Entscheidungsdatum
19.05.2020Norm
AWG 2002 §68 Abs1 Z1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde der B S.r.l., vertreten durch A., Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie vom 21. Februar 2020, Zl. ***, betreffend Widerruf der Zustimmung zur Verbringung von Abfällen gemäß § 69 Abfall-wirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), zu Recht:
1. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ersatzlos behoben.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit Bescheid der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie vom 21. Februar 2020, Zl. ***, wurde die Zustimmung zur Verbringung von Abfällen durch die B S.r.l. wie folgt widerrufen:
„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie widerruft gemäß Art. 9 Abs. 8 Iit. d) der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 über die Verbringung von Abfällen (EG-VerbringungsV) i.V.m. § 69 Abs. 9 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), BGBI. I 2002/102, i.d.F. BGBI. I 2019/104, die Zustimmung vom 17. Oktober 2019, GZ: ***, geändert mit Bescheid vom 26. November 2019, Z: ***, zur Notifizierung Nr. ***.“
In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde auf die von ihr erteilten Zustimmungen und insbesondere darauf, dass seitens der C GmbH mit E-Mail vom 11. September 2019 bekanntgegeben worden wäre, dass der Anteil der verwertbaren Fraktionen ungefähr 55 % betrage und dass die Deponiefraktion am Standort in *** abgelagert werde. Mit E-Mail vom 12. September 2019 wäre seitens der C GmbH die konkrete Prozessbeschreibung der MBA-Anlage in *** übermittelt worden. Demnach erfolge nach einer Vorbehandlung die biologische Aufbereitung sowie Konfektionierung (unter anderem Metallabscheidung). Die aufbereiteten Abfälle könnten entweder thermisch oder stofflich verwertet werden, der erdähnliche Anteil werde für die Deponierung vorbereitet.
Entgegen dieser Angaben im Rahmen der Notifizierung wäre in der Niederschrift zur Kontrolle bei der C GmbH gemäß § 75 AWG 2002 am
11. Februar 2020 seitens der C GmbH ausgeführt worden, dass „folgende Fraktionen aus der Abfallbehandlung vor Ort resultieren würden:
1. Thermische Fraktion: ca. 20 %,
2. Müllkompostfraktion: ca. 80 %,
3. Kleinere Anteile an Eisen und NE-Metallen.“
Die sogenannte „Müllkompostfraktion“ solle als Rekultivierungsschicht auf der Deponie „***“ verwendet werden. Entsprechende Untersuchungen zur Eignung der Rekultivierungsschicht würden derzeit durchgeführt werden. Diese Angaben würden den Angaben im Rahmen der Notifizierung widersprechen. Im Rahmen des Notifizierungsverfahrens wäre nicht angegeben worden, dass die Abfälle für die Herstellung einer Rekultivierungsschicht verwendet werden sollten; folglich wäre die grundsätzliche Eignung dieser Abfälle für die Herstellung einer Rekultivierungsschicht nicht geprüft bzw. nachgewiesen worden.
Die ordnungsgemäße Verwertung des überwiegenden Teils der aus der mechanisch-biologischen Behandlung bei der C GmbH resultierenden Abfälle wären demnach derzeit nicht sichergestellt bzw. könne dieser Vorgang im Zuge des Notifizierungsverfahrens mangels vorliegender diesbezüglicher Informationen nicht überprüft werden. Die Angaben in der Notifizierung würden nicht dem tatsächlich durchgeführten Verfahren entsprechen.
Der geplante Widerruf wäre der Notifizierenden mit Schreiben vom 12. Februar 2020, Zl. ***, zugestellt mit E-Mail vom 13. Februar 2020, gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht worden. Nach Wiedergabe von Auszügen der Stellungnahme der Notifizierenden verwies die belangte Behörde auf folgende Begründung im Zustimmungsbescheid:
„Die Behandlungsprozesse der MBA *** sind weitgehend automatisiert. Transportbänder transportieren die Abfälle durch die Anlage, wo es zu einer Reihe von verschiedenen mechanischen und biologischen Behandlungen kommt.
Die Abfälle werden vor dem Einbringen in die Behandlungsanlage in drei Kategorien unterteilt:
1. Fraktionen mit hohen Brennwerten
2. Recycelbare Sekundärrohstoffe
3. Reaktionsarme Abfälle, die auf der Deponie gemäß Deponievorschriften entsorgt werden können.
Die Fraktionen mit hohen Brennwerten werden als Ersatzbrennstoffe weitergegeben.
Die Ersatzbrennstoffe werden von verschiedenen Zementwerken übernommen.
Die Deponiefraktion wird am selben Standort in *** (Deponie „***“, GLN ***) abgelagert."
In rechtlicher Hinsicht würdigte die zuständige Bundesministerin den Sachverhalt wie folgt:
„Gemäß § 69 Abs. 4 AWG 2002 müssen für die Bewilligung der Einfuhr jedenfalls folgende Voraussetzungen vorliegen:
1. Die ordnungsgemäße Behandlung der betreffenden Abfälle, einschließlich der ordnungsgemäßen vorläufigen Verwertung (Art. 2 Z 7 der EG-VerbringungsV) oder Beseitigung (Art. 2 Z 5 der EG-VerbringungsV), in dafür genehmigten Anlagen von dazu berechtigten Personen und die ordnungsgemäße Behandlung des dabei anfallenden Abfalls erscheint gesichert.
2. Die Anlagen verfügen über eine ausreichende Kapazität.
Gemäß Art. 9 Abs. 8 Iit. d der EG-VerbringungsV widerrufen die zuständigen Behörden ihre Zustimmung, wenn sie davon Kenntnis erlangen, dass
…
„d) die Abfälle in einer Weise verbracht, verwertet oder beseitigt werden oder wurden, die nicht den Informationen entspricht, die im Notifizierungsformular und im Begleitformular angegeben oder diesen beigefügt sind.“
Gemäß Art. 9 Abs. 9 EG-VerbringungsV erfolgt jeder Widerruf einer Zustimmung mittels einer förmlichen Nachricht an den Notifizierenden, von der den anderen betroffenen zuständigen Behörden sowie dem Empfänger Kopien übermittelt werden.
