TE Lvwg Erkenntnis 2020/5/14 VGW-151/068/33216/2014

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.05.2020
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Entscheidungsdatum

14.05.2020

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
19/05 Menschenrechte

Norm

NAG 2005 §11 Abs3 idF BGBl I Nr. 50/2012
NAG 2005 §41a Abs9 idF BGBl I Nr. 50/2012
NAG 2005 §44b Abs1 Z1 idF BGBl I Nr. 50/2012
NAG 2005 §81 Abs23
EMRK Art 8

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien e r k e n n t durch seinen Richter Mag. Hohenegger über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch RA, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Wien, MA 35 - Einwanderung, Staatsbürgerschaft, Standesamt - Referat Studierende u Humanitäre vom 19.09.2014, Zl. MA35-..., mit welchem der Antrag vom 26.11.2012 auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gem. § 41a Abs. 9 Niederlassung- und Aufenthaltsgesetz (NAG) idF vor BGBl. I Nr. 87/2012 zurückgewiesen wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21.1.2016

zu Recht:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

II. Gemäß § 53b Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG in Verbindung mit § 76 Abs. 1 AVG sowie § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG wird dem Beschwerdeführer der Ersatz der mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 26.1.2016 zur GZ. VGW-KO-... mit EUR 132,00 bestimmten Barauslagen für den zur mündlichen Verhandlung am 21.1.2016 beigezogenen nichtamtlichen Dolmetscher auferlegt. Der Beschwerdeführer hat diese erwachsenen Barauslagen in der Höhe von EUR 132,00 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Der vorgeschriebene Betrag ist auf das Konto bei der UniCredit Bank Austria AG, Kontonummer: AT16 12000 00696 212 729, lautend auf MA 6, BA 40, einzuzahlen.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

I.       E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.   Gang des Verfahrens:

1.1 Behördliches Verfahren:

Der Antragsteller und nunmehrige Beschwerdeführer stellte am 26.11.2012 persönlich beim Landeshauptmann von Wien, Magistratsabteilung 35 (im Folgenden: belangte Behörde), einen Erstantrag auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zum Zwecke der Aufrechterhaltung des Privat-und Familienlebens, Art. 8 EMRK (§ 41a Abs. 9 NAG) (MA 36 – AS 1 ff) unter Anschluss antragsbegründender Unterlagen wie zum Beispiel ein Prüfungszeugnis des EF für Deutsch auf Niveaustufe A2 (MA 36 – AS 5 f), einer unbefristeten Wohnrechtsbestätigung von Herrn C. D. für eine Wohnung in Wien, E.-straße (MA 36 – AS 7), einen nigerianischen Staatsbürgerschaftsnachweis (MA 36 – AS 8) einer nigerianischen Geburtsurkunde (MA 36 – AS 9 f), eine Meldezettel für jene Adresse, für welche er die Wohnrechtbestätigung innehat (MA 36 – AS 11), den Mietvertrag des Wohnrechtseinräumenden D. (MA 36 – AS 12 ff) und eine Bestätigung der … Straßenzeitung „F.“, der zufolge der Beschwerdeführer seit 12.6.2007 als Straßenzeitungsverkäufer dieser Straßenzeitung tätig sei (MA 36 – AS 16).

Am 26.11.2012 wurde der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde niederschriftlich darüber belehrt, dass er mit seinem rechtsfreundlichen Vertreter hinsichtlich des Aufenthaltszwecks Rücksprache halten müsse (MA 35 – AS 25 ff).

Am 23.1.2013 brachte der Beschwerdeführer über seinen rechtsfreundlichen Vertreter einen Antrag nach § 19 Abs. 8 NAG bei der belangten Behörde ein, weil er keinen Reisepass bei Antragstellung vorlegen habe können, weil die nigerianische Botschaft bis zu diesem Zeitpunkt noch keinen ausgestellt habe. Stattdessen legte eine Staatsbürgerschaftsurkunde, ausgestellt von der nigerianischen Botschaft in Wien, vor (MA 35 – AS 29 ff).

Mit Schreiben vom 20.2.2013 forderte die belangte Behörde eine schriftliche Antragsbegründung gemäß Art. 8 EMRK, inklusive aller familiären Bindungen in Österreich und im Heimatland und alle Entscheidungen im Asylverfahren in vollständige Kopie (MA 35 – AS 32).

Am 28.3.2013 wurden der belangten Behörde der Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.6.2012, AZ. ..., mit welchem der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 5.9.2011 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgesprochen worden war (MA 35 – AS 33 ff) und der Beschluss des Asylgerichtshofes vom 16.7.2012, mit welchem der dagegen erhobenen Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war (MA 35 – AS 95 ff) und das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25.9.2012, Zl. ..., mit welchem die Beschwerde abgewiesen worden war (MA 35 – AS 100 ff), vorgelegt.

Über die Ausweisung hatte der Asylgerichtshof wie folgt erwogen:

„Hinsichtlich der Entscheidung über die Ausweisung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 hat die erstinstanzliche Behörde zutreffend darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer weder familiäre Bindungen noch berücksichtigungswürdige private Interessen im Bundesgebiet habe.

