Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Robl,
Dr. Rosenmayr, Dr. Baur und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Oberdorfer, über die Beschwerde des S S in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 12-14, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Juli 1995, Zl. 654.342/19-III/16/95, betreffend Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Irak, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 28. Juli 1995 wurde gemäß § 54 FrG (über die Berufung gegen einen auf § 73 Abs. 2 AVG gestützten Bescheid) festgestellt, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, daß der Beschwerdeführer gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG im Irak bedroht sei. Der Beschwerdeführer sei am 26. Dezember 1993 durch Überwachungsorgane des Bundesheeres im Gemeindegebiet von Rattersdorf festgenommen worden, da er illegal unter Umgehung der österreichisch-ungarischen Grenzkontrolle sowie ohne Sichtvermerk das Bundesgebiet betreten habe. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom 14. Februar 1994 sei der Beschwerdeführer gemäß § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom 19. Februar 1994 sowie dem Ergänzungsvorbringen vom 16. März 1994 habe der Beschwerdeführer die Rechtmäßigkeit seiner Ausweisung bestritten und ausgeführt, daß er bei einer Abschiebung in den Irak mit Verhaftung sowie Folter zu rechnen habe und sogar mit dem Tode bedroht sei, zumal sein Vater aufgrund seines Engagements für die Kurden hingerichtet worden sei. Aufgrund dieser Tatsache sei die gesamte Familie des Beschwerdeführers Schikanen und Repressalien ausgesetzt gewesen.
Ein weiterer Verfolgungsgrund seitens der irakischen Behörden ergebe sich nach Ansicht des Beschwerdeführers dadurch, daß er in Österreich am 14. Februar 1994 zwangsweise in die irakische Botschaft gebracht worden sei. Allein die Tatsache, daß der Beschwerdeführer in Österreich um Asyl angesucht habe, bedeute für die irakischen Behörden einen Verfolgungsgrund.
Der Beschwerdeführer habe sich durch seine Flucht in den Iran im Jahre 1986 dem Militärdienst im Iran-Irak Krieg entzogen. Gegen Kriegsende habe er seine Auslieferung in den Irak befürchtet und sei über Syrien nach Griechenland geflohen, wo er sechs Jahre gelebt habe. Da die ganze Familie des Beschwerdeführers in die USA emigriert sei, wolle er dieser nachreisen. Deshalb sei er über Jugoslawien und Ungarn nach Österreich gereist, um so leichter in die USA zu gelangen.
In einem an die Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf gerichteten Ergänzungsschreiben habe der Beschwerdeführer eine Kopie der von seiner Mutter bei den US-Einwanderungsbehörden eingereichten Petition, eine Unterstützungserklärung ihres Cousins aus den USA sowie eine Unterstützungserklärung der Caritas Wien vorgelegt, worin bestätigt worden sei, daß im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft für die Verpflegung und Unterkunft des Beschwerdeführers solange gesorgt werde, bis die US-Behörden ein Visum erteilten.
Aufgrund des Devolutionsantrages des Beschwerdeführers vom 20. September 1994 habe der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 21. März 1995 den angefochtenen Ausweisungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf bestätigt.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Eisenstadt, vom 28. Dezember 1993 sei sein Antrag auf Asyl gemäß § 3 AsylG 1991 abgewiesen worden. Dieser Bescheid sei seit dem 12. Jänner 1994 rechtskräftig.
Die Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf habe über den am 19. Dezember 1994 gemäß § 54 FrG gestellten Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Irak nicht entschieden, weshalb die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland infolge des Devolutionsantrages des Beschwerdeführers vom 29. August 1994 mit Bescheid vom 12. September 1994 festgestellt habe, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in dem von ihm bezeichneten Staat, nämlich dem Irak, gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG bedroht sei.