Gemäß § 69 Abs. 9 ist ein Widerruf gemäß Art. 9 Abs. 8 der EG-VerbringungsV dem Notifizierenden, dem Empfänger, den anderen betroffenen zuständigen Behörden, den betroffenen Landeshauptmännern und den Zollorganen mitzuteilen.
Die nunmehrigen Angaben der C GmbH zur Behandlung in der MBA-Anlage in *** widersprechen den Angaben in den Notifizierungsunterlagen.
Es konnte daher im Rahmen der Notifizierung nicht geprüft werden, ob die Herstellung von Müllkompost sowie dessen Verwendung zur Herstellung einer Oberflächenabdeckschicht eine ordnungsgemäße Behandlung des anlässlich der Verwertung R3 der notifizierten Abfälle anfallenden Abfalls darstellt.“
2. Zum Beschwerdevorbringen:
In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde beantragte die Beschwerdeführerin durch ihre rechtsfreundliche Vertretung die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Begründet wurde dieser Antrag wie folgt:
„C. Beschwerdebegründung
1. Formelle Rechtswidrigkeit
1.1 Abweichen von der (beantragten) Notitizierung und Zuständigkeitsüberschreitung
In Verwaltungsverfahren, die nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen nur durch einen entsprechenden Antrag der Beteiligten eingeleitet werden können, bestimmt der Inhalt des Antrages den Gegenstand des Verfahrens. Er vereinigt daher in sich zwei Funktionen: Zum einen veranlasst er die Behörde zur Einleitung des Verfahrens, und zum anderen schafft er gleichzeitig die Grundlage für die Erlassung des begehrten Bescheides (VwGH 18.1.1990, 89/09/0070), auf den der Antragsteller einen Rechtsanspruch hat. Zu den antragsbedürftigen Verwaltungsakten gehören vor allem behördliche Genehmigungen, worunter auch die gegenständliche Notifizierung nach Art 4 ff AVV zu subsumieren ist. Der Notifizierungsantrag mitsamt den entsprechenden Notifizierungsunterlagen, der vom Notifizierenden bei der zuständigen Behörde eingebracht wird, steckt daher die äußerste Grenze des „Entscheidungsspielraums” der Behörde ab. An dieser Beurteilung ändert sich freilich nichts, wenn die Notifizierung mitsamt den Unterlagen – wie im gegenständlichen Fall – von der zuständigen italienischen Behörde an die österreichische Behörde zur Zustimmung übermittelt werden. Auch die österreichische Behörde kann daher nur auf Grundlage der (übermittelten) Notifizierung und deren Unterlagen entscheiden und nicht von dem durch den Notifizierenden (beschwerdeführende Partei) mit seiner Notifizierung abgesteckten Spielraum abweichen oder gar darüber hinaus entscheiden.
Parteienerklärungen sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Maßgeblich ist die Erklärung des Willens, nicht jedoch die ihr zugrundeliegenden Absichten und Beweggründe (VwGH 24.1.1994, 93/10/0192 und 29.1.1996, 94/16/0158).
lst der Inhalt des Antrages unklar, darf ihn die Behörde nicht von vorherein zurückweisen. Vielmehr hat sie gem. § 37 und 39 AVG die wahre Absicht des Einschreiters, etwa durch Aufforderung zur Präzisierung (VwGH 15.9.1992, 92/04/0025) oder durch Einvernahme zu klären. Keinesfalls darf sie einem mehrdeutigen Antrag ihre eigene Deutung unterstellen, gleichgültig, ob diese für den Antragsteller günstig oder nachteilig ist (VwGH 12.9.1996, 96/20/0530). Bei einem inhaltlich unklaren Anbringen hat die Behörde vielmehr gemäß dem Grundsatz der materiellen Wahrheit (§ 37 AVG) in einer der Verfahrensökonomie entsprechenden Weise eine Klärung herbeizuführen. Auf die Manuduktionspflicht gemäß §13a AVG gegenüber nicht anwaltlich vertretenen Parteien, wie dies bei der beschwerdeführenden Partei im Notifizierungsverfahren der Fall war, wird in diesem Zusammenhang hingewiesen.
Wie bereits ausgeführt, definiert der Antrag der Partei der Behörde gegenüber den Prozess- bzw. Verfahrensgegenstand. Die Behörde darf von sich aus nicht davon abweichen. Erlässt die Behörde einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt ohne diesbezüglichen Antrag, so nimmt sich eine Entscheidungskompetenz in Anspruch, die ihr nicht zusteht. Sie verletzt damit nicht nur das einfache Gesetz (Recht auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung – VwGH 23.2.1996, 93/17/0200), sondern auch das verlassungsgesetzlich gewährleistet Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (VfSlg 11.502/1987).
Wie aus den Ausführungen sowie dem Akteninhalt ersichtlich wurde die Zustimmung zur Notifizierung Nr. *** mit Bescheid vom 17.10.2019, GZ: ***, geändert mit Bescheid vom 26.11.2019, GZ: ***, „antragsgemäß“ erteilt. Darin heißt es wörtlich, dass die Notifizierung Nr. *** – und damit auch die Notifizierungsunterlagen einen integralen Bescheidbestandteil der Zustimmungsbescheide bildet. Die Notifizierungsunterlagen‚ die einen Bestandteil der Zustimmungsbescheide bilden, enthalten lediglich das Mindesterfordernis einer Verwertungsquote von 55 % nach R3 ohne entsprechende Einschränkungen. Es sind somit keine Behandlungsverfahren nach R3 ausgeschlossen.
Auf diesen Umstand wurde bereits mehrfach hingewiesen, wobei auch klargestellt wurde, dass sämtliche – dh 100% – der verbrachten bzw. angelieferten Abfälle beim Abfallübernehmer einem Rotteprozess (Verwertungsverfahren R3) zugeführt werden. Nach der Konfektionierung des aufbereiteten Rottematerials inklusive der Klassierung in die verschiedenen Fraktionen (einschließlich Metallabscheidung zur Aussortierung von Störstoffen) ist der Verwertungsprozess (R3) abgeschlossen. Dieses biologische Verwertungsverfahren ist von den Notifizierungsunterlagen und auch von den Zustimmungsbescheiden gedeckt. Was nach Abschluss dieses Verwertungsverfahrens nach R3, bei dem die Mindestverwertungsquote deutlich überschritten wird, mit dem verbleibenden Material geschieht bzw. wofür dieses in weitere Folge verwendet wird, ist kein Gegenstand der Notifizierungsunterlagen. Die Notifizierungsunterlagen, die einen integralen Bestandteil der Zustimmungsbescheide bilden, enthalten dazu keine entsprechenden Vorgaben oder Verpflichtungen. Die Entscheidung, was mit Material nach Abschluss des Rotteverfahrens (Verwertung nach R3) geschieht, kann daher alleine der Abfallübernehmer treffen. Selbst wenn die Rechtsmeinung der belangten Behörde wider Erwarten doch richtig sein sollte, dass nämlich auch die innerstaatliche Verwertung nach der im Notifizierungsbescheid genannten Verwertung von diesem Bescheid umfasst wäre, würden die Angaben im Notifizierungsverfahren trotzdem eingehalten werden, weil die Mindestverwertungsquote nach R3 von 55% jedenfalls überschritten wird.
