TE Vwgh Erkenntnis 1998/2/27 97/06/0046

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Veröffentlicht am 27.02.1998
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Index

L80008 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Vorarlberg;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs1;
RPGNov Vlbg 1993 Art2 Abs4 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde

1. der M und 2. des E, in S, vertreten durch Dr. Guntram Lins, Rechtsanwalt in Bludenz, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 16. April 1996, Zl. I-5/3/So/96, betreffend Untersagung der Nutzung als Ferienwohnung gemäß Art. II Abs. 4 lit. b Vbg.

Raumplanungsgesetz-Novelle LGBl. Nr. 27/1993 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Sonntag, vertreten durch den Bürgermeister),

Spruch

1. beschlossen:

Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird zurückgewiesen;

2. zu Recht erkannt:

Aufgrund der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

3. Das Land Vorarberg hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der Erstbeschwerdeführerin wird abgewiesen.

Der Zweitbeschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit Schreiben vom 18. November 1993 zeigte die Erstbeschwerdeführerin die Nutzung der Räumlichkeiten des näher bezeichneten Objektes gemäß Art. II Abs. 2

Vbg. Raumplanungsgesetz-Novelle, LBGl. Nr. 27/1993, als Ferienwohnung an. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 12. Juli 1994 wurde die Nutzung der angezeigten Räumlichkeiten, bestehend aus Küche, Stube und drei Schlafzimmern, als Ferienwohnung unter Hinweis auf die angeführte Bestimmung untersagt.

Die dagegen erhobene Berufung der Erstbeschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Partei vom 26. September 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen erhobene Vorstellung der Erstbeschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Die Entscheidung ist nach Anführung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen im wesentlichen damit begründet, die Ferienwohnungsnutzung erfolge durch den näher angeführten deutschen Staatsangehörigen J.S. aufgrund des Mietvertrages vom 16. Juni 1975 und der Vereinbarung vom selben Tag. In diesem Vertrag sei dem Mieter ein 99-jähriges Bestandsrecht eingeräumt worden. Für diese Verträge sei das im Zeitpunkt des Abschlusses geltende Grundverkehrsgesetz, LGBl. Nr. 36/1973, anzuwenden. Gemäß § 1 Abs. 1 lit. b leg. cit. unterliege der Verkehr mit Grundstücken, sofern an diesen Ausländer Rechte erwerben, den Bestimmungen dieses Gesetzes. Gemäß § 3 Abs. 1 lit. a leg. cit. könne das Eigentum an Grundstücken nur mit Genehmigung der Grundverkehrskommission erworben werden. Ein käuflicher Erwerb des dinglichen Vollrechtes durch den Bestandnehmer hätte somit der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedurft. Die von der Berufungsbehörde vertretene Rechtsauffassung, es handle sich bei diesem Vertragswerk aufgrund der damit verbundenen weitestgehenden Eigentümerstellung um ein Umgehungsgeschäft, um die erforderliche grundverkehrsbehördliche Genehmigung zu vermeiden, werde von der belangten Behörde geteilt. Zutreffend sei im bekämpften Bescheid mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung zum Wesen eines Umgehungsgeschäftes ausgeführt worden, daß es gegen ein Verbot zwar nicht "dem Buchstaben des Gesetzes nach" verstoße, im Ergebnis aber doch den Zweck eines Gesetzesverbotes vereitle. Diesen Ausführungen werde vollinhaltlich beigetreten. Darunter fielen insbesondere auch rechtsgeschäftliche Bemühungen, das Erfordernis der Genehmigung des Grunderwerbes durch Ausländer zu umgehen. Nach § 3 Abs. 1 lit. a leg. cit. bedürfe der Eigentumserwerb an Grundstücken durch Ausländer der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde. Die rechtsgeschäftlichen Bemühungen der Beteiligten seien im vorliegenden Fall gerade darauf gerichtet gewesen, die nach den Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes notwendige behördliche Genehmigung des Grunderwerbes des Bestandsnehmers zu umgehen. Bei der Klärung der Frage, ob ein Umgehungsgeschäft vorliege, seien eine Zusammenschau der beiden abgeschlossenen Verträge vorzunehmen und deren Wirkungen in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Dabei trete zutage, daß die Vertragsgestaltung so gewählt worden sei, daß der Bestandnehmer in eine sich der Stellung eines Eigentümers weitestgehend annähernde Position gerückt werde. Wenngleich der äußeren Form nach ein Bestandsvertrag vorliege, entspreche die inhaltliche Ausgestaltung faktisch einem Kaufvertrag. Die getroffenen Abmachungen - der unkündbare Abschluß auf 99 Jahre, die Verpflichtung der Übernahme jeglicher Reparaturkosten durch den Mieter, die vollständige Mietzinsvorauszahlung in Höhe von S 350.000,--, eine "Haftungsdehnung" auf höhere Gewalt, die käufliche Überlassung des Mietobjektes im Falle der rechtlichen Möglichkeit an den Mieter, die Verpflichtung des Vermieters, das Objekt an eine vom Mieter namhaft gemachte dritte Person zu dem vom Mieter ausgehandelten Kaufpreis unter Beachtung eines Mindestverkaufserlöses zu veräußern, etc. - gäben dem Bestandnehmer die faktisch uneingeschränkte Verfügungberechtigung über das Objekt und ließen ein anderes Verständnis nicht zu. Wenngleich es auf eine spezielle Umgehungsabsicht der Beteiligten nicht ankomme, sei im vorliegenden Fall sogar von einer derartigen Motivation auszugehen. Anders könne die ausdrückliche Feststellung in der Vereinbarung, daß derzeit aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften für den Mieter keine Möglichkeit bestehe, das Mietobjekt käuflich ins Eigentum zu erwerben, nicht verstanden werden. Die Unmöglichkeit des Eigentumserwerbes sei den Beteiligten somit bekannt gewesen und es sei deshalb die Vertragsgestaltung so gewählt worden, daß eine der eigentlichen Zielsetzung des Eigentumserwerbes möglichst nahekommende Absicherung der Rechtsstellung des Mieters erreicht werde. Diese faktische Eigentümerstellung sei im Ergebnis durch ein Vertragswerk erreicht worden, das für sich betrachtet einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung nicht bedurft habe, den Zielsetzungen des Grundverkehrsgesetzes jedoch zuwiderlaufe. Die von der Berufungsbehörde vorgenommene Annahme eines Umgehungsgeschäftes sei daher rechtlich nicht zu beanstanden. Daran könne die Einstellung des gegen den Mieter eingeleiteten Strafverfahrens (wegen Strafbarkeitsverjährung) nichts ändern. Dem Vorbringen des Mieters, es sei keine Gesetzesumgehung beabsichtigt gewesen, komme - wie dargelegt - keine rechtliche Bedeutung zu. Es hat somit die bisherige Nutzung der Ferienwohnung durch den Mieter unter Umgehung der Bestimmungen über den Grunderwerb durch Ausländer stattgefunden. Diese Nutzung sei gemäß Art. II Abs. 4 lit. b Raumplanungsgesetz-Novelle, LGBl. Nr. 27/1983, zu untersagen.