Zu der vom Beschwerdeführer angeführten Freundin, ist anzuführen, dass der Beschwerdeführer mit dieser weder verheiratet ist, noch in Lebensgemeinschaft lebt. Er kennt von seiner Freundin deutscher Staatsangehörigkeit weder den Familiennamen, noch die Wohnadresse, noch kann er ihr Geburtsdatum angeben. Dieser Beziehung entspringen auch keine gemeinsamen Kinder, sodass von einem im Sinne des Art. 8 EMRK zu berücksichtigenden Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich nicht ausgegangen werden kann.

Dem Beschwerdeführer wird zwar zugestanden, gewisse integrationsverfestigende Tatbestände in Österreich geschaffen zu haben, so ist er als Zeitungsverkäufer tätig, hat die deutsche Sprache zumindest in Grundkenntnissen erlernt (laut Vermerk, während seiner Einvernahme spricht er gebrochen Deutsch) und hat er auch einen Freundeskreis in Österreich Diese Tatsachen alleine, reichen jedoch nicht aus um bei der vorzunehmenden Interessenabwägung seine Ausweisung aus Österreich unzulässig zu machen.

Es ist insbesondere auch darauf hinzuweisen, dass sich der Beschwerdeführer nach der rechtskräftigen Ablehnung seines ersten Asylantrages mit 23.10.2008 illegal bis zur Stellung seines zweiten Asylantrages am 21.05.2010 illegal im Bundesgebiet aufgehalten hat und er auch nach Rechtskraft der zweiten abweisenden Entscheidung mit 23.06.2010 bis 05.09.2011 (Stellung seines dritten, des gegenständlichen Antrages) illegal im Bundesgebiet aufhältig war und er die rechtskräftigen Ausweisungsentscheidungen einfach ignorierte. Diese Tatsache wiegt nach Ansicht des erkennenden Gerichtes wesentlich schwerer als das Vorhandensein eines Freundeskreises in Österreich und der Erwerb von geringfügigen Sprachkenntnissen und eines geringen Einkommens, drückt er doch die grundsätzliche Haltung des Beschwerdeführers aus, die österreichische Rechtsordnung zumindest in bestimmten Teilbereichen nicht zu akzeptieren. Daran vermag ändert auch die Tatsache der gerichtlichen Unbescholtenheit nichts zu ändern.

Eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers und den öffentlichen Interessen des Staates Österreich ergibt somit, dass den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich ein wesentlich geringerer Stellenwert zukommt als den öffentlichen Interessen an einer Beendigung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet. Die Ausweisung stellt daher das gelindeste Mittel dar, um den illegalen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu beenden. Es haben sich aus dem Vorbringen auch weder gesundheitlichen Probleme noch begründete Hinweise auf die Notwendigkeit eines Aufschubes ergeben.

Der EGMR wiederholt in ständiger Rechtsprechung, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).

Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, ZI. 2002/18/0190).

Dem Beschwerdeführer musste bei seiner 1. Antragstellung im Jahre 2004 klar sein, dass sein Aufenthalt in Österreich im Falle der negativen Entscheidung über den Asylantrag nur ein vorübergehender ist.

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.

Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17.3.2005, G 78/04 ua erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.

Weiters wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst (vgl. Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348), weshalb auch die hier genannten wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung gegen die Unterlassung der Verfügung der Ausweisung sprechen.

Aus den o.a. Erwägungen geht somit hervor, dass der Eingriff in das Privat- und Familienleben des Berufungswerbers zulässig ist, weil das hoch einzuschätzende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne eines geordneten Vollzug des Fremdenwesens (vgl. z. B. auch VwGH 1.12.1994, 94/18/0853, 0854, 0855, 9.3.1995, 95/18/0326, 0327) ebenso wie die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung deutlich gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib überwiegen und dieser Eingriff zur Erreichung des genannten Zieles notwendig und verhältnismäßig ist.

Da sohin im gegenständlichen Verwaltungsverfahren die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, nämlich die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache, vorliegen, weiters keine Umstände hervorgekommen sind, die diese Ausweisung unzulässig erscheinen ließen, nämlich weder ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht noch familiäre Beziehungen, die eine Verletzung von Art 8 EMRK bewirken könnten (§ 10 Abs. 2 leg. cit.) sowie auch kein Anhaltspunkt für einen Aufschub der Durchführung der Ausweisung vorliegt (§10 Abs. 3 leg. cit), war auch der Beschwerde gegen diesen Spruchpunkt der ein Erfolg zu versagen.“

Am 28.3.2013 gab der Beschwerdeführer gegenüber der belangten Behörde eine als Antragsbegründung bezeichnete Stellungnahme ab, in welcher er Folgendes vorbrachte (MA 35 – AS 111):

„Ich gebe hiermit bekannt, dass ich seit fünf Jahren eine deutsche Lebensgefährtin in Österreich habe. Außerdem ist Österreich für mich zur Heimat geworden und ich habe mittlerweile einen wachsenden Freundes/Bekanntenkreis, welchen die beiliegenden Integrationsnachweise/schreiben wiederspiegeln.

Der einzige Familienangehörige im Heimatland ist meine Tante mit der ich seit meiner Ausreise aus Nigeria, vor mehr als acht Jahren, keinen Kontakt mehr habe. Ihr Aufenthaltsort ist mir unbekannt und auf ihre Unterstützung, gegebens einer Ausweisung, könnte ich nicht zählen.

