TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/23 I403 2220917-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.12.2019
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Entscheidungsdatum

23.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I403 2220914-1/8E

I403 2220915-1/9E

I403 2220916-1/9E

I403 2220917-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX, geb. XXXX, von XXXX (alias XXXX alias XXXX), geb. am XXXX, von XXXX, geb. am XXXX, und des minderjährigen XXXX, geb. am XXXX, gesetzlich vertreten durch XXXX</nichtanonym><anonym>XXXX</anonym></person>, alle irakische Staatsbürger und vertreten durch die "Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH" und "Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH", gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2019, Zl. 1130411004-190411592, Zl. 1047760509-190411495, ZI. 1130411603-190411622 und ZI. 1130412208-190411665, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.11.2019 zu Recht:

A)

I. Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG stattgegeben. Die Spruchpunkte I., II., IV., V., VI. und VII. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

II. Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide wird dahingehend abgeändert, dass den Anträgen vom 19.12.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und die Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte um zwei weitere Jahre verlängert wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Verfahren von XXXX (Zweitbeschwerdeführer), seiner Ehefrau

XXXX (Erstbeschwerdeführerin) sowie ihrer beiden Söhne (des volljährigen Drittbeschwerdeführers XXXX und des minderjährigen Viertbeschwerdeführers XXXX), alle Staatsangehörige des Irak, sind im Sinne des § 34 AsylG 2005 gemeinsam als Familienverfahren zu führen.

2. Der Zweitbeschwerdeführer reiste auf dem Luftweg mit einem gefälschten französischen Schengen-Visum in das Bundesgebiet ein und stellte am 08.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen er im Wesentlichen damit begründete, im Irak Morddrohungen von Milizen aufgrund seiner Tätigkeit für eine Menschenrechtsorganisation erhalten zu haben.

Der Antrag des Zweitbeschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 08.12.2014 wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) vom 12.02.2016 rechtskräftig hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen, da sein Fluchtvorbringen für nicht glaubhaft befunden wurde. Zugleich wurde ihm in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak angesichts der zu diesem Zeitpunkt instabilen Sicherheitslage im Raum Bagdad der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine bis zum 11.02.2017 befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Die befristete Aufenthaltsberechtigung des Zweitbeschwerdeführers als subsidiär Schutzberechtigter wurde seitens der belangten Behörde mit Bescheid vom 07.03.2017 einmalig bis zum 11.02.2019 verlängert.

3. Die Erstbeschwerdeführerin sowie der Dritt- und Viertbeschwerdeführer stellten am 26.08.2016 vom Irak aus einen Antrag auf Einreise in das Bundesgebiet gemäß § 35 AsylG. Nach ihrer legalen Einreise brachten sie am 07.03.2017 ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz ein, ohne hierbei eigene Fluchtgründe geltend zu machen.

Mit Bescheiden des BFA jeweils vom 12.04.2017 wurden die Anträge der Erstbeschwerdeführerin sowie des Dritt- und Viertbeschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten abgewiesen, ihnen jedoch - angesichts des Umstandes, dass zu diesem Zeitpunkt bereits dem Zweitbeschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukam - ebenfalls in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihnen eine bis zum 11.02.2019 befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

4. Die Beschwerdeführer brachten jeweils am 19.12.2018 ihre verfahrensgegenständlichen Anträge auf Verlängerung ihrer bis zum 11.02.2019 befristeten Aufenthaltsberechtigungen als subsidiär Schutzberechtigte beim BFA ein.

Mit den gegenständlich angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde vom 28.05.2019 wurde den Beschwerdeführern ihr zuerkannter Status von subsidiär Schutzberechtigten "gemäß § 9 Abs. 1 AsylG" von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide) und ihnen die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte "gemäß § 9 Abs. 4 AsylG" entzogen (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide). Die Anträge der Beschwerdeführer vom 19.12.2018 auf Verlängerung ihrer befristeten Aufenthaltsberechtigungen wurden "gemäß § 8 Abs. 4 AsylG" abgewiesen (Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführern gemäß "§ 57 AsylG" nicht erteilt (Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide). Gegen die Beschwerdeführer wurde "gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG" eine Rückkehrentscheidung "gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG" erlassen (Spruchpunkt V. der angefochtenen Bescheide). "Gemäß § 52 Abs. 9 FPG" wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Irak "gemäß § 46 FPG" zulässig ist (Spruchpunkt VI. der angefochtenen Bescheide). "Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG" wurde die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VII. der angefochtenen Bescheide).

