründung heißt es, durch die Beschwerdeführer sei durch das Anlegen eines Grabens das von den Grundstücken der Bundesforste (Rückeweg) auf das Waldgrundstück des P.M. gelangende Oberflächenwasser in einer Weise abgeleitet worden, daß die weiter talwärts gelegene Liegenschaft der Beschwerdeführer möglichst wenig beeinträchtigt werde. Dadurch sei eine nach § 39 WRG 1959 verbotene Änderung der natürlichen Abflußverhältnisse vorgenommen worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer bringen vor, die Maßnahme, deren Beseitigung im angefochtenen Bescheid angeordnet worden sei, sei nicht auf einem Grundstück der Beschwerdeführer, sondern auf einem Grundstück des P.M. vorgenommen worden. Die Beschwerdeführer könnten daher nicht Adressaten eines auf § 138 iVm § 39 WRG 1959 gestützten wasserpolizeilichen Auftrages sein.
Nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen.
Als jene Bestimmung des WRG 1959, der die Beschwerdeführer zuwider gehandelt haben sollen, hat die belangte Behörde § 39 leg. cit. angenommen.
Nach § 39 Abs. 1 WRG 1959 darf der Eigentümer eines Grundstückes den natürlichen Abfluß der darauf sich ansammelnden und darüberfließenden Gewässer zum Nachteil des unteren Grundstückes nicht willkürlich ändern.
Nach § 39 Abs. 2 WRG 1959 ist dagegen auch der Eigentümer des unteren Grundstückes nicht befugt, den natürlichen Ablauf solcher Gewässer zum Nachteile des oberen Grundstückes zu hindern.
Die Abs. 1 und 2 gelten nach § 39 Abs. 3 WRG 1959 nicht für eine Änderung der Ablaufsverhältnisse, die durch die ordnungsmäßige Bearbeitung eines landwirtschaftlichen Grundstückes notwendigerweise bewirkt wird.
Schon der Wortlaut der Bestimmung legt den Schluß nahe, daß vom Verbot des § 39 Abs. 1 WRG 1959 nur Maßnahmen erfaßt werden, die der Eigentümer eines Grundstückes auf diesem Grundstück zur Änderung der natürlichen Abflußverhältnisse vornimmt.
Für eine solche Auslegung sprechen aber auch noch andere Gründe, insbesondere die Wertungswidersprüche, die bei einer gegenteiligen Interpretation auftreten.
Eine Auslegung des § 39 WRG 1959 dahin, daß von dieser Bestimmung auch Maßnahmen erfaßt sind, die vom Eigentümer des dadurch "begünstigten" Grundstückes auf Grundstücken Dritter vorgenommen werden, hätte eine unterschiedliche Behandlung solcher Maßnahmen in rechtlicher Hinsicht je nach der Person des Täters zur Folge, für die keine sachliche Rechtfertigung zu finden ist und die angeordnet zu haben dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann. Die Vornahme von Maßnahmen zur Änderung des natürlichen Abflusses, die vom Grundeigentümer des "begünstigten" Grundstückes auf Grundstücken Dritter vorgenommen werden, fielen bei einer solchen Auslegung unter
§ 39 WRG 1959; hingegen wäre dieselbe Maßnahme, wenn sie vom Pächter des "begünstigten" Grundstückes oder von sonstigen Personen auf Grundstücken Dritter vorgenommen würde, nicht von
§ 39 WRG 1959 erfaßt. Dies wäre ein nicht aufzulösender Wertungswiderspruch.
Wenn § 39 WRG 1959 den Grundeigentümer zum Adressaten des Verbotes macht, dann erfaßt ihn diese Bestimmung in seiner Eigenschaft als über das Grundstück Verfügungsberechtigter und zielt darauf ab, diese Verfügungsmacht einzuschränken. Dem Grundeigentümer soll - allenfalls in Ergänzung und Klarstellung schon bestehender einschränkender Normen - im Sinne des § 364 Abs. 1 ABGB seine unbeschränkte Verfügungsmacht über das Grundstück im Sinne des § 354 ABGB eingeschränkt werden. § 39 WRG 1959 konkretisiert nachbarrechtliche Rücksichtnahmepflichten (SZ 67/212).
Zum selben Ergebnis kommt auch Krzizek, der ausführt, daß die Vorschriften des § 39 WRG 1959 von jedermann übertreten werden können, daß ein auf § 138 iVm § 39 WRG 1959 gegründeter Auftrag aber nicht an den eigentlichen Täter, sondern nur an den Grundstückseigentümer gerichtet werden kann (Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, 181 f).
Die Beschwerdeführer haben im Zuge des Verwaltungsverfahrens geltend gemacht, die Maßnahmen, die die Wasserrechtsbehörden als Änderung der natürlichen Abflußverhältnisse werteten, seien auf Grundstücken vorgenommen worden, die nicht in ihrem Eigentum stehen. Weder die Erstbehörde noch die belangte Behörde haben sich mit diesem Einwand auseinandergesetzt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist dem angefochtenen Bescheid aber auch nicht mit Sicherheit zu entnehmen, daß die belangte Behörde selbst davon ausgeht, daß die in Rede stehenden Maßnahmen auf Grundstücken gesetzt wurden, deren Eigentümer nicht die Beschwerdeführer sind.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Einen Streitgenossenzuschlag kennt das VwGG nicht. Das diesbezügliche Mehrbegehren war daher abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997070175.X00Im RIS seit
18.02.2002