Die belangte Behörde ist – ohne nähere Veranlassung durch die beschwerdeführende Partei oder die Abfallübernehmerin – vom Genehmigungs- bzw. Notifizierungsantrag abgewichen respektive hat sie diesen umgedeutet indem sie auch nach Abschluss des Verwertungsverfahrens nach R3 über die Notifizierung hinaus, nicht „gedeckte“, überschießende und unzulässige nachträgliche Bedingungen/Auflagen für die Verwertung vorgeschrieben hat. Konkret vermeint die belangte Behörde, dass mit der „Nichtnennung" der Verwendung des Materials als Oberflächenabdeckung in der Notifizierung bzw. den Unterlagen formal nicht dem Notifizierungsbescheid entsprochen worden und die Notifizierung deshalb zu widerrufen sei. Die belangte Behörde hat dadurch einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt – nämlich die Modifikation und Umdeutung der Notifizierung – ohne diesbezüglichen Antrag erlassen bzw. dem Antrag/der Notifizierung ihre eigene Deutung unterstellt und dadurch eine Entscheidungskompetenz in Anspruch genommen, die ihr nicht zusteht. Sie hat damit nicht nur das einfache Gesetz, sondern auch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (VfSlg 11.502/1987) verletzt.
Würde man der Rechtansicht der belangten Behörde folgen, könnte faktisch jede Notifizierung, bei der die vom Notifizierenden bestimmten Vorgaben der Notifizierungsunterlagen eingehalten werden, nachträglich mittels entsprechender zusätzlicher Auflagen/Bedingungen oder Einschränkungen hinsichtlich der vermeintlich zulässigen Verwertungsverfahren/-methoden für unzulässig erklärt werden. Dass dies nicht im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben der AVV steht, die die europaweite Harmonisierung und Effizienz der Abfallverbringung sowie entsprechende Rechtssicherheit für die hiervon Betroffenen bezweckt, ist offenkundig.²
Bereits aus diesen Gründen ist der angefochtene Bescheid (formell) rechtswidrig und zu beheben.
1.2 mangelhafte Feststellungen und Beweiswürdigung
Nach den §§ 58 und 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheids die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des VwGH erfordert dies im ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens wiederstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden Behörden bzw. die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. VwGH, Ra 2015/20/0067, und vom 21. Oktober 2014, Ro 2014/03/0076, (jeweils mwN).
Der angefochtene Bescheid genügt diesen Anforderungen nicht. Die pauschale und lediglich wenige Sätze umfassende Aussage, wonach die Verwertung der verbrachten Abfälle in der Behandlungsanlage der C GmbH nicht den Notifizierungsunterlagen entspreche, entspricht nicht den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Beweiswürdigung. Diese Aussage wurde offenbar aus dem Schreiben vom 12.2.2020 in den angefochtenen Bescheid hineinkopiert und ohne Berücksichtigung der Parteienäußerung vom 19.2.2020 übernommen.
Auch aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid formell rechtswidrig und aufzuheben.
Die Behörde muss sich mit der Frage der Erfüllung der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen – zB, dass die biologische Behandlung ein Verwertungsverfahren nach R3 darstellt –, im Einzelnen auseinandersetzen und dazu die erforderlichen Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Bescheid selbst treffen Der bloße Hinweis auf inhaltlich nicht wiedergegebene und damit nicht konkretisierte Erhebungsergebnisse (etwa) in einem anderen Verfahren stellt keine, einer nachprüfenden Kontrolle zugängliche Bescheidbegründung dar (vgl. VwGH 07.12.2000‚ 2000/16/0061). Dies gilt freilich auch im gegenständlichen Fall, wo im Wesentlichen ausschließlich der Akteninhalt (insb. das Schreiben der belangten Behörde vom 12.2.2020) und die stark verkürzt wiedergegebene Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei in die Bescheidbegründung hineinkopiert wurden. Eigene Feststellungen und Erhebungen wurden von der belangten Behörde gerade nicht getroffen. Zusammenfassend wurde lediglich festgehalten:
„Es konnte daher im Rahmen der Notifizierung nicht geprüft werden, ob die Herstellung von Müllkompost sowie dessen Verwendung zur Herstellung einer Ober?ächenabdeckschicht eine ordnungsgemäße Behandlung des anlässlich der Verwertung R3 der notifizierten Abfälle anfallenden Abfalls darstellt.”
Die gewählte Vorgangsweise der belangten Behörde ermöglicht keine nachprüfende Kontrolle der „Bescheidbegründung”. Auch aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid formell rechtswidrig.
Im Übrigen wurden auch wesentliche Sachverhaltselemente nicht bzw. schlicht falsch festgestellt. Zum Teil wurden diese Feststellungen insb. aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung – nämlich, dass die Notifizierungsunterlagen eine biologische Behandlung (Verwertung nach R3) nicht umfassen würden, – unterlassen (sog. sekundärer Verfahrens- bzw. Feststellungsmangel). Insbesondere handelt es sich dabei um folgende Beweise bzw. Feststellungen,
? dass ein Verwertungsverfahren nach R3 das Recycling/Rückgewinnung organischer Stoffe, die nicht als Lösemittel verwendet werden umfasst und auch die Kompostierung und sonstige biologischer Umwandlungsverfahren einschließt;
? dass sämtliche der verbrachten Abfälle einer Verwertung nach R3 (biologische Behandlung/Rotte) zugeführt werden;
? dass die Notifizierungsunterlagen lediglich das Mindesterfordernis einer Verwertungsquote von 55 % nach R3 – dh ohne entsprechende Einschränkungen – statuieren;
? dass im Falle des potentiellen Abweichens von den Notifizierungsunterlagen allenfalls eine (vorteilhafte) Übererfüllung der Mindestvorgaben (Verwertungsquote) vorliegt;
? dass es durch die Übererfüllung der (Mindest)Verwertungsquote zu keinen negativen Folgen gekommen ist.