Gegen die angefochtenen Bescheide wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 01.07.2019 Beschwerde erhoben.

Am 28.11.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit der Beschwerdeführer abgehalten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige des Irak. Es handelt sich bei ihnen um einen volljährigen Mann (Zweitbeschwerdeführer), seine volljährige Ehefrau (Erstbeschwerdeführerin) sowie ihre zwei gemeinsamen Söhne (der volljährige Drittbeschwerdeführer sowie der minderjährige Viertbeschwerdeführer). Die Beschwerdeführer gehören der Volksgruppe der Araber an und bekennen sich zum schiitisch-moslemischen Glauben.

Die Identität des Zweitbeschwerdeführers steht nicht fest. Die Identität der Erstbeschwerdeführerin sowie des Dritt- und Viertbeschwerdeführers steht fest.

Der Zweitbeschwerdeführer verließ den Irak im Jahr 2014; nachdem ihm am 12.02.2016 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, reisten seine Frau, die Erstbeschwerdeführerin, und die gemeinsamen Söhne im März 2017 in das Bundesgebiet ein.

Die Beschwerdeführer sind in Bagdad geboren und aufgewachsen und haben bis zu ihrer Ausreise dort gelebt. Der Zweitbeschwerdeführer hat in Bagdad das Gymnasium besucht und im Anschluss eine Ausbildung als Grafiker absolviert. Er hat im Irak bereits eine Pension bezogen und überdies Textilien aus der Türkei importiert. Die Erstbeschwerdeführerin hat im Irak vier Jahre die Grundschule besucht und war im Anschluss als Hausfrau tätig. Der Dritt- und der Viertbeschwerdeführer waren zum Zeitpunkt ihrer Ausreise noch Schüler.

Keiner der Beschwerdeführer leidet an einer lebensbedrohlichen Gesundheitsbeeinträchtigung. Dem Zweitbeschwerdeführer wurden infolge einer im ersten Golfkrieg in den 1980er-Jahren erlittenen Verletzung drei Zehen am rechten Fuß amputiert. Zudem leidet er an diversen niederschwelligen orthopädischen Problemen wie einem Beckenschiefstand oder einer Streckfehlhaltung der Wirbelsäule. Dennoch ist er erwerbsfähig und insbesondere im Rahmen leichter körperlicher Arbeiten sowie sitzender Tätigkeiten einsetzbar. Der Drittbeschwerdeführer leidet an einer "gut kontrollierten" Asthma bronchiale, aufgrund welcher er sich bereits vor seiner Ausreise im Irak in medizinischer Behandlung befand. Die Erstbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer sind gesund.

Alle Beschwerdeführer leben in einem gemeinsamen Haushalt. Der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer gingen von 5. März bis 19. Juni 2019 beide einer Beschäftigung als Arbeiter in einem Gastronomiebetrieb nach (der Drittbeschwerdeführer hierbei geringfügig); die Tätigkeit konnte aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Lokals nicht fortgesetzt werden. Seitdem bestreitet der Zweitbeschwerdeführer (ebenso wie die Erstbeschwerdeführerin) seinen Lebensunterhalt wieder über die staatliche Grundversorgung und der Drittbeschwerdeführer über den Bezug von Arbeitslosengeld. Der Viertbeschwerdeführer hat in Österreich eine neue Mittelschule sowie eine polytechnische Schule besucht und besucht aktuell eine Produktionsschule.

Der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer sprechen Deutsch auf A2-Niveau. Zudem haben die Beschwerdeführer diverse weitere Sprach- und Integrationskurse in Österreich besucht. Der Viertbeschwerdeführer spricht sehr gut Deutsch.

