TE Vwgh Erkenntnis 2020/5/19 Ra 2018/13/0061

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Veröffentlicht am 19.05.2020
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Index

21/03 GesmbH-Recht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

EStG 1988 §25 Abs1 Z1 litb
GmbHG §20 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der D GmbH in W, vertreten durch die TPA Steuerberatung GmbH in 1020 Wien, Praterstraße 62-64, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 21. Juni 2018, Zl. RV/7103576/2017, betreffend u.a. Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2010 bis 2013, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2010 bis 2013 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Bei der Revisionswerberin, einer GmbH, an der im Streitzeitraum Martina A (25,25%), Peter A (23,25%), Rainer A (23,25%), Eduard D (23,25%) und Reinhard A (5%) beteiligt waren, wurde eine gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA) durchgeführt. Die Prüferin vertrat den Standpunkt, die in den Betrieb der GmbH organisatorisch eingegliederte Gesellschafter-Geschäftsführerin Martina A und die weiteren für die GmbH tätigen und in deren betrieblichen Organismus eingegliederten Gesellschafter seien aufgrund einer im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Sperrminorität als Dienstnehmer der GmbH anzusehen (§ 47 Abs. 2 dritter Satz iVm § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988), weshalb deren Bezüge in die Bemessungsgrundlage für den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen einzubeziehen seien.

2        Das Finanzamt folgte der Prüferin und schrieb der Revisionswerberin auf Basis der getroffenen Feststellungen u.a. den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2010 bis 2013 vor.

3        Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide Beschwerde.

4        Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, woraufhin die Revisionswerberin die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde, soweit sie den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag betraf, keine Folge. Es stellte fest, dass die Gesellschafter-Geschäftsführerin mit 25,25%, drei Gesellschafter mit je 23,25% und ein Gesellschafter mit 5% an der Revisionswerberin beteiligt seien. Es lägen somit wesentliche und nicht wesentliche Beteiligungen vor.

6        Dem vorgelegten Gesellschaftsvertrag (§ 7 Punkt 4) sei zu entnehmen, dass Gesellschafterbeschlüsse, „soweit es im Gesetz oder im Gesellschaftsvertrag nicht anders bestimmt ist“, mit einer Mehrheit von 90% beschlossen würden.

7        Im November 2015 habe die Revisionswerberin mit den Gesellschaftern „Rahmenverträge“ abgeschlossen, in denen die bis dahin mündlich getroffenen Vereinbarungen schriftlich festgehalten worden seien. In der Präambel der Rahmenverträge werde darauf hingewiesen, dass nach § 7 Punkt 4 des Gesellschaftsvertrages sämtliche Gesellschafterbeschlüsse mit einer Mehrheit von 90% des Stammkapitals gefasst würden, weshalb dem jeweiligen Auftragnehmer (Anm: Minderheitsgesellschafter) ein Vetorecht zukomme. Das Vetorecht sei auch im Rahmenvertrag mit dem zu 5% beteiligten Gesellschafter angeführt und gelte somit auch für diesen.

8        In den für alle Gesellschafter gleich lautenden Verträgen werde u.a. ausgeführt, dass der Gesellschafter als „Auftragnehmer“ der Revisionswerberin anzusehen sei. Er verfüge über eine Gewerbeberechtigung und erbringe für die Revisionswerberin und deren Kunden IT-Dienstleistungen. Eine Pflicht für die Erbringung derartiger Leistungen bestehe nicht. Es werde festgehalten, dass sich der Auftragnehmer auf eigene Rechnung und Gefahr vertreten lassen könne, an keinen bestimmten Arbeitsort gebunden sei, die betriebliche Infrastruktur der Revisionswerberin nutzen könne, keine Vorgaben hinsichtlich der Arbeitszeit bestünden und er bei der Erfüllung des Vertrages keinen Weisungen der Gesellschaft unterliege. Der Auftragnehmer lege für die nach Zeitaufwand mit gesondertem Stundensatz abgegoltenen Leistungen monatliche Rechnungen samt Leistungsverzeichnis, er sei für die steuerliche Behandlung der Einkünfte selbst verantwortlich und nach § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG pflichtversichert.