Die belangte Behörde hat sich mit keinem der vorgebrachten Punkte auseinandergesetzt und diese insb. aufgrund der Verkennung der Rechtslage nicht berücksichtigt. Die vorgenannten (unterlassenen) Feststellungen wären somit auch wesentlich gewesen, weil sich daraus ergeben hätte, dass vom verfahrensgegenständlichen Widerruf der Notifizierung abzusehen gewesen wäre.
Der angefochtene Bescheid ist aus den vorgenannten Gründen formell rechtswidrig und daher aufzuheben.
1.3. Verletzung Parteiengehör
Die Wahrung des Parteiengehörs im Zuge des Ermittlungsverfahrens iSd §§ 37 ff AVG bzw §§ 17, 24 f VwGVG ist von Amts wegen zu beachten und gehört zu den fundamentalen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens sowie des Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten, sie stellt eine kardinale Voraussetzung eines rechtmäßigen Verfahrens sowie eine der wichtigsten Sicherungen des rechtstaatlichen Prinzips dar (vgl VfGH 25.6.1949, B 125 und B 178/48 VfSlg 1804/1949]; VwGH 13.9.2016, Ra 2016/03/0085, mwH; vgl. §§ 10, 45 VwGVG).
Das Recht auf Parteiengehör erstreckt sich nicht bloß auf das in § 45 Abs 3 AVG ausdrücklich geregelte Recht der Parteien, dass ihnen Gelegenheit geboten wird, zu den Ergebnissen einer Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen also sich zum Beweiswert einzelner Beweismittel zu äußern. Vielmehr steht es den Parteien frei – und hiezu muss ihnen ausdrücklich Gelegenheit geboten werden – im Ermittlungsverfahren auch ihre Rechte und rechtlichen Interessen geltend zu machen, also insbesondere auch eine Äußerung zu den rechtlichen Konsequenzen der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens auf die Lösung des Rechtsfalles abzugeben.
Die Gelegenheit zur Stellungnahme erfordert die Gestaltung des Vorgangs in einer Weise, die der Partei jeweils nicht nur seine Bedeutung zu Bewusstsein bringt, sondern ihr auch die Möglichkeit zu Überlegungen und entsprechender Formulierung ihrer Stellungnahme bietet. Eine solche Möglichkeit zur Stellungnahme besteht für die Partei nur dann, wenn ihr hiefür auch eine ausreichende Frist für die Einholung fachlichen Rats bzw. zur Vorlage eines entsprechenden Gutachtens eingeräumt wird. Die Frist zur Stellungnahme muss dazu ausreichen, um ein Gutachten durch ein Gegengutachten entkräften zu können, weshalb dabei die erforderliche Zeit für die Auswahl eines entsprechenden Sachverständigen und seine Beauftragung einerseits und der für die Ausarbeitung eines Gutachtens erforderliche Zeitraum andererseits zu berücksichtigen ist (VwGH 22.5.2013, 2011/03/0168, mwH).
Mit Schreiben vom 7.12.2020, hat die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei bis spätestens 20.2.2020 die Möglichkeit zur Gegenäußerung zum geplanten Widerruf der Notifizierung bzw. zur Replik gegeben. Dieser Aufforderung ist die beschwerdeführende Partei mit umfassender Stellungnahme vom 19.2.2020 fristgerecht nachgekommen.
Die belangte Behörde hat die darin angeführten und substantiierten Argumente (insbesondere zur Einordnung der biologischen Behandlung als Verwertungsverfahren nach R3; zur Unionsrechtswidrigkeit und zum Verstoß gegen die Abfallhierarchie) nicht gewürdigt, sondern schlichtweg ignoriert. Stattdessen wurde im angefochtenen Bescheid – wie bereits im angedrohten Widerruf der Notifizierung vom 12.2.2020 – pauschal und schlicht ausgeführt, dass die tatsächliche Behandlung der Abfälle nicht mit den Notifizierungsunterlagen übereinstimme.
Wenngleich der beschwerdeführenden Partei somit (formal) die Gelegenheit zum Parteiengehör gegeben wurde, hat sich die belangte Behörde mit keinem der von der beschwerdeführenden Partei näher ausgeführten Punkte/Argumente auseinandergesetzt.
Somit hat die belangte Behörde die dargestellte verfahrensrechtlich gebotene Rechtslage nicht hinreichend beachtet und auf dem Boden dieser Rechtslage ihre Entscheidung mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, kann doch nicht ausgeschlossen werden, dass die Behörde bei Unterlassung dieses Mangels (Berücksichtigung und Würdigung der Argumente der beschwerdeführenden Partei) zu einem anderen, für die beschwerdeführende Partei günstigen Ergebnis gekommen wäre.
Auch aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und zu beheben.
Der angefochtene Bescheid ist auch inhaltlich aus den nachfolgenden Gründen rechtswidrig.
2. Materielle Rechtswidrigkeit
Die von belangten Behörde im Schreiben vom 12.02.2020 sowie im bestätigenden angefochtenen Widerrufsbescheid vom 21.2.2020, GZ: ***, dargelegte Begründung beruht nicht nur auf falschen Annahmen, aus denen die falschen Schlüsse gezogen werden, sondern ist auch inhaltlich verfehlt. Die nachstehenden Ausführungen nehmen dabei auf die Notifizierungsunterlagen sowie auf die Angaben und übermittelten Unterlagen unseres langjährigen und verlässlichen Partners, der C GmbH, Bezug.
Richtig ist die Angabe der Abnehmerin (C GmbH), dass die in den Notifizierungsunterlagen näher bezeichneten Abfälle zunächst einer vollständigen, also 100%igen Verwertung mit einem Verfahren nach R3 (Rotte) zugeführt werden. In den Notifizierungsunterlagen wurde angegeben, dass mindestens 55% der Abfälle einer Verwertung zugeführt werden. Anders als dies die belangte Behörde vermeint, wurden und werden diese Anforderungen von der C GmbH vollständig erfüllt und nachgewiesen.