In der vom Beschwerdeführer dagegen am 23. September 1994 erhobenen Berufung habe dieser eingeräumt, daß für die Prüfung des Refoulement-Verbotes die vor der Fremdenpolizei sowie vor der Asylbehörde gemachten Angaben herangezogen werden könnten, habe aber gleichzeitig darauf hingewiesen, daß die Niederschrift im Asylverfahren mangelhaft sei, weil die Vernehmung nur 25 Minuten gedauert habe. Außerdem sei es bedenklich, später gemachte Angaben als unglaubwürdig zu bezeichnen.
Des weiteren habe sich die erstinstanzliche Behörde nicht mit der Frage befaßt, ob der Beschwerdeführer bei der Rückkehr in sein Heimatland aufgrund strafrechtlich geahndeter Delikte
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nämlich seiner illegalen Ausreise und seines in Österreich gestellten Asylantrages - Verfolgungshandlungen, welche mit unmenschlichen Strafen oder sogar mit der Todesstrafe geahndet würden, habe befürchten müssen. Es sei - so habe der Beschwerdeführer in seiner Berufung ausgeführt - für die irakischen Behörden aufgrund der nicht bestehenden entsprechenden Sichtvermerke hinsichtlich eines rechtmäßigen Aufenthaltes unschwer zu erkennen gewesen, daß der Beschwerdeführer einen Asylantrag gestellt habe. Es könne der Verdacht der Regimegegnerschaft unmittelbar zu verschärften Verhören bzw. sogar zu einer Inhaftierung führen. Auch habe der Beschwerdeführer niemals behauptet, den Militärdienst verweigert zu haben, sondern habe sich diesem durch seine Flucht entzogen. Deswegen sei es irrelevant gewesen, ob eine Einberufung beabsichtigt gewesen sei oder nicht. Bei einer Rückkehr in den Irak würde das Verhalten des Beschwerdeführers
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so die Wiedergabe des Berufungsvorbringens im angefochtenen Bescheid - klar als Wehrdienstentziehung gelten, wobei wegen der Ausreise während der Militärzeit oder wegen seines Nichterscheinens die Todesstrafe zu befürchten sei. Außerdem seien immer wieder Personen, die den Amnestieangeboten der irakischen Regierung vertraut hätten, Opfer von Hinrichtungen geworden.
Dazu stellte die belangte Behörde fest, daß es bei der Beurteilung im Sinne des § 37 Abs. 1 und 2 FrG nach dem Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel gemäß § 46 AVG nicht nur zulässig, sondern geradezu naheliegend sei, sich im fremdenpolizeilichen Verfahren am Asylverfahren zu orientieren. Sowohl im erstinstanzlichen Bescheid des Bundesasylamtes vom 28. Dezember 1993, als auch im Berufungsbescheid vom 13. Mai 1994 sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer keine konkret gegen ihn gerichtete Verfolgung glaubhaft habe machen können. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1991 sei.
Der Beschwerdeführer sei sowohl vom Bundesasylamt als auch von der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf einvernommen und im Zuge der Einvernahme ausdrücklich aufgefordert worden, weitere Fluchtgründe vorzubringen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, das Asylverfahren sei aufgrund der kurzen Dauer der Vernehmung (nach den Angaben des Beschwerdeführers 25 Minuten) äußerst mangelhaft gewesen, sei nicht nachvollziehbar, da es ja am Beschwerdeführer gelegen wäre, seine Fluchtgründe ausführlich darzulegen. Weiters könne dem Einwand, daß er die Bedeutung des Asylverfahrens nicht begriffen habe, nichts abgewonnen werden, da ihm anläßlich der Einvernahme am 28. November 1993 und am 28. Dezember 1993 vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Eisenstadt, deutlich zur Kenntnis gebracht worden sei, daß seine Fragebeantwortungen eine Grundlage für die Entscheidung des Bundesasylamtes bildeten.
