Entscheidungsdatum
31.03.2020Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §38Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Schopf über die Beschwerdn 1) der Frau A. B. und 2) des Dr. C. B. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 50, Wiener Schlichtungsstelle, Dezernat IV, vom 12.02.2020, Zl. MA 50-Schli-..., betreffend Mietrechtsgesetz (MRG),
zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit gegenständlicher „Entscheidung“ der belangten Behörde vom 12.02.2020 wurde das mit Antrag vom 04.10.2019 bei der Magistratsabteilung 50 (MA 50) – Gruppe Schlichtungsstelle eingeleitete Verfahren auf Feststellung der Teilunwirksamkeit der Mietzinsanhebung gemäß § 16 Abs. 9 MRG und auf Feststellung der Höhe der Überschreitungsbeträge betreffend die Wohnung Top Nr. 1 im Haus Wien, D.-gasse, bis zur rechtskräftigen Erledigung des beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu ..., anhängigen Verfahrens auf Überprüfung des Hauptmietzinses (gemäß § 16 MRG) gemäß § 38 AVG 1991 ausgesetzt. Dies wurde damit begründet, dass für gegenständliche Bestreitung die Entscheidung darüber entscheidungsrelevant sei, dass die ursprünglich getroffene Hauptmietzinsvereinbarung teilunwirksam sei und die daraus resultierenden Überschreitungsbeträge festgestellt würden. Dies sei Gegenstand des beim Landesgericht für ZRS Wien zu ... anhängigen Verfahrens betreffend die Überprüfung des Hauptmietzinses gemäß § 16 MRG. Bis zur rechtskräftigen Erledigung dieses Verfahrens sei daher die Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens zweckmäßig.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die innerhalb offener Frist eingebrachte Beschwerde, mit welcher im Wesentlichen geltend gemacht wird, die Voraussetzung für eine Aussetzung lägen, zumindest hinsichtlich verfristeter Begehren nicht vor. Beantragt wurde, den beschwerdegegenständlichen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Antrag der Antragstellerin vom 04.10.2019 auf Feststellung der Teilunwirksamkeit des Hauptmietzinses (zumindest teilweise) zurückgewiesen werde, in eventu den Bescheid aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen, der Antragstellerin aufzutragen, den Antragsgegnern die Kosten des Verfahrens zu ersetzen.
Die Mitbeteiligte E. F. war in der Zeit von 1.10.2013 bis 30.09.2017 Hauptmieterin der Wohnung Top 1 des Hauses Wien, D.-gasse. Das Mietverhältnis war für genau diesen Zeitraum befristet. Die Beschwerdeführer waren Vermieter. Mit (nicht rechtskräftigem) Sachbeschluss des Bezirksgerichtes G. vom 24.07.2019, ... wurde festgestellt, dass die ursprünglich getroffene Hauptmietzinsvereinbarung von € 329,56 gemäß § 16 Abs. 8 MRG im Ausmaß von € 113,48 netto teilunwirksam gewesen sei. Im Zeitraum Oktober 2013 bis Juli 2016 sei das gesetzlich zulässige Zinsausmaß im näher bezeichneten Ausmaß überschritten worden. Unter Bezugnahme auf den vom Sachbeschluss nicht umfassten Zeitraum von August 2016 bis April 2017 und Mai 2017 bis September 2017 wurde von der Mitbeteiligten ein Folgeantrag (da eine zeitliche Antragsausdehnung bei Gericht nicht möglich sei) gestellt und die Feststellung der Teilunwirksamkeit der Mietzinsvorschreibung sowie der erfolgten Anhebung gemäß § 16 Abs. 9 MRG geltend gemacht. Das damit eingeleitete Verfahren wurde mit nunmehr bekämpfter Entscheidung gemäß § 38 AVG ausgesetzt.
Gemäß § 16 Abs. 8 MRG sind Mietzinsvereinbarungen insoweit unwirksam, als der vereinbarte Hauptmietzins den nach Abs. 1 bis 7 zulässigen Höchstbetrag überschreitet. Die Unwirksamkeit ist binnen drei Jahren gerichtlich (bei der Gemeinde, § 39) geltend zu machen. Bei befristeten Hauptmietverhältnissen (§ 29 Abs. 1 Z 3) endet diese Frist frühestens sechs Monate nach Auflösung des Mietverhältnisses oder nach seiner Umwandlung in ein unbefristetes Mietverhältnis; die Verjährungsfrist beträgt in diesem Fall zehn Jahre.