Die Mietwohnung im Irak wurde aufgegeben; Ersparnisse hat die Familie keine. Die Beschwerdeführer verfügen aber nach wie vor über umfangreiche familiäre Anknüpfungspunkte im Irak. Insbesondere zwei erwachsene Töchter sowie ein weiterer erwachsener Sohn des Zweitbeschwerdeführers und der Erstbeschwerdeführerin, der Vater des Zweitbeschwerdeführers, sowie insgesamt vier Geschwister des Zweitbeschwerdeführers sowie elf Geschwister der Erstbeschwerdeführerin leben mit ihren jeweiligen Familien im Irak und vorwiegend in Bagdad. Es besteht regelmäßiger Kontakt zwischen den Beschwerdeführern und ihren Angehörigen in ihrem Herkunftsstaat. In Österreich verfügen sie über keine weiteren familiären Anknüpfungspunkte. Überdies halten sich noch Cousins sowie Neffen des Zweitbeschwerdeführers in Schweden auf, zu welchen jedoch keinerlei Naheverhältnis von maßgeblicher Intensität besteht.

Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Änderung der Lage im Irak und zur Frage der Rückkehrgefährdung

Der Zweitbeschwerdeführer war nicht für eine Menschenrechtsorganisation tätig war und droht ihm auch keine Haft wegen illegaler Ausreise. Eine besondere Gefährdung seiner Person liegt daher nicht vor.

Die Beschwerdeführer könnten in Bagdad auf die Unterstützung der restlichen Familie zurückgreifen. Der Zweitbeschwerdeführer könnte versuchen, auch wieder seinen Anspruch auf Rente geltend machen. Allerdings ist die Arbeitsmarktsituation aktuell in Bagdad angespannt, so dass die Beschwerdeführer mit finanziellen Schwierigkeiten zu rechnen hätten. Zugleich ist aber, insbesondere aufgrund der generellen Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführer und des existierenden Familiennetzwerkes in Bagdad, nicht davon auszugehen, dass sie in eine existentielle Notlage geraten würden.

Die Situation in Bagdad hatte sich zum Zeitpunkt der Erlassung der gegenständlichen Bescheide, somit im Mai 2019, erheblich verbessert und stabilisiert. In den ersten beiden Monaten des Jahres 2019 gab es 20 Tote (während in diesem Zeitraum 2016 576 Zivilisten um ihr Leben gekommen sind). Auch wenn der IS versucht, seine Unterstützerzone im Gürtel rund um Bagdad wiederaufzubauen, so bleibt er doch erstens außerhalb der Stadt selbst und kam es wochenweise zu keinerlei terroristischen Aktivitäten. Die belangte Behörde war daher zu diesem Zeitpunkt nachvollziehbarerweise davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführer in Bagdad keiner besonderen Gefährdung ausgesetzt wären. Aufgrund der seit Oktober 2019 andauernden Proteste ist aktuell aber von einer höchst instabilen Sicherheitslage in Bagdad auszugehen, so dass eine Gefährdung der Beschwerdeführer, unabhängig von ihrer Haltung gegenüber den Protesten, nicht ausgeschlossen werden kann.

1.3. Zur aktuellen Situation im Irak:

In Bagdad und im Süden des Irak protestieren Teile der Bevölkerung seit Anfang Oktober gegen Misswirtschaft und hohe Arbeitslosigkeit, Korruption und die nach Religion und Ethnie definierte Proporzregierung. Auch die Nähe der politischen Elite zum Iran steht im Fokus der Kritik (Deutsche Welle, 01.12.2019)

Von offizieller Seite wurde versucht, mit verschiedenen Maßnahmen zur Beruhigung der Situation beizutragen: Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi reichte seinen Rücktritt, der eine zentrale Forderung der Demonstranten war, ein. Die oberste Justizbehörde des Irak erließ einen Haftbefehl gegen einen Militärchef, der für das tödliche Durchgreifen gegen Demonstranten in einer Provinz im Südirak verantwortlich war (Deutsche Welle, 01.12.2019).