Die Behandlung der zunächst beim Verfassungsgerichtshof gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde von diesem mit Beschluß vom 25. November 1996, B 1762/96-3, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der nach Aufforderung beim Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht. Die Beschwerdeführer erachten sich im Recht auf Benutzung des näher bezeichneten Hauses als Ferienwohnung verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

1. Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers ist nicht zulässig:

Nach den Ausführungen in der Beschwerde wurde das Eigentum an dem verfahrensgegenständlichen Grundstück aufgrund des Übergabsvertrages vom 9. November 1995, der am 9. Februar 1996 im Grundbuch des Bezirksgerichtes Bludenz verbüchert wurde, von der Erstbeschwerdeführerin auf den Zweitbeschwerdeführer übertragen. Seit der Verbücherung dieses Übergabsvertrages ist somit der Zweitbeschwerdeführer Eigentümer dieses Grundstückes. Der angefochtene Bescheid ist am 18. April 1996 gegenüber der Erstbeschwerdeführerin, die in diesem Zeitpunkt - wie dargelegt - nicht mehr Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundstückes bzw. Gebäudes war, erlassen worden. Da der Zweitbeschwerdeführer bereits im Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides als Rechtsnachfolger der Erstbeschwerdeführerin alleiniger Eigentümer des in Frage stehenden Grundstückes war, entfaltet die in diesem Zeitpunkt erfolgte Erlassung des Bescheides an seine Rechtsvorgängerin ihm gegenüber keine normative Wirkung. Im Hinblick auf die Verbücherung des angeführten Übergabsvertrages ist vielmehr der Zweitbeschwerdeführer als Rechtsnachfolger der Erstbeschwerdeführerin bereits vor Erlassung des angefochtenen Bescheides in das vorliegende Verwaltungsverfahren eingetreten (vgl. den hg. Beschluß vom 24. April 1997, Zl. 94/06/0253, und die dort in diesem Zusammenhang zitierte Judikatur). Ihm gegenüber ist über die noch von seiner Rechtsvorgängerin eingebrachte Vorstellung vom 11. Oktober 1995 bisher nicht entschieden worden.

Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers ist daher mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit gemäß § 34 VwGG zurückzuweisen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat im übrigen über die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin erwogen:

Da die Erstbeschwerdeführerin - wie dargelegt - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr Partei des vorliegenden Verwaltungsverfahrens war, weil sie ihr Eigentum an dem verfahrensgegenständlichen Grundstück auf den Zweitbeschwerdeführer übertragen hat, erweist sich die Bescheiderlassung gegenüber der Erstbeschwerdeführerin als rechtswidrig. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z.1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren der Erstbescherdeführerin war im Hinblick auf den in der angeführten Verordnung festgesetzten Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand, der auch die Mehrwertsteuer umfaßt, abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997060046.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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