Im Falle einer Rückkehr wäre für mich kein soziales Netzwerk vorhanden und ich würde in finanzieller Bedrängnis sein. Dadurch das ich bereits 9 Jahre in Österreich lebe, wäre eine Ausweisung als auf Dauer unzulässig zu beurteilen. Ich stelle daher den Antrag auf einen humanitären Aufenthaltstitel“

Angeschlossen an diese Stellungnahme waren Integrationsnachweise in Form eines G.-Zeitungsartikels vom ..., wo der Beschwerdeführer im Politikteil ein Statement zur Frage der Privatisierung des Wassers in Österreich abgab und 19 Empfehlungsschreiben von Personen – vornehmlich aus H. – die behaupten, dem Beschwerdeführer schon seit Jahren zu kennen, in ihm ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft sehen und ihn als gut integriert beschreiben (MA 35 – AS 112 ff).

In einer Stellungnahme, nämlich jener einer Sozialarbeiterin des Vereins I. – J. aus Mai 2014 wird beschrieben dass diese den Beschwerdeführer seit ca. 2 Jahren kennt, seit jenem Zeitpunkt also, als er begonnen hatte für J. Vertrieb Zeitungen zu verkaufen. Er habe auch in weiterer Folge zusätzliche Angebote beim freien Anspruch genommen wie Tischtennis, Computerwerkstatt und einen Computerkurs. Da er ein engagierter, verlässlicher und kontaktfreudiger Verkäufer sei, würden sie ihn auch öfters anfragen, ob er für Interviews bzw. Dokumentationen bereit sei, was er im Rahmen seiner zeitlichen Ressourcen auch immer wieder annehme. Regelmäßig, nämlich jede 2. Woche würde er freiwillige Arbeit für den Verein leisten und an Vereinsveranstaltungen, wie etwa Festen nehme er regelmäßig teil. Die Sozialarbeiterin beschrieb weiters, dass aufgrund seines Engagements mehr als nur eine Sozialarbeiterin-Verkäufer Beziehung bestehe (MA 35 – AS 130 f).

Mit Schreiben vom 5.8.2014 erging an den Beschwerdeführer die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, in welcher die Behörde hervorhob, dass zwei rechtskräftige Ausweisungsentscheidungen gegen den Beschwerdeführer vorliegen würden, denen der Beschwerdeführer nicht nachgekommen sei und dass nach Auffassung der belangten Behörde seit der letzten Ausweisung weder ein maßgeblich geänderter Sachverhalt noch sonstige gewichtige Kriterien hervorgekommen seien, die ein schutzwürdiges Interesse zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gemäß § 11 Abs. 3 NAG erscheinen ließen (MA 35 – AS 138 ff).

Mit Schriftsatz vom 18.8.2014, übermittelt am selbigen Tag mittels Telefax, erstattete der Beschwerdeführer über seinen rechtsfreundlichen Vertreter folgende Stellungnahme (MA 35 – AS 140 ff):

„Mit Verständigung vom 5.8.2014, zugestellt am 7.8.2014, gibt die Behörde die stattgefundene Beweisaufnahme bekannt.

Demnach sei ich am 6.4.2004 eingereist und mehrfach Asylanträge gestellt, das zuletzt zu AIS Zl ... angestrebte Asylverfahren sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25.9.2012 rechtskräftig beendet worden, der Asylgerichtshof habe mich auch ausgewiesen. Der Aufenthalt habe sich sohin auf unrechtmäßige Asylanträge gestützt, ich habe während des Asylverfahrens keine Integrationsschritte gesetzt.

Seit der Ausweisung sei kein maßgeblich geänderter Sachverhalt entstanden, sodass die Behörde den Antrag zurückzuweisen beabsichtigt.

Hiezu ist festzustellen:

Die Behörde übersieht bei ihrer Argumentation, dass ich mich bereits länger als 10 Jahre in Österreich aufhalte. Demnach ist meine Ausweisung nicht mehr zulässig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner zu Ausweisungen gemäß § 53 Abs. 1 FPG idF vor dem FrÄG 2011 ergangenen, aber auch für Rückkehrentscheidungen nach § 52 Abs. 1 FPG (in der Fassung des FrÄG 2011) maßgeblichen Rechtsprechung (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2012, Zl. 2012/18/0027, sowie das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 2012, Zl. 2011/21/0277) darauf hingewiesen, dass es zwar zutrifft, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommen. Demgegenüber wurde in der bisherigen Judikatur aber auch bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden wiederholt von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich und damit von der Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung ausgegangen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden ausnahmsweise Ausweisungen (gemäß § 53 Abs. 1 FPG idF vor dem FrÄG 2011) auch nach so einem langen Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 30. August 2011, Zl. 2008/21/0605, mit zahlreichen Nachweisen aus der hg. Rechtsprechung).