Eine Beruhigung der Lage konnte damit aber nicht erreicht werden: Am Freitag, 6. Dezember 2019, schossen Bewaffnete aus vier Fahrzeugen auf regierungskritische Protestierende am zentralen Al-Chalani Platz und töteten mindestens 16 Personen (die meisten Quellen sprechen von 24 Toten) und verletzten über 100 Menschen. Bereits vor dieser "Gräueltat" (laut UN) war eine Menschenrechtskommission von mehr als 400 Toten und mehr als 20.000 Verletzten ausgegangen (Zeit online, 07.12.2019).

Die Zahl der spurlos Verschwundenen und der willkürlich Verhafteten hat in den letzten Monaten stark zugenommen (Al Jazeera, 19.12.2019). Zugleich wird von den Demonstranten befürchtet, dass "Saboteure" versuchen, die Protestes zu diskreditieren und mit Gewalttaten in Verbindung zu bringen. So wurde nach einem Lynchmord an einem Jugendlichen, der sich gegen die Demonstranten gewandt hatte, eine Erklärung veröffentlicht, dass man sich von dieser Tat distanziere. Dennoch wurde vom einflussreichen Prediger Moktada al-Sadr nach Bekanntwerden des Vorfalls erklärt, dass er, wenn die Täter nicht gefunden würden, seine Milizionäre abziehen werde, die er nach dem blutigen Angriff auf die Demonstranten am 06.12.2019 zu deren Schutz entsandt hatte (Spiegel online, 12.12.2019). Zugleich war auch das Büro von Al-Sadr, der sich gegen den Iran stellt, in Nadjaf Ziel eines Anschlages (Süddeutsche Zeitung, 08.12.2019)

Die USA haben gegen drei Milizführer Sanktionen ausgesprochen, da sie mit anderen für die brutale Vorgehensweise gegenüber den friedlichen Demonstranten verantwortlich gemacht werden (The Guardian 07.12.2019); sie hätten im Auftrag des Iran gehandelt (The New York Times, 06.12.2019). Aktuell steht auch die schiitische Geistlichkeit an einer Weggabelung; der innerschiitische Konflikt zwischen den beiden größten schiitischen Ländern Iran und Irak wird weiter zunehmen (Deutsche Welle, 30.11.2019)

Trotz des harten Durchgreifens der Sicherheitsbehörden und dem Vorfall am 06.12.2019 zeigen sich die Demonstranten entschlossener denn je, für ihre Forderungen einzutreten (The Guardian, 07.12.2019). Jeder Versuch des Irans zu intervenieren könnte zu massiven Problemen führen, das Konsulat in Nadjaf wurde bereits zerstört und angezündet. Auch gibt es die Befürchtung, dass es zu Kämpfen zwischen Milizen, die den Protest unterstützen, und jenen, die ihn bekämpfen, kommen könnte (The Guardian 07.12.2019).

In der Zwischenzeit wurde auch noch keine Lösung für eine neue Regierung gefunden; laut Verfassung leitete der zurückgetreten Al Mahdi die Regierungsgeschäfte interimsmäßig noch bis 19.12.2019, doch konnte kein Kandidat für das vakante Amt auf genügend Unterstützung zurückgreifen, so dass eine politische Einigung noch aussteht (Der Standard, 20.12.2019). Das Parlament schaffte es auch in seiner Sitzung am 18.12.2019 nicht, eine der zentralen Forderungen der Demonstranten, nämlich ein neues Wahlrecht, zu erlassen. Ayatollah Ali al-Sistani erklärte am 20.12.2019, dass baldige Neuwahlen der einzige Weg aus der Krise seien (Reuters, 20.12.2019).