Generell sei anzumerken, daß es im Lichte der ständigen Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes für die Feststellung nach § 54 Abs. 1 FrG nicht auf die allgemeinen, in einem bestimmten Staat herrschenden Verhältnisse, sondern auf eine konkrete, von staatlichen Stellen zumindest gebilligte, individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete aktuelle Bedrohung ankomme, die vom Beschwerdeführer glaubhaft zu machen sei. Demnach könne einem Antrag gemäß § 54 Abs. 1 FrG nur dann stattgegeben werden, wenn der Antragsteller glaubhaft mache, daß ihm aktuell in dem von ihm bezeichneten Staat, nämlich im Irak, die im § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG genannten Gefahren drohten. In diesem Lichte seien auch die Ausführungen zu werten, wonach der Beschwerdeführer im Irak wegen seiner Wehrdienstentziehung mit Konsequenzen durch Staatsorgane rechnen müßte. Den Angaben des Beschwerdeführers zufolge habe dieser den Irak im August 1986 aufgrund seiner laufenden Benachteiligungen seitens der Baath-Partei verlassen. Da keine Einberufung des Beschwerdeführers zum Militärdienst vorgelegen sei und der Beschwerdeführer eine begründete Verfolgungsgefahr aufgrund des Verdachtes der Zusammenarbeit mit den aufständischen Kurden nicht habe darlegen können, sei ihm die Glaubhaftmachung einer derartigen aktuellen Bedrohung nicht gelungen. Dies sei von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland auch zu Recht erkannt worden. Der Beschwerdeführer sei jede nachvollziehbare Begründung schuldig geblieben, warum er einer Verfolgung durch Staatsorgane ausgesetzt sei. Bloße Vermutungen reichten für eine derartige Glaubhaftmachung nicht aus.
Der Einwand des Beschwerdeführers, die irakischen Behörden würden mit Sicherheit von der Annahme ausgehen, daß er aufgrund der nicht ersichtlichen Paßeintragung bezüglich seines "rechtmäßigen Aufenthaltes" einen Asylantrag in Österreich gestellt habe, könne nicht nachvollzogen werden.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, sein längjähriger, von den irakischen Behörden nicht gebilligter Auslandsaufenthalt, würde bis hin zur Todesstrafe geahndet werden, sei der Art. 24 der irakischen Verfassung entgegenzuhalten. In dem vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte herausgegebenen Länderbericht Irak sei in diesem Zusammenhang ausgeführt worden, daß es nach dieser Bestimmung verboten sei, einen Staatsbürger an der Ausreise aus dem Land zu hindern oder seine Bewegungsfreiheit einzuschränken, ausgenommen in gesetzlich vorgesehenen Fällen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens unter Erstattung einer Gegenschrift vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht im wesentlichen geltend, die belangte Behörde habe sich im angefochtenen Bescheid - ohne je selbst einen Sachverhalt festgestellt und Ermittlungen angeordnet zu haben - auf das Ergebnis des Asylverfahrens gestützt. Die belangte Behörde habe im Asylverfahren festgestellt, daß die Flucht vor dem drohenden Militärdienst keinen Anerkennungsgrund darstelle, ebensowenig die Flucht vor der durch Desertion oder Wehrdienstverweigerung ausgelösten strengen Bestrafung. Der Hinweis der belangten Behörde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit der Aktualität von Verfolgungsmaßnahmen staatlicher Stellen allein stelle keine gesetzeskonforme Begründung dar. Der Verweis auf die mangelnde Glaubhaftmachung der Angaben des Beschwerdeführers sei unzutreffend. Der Beschwerdeführer habe glaubhaft dargetan, daß er sich in einem wehrfähigen Alter befunden habe und befinde, sodaß die staatlichen Stellen im Zusammenhang mit seinem Auslandsaufenthalt Wehrdienstverweigerung und/oder Desertion annehmen könnten, sodaß ihm schon