(VwGH 16.10.2012, 2012/18/0062)

Wobei hier einerseits auch zu beachten ist, dass die Fremdenbehörde meinen Aufenthalt nach Auslaufen des Abschiebehindernis „Aufschiebende Wirkung“ iZm der Entscheidung des AsylGH vom 25.9.2012 – also seit knapp zwei Jahren – nicht beendet hat und andererseits meine seit Beendigung des Asylverfahrens fortgeschrittene Integration, u.a. Auch durch eine in Österreich aufenthaltsberechtigte deutsche Lebensgefährtin, durchaus von Bedeutung ist, siehe oben VwGH „Nur dann, wenn … überhaupt nicht genützt hat.“

Dazu kommt: Nach dem seit 1.1.2014 in Geltung stehenden § 56 AsylG ist Antragstellern ein Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn diese seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig sind, davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, rechtmäßig aufhältig waren und Integration wie Selbsterhaltungsfähigkeit nachweisen können. Zwar normiert § 81 Abs 23 NAG dass Anträge nach § 41a NAG, die vor dem 1.10.2013 anhängig wurde, nach dem NAG der Fassung vor dem BGBl I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen sind. Trotzdem hat sich die MA35 schon aus Gleichheitsgründen an die nunmehr geltenden Mindestaufenthaltszeiten des § 56 AsylG anzulehnen. Das Verfahren läuft seit 26.11.2012, es ist dem Antragsteller schon wegen des überlangen Verfahrens der MA35 auch – im Hinblick auf das Grundrecht der guten Verwaltung nach Art 41 Abs 1 GrCH – nicht zuzumuten, nach einer allfälligen Zurückweisung des Antrages durch die MA35 vor dem BFA neuerlich Antrag stellen und damit neuerlich längere Erledigungszeiten abwarten zu müssen. Sind die nunmehr geltenden Aufenthaltszeiten von fünf bzw. drei Jahren samt Integration zu berücksichtigen dann bedeutet dies für meinen Fall:

Ich war bei Antragstellung am 26.11.2012 bereits länger als fünf Jahre in Österreich aufhältig, der Aufenthalt war auch über vier Jahre rechtmäßig. Ich spreche Deutsch auf dem Niveau A2 und kann die Behörde schon wegen meiner mehrjährig bewiesenen Selbsterhaltungsfähigkeit als Zeitungsausträger bzw J.verkäufer davon ausgehen, dass ich Selbsterhaltungsfähig bin.

Mit dem Aufenthalt von mehr als 10 Jahren und der Änderung der Rechtslage ab 1.1.2014 hat die Ausweisung vom 25.9.2012 ihre aufenthaltsschädliche Wirkung verloren und ist eine qualifizierte Änderung der Umstände eingetreten, welche die Behörde zur Zurückweisung des Antrages nicht berechtigt.

Sondern es ist dem Antrag stattzugeben und mir der begehrte Aufenthaltstitel zu erteilen.“

Mit Bescheid vom 19.9.2014 wies die belangte Behörde den Antrag vom 26.11.2012 auf Erteilung des Aufenthaltstitels “Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 41a Abs. 9 NAG zurück, weil nach Auffassung der belangten Behörde seit der Ausweisung des Beschwerdeführers weder ein maßgeblich geänderter Sachverhalt, noch sonstige gewichtige Kriterien hervorgekommen seien, die ein schutzwürdiges Interesse zur Aufrechterhaltung des Privat-und Familienlebens im Bundesgebiet gemäß § 11 Abs. 3 NAG erscheinen ließen (MA 35 – AS 143 ff):

„Am 26.11.2012 stellten Sie ha. einen Antrag auf Erteilung Rot-Weiß-Rot-Karte plus gem. § 41a Abs. 9 NAG.

§ 81 Abs. 23 NAG idgF bestimmt Folgendes:

Verfahren gemäß §§ 41a Abs. 9 und 10, 43 Abs. 3 und 4 sowie 69 a Abs. 1 Z 1 bis 3 in der Fassung vordem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012. welche vordem 1. Oktober 2013 bei der Behörde gemäß § 3 Abs. 1 anhängig wurden und am 31. Dezember 2013 noch anhängig sind, sind auch nach Ablauf des 31. Dezember 2013 von der Behörde gemäß § 3 Abs. 1 nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes in der Fassung vor dem BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen.

Zu § 41a Abs. 9 NAG:

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ zu erteilen, wenn

1.   kein Erteilungshindemis gemäß §11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt,

2.   dies gemäß §11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

3.   der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 14a) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine Erwerbstätigkeit ausübt.

§ 44b. (1) Liegt kein Fall des § 44a Abs. 1 vor, sind Anträge gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn

1. gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde, oder

2.   rechtskräftig festgestellt wurde, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG jeweils auf Grund des §61 FPG oder eine Ausweisung gemäß §10 AsylG 2005 bloß vorübergehend unzulässig ist, oder

3. die Landespolizeidirektion nach einer Befassung gemäß Abs. 2 in ihrer Beurteilung festgestellt hat, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG zulässig oder jeweils auf Grund des §61 FPG bloß vorübergehend unzulässig ist,

und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß §11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

Wie das Ermittlungsverfahren ergab, reisten Sie am 6.4.2004 illegal in das Bundesgebiet ein und stellten beim Bundesasylamt, Außenstelle …, Zahl ... den ersten Asylantrag. Der Antrag wurde mit 23.10.2008 rechtskräftig negativ beendet.

Am 21.5.2010 stellten Sie beim Bundesasylamt, Erstaufnahmezentrum …, Zahl ... den zweiten Asylantrag. Der Antrag wurde mit 23.6.2010 rechtskräftig Zurückgewiesen und wurden Sie rechtskräftig aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

Am 5.9.2011 stellten Sie beim Bundesasylamt, Erstaufnahmezentrum …, Zahl ... den dritten Asylantrag. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 24.6.2012 zurückgewiesen. Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 16.7.2012, Zahl ... wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25.9.2012, Zahl ... wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.6.2012 abgewiesen. Folglich wurde das Verfahren mit 3.10.2012 rechtskräftig beendet und erwuchs die Ausweisungsentscheidung ebenfalls in Rechtskraft.