Gemäß Abs. 9 dieser Bestimmung ist, ergibt sich durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung ein höherer Hauptmietzins (Anm.: richtig: Hauptmietzins,) als nach Abs. 1 bis 7 zu diesem Zeitpunkt zulässig ist, der übersteigende Teil unwirksam. Berechtigt eine Wertsicherungsvereinbarung den Vermieter zu einer Erhöhung des Hauptmietzinses, so hat der Hauptmieter dem Vermieter den erhöhten Hauptmietzins von dem auf das Wirksamwerden der Indexveränderung (Abs. 6 dritter Satz) folgenden Zinstermin an zu entrichten, wenn der Vermieter dem Hauptmieter in einem nach Wirksamwerden der Indexveränderung ergehenden Schreiben, jedoch spätestens 14 Tage vor dem Termin, sein darauf gerichtetes Erhöhungsbegehren bekanntgibt. Eine sich durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung ergebende Unwirksamkeit des erhöhten Hauptmietzinses ist innerhalb der in Abs. 8 genannten Fristen ab dem Erhöhungsbegehren gerichtlich (bei der Gemeinde, § 39) geltend zu machen.
§ 39 MRG bestimmt:
(1) Verfügt eine Gemeinde über einen in Mietangelegenheiten fachlich geschulten Beamten oder Angestellten und rechtfertigt die Anzahl der dort nach § 37 Abs. 1 anfallenden Verfahren die Betrauung der Gemeinde zum Zwecke der Entlastung des Gerichtes, so kann ein Verfahren nach § 37 Abs. 1 bei Gericht hinsichtlich der in der Gemeinde gelegenen Mietgegenstände nur eingeleitet werden, wenn die Sache vorher bei der Gemeinde anhängig gemacht worden ist.
(2) Auf welche Gemeinden die im Abs. 1 genannten Voraussetzungen zutreffen, stellt der Bundesminister für Justiz gemeinsam mit dem Bundesminister für Inneres durch Kundmachung fest.
(3) Die Gemeinde hat nach Vornahme der erforderlichen Ermittlungen, wenn der Versuch einer gütlichen Beilegung des Streites erfolglos geblieben ist, über den Antrag nach § 37 Abs. 1 zu entscheiden. Auf das Verfahren sind die Regelungen der § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 2, §§ 17, 25 bis 28, § 31 Abs. 1 bis 4 und §§ 32 bis 34 AußStrG sowie § 37 Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 3 Z 1 bis 12 und 18 und Abs. 4 entsprechend anzuwenden; im Übrigen gilt für das Verfahren das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991.
(4) Die Entscheidung der Gemeinde kann durch kein Rechtsmittel angefochten werden. Sie bildet, wenn die Frist zur Anrufung des Gerichtes nach § 40 Abs. 1 abgelaufen ist, einen Exekutionstitel im Sinn des § 1 der Exekutionsordnung.
(5) Die im Verfahren vor der Gemeinde erforderlichen Schriften, die vor ihr abgeschlossenen Vergleiche sowie die von ihr ausgestellten Rechtskraftbestätigungen und Bescheinigungen gemäß § 40 Abs. 3 sind von den Stempel- und Rechtsgebühren befreit.
Gemäß § 38 AVG ist, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
„§ 38 AVG sieht vor, dass, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, die Behörde berechtigt ist, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
Bei einer Vorfrage im Sinne des § 38 handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um eine Frage, zu deren Beantwortung die in einer Verwaltungsangelegenheit zur Entscheidung berufene Behörde sachlich nicht zuständig ist, die aber für ihre Entscheidung eine notwendige, unabdingbare Grundlage bildet und daher von ihr bei ihrer Beschlussfassung berücksichtigt werden muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 2000, Zl. 2000/19/0093). Bloß daraus, dass in zwei Verfahren als Grundlage für die Beurteilung jeweils verschiedener Ansprüche derselbe Sachverhalt zu beurteilen ist, folgt noch nicht, dass mit einem dieser Verfahren bis zur Erledigung des anderen zuzuwarten ist, und zwar auch dann nicht, wenn in dem anderen Verfahren über diese Frage als Hauptfrage zu entscheiden wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 1998, Zl. 95/08/0139). Die rechtliche Beurteilung einer Vorfrage erwächst nicht in Rechtskraft.