9        Die Gesellschafter seien niederschriftlich einvernommen worden und hätten der Prüferin nahezu gleiche Auskünfte hinsichtlich ihrer Tätigkeit erteilt. Deren Gewerbeberechtigung laute auf die Wohnadresse. Sie verfügten am Standort der Revisionswerberin und an ihren Wohnadressen über Arbeitsplätze. Für die geleisteten Tätigkeiten verwendeten sie private Betriebsmittel und solche der Revisionswerberin. Sie fungierten zum Teil als Abteilungs- oder Projektleiter und erteilten Weisungen an die weiteren Mitarbeiter der Revisionswerberin. Ihre Leistungen erbrächten sie am Standort der Revisionswerberin, an deren Wohnorten und bei den Kunden. Die Kunden würden von den Gesellschaftern und von Mitarbeitern der Revisionswerberin akquiriert. Die Marketingabteilung der Revisionswerberin erstelle die Angebote und teile die Aufträge den Gesellschaftern und Mitarbeitern zu.

10       Die Gesellschafter rechneten ihre Leistungen - unter Angabe der jeweiligen Tätigkeit - monatlich mit der Revisionswerberin ab. Sie könnten sich vertreten lassen, was aber im Streitzeitraum praktisch nicht vorgekommen sei. Wenn Fremdpersonal eingesetzt worden sei, habe dieses die erbrachten Leistungen mit der Revisionswerberin und nicht mit den Gesellschaftern abgerechnet.

11       Nach außen träten die Gesellschafter für die Revisionswerberin und nicht im eigenen Namen auf. Sie verfügten über keine eigenen Kunden, keine eigene Homepage, keine eigene E-Mail-Adresse, kein eigenes Personal und keine Betriebshaftpflichtversicherung. In Schadensfällen wendeten sich Kunden direkt an die Revisionswerberin. In ihrer Zeit- und Urlaubseinteilung seien die Gesellschafter grundsätzlich frei, jedoch erfolge eine Abstimmung mit den anderen Gesellschaftern und Mitarbeitern.

12       Die Gesellschafter träfen ihre Entscheidungen einstimmig; sie verstünden sich als gleichberechtigt und jeder könne Beschlüsse verhindern. Im Gesellschaftsvertrag sei eine Klausel vorgesehen, die sicherstelle, dass kein Beschluss gegen den Willen eines Gesellschafters gefällt werde. Von der Geschäftsführerin gebe es keine Weisungen an die Gesellschafter. Diese sähen sich als selbständige Unternehmer. Die Rechtsform der GmbH hätten sie aus Haftungsgründen gewählt. Aus Haftungsgründen sei auch nur eine Person zum Geschäftsführer bestellt worden.

13       Die mit 25,25% an der Revisionswerberin beteiligte Geschäftsführerin übe ihre Funktion seit Gründung der Gesellschaft aus und sei laut Gesellschaftsvertrag an keine Weisungen gebunden. Neben der Geschäftsführungsfunktion sei sie im operativen Bereich (Röntgen-Kassenverrechnung) der Revisionswerberin tätig. Die Leistungen rechne sie mit Honorarnoten ab. Die Geschäftsführerin habe gegenüber der Prüferin bestätigt, dass die Firma durch die Gesellschafter gleichberechtigt geführt und Beschlüsse stets einstimmig getroffen worden seien. Sie habe in ihrer Funktion als Geschäftsführerin nie Weisungen an die anderen Gesellschafter erteilt.

14       Dass die Geschäftsführerin im Streitzeitraum Leistungen der Geschäftsführung erbracht und im Sinne des § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 wesentlich am Stammkapital der Revisionswerberin beteiligt gewesen sei, sei unstrittig. Strittig sei, ob die an die Gesellschafter-Geschäftsführerin bezahlten Honorare als Arbeitslohn iSd § 22 Z 2 EStG 1988 zu beurteilen und in die Bemessungsgrundlage für den Dienstgeberbeitrag einzubeziehen seien.