Somit bestehen gegen Sie zwei rechtskräftige Ausweisungsentscheidung. die rechtswirksam gültig ist. Dieser Ausweisungsentscheidung sind Sie bis dato nicht nachgekommen. Die Gründe für die Zurückweisung und die Ausweisungsentscheidung wurde in obzitierten Bescheiden ausführlich dargelegt und die Abwägung nach Art. 8 EMRK eingehend geprüft.

Es ist festzuhalten, dass sich der Aufenthalt im Bundesgebiet auf einen unberechtigten Asylantrag gegründet hat. Sie haben durch Ihren Verbleib in Österreich trotz Abweisung Ihres Asylbegehrens und trotz Erlassung einer Ausweisung den geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen zuwidergehandelt. Ihr Verhalten stellt somit eine relevante Störung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. April 2013, Zl. 2013/22/0033, mwN).

Während der gesamten Dauer Ihres Asylverfahrens haben Sie keine initiativen Schritte hinsichtlich einer Integration in das Aufenthaltsland gesetzt, noch sonst in irgend einer Weise Ihren Integrationswillen dargetan. Erst, als Sie sich Ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sind haben Sie begonnen Integrationsschritte zu setzen.

Als Nachweis Ihrer sprachlichen Integration legten Sie das Sprachdiplom auf A2 Niveau vom 30.3.2012; als Nachweis Ihrer beruflichen Integration die Bestätigung des Verein Straßenzeitung F. … vom 24.8.2012; als Nachweis Ihrer sozialen Integration individuelle Empfehlungsschreiben; vor.

Eine familiäre Bindung im Bundesgebiet besteht nicht.

Der Besuch eines Deutschkurses oder eine Berufsausbildung begründet allein kein schützenswertes Privatleben. Auch im Zusammenhalt mit dem Vorhandensein einer Einstellungszusage, weisen diese Umstände nicht eine solche Bedeutung auf, dass eine potentielle andere Beurteilung des Sachverhaltes geboten wäre (vgl. Erk. VwGH vom 22.7.2011, GZ 2011/22/0138)

Somit ist nach Auffassung der entscheidenden Behörde im Zusammenhalt mit obigen Ausführungen seit Ihrer Ausweisung weder ein maßgeblich geänderter Sachverhalt, noch sonstige gewichtige Kriterien hervorgekommen, die ein schutzwürdiges Interesse zur Aufrechterhaltung Ihres Privat- und Familienlebens im Bundesgebiet gemäß § 11 Abs. 3 NAG erscheinen lassen.

Nach Maßgabe des § 44b Abs. 1 NAG ist ein Antrag gem. § 41a Abs. 9 zurückzuweisen, wenn eine rechtskräftige Ausweisung erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3, seit der rechtskräftig erlassenen Ausweisung kein maßgeblich geänderter Sachverhalt hervorkommt.

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 5.8.2014 wurde Ihnen mitgeteilt, dass beabsichtigt ist Ihren Antrag zurückzuweisen. Es wurde Ihnen die Gelegenheit geboten, innerhalb der gesetzten Frist eine Stellungnahme abzugeben. Dieses Schreiben wurde Ihrem rechtsfreundlichen Vertreter … am 7.8.2014 nachweislich zugestellt.

Mit Fax vom 18.4.2014 langte die Stellungnahme Ihres rechtsfreundlichen Vertreters ein. In dieser wiederholten Sie im Wesentlichen das Antragsvorbringen und verwiesen auf Ihren langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet, Ihre Sprachkenntnisse auf A2 Niveau und Ihre Selbsterhaltungsfähigkeit durch Ihre Tätigkeit als Zeitungsausträger bzw. J.verkäufer.

Den Nachweis Ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit legten Sie nicht vor und brachten auch keine weiteren Umstände vor, welche eine Neubewertung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK bewirkt und eine entscheidungsrelevante Änderung des Sachverhaltes im Sinne des § 11 Abs. 3 NAG hervorgebracht hätten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

Dieser Bescheid wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 23.9.2014 durch Übernahme zugestellt (MA 35 – AS 143).

Mit Schriftsatz vom 21.10.2014, übermittelt an die belangte Behörde am selbigen Tage per Telefax, erhob der Beschwerdeführer über seinen rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien. Darin führte er aus, er habe die im Bundesgebiet verbrachte Zeit dazu genützt sich nachhaltig zu integrieren. Er habe einen Deutschnachweis A2 erbracht. Aus Gleichheitsgründen sei die neue Regelung des § 56 AsylG als Beurteilungsmaßstab heranzuziehen, wonach ein Aufenthaltstitel bereits nach fünfjährigem inländischem Aufenthalt, davon drei Jahre rechtmäßig zu erteilen ist. Die Behörde habe übersehen, dass er sehr wohl einen Nachweis der Selbsterhaltungsfähigkeit erbracht habe. Er verdiene seinen Lebensunterhalt durch den Verkauf von Straßenzeitungen. Der Aufnahme einer regulären Beschäftigung stehe nur sein unrechtmäßiger Aufenthalt entgegen. Er stelle daher den Antrag auf Aufhebung des Bescheides (MA 35 – AS 145 ff).

Die Beschwerde wurde samt bezughabendem Akt mit Schreiben vom 07.11.2014 (einlangend am 12.11.2014) dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vorgelegt. Von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung wurde Abstand genommen (MA 35 – AS 147).