Im Beschwerdefall wurde ein Antrag auf Überprüfung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes - wie wohl nicht ausdrücklich, jedoch sachbezogen nicht anders zu lesen - betreffend den Zeitraum 5/96 bis 12/98 gestellt, wobei auf das den Zeitraum 1. Dezember 1994 bis 30. April 1996 betreffende Mietzinsüberprüfungsverfahren, welches bereits vor dem Bezirksgericht H. anhängig war, hingewiesen wurde. Beide Verfahren haben die Überprüfung des gesetzlich zulässigen Mietzinses zum Gegenstand (Hauptfrage) - wenn auch für verschiedene Zeiträume -, wobei in beiden Verfahren lediglich als Vorfrage die Kategorisierung des Mietgegenstandes zu beurteilen war. Es kann daher nicht gesagt werden, dass die Frage der Kategorisierung des Mietgegenstandes in einem der beiden Verfahren als Hauptfrage zu entscheiden gewesen sei, vielmehr oblag es den zur Entscheidung berufenen Behörden, jeweils auf Grund der eigenen Ermittlungsergebnisse darüber zu entscheiden, welcher Kategorie der Mietgegenstand angehöre und welcher Hauptmietzins hierfür zulässigerweise verlangte hätte werden dürfen. Dass gleichlautende Entscheidungen betreffend den selben Mietgegenstand, jedoch verschiedener Zinszeiträume wünschenswert und insoweit ein Zuwarten bis zum Vorliegen einer rechtkräftigen Entscheidung verfahrensökonomisch gewesen wäre, ändert nichts daran, dass die Voraussetzungen des § 38 AVG hier schon mangels Vorliegens eines Verhältnisses Haupt- zu Vorfrage nicht vorgelegen sind.“ (VwGH 18.06.2003, 2001/06/0161, Hervorhebungen im Original).
Vorliegendenfalls liegt Identität der Antragstellerin, der Antragsgegner und des Antragsgegenstandes des mietrechtlichen Verfahrens vor. Lediglich in den den Anträgen zugrunde liegenden Zeiträumen unterscheiden sich die Begehren. Dies ist auch aus der von der Antragstellerin gewählten Bezeichnung „Folgeantrag“ ersichtlich. Dies ändert aber nichts daran, dass, wie schon der Verwaltungsgerichtshof in der zitierten Entscheidung ausgeführt hat, zwar gleichlautende Entscheidungen betreffend den selben Mietgegenstand, jedoch verschiedener Zinszeiträume wünschenswert und insoweit ein Zuwarten bis zum Vorliegen einer rechtkräftigen Entscheidung verfahrensökonomisch wären, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 38 AVG damit aber nicht begründet werden kann.
Die angefochtene Entscheidung war daher schon aus diesem Grunde ohne näheres Eingehen auf die inhaltlichen Gründe der Beschwerde aufzuheben.
Zum Antrag der Beschwerdeführer, den beschwerdegegenständlichen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Antrag der Antragstellerin vom 04.10.2019 auf Feststellung der Teilunwirksamkeit des Hauptmietzinses (zumindest teilweise) zurückgewiesen werde, ist festzustellen, dass eine diesbezügliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien nicht vorliegt und Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Wien ausschließlich die Aussetzung des Mietrechtsverfahrens nach § 38 AVG war.
Zum Kostenantrag ist darauf zu verweisen, dass im Verwaltungsverfahren, wenn die Verwaltungsvorschriften wie gegenständlich nichts anderes bestimmen, gemäß § 74 Abs. 1 AVG die Kosten von den Beteiligten selbst zu tragen sind.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Mietrecht; Schlichtungsstelle; Mietzinsanhebung; Wirksamkeit; Feststellungsverfahren; Hauptmietzins; Überprüfung; VorfrageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.101.020.3776.2020Zuletzt aktualisiert am
01.07.2020