15       Die Geschäftsführerin habe seit ihrer Bestellung im Jahr 1996 die Aufgaben der Geschäftsführung wahrgenommen. Schon allein dadurch sei das Merkmal der Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der Revisionswerberin gegeben (Hinweis auf VwGH 4.2.2009, 2008/15/0260, VwSlg 8411/F). Die ununterbrochen erbrachte Tätigkeit lasse erkennen, dass eine organisatorische Eingliederung gegeben sei. Auch wenn der Frage des Unternehmerrisikos und der (als) laufend zu erkennenden Lohnzahlung hier keine Bedeutung zukomme, sei festzuhalten, dass hinsichtlich eines etwaigen Unternehmerwagnisses weder in Bezug auf die Einnahmen noch in Bezug auf die Ausgaben ins Gewicht fallende Schwankungen vorlägen. Die Geschäftsführerin habe selbst vorgebracht, dass sie sich keiner eigenen Mitarbeiter oder Stellvertreter bediene, sondern die Dienstleistungen jeweils selbst erbringe. Zudem seien ihr die Mitarbeiter der Revisionswerberin zur Verfügung gestanden.

16       Die der Gesellschafter-Geschäftsführerin bezahlten Vergütungen stellten solche iSd § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 dar.

17       Hinsichtlich der nicht wesentlich beteiligten Gesellschafter sei zu prüfen, ob vom Vorliegen einer gesellschaftsrechtlichen Sperrminorität und damit von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 auszugehen sei.

18       Unstrittig sei das Vorliegen von nicht wesentlichen Beteiligungen, strittig hingegen die Frage, ob für alle nicht wesentlich beteiligten Gesellschafter vom Vorliegen einer gesellschaftsrechtlichen Sperrminorität auszugehen sei.

19       Nach § 39 Abs. 1 GmbHG erfolge die Beschlussfassung, soweit das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimme, durch einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Demzufolge stehe es den Gesellschaftern frei, im Gesellschaftsvertrag über die einfache Mehrheit hinausgehende Regelungen zu treffen. Die Revisionswerberin habe von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Im Gesellschaftsvertrag sei festgehalten, dass Beschlüsse mit einer Mehrheit von 90% zu fassen seien und in den mit den Gesellschaftern geschlossenen „Rahmenverträgen“ sei jedem ein Vetorecht eingeräumt worden. Die mit 23,25% beteiligten Gesellschafter verfügten daher jedenfalls über eine sogenannte Sperrminorität. Die Gesellschafterversammlung könne gegen den Willen des Einzelnen keine Weisungsbeschlüsse fassen.

20       Hinsichtlich des mit nur 5% am Stammkapital Beteiligten könnte man, wie von der Revisionswerberin vorgebracht, von einer Weisungsgebundenheit ausgehen. Dazu sei jedoch festzuhalten, dass diesem Gesellschafter nicht nur durch den gesondert geschlossenen „Rahmenvertrag“, so wie den anderen Gesellschaftern, ein Vetorecht eingeräumt, sondern dass sämtliche Beschlüsse der Gesellschafter tatsächlich einstimmig getroffen worden seien.

21       Die durchgehend einstimmige Beschlussfassung sei durch Aussagen der Gesellschafter dokumentiert. Aus den Aussagen gehe klar hervor, dass kein Gesellschafter einem anderen Gesellschafter Weisungen erteilen könne und es bisher auch nicht vorgekommen sei, dass Weisungen erteilt worden wären.

22       Für die Beurteilung des Vorliegens eines Dienstverhältnisses komme es nicht nur auf die vertragliche, sondern auch auf die tatsächliche Gestaltung an. Ausgehend von der tatsächlichen Gestaltung habe der mit 5% beteiligte Gesellschafter die gleichen Befugnisse gehabt, wie die anderen Gesellschafter. Auch er habe Beschlüsse verhindern können, auch für ihn habe somit keine Verpflichtung bestanden, den Weisungen eines anderen zu folgen.