1.2. Verfahren vor dem Verwaltungsgericht:

Das Verwaltungsgericht nahm Einsicht in das Zentrale Melde-, Fremden- und Strafregister betreffend den Beschwerdeführer und führte am 21.01.2016 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, zu welcher der Beschwerdeführer sowie sein Rechtsvertreter als Partei erschienen. Die belangte Behörde erschien nicht. Als Zeuginnen erschienen Frau K. L. sowie Frau M. N..

Der Beschwerdeführervertreter brachte vor, dass die Nigerianische Botschaft in Wien nicht die Möglichkeit habe, Reisepässe selbst auszustellen, aber Ende letzten Jahres sei dem Bf gesagt worden, dass sein Pass nun bald fertig sei. Die Beziehung mit der Lebensgefährtin sei nun auch beendet.

Der Beschwerdeführer gab bei seiner Einvernahme Folgendes an:

Mein Einkommen beträgt 800 bis 950 Euro brutto monatlich inkl. Trinkgeld. Ich habe weder Vermögen noch Sorgepflichten.

„Ich lebe schon seit 7 Jahren ohne Freundin. Seit 3 Jahren wohne ich mit Arbeitskollegen (Nigerianern) zusammen. Seit 2007 arbeite ich für F. und seit 3 Jahren verkaufe ich zusätzlich den J..

Befragt zu den Änderung seit der Ausweisungsentscheidung im September 2012 gebe ich an, dass seit damals ich freundschaftlich mit vielen Österreichern verbunden bin, welche umgekehrt auch mir Hilfestellung leisten. Ich habe mich auch bemüht meine Versicherung selbst zu bezahlen und durch meine Kontakte mit Österreichern habe ich mich auch integriert. Was meinen Zeitungsverkäuferjob betrifft, so verkaufe ich die ganze Woche von Montag bis Samstag, 7 bis 8 Stunden täglich, um sicher zu gehen, dass ich ein ausreichendes Einkommen für mich selbst erwirtschafte. Lediglich am Sonntag arbeite ich nicht. Am Sonntag gehe ich immer in die Kirche.

Ich wohne zurzeit in der E.-straße im ... Bezirk. Die Wohnung besteht aus zwei Zimmern und ist 52 m2 groß. Ich wohne dort mit einem Kollegen und dessen Frau.

Früher, als ich noch in O. in Burgenland wohnte, besuchte ich die Kirche im ... Bezirk. 2005/2006 bin ich nach P. übersiedelt. Seit damals besuche ich die Kirche im ... Bezirk (Q.). In der Kirche kenne ich sehr viele andere aus der Gemeinde, sowohl Schwarze als auch Weiße.“

Frau Rev. R. S. bestätigt telefonisch, dass sie den Bf schon über längere Zeit kennt und mit ihm häufig Kontakt hat und auch festgestellt hat, dass er auch mit vielen anderen Menschen in seinem Umfeld in Kontakt tritt.

„Die beiden heute hg. anwesenden Zeuginnen sind T. und ich kenne sie aus meiner Zeit als ich in P. gewohnt habe.

Befragt zu freiwilliger und ehrenamtlicher Arbeit gebe ich an, dass ich bei J. auch bei unbezahlter Arbeit mitwirke, wenn die aktuellen Zeitungen geliefert werden, was sich auch aus meiner Bestätigung ergibt, und dass ich ehrenamtlich in meiner Kirche (Q.) mithelfe. „

(Der Pastor der Q. Herr U. V. bestätigt telefonisch, dass der Bf ein aktives Mitglied seiner Kirchengemeinde (ca. 50 Personen) ist, sich in der Gemeinde engagiert, und, dass er innerhalb dieser Gruppe von 50 Personen gut integriert ist.)

„Ich habe vor, meine Deutschkenntnisse zu verbessern, indem ich einen Deutschkurs besuchen will, allerdings beträgt die Kursgebühr rund 260 Euro, die ich erst zusammensparen muss. Möglicherweise kann ich im Februar bereits den Kurs bezahlen.

Wenn ich in H. noch etwas verkaufe und es kalt ist, lädt mich Frau L. auf einen Kaffee zu sich ein.

Der heute nicht erschienene W. X. stammt auch aus H. und ist auch Mitglied der T.. Ich kenne ihn von deren Versammlungen.

Der Mietvertrag von der Wohnung läuft auf den Namen meines Freundes. Ich werde den Mietvertrag und die Wohnrechtsvereinbarung demnächst vorlegen. Seit meiner Einreise 2004 bin ich die ganze Zeit in Österreich geblieben, ich bin nie ausgereist. Ich habe zwei Brüder und eine Tante in Nigeria, in Österreich habe ich keine Verwandten. Meine Mutter ist 1981 gestorben und mein Vater 2000. Ich habe mit meinen Verwandten in Nigeria keinerlei Kontakt seit meiner Flucht.“

Vorgelegt wurden eine Versicherungsbestätigung SVA vom 18.01.2016, welche im Original als Beilage ./A zum Akt genommen wird und eine Bestätigung des Pastors der Q. (Q.), welche als Beilage ./B zum Akt genommen wird sowie vier Empfehlungsschreiben aus Jänner 2016, welche als Beilagen ./C zum Akt genommen werden. Weiters eine Bestätigung der Y. Gemeinde Wien in Wien, wird als Beilage ./D zum Akt genommen.