aus diesem Grund Gefahr drohe. Die "Ausführung" des Beschwerdeführers aus der Schubhaft zur irakischen Botschaft zwecks Erlangung eines Heimreisezertifiaktes sei rechtswidrig und es sei höchst unwahrscheinlich, daß die Botschaft und somit sein Heimatstaat keine Kenntnis vom Asylantrag erhalten hätten; die diplomatischen Vertreter des Irak seien über den aufenthaltsrechtlichen Status der irakischen Staatsbürger in Österreich hervorragend informiert, über den Fall des Beschwerdeführers sei auch in den Medien tagelang berichtet worden. Daher sei der Beschwerdeführer aufgrund seines unerlaubten Aufenthaltes außerhalb seines Heimatstaates bereits Verfolgungsmaßnahmen seines Heimatstaates ausgesetzt. Die Angaben des Beschwerdeführers seien aufgrund der Tatsache der Einberufung zum Heer, des Krieges und der drohenden Todesstrafe glaubwürdig, der Beschwerdeführer habe auch deutlich darauf hingewiesen, alle möglichen und zumutbaren Schritte unternommen zu haben, um diese Tatsachen glaubhaft zu machen. Die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder der Todesstrafe im Irak sei für den Beschwerdeführer wahrscheinlich. Die belangte Behörde hätte auch eine Reihe von angebotenen Beweisen einholen müssen; im übrigen sei das Refoulement-Verbot gemäß Art. 37 Abs. 1 und 2 FrG von Amts wegen zu beachten.
Soweit die belangte Behörde Art. 24 der Irakischen Verfassung anführe und den Länderbericht des Ludwig-Boltzmann-Institutes für Menschenrechte zitiere, sei ihr entgegenzuhalten, daß es nicht auf die verfassungsrechtlich garantierten Rechte des Beschwerdeführers im Irak ankomme, sondern darauf, ob ein effektiver Rechtsschutz bestehe oder nicht. Die belangte Behörde habe nicht einmal ansatzweise den Versuch unternommen, zur politischen Situation Erhebungen durchzuführen. Die belangte Behörde irre, wenn sie - implizit - der Ansicht zuneige, der Beschwerdeführer habe etwas unter Beweis zu stellen.
Die Behörde hätte nach den Grundsätzen des AVG von Amts wegen den wahren Sachverhalt ermitteln müssen. Bei richtiger Anwendung der Fakten wäre die belangte Behörde darauf gekommen, daß im Irak kein effektives, den demokratischen Regeln entsprechendes Rechtsschutzsystem bestehe, sodaß der Beschwerdeführer ungeachtet verfassungsrechtlicher Garantien keinen Schutz vor ungerechtfertigter Strafe erlangen könne, weil der irakische Staat selbst diese Rechtsgarantien sanktionslos verletze.
Bei ordnungsgemäßem Befassen mit dem Berufungsvorbringen und den darin vorgelegten Beweismitteln sowie bei Beachtung der von Amts wegen wahrzunehmenden Pflichten im Sinne des § 36 FrG hätte die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis kommen müssen, nämlich zu dem Schluß, daß stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, der Beschwerdeführer liefe bei der Rückkehr in den Irak Gefahr, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden.
Die belangte Behörde habe aber auch das Parteienvorbringen nicht zur Gänze erledigt, da der Beschwerdeführer erstinstanzlich auch die Feststellung beantragt habe, die Unzulässigkeit der Abschiebung auch für Jordanien festzustellen. Die mit Devolution angerufene Sicherheitsdirektion habe den Irak in ihren Bescheid aufgenommen, daher habe das Rechtsmittel auch nur auf diesen Staat Bezug nehmen müssen. Die belangte Behörde hätte aber auch auf den Antrag betreffend Jordanien bezug nehmen müssen, da sie keinen Teilbescheid erlassen und zu erkennen gegeben habe, daß für die Zulässigkeit der Abschiebung nach Jordanien noch gesondert abgesprochen werde. Damit sei nicht über den gesamten Parteiantrag abgesprochen worden, schon aus diesem Grund sei der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet.
Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt.