23       Da eine nichtselbständige Tätigkeit iSd § 25 Abs. 1 Z 1 lit b EStG 1988 vorliege, sei auch bei den nicht wesentlich beteiligten Gesellschaftern nur noch das Element der Eingliederung zu prüfen. Von den Gesellschaftern seien Dienstleistungen im Tätigkeitsbereich der Revisionswerberin erbracht worden. Sie seien im Bereich der Softwareentwicklung, Projektbetreuung, Technik sowie Support im IT-Bereich tätig gewesen und für die Revisionswerberin nach außen aufgetreten. Auch wenn sie sich als selbständige Unternehmer sähen, sei dies im täglichen Arbeitsablauf, bei ihrer nach außen gerichteten Tätigkeit für die Revisionswerberin nicht ersichtlich. Die weitgehende Entscheidungsfreiheit stehe, wie dies auch bei leitenden Angestellten der Fall sei, der Annahme eines Dienstverhältnisses nicht entgegen. Eine freie Arbeitszeiteinteilung und die freie Wahl des Ortes der Tätigkeit sei in der heutigen Arbeitswelt ebenfalls nicht ungewöhnlich, zumal Dienstnehmer ihre Arbeit, insbesondere wenn es sich um Tätigkeiten handle, die in der IT-Branche angesiedelt seien, vielfach im „Home Office“ erledigten. Den Gesellschaftern seien Räumlichkeiten der Revisionswerberin und deren Arbeitsmittel zur Verfügung gestanden. Diese seien auch mehrmals wöchentlich in unterschiedlichem Ausmaß genutzt worden. Bei den Gesellschaftern seien regelmäßige Arbeitsleistungen für die Revisionswerberin feststellbar, die sich in regelmäßigen monatlichen Lohnzahlungen niedergeschlagen hätten. Schwankungen in der Höhe der Honorarnoten aufgrund einer unterschiedlichen Anzahl von Arbeitsstunden bzw. Projektleistungen sprächen ebenfalls nicht gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses.

24       Die Beurteilung des Sachverhalts für die vier nicht wesentlich beteiligten Gesellschafter ergebe, dass sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 als erfüllt anzusehen seien. Es lägen somit auch für die nicht wesentlich beteiligten Gesellschafter Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit vor.

25       Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, weil es von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen sei, sondern sich auf diese gestützt habe.

26       In der gegen dieses Erkenntnis gerichteten außerordentlichen Revision wird zu deren Zulässigkeit u.a. ausgeführt, das Bundesfinanzgericht wende die Bestimmung des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 auch auf jene bloßen Gesellschafter (ohne Geschäftsführungsfunktion) an, die auf der Ebene des Gesellschaftsvertrages weisungsgebunden gegenüber der Geschäftsführung seien. Hinsichtlich dieses Teilaspektes liege noch keine höchstgerichtliche Judikatur zu § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 vor. Weiters werden die Anwendung des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 auf den mit bloß 5% beteiligten Gesellschafter, der im Falle des vom Bundesfinanzgericht zu Grunde gelegten Beschlussquorums von 90% denklogisch gar keine Sperrminorität im gesellschaftsvertraglichen Sinn habe könne, sowie schwerwiegende Feststellungs- und Begründungsmängel gerügt.

27       Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

28       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

29       Die Revision ist zulässig und begründet.

30       Gemäß § 18 Abs. 1 GmbHG wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten.

31       Nach § 20 Abs. 1 GmbHG sind die Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, alle Beschränkungen einzuhalten, die in dem Gesellschaftsvertrag, durch Beschluss der Gesellschafter oder in einer für die Geschäftsführer verbindlichen Anordnung des Aufsichtsrates für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, festgesetzt sind.

32       Die Beschlussfassung der Gesellschafter erfolgt gemäß § 39 Abs. 1 GmbHG, soweit das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, durch einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

33       § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 lautet:

„§ 25. (1) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) sind:

1.   a) [...]

b)Bezüge und Vorteile von Personen, die an Kapitalgesellschaften nicht wesentlich im Sinne des § 22 Z 2 beteiligt sind, auch dann, wenn bei einer sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2) aufweisenden Beschäftigung die Verpflichtung, den Weisungen eines anderen zu folgen, auf Grund gesellschaftsvertraglicher Sonderbestimmung fehlt.“

34       § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 geht auf die im Wesentlichen wortgleiche Bestimmung des § 25 Abs. 1 Z 1 zweiter Satz EStG 1972 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes (AbgÄG) 1981 zurück. Laut den Erläuterungen zum AbgÄG 1981 wurde die Regelung in Reaktion auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Gesellschafter-Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung getroffen, der bei Sperrminoritäten oder bei Beteiligungen am Stammkapital von mindestens 50% mangels Weisungsunterworfenheit ein Dienstverhältnis nicht anerkannt hat. Zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten soll in den Fällen gesellschaftsvertraglicher Sonderrechte eines nicht wesentlich beteiligten Gesellschafters erreicht werden, dass dieser aus seinen Tätigkeitsvergütungen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht (850 BlgNR 15. GP 18).