Quellen (Zugriff auf alle Quellen am 20.12.2019):

* Deutsche Welle, Gastkommentar von Rainer Hermann (FAZ): Irak - Die Ordnung von 2003 ist gescheitert, 30.11.2019, abrufbar unter https://www.dw.com/de/gastkommentar-irak-die-ordnung-von-2003-ist-gescheitert/a-51476583

* Deutsche Welle, Chaos oder Frieden: Welchen Weg nimmt der Irak?, 01.12.2019, abrufbar unter

https://www.dw.com/de/chaos-oder-frieden-welchen-weg-nimmt-der-irak/a-51490474

* The New York Times, U.S. Seeks to Punish Iraqi Militias That Targeted Protesters With Iran¿s Help, 06.12.2019, abrufbar unter https://www.nytimes.com/2019/12/06/us/politics/iraq-iran-sanctions.html

* Zeit online, Unbekannte erschießen mindestens 16 Protestierende, 07.12.2019, abrufbar unter

https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-12/irak-proteste-bagdad-regierung-tote

* The Guardian, Defiant protesters back in Baghdad square within an hour of slaugther, 07.12.2019, abrufbar unter https://www.theguardian.com/world/2019/dec/07/protesters-return-baghdad-square-after-slaughter-iraq

* Süddeutsche Zeitung, Gezielter Angriff auf Demonstranten, 08.12.2019, abrufbar unter

https://www.sueddeutsche.de/politik/irak-gezielter-angriff-auf-demonstranten-1.4714665

* Spiegel online, Jugendlicher in Bagdad von Menge gelyncht, 12.12.2019, abrufbar unter

https://www.spiegel.de/politik/ausland/irak-jugendlicher-in-bagdad-von-demonstranten-gelyncht-a-1300975.html

* Al Jazeera, Iraq protests: Increase in number of disappearances, 19.12.2019, abrufbar unter

https://www.aljazeera.com/news/2019/12/iraq-protests-increase-number-disappearances-191219111900491.html

* Der Standard, Neuer designierter Premier in Beirut, Patt in Bagdad, Artikel in der Printausgabe vom 20.12.2019

* Reuters, Iraq's Sistani says early election only way out of crisis, 20.12.2019, abrufbar unter https://www.reuters.com/article/us-iraq-protests/iraqs-sistani-says-early-election-only-way-out-of-crisis-idUSKBN1YO104

2. Beweiswürdigung:

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes und der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt. Überdies wurde am 28.11.2019 vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit der Beschwerdeführer abgehalten.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Identität der Erstbeschwerdeführerin sowie des Dritt- und Viertbeschwerdeführers steht aufgrund ihrer im Original vorgelegten irakischen Reisepässe fest. Die Identität des Zweitbeschwerdeführers konnte aufgrund der unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels nicht festgestellt werden. Seine irakische Staatsangehörigkeit ergibt sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften sowie gleichbleibenden Angaben.

Die Feststellungen hinsichtlich der Lebensumstände, der Herkunft, der Familienverhältnisse, der Schulbildung, der Berufserfahrung sowie der Konfession der Beschwerdeführer gründen sich auf deren diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren. Im Beschwerdeschriftsatz wird ausgeführt, dass es sich bei den Beschwerdeführern entgegen der getroffenen Feststellungen der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden nicht um sunnitische, sondern um schiitische Moslems handelt. Dies deckt sich auch mit den Angaben der Beschwerdeführer in ihren vorangegangenen Verfahren vor dem BFA.

Dass die Mietwohnung aufgegeben wurde und keine Ersparnisse vorhanden sind, ergibt sich aus der Aussage der Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer, insbesondere hinsichtlich der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Zweit- und Drittbeschwerdeführers, ergeben sich aus deren glaubhaften Angaben im Verfahren sowie einem Konvolut an in Vorlage gebrachten medizinischen Unterlagen. Der Umstand, dass der Zweitbeschwerdeführer erwerbsfähig und insbesondere im Rahmen leichter körperlicher Arbeiten sowie sitzender Tätigkeiten eingesetzt werden kann, ergibt sich aus einem vorgelegten arbeitsmedizinischen Leistungsprofil der BBRZ Österreich (Beratungs- und Betreuungseinrichtung - Berufsdiagnostik Wien).