Die Zeugin K. L. (fremd) gab nach Wahrheitserinnerung und Belehrung über die Entschlagungsmöglichkeit an:

„Ich kenne den Bf seit 2006 aus der Zeit, als er in P. gewohnt hatte, als Zeitungsverkäufer, wo wir ins Reden gekommen sind. Ich habe sechs Kinder und der Bf kennt bis auf eine Tochter alle anderen. Er besucht mich öfters kurz, wenn er in H. ist. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, ich habe ihm glaublich bei Anmeldeschwierigkeiten für einen Deutschkurs geholfen. Als er noch in H. wohnte, da haben ihn sicher sehr viele Leute gekannt unter seinem Namen A.. Auch die Kinder riefen nach ihm „A.“. Er ist ein netter Kerl und sehr hilfsbereit. Ich habe gesehen, dass er anderen Leuten bei ihren Einkäufen bei Bedarf geholfen hat – wenn es schwere Sachen zum Tragen gab.“

Die Zeugin M. N. (fremd) gab nach Wahrheitserinnerung und Belehrung über die Entschlagungsmöglichkeit an:

„Ich kenne den Bf als er als Zeitungsverkäufer vor dem Merkur in P. gestanden ist. Ich bin bei den T. und ich kenne ihn auch von unseren wöchentlichen Versammlungen(Messe, donnerstags und sonntags). Ich habe drei Kinder und der Bf ist auch mit meinen Kinder und meinem Ehemann bekannt. Ich habe den Bf als eine sehr freundliche und hilfsbereite Person kennen gelernt. Mich hat er auch bei Arbeiten im Garten unterstützt. Es gab immer sehr viele um ihn, die ihn gekannt haben und gegrüßt und auch mit ihm gesprochen haben. Ich habe den Eindruck, dass er in P. einen sehr großen Bekanntenkreis hat.“

Mit Schreiben vom 10.2.2016 legte der Beschwerdeführer die erneuerte Wohnrechtsvereinbarung, 6 weitere Empfehlungsschreiben und einen KSV Auszug zu seiner Person vor (VGW – AS 36ff).

2.   Festgestellter Sachverhalt:

Oben dargelegter Verfahrensgang wird hinsichtlich des Ablaufs der Ereignisse und der vorgelegten Urkunden und mit Ausnahme des Vorbringens der Parteien als Teil des Sachverhaltes festgestellt.

Der Beschwerdeführer ist am … 1976 geboren und nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste nach seinen Angaben am 6.4.2004 illegal in Österreich ein und stellte am selben Tag seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde vom Bundesasylamt abgewiesen und der Beschwerdeführer nach Nigeria ausgewiesen. Ein erneuter Antrag wurde in weiterer Folge wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Beschwerdeführer nach Nigeria ausgewiesen. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 25.9.2012 wurde die dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen.

Am 30.3.2012 bestand der Beschwerdeführer eine Deutschprüfung auf Niveaustufe A2 des europäischen Referenzrahmens beim österreichischen Integrationsfonds. Sobald er das Geld für einen weiterführenden Kurs zusammen gespart hat, wird er einen solchen in absehbarer Zeit besuchen.

Der Beschwerdeführer ist aufrecht in Wien gemeldet und verfügt über eine gesicherte Wohnmöglichkeit an der Adresse E.-straße. Der Beschwerdeführer wohnt dort im Rahmen einer Wohngemeinschaft mit einem Freund und dessen Lebensgefährtin. Der Hauptmieter der Wohnung, Herr C. D. hat dem Beschwerdeführer ein unentgeltliches Wohnrecht eingeräumt, welches nur unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zum letzten des Monats gerichtlich aufgekündigt werden kann.

Der Beschwerdeführer ist praktizierender …. Er besucht regelmäßig die heilige Messe am Sonntag und ist in seiner Kirchengemeinde - der Q. ... in Wien - gut integriert. Zuvor – als er noch in O. (Burgenland) wohnte – besuchte er regelmäßig die Messen in der Y. in Wien, wo er auch innerhalb der Kirchengemeinde gut integriert war und sich einen Freundeskreis aufgebaut hatte. Da er mit einigen T. gut befreundet ist, besuchte er zu der Zeit, als er noch in P. wohnte, auch regelmäßig deren Versammlungen (Messen) in H..

Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet über einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, diesem ist er als sehr aufgeschlossener und hilfsbereiter Mitbürger bekannt, der sehr bemüht ist, sich in Österreich zu integrieren. Die vorgelegten Unterstützungserklärungen stammen zum Teil von Bekanntschaften in Zusammenhang mit dem Religionsleben des Beschwerdeführers, zum Teil aus dem Berufsleben (v.a. „J.“) und zum Teil von sonstigen Freunden und Bekannten welche der Beschwerdeführer im Rahmen seines bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet kennenlernte.

Seit 12.6.2007 ist der Beschwerdeführer als Straßenzeitungsverkäufer der ... Straßenzeitung „F.“ tätig. Seit 3 Jahren arbeitet er nun auch zusätzlich als „J.“ Straßenzeitungsverkäufer und bringt inklusive Trinkgelder mtl. brutto € 800 – 950,- ins Verdienen. Der Beschwerdeführer arbeitet 7 Tage die Woche etwa 8 Stunden täglich als Zeitungskolporteur. Im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Straßenzeitung „J.“ nimmt der Beschwerdeführer zusätzlich an Angeboten wie bspw. Computerwerkstatt und Computerkursen teil und hilft regelmäßig als freiwilliger Helfer bei der Zeitungslieferung mit. Der Beschwerdeführer ist als Mitarbeiter im Netzwerk der Straßenzeitung „J.“ beruflich integriert und unterstützt auch deren Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen seiner zeitlichen Möglichkeiten mit (Interviews oder Teilnahme an Dokumentationen).