Entgegen der nicht näher begründeten Rechtsansicht der belangten Behörde stellt die biologische Aufbereitung des angelieferten Materials jedenfalls ein zulässiges Verwertungsverfahren nach R3 dar. lm Übrigen geht auch die Notifizierungsbehörde (damals BMNT) davon aus, wird doch im Zustimmungsbescheid das gesamte Verwertungsverfahren nach R3 – sohin ohne unsachgemäße Einschränkungen und unter Einschluss der Kompostierung und sonstiger biologischer Umwandlungsverfahren – angeführt, zitiert und explizit für zulässig erklärt.
Konkret werden im gegenständlichen Fall die angelieferten bzw. verbrachten Materialien unter Beachtung sämtlicher rechtlicher Vorgaben insb. des AWG 2002 und der DVO 2008 zunächst einer Vorbehandlung (Selektion und allenfalls Zerkleinerung) unterzogen. Das Material hat einen Feuchtigkeitsgehalt von 40%. Nach der Zerkleinerung wird das Material einem Rotteprozess (R3) unterzogen. Der Rotteprozess setzt sich von selbst in Gang. Die Rottezeit ist abhängig von der Qualität des lnputmaterials. Nach der Konfektionierung des aufbereiteten Rottematerials inklusive der Klassierung in die verschiedenen Fraktionen (einschließlich Metallabscheidung zur Aussortierung von Störstoffen) ist der Verwertungsprozess (R3) abgeschlossen. Auf Grund der hohen Qualität der Ausgangsmaterialien und dem fachlich einwandfrei durchgeführten R3-Verwertungsverfahren fällt nach der Siebung/Klassierung des gerotteten Materials nur eine geringe Deponiefraktion (sog. Feinfraktion) an. Die Grobfraktion wird dem Verwertungsverfahren R1 zugeführt. Der weitaus überwiegende Teil, der nach Abschluss des Verwertungsprozesses nach R3 verbleibt (sog. „Mittelfraktion“), kann und wird in weitere Folge zur Herstellung von Müllkompost verwendet. Dieser wird sodann zur Herstellung einer Oberflächenabdeckschicht, also für einen vorgeschrieben, zulässigen und sinnvollen Verwendungszweck, eingesetzt. Das im Verfahren nach R3 hergestellte Müllkompostmaterial ersetzt somit ansonsten erforderliche (Primär)Rohstoffe, die für die Herstellung der Oberflächenabdeckung/Rekultivierungsschicht erworben und angeliefert werden müssten. Mit diesem Verfahren werden nicht nur Ressourcen (Primärrohstoffe) geschont, sondern es wird Abfallwirtschaft im Sinne der Nachhaltigkeit und des Vorsorgeprinzips betrieben. Die zuvor beschriebene R3-Verwertung ist, wie bereits ausgeführt, auch von den Notifizierungsunterlagen und dem Zustimmungsbescheid „gedeckt“ und zulässig. Der angefochtene Widerruf ist somit unzulässig, überschießend und mit Rechtswidrigkeit behaftet. Bereits aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet und zu beheben.
Unionsrechtlich nicht vorgesehen und somit unionsrechtswidrig ist die Vorschreibung bzw. die Limitierung des Verwendungszwecks von nach R3 (Verwertung) aufbereitetem Material. Vor allem die von der belangten Behörde nachträglich vorgenommene „Uminterpretation“, oder wie es scheint, die nachträgliche Vorschreibung von Auflagen oder Bedingungen, die im Notifizierungsbescheid nicht enthalten und auch nicht erforderlich sind, ist weder einfachgesetzlich noch unionsrechtlich vorgesehen und daher auch nicht zulässig. Eine solche Vorgangsweise ist nicht geeignet erteilte Notifizierungen gemäß Art 9 AVV aufzuheben. Es ist, wie umfassend dargelegt, schlicht die Einhaltung eines Verwertungsverfahrens nach R3 mit einer Verwertungsquote von zumindest 55 % vorgeschrieben. Diese Mindestanforderung wurde bzw. wird von der C GmbH vollständig erfüllt respektive deutlich übertroffen und nachgewiesen. Wie bereits ausgeführt, wird das gesamte angelieferte Material einer biologischen Behandlung (Verwertung nach R3) zugeführt.
Selbst wenn mehr stofflich verwertet wurde als in den Notifizierungsunterlagen vorgesehen war, kann es sich dabei um keinen Anwendungsfall eines Widerrufs der Notifizierung handeln. Die Mindestverwertungsquote nach dem R3-Verwertungsverfahrens wurde, wie aus den Notifizierungsunterlagen ersichtlich, mit 55 % angegeben. Diese Anforderung wird deutlich übertroffen. Mehr noch: Tatsächlich wurden und werden nahezu 100% des verbrachten angelieferten Materials einer Verwertung zugeführt. Eine entsprechende Übererfüllung der Verwertungsquote, kann niemals zu einer negativen Rechtsfolge (Widerruf der Notifizierung) führen. Dies ergibt sich bereits aus der (unions)rechtlich manifestierten Abfallhierarchie, wonach die Verwertung stets der Beseitigung vorzuziehen ist (vgl Art 4 Abs 1 der Abfallrahmenrichtlinie- ARRL). Die allfällige ÜbererfüIIung der Verwertungsquote, die über jener in den Notifizierungsunterlagen liegt, trägt somit dazu bei, dass tatsächlich nahezu das gesamte Material einer Verwertung zugeführt werden kann. Die Quoten (Prozentsätze) für die Verwertung sind nur als ungefähre, angepeiIte Mindestquoten zu sehen und stehen einer durchwegs als positiv anzusehenden, höheren (besseren) Verwertungsquote nicht entgegen. Wie bereits ausgeführt umfasst die Deponiefraktion nur einen minimalen Anteil an der Gesamtmenge des angelieferten bzw. verbrachten Materials. Die von beschwerdeführenden Partei mit dem Abfallübernehmer gewählte Vorgangsweise entspricht daher den Vorgaben der AVV sowie der ARRL (insb. der Abfallhierarchie) und trägt zu einer Minimierung der „Beseitigungsfraktion” bei. Demgegenüber steht der verfahrensgegenständIiche Widerspruch der Notifizierung im Widerspruch mit (Unions)Recht. Wie bereits ausgeführt, sind die näher bezeichneten AbfaIIverbringungen (unions)rechtlich und dabei insbesondere aufgrund der Abfallhierarchie geboten. Die dem AbfaIIübernehmer, der C GmbH, tatsächlich zur Verfügung stehenden Abfälle werden zu nahezu 100% verwertet sowie einem sinnvolIen Zweck zugeführt. Aufgrund der Abfallhierarchie ist die Verwertung in Österreich jedenfaIIs der ansonsten drohenden bzw. erforderlichen Beseitigung in Italien vorzuziehen.