Die Feststellung, dass der Viertbeschwerdeführer aktuell eine Produktionsschule besucht, ergibt sich aus einem in Vorlage gebrachten Bestätigungsschreiben des "XXXX" vom 17.07.2019, seine vorangegangenen Schulbesuche aus in Vorlage gebrachten Schülerausweisen sowie Schulbesuchsbestätigungen einer neuen Mittelschule sowie einer Polytechnischen Schule / Fachmittelschule.

Der Umstand, dass die Beschwerdeführer in einem gemeinsamen Haushalt leben, ergibt sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister der Republik Österreich vom 13.12.2019. Die berufliche Tätigkeit des Zweit- und Drittbeschwerdeführers als Arbeiter in einem Gastronomiebetrieb vom 5. März bis zum 19. Juni 2019 ergibt sich aus einer Abfrage im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 13.12.2019, ebenso wie der Umstand, dass der Drittbeschwerdeführer nunmehr Arbeitslosengeld bezieht. Dieser Abfrage kann nicht entnommen werden, dass dieser seit dem 01.12.2019, wie von ihm in der Verhandlung ausgesagt, tatsächlich einer Erwerbstätigkeit als Taxifahrer nachgeht.

Die Feststellung, dass der Zweitbeschwerdeführer und die Erstbeschwerdeführerin ihren Lebensunterhalt über die staatliche Grundversorgung bestreiten, ergibt sich aus einer Abfrage in der Applikation "Betreuungsinformation (Grundversorgung) vom 13.12.2019.

Die Deutsch-Kenntnisse des Zweit- sowie Drittbeschwerdeführers auf A2-Niveau ergeben sich aus diesbezüglich in Vorlage gebrachten ÖSD-Zertifikaten. Der Umstand, dass die Beschwerdeführer in Österreich diverse weitere Sprach- sowie Integrationskurse besucht haben, ergibt sich aus diesbezüglich in Vorlage gebrachten Bestätigungsschreiben. Dass der Viertbeschwerdeführer sehr gut Deutsch spricht, ergibt sich aus dem persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführer ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 13.12.2019.

2.3. Zu den Gründen für die Aberkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten hinsichtlich der Beschwerdeführer:

Zunächst ist festzuhalten, dass, soweit der Zweitbeschwerdeführer behauptet, im Falle seiner Rückkehr in den Irak aufgrund seiner Tätigkeit für eine Menschenrechtsorganisation festgenommen oder getötet zu werden, dieses Vorbringen bereits im Rahmen seines rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens geprüft und eine Verfolgung ausgeschlossen wurde. In der mündlichen Verhandlung am 28.11.2019 zeigte sich ebenfalls, dass dieses Vorbringen nicht glaubhaft ist. Zunächst fällt auf, dass die Erstbeschwerdeführerin überhaupt nicht in der Lage war, Aussagen über die Organisation und die Tätigkeit ihres Mannes zu tätigen; nun mag es zwar einem gewissen Rollenverständnis geschuldet sein, dass Männer im Irak ihre Ehefrauen nicht im in Europa üblichen Umfang informieren, das völlig fehlende Wissen der Erstbeschwerdeführerin, das sich im folgenden Auszug aus der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2019 zeigt, erscheint dennoch überraschend:

"RI: Was hat Ihr Ehemann in Bagdad gearbeitet?

BF1: Er hat für die Menschenrechte gearbeitet.

RI: War das seine Haupttätigkeit?

BF1: Er war selbstständig. Aber ich kenne seine Arbeit nicht ganz genau. Er hat für uns gesorgt und das war es. Aber er hat für die Menschenrechte gearbeitet.

RI: Womit hat Ihr Mann sein Geld verdient?

BF1: Das weiß ich nicht. Er hat für uns eingekauft. Sowas weiß ich nicht ganz genau.

RI: Sie wissen nicht, welchen Beruf Ihr Mann ausgeübt hat?

BF1: Er bekam eine Pension.

RI: Bei welcher Menschenrechtsorganisation hat Ihr Mann gearbeitet?