35       Tatbestandsmerkmal des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 ist daher, dass im Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Regelung getroffen wird, mit der von der dispositiven Regelung des GmbHG abgewichen wird und Sonderrechte eingeräumt werden. Dies ist etwa der Fall, wenn die Generalversammlung Beschlüsse nur mit einer qualifizierten Mehrheit von z.B. 80% fassen kann, was dazu führt, dass ein mit 20% (Sperrminorität) am Stammkapital beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer Beschlüsse und damit allenfalls auch Weisungen (§ 20 Abs. 1 GmbHG) an ihn verhindern kann. Das Fehlen der Weisungsgebundenheit aus einem anderen Grund steht der Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 entgegen (vgl. z.B. Zorn, Besteuerung der Geschäftsführung, 19 f; sowie Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG12, § 25 Tz 28, jeweils mwN).

36       Das Bundesfinanzgericht stellte im angefochtenen Erkenntnis fest, aufgrund der in § 7 Punkt 4 des Gesellschaftsvertrages getroffenen Regelung bedürften Gesellschafterbeschlüsse einer Mehrheit von 90% und vertrat den Standpunkt, auch hinsichtlich des mit nur 5% am Stammkapital beteiligten Gesellschafters lägen alle Tatbestandsmerkmale des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 vor, weil mit diesem Gesellschafter ein „Rahmenvertrag“ abgeschlossen worden sei, der ihm - wie allen anderen Gesellschaftern - ein Vetorecht einräume. Tatsächlich würden auch alle Beschlüsse der Gesellschafter einstimmig getroffen. Wie oben ausgeführt steht aber das Fehlen der Weisungsgebundenheit aufgrund von in Anstellungsverträgen getroffenen Regelungen oder einer wie auch immer gelebten Praxis der Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 entgegen. Das angefochtene Erkenntnis erweist sich schon deswegen als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

37       Bei den mit 23,5% am Stammkapital der GmbH beteiligten Gesellschaftern ist Folgendes zu beachten:

38       Ist ein Gesellschafter einer GmbH nicht als Geschäftsführer, sondern in der GmbH in einer anderen Funktion tätig, so kann seine persönliche Abhängigkeit - unter dem Aspekt seiner rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung der GmbH aufgrund seiner Beteiligungsrechte - erst dann verneint werden, wenn er kraft dieser Beteiligung die Ausübung der dem Geschäftsführer als Vertreter der GmbH ihm als Beschäftigtem der GmbH gegenüber zukommenden Weisungsmacht bestimmen oder verhindern kann. Dazu reicht aber eine Beteiligung an der GmbH, kraft derer er nur eine Beschlussfassung der Gesellschafter verhindern aber nicht bestimmen kann, nicht aus, weil ihm dadurch nicht die Rechtsmacht eingeräumt wird, über Weisungen an den Geschäftsführer gemäß § 20 Abs. 1 GmbHG durch Beschlussfassung der Gesellschafter wirksam die Wahrnehmung der für die persönliche Abhängigkeit maßgeblichen Belange seitens des Geschäftsführers zu beeinflussen (vgl. insoweit VwGH 10.12.1986, 83/08/0200, VwSlg 12325/A).

39       Die zu je 23,5% beteiligten, nicht als Geschäftsführer tätigen Gesellschafter waren aufgrund der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Sperrminorität zwar in der Lage, Beschlüsse der Generalversammlung zu verhindern. Um über den in Vertretung der GmbH die Dienstgeberfunktion ausübenden Geschäftsführer so bestimmen zu können, dass sie seinen Weisungen nicht folgen müssten, reichte ihre Beteiligung indessen nicht aus. Daher ist auch in Bezug auf die mit 23,5% beteiligten Gesellschafter das in § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 geforderte Tatbestandsmerkmal, den Weisungen eines anderen auf Grund gesellschaftsvertraglicher Sonderbestimmung nicht folgen zu müssen, nicht erfüllt.

40       Das angefochtene Erkenntnis ist daher, soweit es den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2010 bis 2013 betrifft, mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

41       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 19. Mai 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018130061.L00

Im RIS seit

08.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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