Die belangte Behörde würde bei Festhalten an der im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsansicht dem Unionsgesetzgeber untersteIIen, mit der Schaffung der Abfallhierarchie und dem Primat der Verwertung in Art 4 ARRL eine sinnentleerte Regelung geschaffen zu haben. In Verkennung der Abfallhierarchie und ÜbererfüIIung der in den Notifizierungsunterlagen gebotenen Verwertungsquote hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet. Auch aus diesem Grund ist der Bescheid materiell rechtswidrig und zu beheben.
Aufgrund der dargestellten Sach- und Rechtslage werden sämtliche Vorgaben der NotifizierungsunterIagen eingehalten bzw. hinsichtlich der Verwertungsquote nach R3 sogar deutlich übertroffen. Der unrechtmäßige Widerruf der Notifizierung nach Art 9 Abs 8 Iit d AbfallverbringungsVO entbehrt somit jeglicher Grundlage und widerspricht Unionsrecht. Es Iieg zudem, wie dargestellt, ein grobes Verkennen der Rechtslage vor, das an Willkür grenzt.
Für die beschwerdeführende Partei ist nicht nachvollziehbar, warum die belangte Behörde offenbar mit aIIen Mitteln versucht, genehmigte und im Einklang mit europäischem und nationalem Recht stehende Abfallverbringungen zu verhindern. Die von der beschwerdeführenden Partei und dem Abfallübernehmer (C GmbH) gewählte Vorgehensweise – also die Abfallverbringung von Abfall von Italien nach Österreich mittels Zug – ist zudem auch aus Klima- und Umweltschutzgründen geboten. In Zeiten des gesteigerten Umwelt- bzw. CO2-Bewusstseins trägt die gewählte Vorgehensweise (Transport bzw. Import mittels Zug nach Österreich) maßgeblich dazu bei, Emissionen (insb. CO2), die bei ansonsten erforderlichen Transporten mittels LKW an wesentlich weiter entfernte Alternativstandorte (v.a. Deutschland, Frankreich, Holland) unweigerlich anfallen würden, zu reduzieren bzw. einzusparen. Mit dem nunmehr ausgesprochenen Widerruf der Notifizierung wird dieses für die Umwelt als absolut schädigend zu bezeichnende Vorgehen auch noch verstärkt“
Weiters wurde der Beschwerdeschrift ein Befund über die Beurteilung des heizwertarmen Outputs der MBA, erstellt von der D GmbH, Prüf-, Inspektionsstelle für Baustoffe- und Umweltanalytik, vom 20. Februar 2020, Zl. ***, angeschlossen.
3. Feststellungen:
Mit Bescheid der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus vom
17. Oktober 2019, Zl. ***, erging an die B S.r.l. ein Zustimmungsbescheid zur Notifizierung Nr. *** folgenden Inhaltes:
„Die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus erteilt gemäß Titel II der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 über die Verbringung von Abfällen (EG-VerbringungsV) sowie §§ 66 ff Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), BGBI. l 2002/102, i.d.F. BGBI. I 2019/71, der B S.r.l. die
Zustimmung
zur Verbringung von:
14.000 Tonnen nicht gefährlichen Abfällen der Schlüsselnummer
91103: Rückstände aus der mechanischen Abfallaufbereitung
gemäß ÖNORM S 2100 i.d.F. gemäß Anlage 5 Ziffer III der Abfallverzeichnisverordnung, BGBI. II 2003/570, i.d.F. BGBI. Il 2008/498;
Code gemäß EU-Abfallverzeichnis:
19 05 01: nicht kompostierte Fraktion von Siedlungs- und ähnlichen Abfällen
aus Italien vom Abfallerzeuger: F S.p.A. in liquidazione, ***, ***, *** (mechanisch-biologische Anlage in ***), über den Grenzübergang *** – *** (Autobahn ***) nach Österreich zur C GmbH, ***, ***,
zur Verwertung (R3) in der Anlage der C GmbH in ***, ***,
gemäß der Notifizierung Nr. ***, die ein integrierter Bestandteil dieses Bescheides ist,
antragsgemäß bis 30. September 2020 (letzter Beginn der Verbringung) unter Einhaltung folgender I. Bedingungen und ll. Auflagen:
I. Bedingungen
1. Diese Zustimmung ist nur unter der Voraussetzung gültig, dass auch die schriftliche Zustimmung der zuständigen Behörde am Versandort (***, ***, ***) vorliegt.
2. Diese Zustimmung wird unter dem Vorbehalt desjederzeitigen Widerrufs im Sinne des Art. 9 Abs. 8 EG-VerbringungsV erteilt.
3. […]
4. […]
5. Diese Zustimmung erlischt, wenn die ordnungsgemäße Behandlung der anlässlich der Verwertung der gegenständlichen Abfälle anfallenden Reststoffe nicht mehr gesichert erscheint.
II. Auflagen:
[…]
3. Änderungen des Transportweges, des Zeitpunktes der Verbringung oder des Transportunternehmens sowie sonstige relevante Änderungen sind der Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus sowie den übrigen betroffenen Behörden unverzüglich, und in jenen Fällen, in denen dies möglich ist, vor Beginn der Verbringung anzuzeigen.“
Mit Bescheid der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus vom
26. November 2019, Zl. ***, wurde die erteilte Zustimmung insofern abgeändert, als auch die Zustimmung für die Verbringung der notifizierten Abfälle per Bahn über den Grenzübergang *** – *** erteilt wurde.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 26. Februar 2013, Zl. ***, wurden die von der Abfallbehandlung und –verwertung „***“ GmbH angezeigten Änderungen der mit Bescheid vom 26. März 2002, Zl. ***, abfallrechtlich genehmigten mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlage (MBA) auf den Grundstücken Nr. ***, ***, ***, *** und ***, alle KG ***, Bezirk ***, gemäß § 37 Abs. 4 Z 4 AWG 2002 zur Kenntnis genommen und wurde der Konsens gemäß § 6 Abs. 7 Z 2 AWG 2002 festgestellt.