Im Verfahren gemäß § 54 Abs. 1 FrG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom Antragsteller mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Falle seiner Abschiebung in den im Antrag genannten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt durch diese nicht abwendbaren Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 4. Dezember 1996, Zl. 96/21/0543, und vom 19. Februar 1997, Zl. 96/21/0096) und von der Behörde das Vorliegen konkreter Gefahren für jeden einzelnen Fremden für sich zu prüfen. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Progonose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa - wie vom Beschwerdeführer behauptet - bislang gehäufte Verstöße der in § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1997, Zl. 95/21/0381, mwN).
Was die vom Beschwerdeführer behauptete Bedrohung wegen seiner behaupteten Desertion anlangt, so ist zunächst zwar festzustellen, daß der Beschwerdeführer nach der Aktenlage im Verwaltungsverfahren bloß behauptet hatte, daß er sich dem Militärdienst durch seine Flucht entzogen habe. In seiner Berufung vom 23. September 1994 führt er selbst aus, "im Irak nie einen Militärdienst abgeleistet" zu haben. Daß er einen Stellungs- oder Einberufungsbefehl erhalten oder sich gar aus dem Militärdienst selbst unerlaubt entfernt habe, hat er im Verwaltungsverfahren nicht behauptet; solches wird auch im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt. Der Beschwerdeführer läßt auch die Feststellung der belangten Behörde, daß "eine Einberufung bzw. beabsichtigte Einberufung zum Militärdienst nicht vorlag", im wesentlichen unbestritten, er zeigt diesbezüglich keinen Verfahrensmangel auf.
Der Beschwerdeführer hatte in seiner Berufung aber u.a. damit argumentiert, daß er als 25-jähriger ins wehrpflichtige Alter falle und daß im Irak "für die Flucht während der Militärzeit oder für ein Nichterscheinen (z.B. Nichtregistrierung oder Ausreise bzw. Aufenthalt im Ausland)" gemäß der Resolution Nr. 1370 vom 2. Jänner 1984 die Todesstrafe vorgesehen sei. Die belangte Behörde ging zwar offenbar davon aus, daß sich der Beschwerdeführer im Jahr 1986 durch seine Flucht in den Iran dem Militärdienst im Iran-Irak Krieg entzogen habe. Dennoch verneinte sie das Vorliegen einer Gefährdung des Beschwerdeführers im Irak im Sinne des § 37 Abs. 1 und 2 FrG aber deswegen, weil er keine gegen ihn gerichtete aktuelle Bedrohung habe glaubhaft machen können.
Bei dieser Sachlage hätte sich die belangte Behörde mit der vom Beschwerdeführer insbesondere unter Hinweis auf eine bestimmte irakische Rechtsvorschrift behaupteten Praxis des Irak, daß Personen, welche sich durch Ausreise der Stellung für den Militärdienst entzogen haben, die Todesstrafe drohe, angesichts der von ihm im Verwaltungsverfahren gegebenen Hinweise durch geeignete Ermittlungen (z.B. Anfrage bei der österreichischen Botschaft im Irak, Verwertung von Berichten spezialisierter Organisationen) auseinandersetzen müssen. Da sie zutreffendenfalls zu dem Ergebnis hätte kommen können, daß der Beschwerdeführer im Irak gemäß § 37 Abs. 1 FrG bedroht sei, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
Soweit der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid wegen Nichtabspruchs der belangten Behörde über seinen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Jordanien für rechtswidrig hält, ist er darauf hinzuweisen, daß diese Frage nicht Gegenstand seiner Berufung und auch nicht des mit Berufung angefochtenen Bescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 12. September 1994 gewesen ist. Sache des Berufungsverfahrens ist aber nur der Gegenstand der Entscheidung der Vorinstanz, soweit der darüber ergangene Bescheid mit Berufung angefochten wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1980, Slg. Nr. 10.305/A).
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Parteiengehör Erhebungen ErmittlungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995210905.X00Im RIS seit
20.11.2000