Der Beschwerdeführer war im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde im Inland verwaltungsstrafrechtlich und strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer ist seit 3.1.2016 kranken- und unfallversichert.

3.   Beweiswürdigung:

Der den Feststellungen zugrunde gelegte Verfahrensgang ergibt sich aus den unbedenklichen Urkunden im Verwaltungsakt der belangten Behörde, welche den Verfahrensgang ohne signifikante Lücken oder Widersprüche dokumentiert hat.

Das Geburtsdatum und Nationalität des Beschwerdeführers ergeben sich aus der im Akt der belangten Behörde in Kopie einliegenden Geburtsurkunde (MA 35 – AS 9f) und dem Staatsbürgerschaftsnachweis, welcher am 13.11.2012 von der nigerianischen Botschaft in Wien ausgestellt worden ist (MA 35 – AS 8).

Dass der Beschwerdeführer die deutsche Sprache auf Niveaustufe A2 des europäischen Referenzrahmens beherrscht, ergibt sich aus dem im Akt der belangten Behörde in Kopie einliegenden Prüfungszeugnis des österreichischen Integrationsfonds vom 30.3.2012 (MA 35 – AS 5f).

Die Feststellungen zum kirchlichen Engagement des Beschwerdeführers gründen sich auf im Zuge der mündlichen Verhandlung vorgelegte Bestätigungsschreiben kirchlicher Würdenträger der jeweiligen Kirchengemeinden (Q. ..., VGW-AS 29; Z., VGW-AS 30; Y. , VGW-AS 34), sowie auf der Aussage des Pastors U. V., den glaubhaften Aussagen der beiden Zeuginnen in der mündlichen Verhandlung vor dem VGW, sowie der zu diesen Beweisen widerspruchslos in Einklang zu bringenden und glaubhaften Aussage des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahme in der mündlichen Verhandlung vor dem VGW.

Dass der Beschwerdeführer seit 12.6.2007 für die … Straßenzeitung „F.“ tätig ist, ergibt sich aus einer im Akt der belangten Behörde in Kopie einliegenden Bestätigung dieser Firma vom 24.8.2012 (MA 35 – AS 16) und der entsprechenden Aussage des Beschwerdeführers.

Die Tätigkeit für die Straßenzeitung J. ergibt sich aus einem im Akt der belangten Behörde in Kopie einliegenden Bestätigungsschreiben vom 7.5.2014 (MA 35 – AS 130), der Aussage des Beschwerdeführers und korrespondierenden Aussagen der Zeuginnen, die den Beschwerdeführer im Zuge seiner Verkaufstätigkeit als Straßenzeitungsverkäufer kennengelernt hatten. Die Feststellungen zum darüber hinausgehenden Engagement ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie den glaubhaften Angaben der zuständigen Sozialarbeiterin, AA. AB. im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 07.05.2014.

Dass der Beschwerdeführer seit 3.1.2013 kranken- und unfallversichert ist, ergibt sich aus einer in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Versicherungsbestätigung der SVA vom 18.1.2016 (VGW-AS 28).

Die Feststellungen zu den Beziehungen des Beschwerdeführers zu österreichischen Staatsbürgern sowie zu seinem sozialen Umfeld gründen sich auf die glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers sowie der Zeugen im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 21.01.2016 sowie der telefonischen Kontaktaufnahme des zuständigen Richters mit im Akt genannten Bezugspersonen des Beschwerdeführers und ist auch Gegenstand zahlreicher von ihm vorgelegter Empfehlungsschreiben.

Dass der Beschwerdeführer vom Verein I. an Interviews und Dokumentationen teilnimmt, wird durch das vorgelegte Interview im Politikteil des G. vom ... belegt (MA 35 – AS 109 f).

4.   Rechtliche Erwägungen:

4.1      Zur allgemeinen Rechtslage

Gemäß § 81 Abs. 23 NAG sind Verfahren gemäß §§ 41a Abs. 9 und 10, Abs. 43 Abs. 3 und 4 sowie 69a Abs. 1 Z 1 bis 3 idF vor dem BGBl. I Nr. 87/2012, welche vor dem 1. Oktober 2013 bei der Behörde gemäß § 3 Abs. 1 anhängig wurden und am 31.Dezember 2013 noch anhängig sind, sind auch nach Ablauf des 31.Dezember 2013 von der Behörde gemäß § 3 Abs. 1 nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes idF vor dem BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen.

Dies trifft auf das gegenständliche Verfahren zu.

Die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsvorschriften des NAG in der hier anzuwendenden Fassung vor dem BGBl. I Nr. 87/2012 lauten wie folgt:

„Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

 

1. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen wurde oder ein aufrechtes Rückkehrverbot gemäß § 54 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 63 oder 67 FPG besteht;

 

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

 

3. gegen ihn eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

 

4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

 

5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

 

6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

 

1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

 

2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

 

3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

 

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

 

5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und

 

6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a rechtzeitig erfüllt hat.

(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), , geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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