Demnach ist diese mechanisch-biologische Abfallbehandlungsanlage für die Behandlung von 62.000 t pro Jahr bzw. 400 t pro Tag nicht gefährlicher Abfälle genehmigt. Abfälle der Schlüssel Nr. 91103 „Rückstände aus der mechanischen Abfallaufbereitung“ nach der ÖNORM S 2100 „Abfallkatalog“ mit Änderungen und Ergänzungen gemäß Anlage 5 zur AbfallverzeichnisVO sind im Abfallkonsens enthalten. Diese Anlage wird nunmehr von der C GmbH betrieben.
Die Behandlungsprozesse der MBA *** sind weitgehend automatisiert. Transportbänder transportieren die Abfälle durch die Anlage, wo es zu einer Reihe von verschiedenen mechanischen und biologischen Behandlungen kommt. Die Abfälle werden vor dem Einbringen in die Behandlungsanlage in drei Kategorien unterteilt:
1. Fraktionen mit hohen Brennwerten
2. Recycelbare Sekundärrohstoffe
3. Reaktionsarme Abfälle, die auf der Deponie gemäß Deponievorschriften entsorgt werden können.
Die Fraktionen mit hohen Brennwerten werden als Ersatzbrennstoffe weitergegeben.
Die Ersatzbrennstoffe werden von verschiedenen Zementwerken übernommen.
Die Deponiefraktion wird am selben Standort in *** (Deponie „***“, GLN ***) abgelagert.
Es besteht ein Vertrag im Sinne der EG-VerbringungsV zwischen der Notifizierenden und der Empfängerin vom 24. Juli 2019.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die von der verfahrensgegenständlichen Notifizierung umfassten Abfälle nicht wie beantragt allesamt in der mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlage der C GmbH dem abfallrechtlichen Konsens entsprechend behandelt werden würden. Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte vor, dass diese Abfallbehandlungsanlage nicht konsensgemäß betrieben werde.
Am 11. Februar 2020 fand durch das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie eine Überprüfung der verfahrensgegenständlichen Abfallbehandlungsanlage gemäß § 75 AWG 2002 statt. Dabei wurde festgestellt, dass die von gegenständlichen Abfallimporten umfassten Abfälle am Standort der Anlage derzeit in Boxen zwischengelagert werden, wobei diese Abfälle mit anderen, ebenfalls aus Italienimporten stammenden Abfälle vermischt gelagert wurden. Nur ein Teil der Abfälle wurde zu diesem Zeitpunkt einer Konfektionierung unterzogen.
Da seitens der Anlagenbetreiberin vermutet wird, dass ein Großteil der von der Abfallverbringung umfassten und zwischengelagerten Abfälle der Qualitätsklasse B der KompostVO entsprechen und demnach für die Herstellung einer Rekultivierungsschichte auf der angrenzenden Deponie „***“ geeignet wären, wurden von der Konsensinhaberin entsprechende Untersuchungen in die Wege geleitet und liegt zwischenzeitlich ein Untersuchungsbefund, erstellt von der D GmbH am 20. Februar 2020, Zl. ***, vor. Diese Untersuchungsanstalt kommt zum Ergebnis, dass die angelieferten heizwertarmen Fraktionen mittels des angestrebten R3-Verfahrens eine signifikant hohe Verwertungsquote erwarten lassen. Die tatsächlich zu deponierende Fraktion 0/4 mm würde nach Abzug des Trockenverlustes knapp unter 30 %, bezogen auf die Ausgangsmatrix von ca. 20 %, betragen. Die Fraktion 4/16 mm sei zur Herstellung künstlicher Erden mit dem Ziel des Einsatzes für die Herstellung einer Rekultivierungsschicht voraussichtlich zulässig. Die Fraktion 16/x mm sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für die thermische Verwertung zulässig.
Festzustellen ist, dass die von der verfahrensgegenständlichen Abfallverbringung umfassten Abfälle allesamt in der Abfallbehandlungsanlage behandelt werden/wurden. Eine Verlagerung der Abfälle auf die angrenzende Deponie „***“ zur Ablagerung bzw. zur Verwendung als Rekultivierungsschicht hat noch nicht stattgefunden. Insbesondere liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass eine Ablagerung der aus der gegenständlichen Abfallverbringung stammenden Reststoffe nicht dem erteilten Abfallkonsens dieser Deponie entsprechen würde bzw. dass ein DVO 2008-konformer Deponiebetrieb nicht sichergestellt wäre.
Durch den verfahrensgegenständlichen Widerruf untersagten die italienischen Behörden eine weitere Abfallverbringung.
4. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen konnten in unbedenklicher Weise auf Grund des eindeutigen Inhaltes des vorliegenden Verwaltungsaktes der belangten Behörde, sowie dem der Beschwerdeschrift angefügten Gutachten der D GmbH getroffen werden und sind zwischen den Parteien auch nicht strittig.
5. Rechtslage:
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen („EG-VerbringungsV“) lauten:
„TITEL I
GELTUNGSBEREICH UND BEGRIFFSBESTIMMUNGEN
Artikel 1
Geltungsbereich
(1) In dieser Verordnung werden Verfahren und Kontrollregelungen für die Verbringung von Abfällen festgelegt, die von dem Ursprung, der Bestimmung, dem Transportweg, der Art der verbrachten Abfälle und der Behandlung der verbrachten Abfälle am Bestimmungsort abhängen.
(2) Diese Verordnung gilt für die Verbringung von Abfällen:
a) zwischen Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft oder mit Durchfuhr durch Drittstaaten;
[…]
Artikel 2
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:
[…]
6. „Verwertung“ die Verwertung im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 Buchstabe f der Richtlinie 2006/12/EG;
[…]
35. „illegale Verbringung“ jede Verbringung von Abfällen, die
[…]
d) in einer Weise erfolgt, die den Notifizierungs- oder Begleitformularen sachlich nicht entspricht, oder
TITEL II
VERBRINGUNG INNERHALB DER GEMEINSCHAFT MIT ODER OHNE DURCHFUHR DURCH DRITTSTAATEN
Artikel 3
Allgemeiner Verfahrensrahmen
(1) Die Verbringung folgender Abfälle unterliegt dem Verfahren der vorherigen schriftlichen Notifizierung und Zustimmung im Sinne der Bestimmungen dieses Titels:
a) falls zur Beseitigung bestimmt:
alle Abfälle;
b) falls zur Verwertung bestimmt:
i) in Anhang IV aufgeführte Abfälle, einschließlich u. a. der in den Anhängen II und VIII des Basler Übereinkommens aufgeführten Abfälle;
ii) in Anhang IVA aufgeführte Abfälle;
iii) nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA eingestufte Abfälle;
iv) nicht als Einzeleintrag in Anhang III, III B, IV oder IVA eingestufte Abfallgemische, sofern sie nicht in Anhang IIIA aufgeführt sind.
[…]
KAPITEL 1
Vorherige schriftliche Notifizierung und Zustimmung
Artikel 4
Notifizierung
Beabsichtigt der Notifizierende die Verbringung von Abfällen gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a oder b, so muss er bei und über die zuständige Behörde am Versandort eine vorherige schriftliche Notifizierung einreichen und im Falle einer Sammelnotifizierung Artikel 13 beachten.
Bei der Einreichung einer Notifizierung sind folgende Voraussetzungen zu erfüllen:
1. Notifizierungs? und Begleitformulare:
Die Notifizierung erfolgt anhand folgender Unterlagen:
a) Notifizierungsformular gemäß Anhang IA und
b) Begleitformular gemäß Anhang IB.
Bei der Einreichung einer Notifizierung füllt der Notifizierende das Notifizierungsformular und - soweit relevant - das Begleitformular aus.
Ist der Notifizierende nicht der Ersterzeuger gemäß Artikel 2 Nummer 15 Buchstabe a Ziffer i, so sorgt der Notifizierende dafür, dass auch dieser Erzeuger oder eine der in Artikel 2 Nummer 15 Buchstabe a Ziffer ii oder iii genannten Personen, sofern dies durchführbar ist, das Notifizierungsformular gemäß Anhang IA unterzeichnet.
Das Notifizierungsformular und das Begleitformular werden an den Notifizierenden von der zuständigen Behörde am Versandort herausgegeben.
2. Informationen und Unterlagen im Notifizierungs- und Begleitformular:
Der Notifizierende gibt die in Anhang II Teil 1 aufgeführten Informationen und Unterlagen im Notifizierungsformular an oder fügt sie diesem bei. Der Notifizierende gibt die in Anhang II Teil 2 aufgeführten Informationen und Unterlagen im Begleitformular an oder fügt sie diesem soweit möglich bei der Notifizierung bei.
Eine Notifizierung gilt als ordnungsgemäß ausgeführt, wenn die zuständige Behörde am Versandort der Auffassung ist, dass das Notifizierungs- und das Begleitformular gemäß Unterabsatz 1 ausgefüllt worden sind.
3. Zusätzliche Informationen und Unterlagen:
Ersucht eine der betroffenen zuständigen Behörden um zusätzliche Informationen und Unterlagen, so werden diese vom Notifizierenden zur Verfügung gestellt. In Anhang II Teil 3 sind zusätzliche Informationen und Unterlagen aufgeführt, die verlangt werden können.
Eine Notifizierung gilt als ordnungsgemäß abgeschlossen, wenn die zuständige Behörde am Bestimmungsort der Auffassung ist, dass das Notifizierungs- und das Begleitformular ausgefüllt und die in Anhang II Teil 1 und Teil 2 aufgeführten Informationen und Unterlagen sowie etwaige nach diesem Absatz verlangte zusätzliche Informationen und Unterlagen gemäß Anhang II Teil 3 vom Notifizierenden bereitgestellt wurden.
4. Abschluss eines Vertrags zwischen Notifizierendem und Empfänger:
Der Notifizierende schließt mit dem Empfänger gemäß Artikel 5 einen Vertrag über die Verwertung oder Beseitigung der notifizierten Abfälle.
Den beteiligten zuständigen Behörden ist bei der Notifizierung der Nachweis über den Abschluss dieses Vertrages oder eine Erklärung zur Bestätigung seines Bestehens nach Anhang IA vorzulegen. Der Notifizierende oder der Empfänger hat der zuständigen Behörde auf Ersuchen eine Kopie dieses Vertrages oder den für die betroffene zuständige Behörde als zufrieden stellend geltenden Nachweis zu übermitteln.
5. Hinterlegung von Sicherheitsleistungen oder Abschluss entsprechender Versicherungen:
Gemäß Artikel 6 werden Sicherheitsleistungen hinterlegt oder entsprechende Versicherungen abgeschlossen. Der Notifizierende gibt zu diesem Zweck durch Ausfüllen des entsprechenden Teils des Notifizierungsformulars nach Anhang IA eine entsprechende Erklärung ab.
Die Sicherheitsleistungen oder entsprechenden Versicherungen (oder sofern die zuständige Behörde dies gestattet, der Nachweis über diese Sicherheitsleistungen oder entsprechenden Versicherungen oder eine Erklärung zur Bestätigung ihres Bestehens) sind bei der Notifizierung als Teil des Notifizierungsformulars oder, falls die zuständige Behörde dies auf der Grundlage nationaler Rechtsvorschriften erlaubt, vor Beginn der Verbringung vorzulegen.
6. Geltungsbereich der Notifizierung:
Eine Notifizierung muss die Verbringung der Abfälle vom ursprünglichen Versandort einschließlich ihrer vorläufigen und nicht vorläufigen Verwertung oder Beseitigung umfassen.
Erfolgen die anschließenden vorläufigen oder nicht vorläufigen Verfahren in einem anderen Staat als dem ersten Empfängerstaat, so sind das nicht vorläufige Verfahren und sein Bestimmungsort in der Notifizierung anzugeben und Artikel 15 Buchstabe f einzuhalten.
Jede Notifizierung betrifft nur einen einzigen Abfallidentifizierungscode, mit Ausnahme von:
a) nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA eingestufte Abfälle. In diesem Fall ist nur eine Abfallart anzugeben;
b) nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA eingestufte Abfallgemische, es sei denn, sie sind in Anhang IIIA aufgeführt. In diesem Fall ist der Code jedes Abfallanteils in der Reihenfolge seiner Bedeutung anzugeben.
Artikel 5