BF1: Einer, die im Irak ist. Ich weiß nicht, wie diese heißt. Ich habe mich nicht in seine Arbeit eingemischt. Ich habe mich um die Kinder gekümmert und gekocht.

RI: Wissen Sie, welche Aufgabe Ihr Mann hatte bei dieser Organisation?

BF1: Ich habe mich in seine Arbeit nicht eingemischt, das weiß ich nicht ganz genau. Ich war die ganze Zeit mit den Kindern zu Hause.

RI: Wieviele Stunden in der Woche hat Ihr Mann dort gearbeitet?

BF1: Er ging morgens aus dem Haus und kam am späten Nachmittag nach Hause."

Auch die Angaben des Zweitbeschwerdeführers dazu waren nicht stringent und plausibel. Während seine Frau erklärt hatte, er sei den ganzen Tag berufstätig gewesen, meinte der Zweitbeschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung, er habe unregelmäßig für die Menschenrechtsorganisation gearbeitet, etwa zehn Stunden in der Woche. Er konnte (abgesehen vom Namen der Organisation und dem Namen des Leiters, die sich im Internet auf Facebook finden lassen; der Zweitbeschwerdeführer verwies in der Verhandlung darauf) auch keine konkreten Angaben zur Menschenrechtsorganisation machen, so wusste er etwa nicht, ob sie an ein Ministerium angegliedert war oder nicht. Auch die Schilderung, wie er Korruption in den Ministerien aufdeckte, blieb vage und ungenau, wie der folgende Auszug aus der Verhandlungsniederschrift zeigt:

"RI: Was waren Ihre Aufgaben in dieser Organisation?

BF2: Ich war zuständig für das Gesundheitsministerium. Ich habe die Krankenhäuser und die Deals und die Korruption kontrolliert.

RI: Wie haben Sie das gemacht?

BF2: Was meinen Sie damit genau?

RI wiederholt die Frage.

BF2: Ich hatte Freunde in diesem Krankenhaus, in diesem Ministerium. Es gab auch gute Personen, die in diesen Stellen arbeiteten. Es gibt korrupte Personen, aber es gibt auch gute Personen.

RI: Was hat Sie für diese Aufgabe qualifiziert? Sind Sie Experte im Gesundheitswesen? Wie kamen Sie zu dieser Aufgabe?

BF2: Ich hatte keine Qualifikation im Bereich der Gesundheit, aber wo man Informationen bekommen kann, kann man arbeiten.

RI: Von wem bekommt man Informationen?

BF2: Man kann Informationen vom Briefträger bekommen.

RI: Sie haben Ihre Berichte geschrieben mit Infos des Briefträgers?

BF2: Das war ein Beispiel. Ab und zu kam ein Angestellter, ab und zu kam ein Arzt oder ein Krankenpfleger."

Besonders fällt auch auf, dass der Zweitbeschwerdeführer nicht in der Lage war anzugeben, ob die von ihm verfassten Berichte über Korruptionsfälle im Gesundheitsministerium veröffentlicht wurden oder nicht. Zusammengefasst kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, dass der Zweitbeschwerdeführer nicht für eine Menschenrechtsorganisation tätig war und ihm daraus keine Gefahr droht.

Was die Befürchtung des Zweitbeschwerdeführers anbelangt, im Irak der Gefahr einer Strafverfolgung aufgrund seiner angeblich illegalen Ausreise ausgesetzt zu sein - wobei der Beschwerdeschriftsatz hierbei auf diesbezügliche Strafbestimmungen im irakischen Passgesetz sowie Strafgesetz verweist - so ist für das Bundesverwaltungsgericht zunächst nicht ersichtlich, inwieweit er überhaupt einen der genannten Straftatbestände erfüllt habe. Er ist auf dem Luftweg direkt nach Wien-Schwechat eingereist, und hat somit den Irak weder "über andere Stellen als die offiziellen Grenzübergänge" verlassen oder ist über solche Stellen in den Irak eingereist (was einen Straftatbestand nach dem irakischen Passgesetz aus 2015 darstellt: vgl. https://www.refworld.org/pdfid/5ae335e94.pdf; Zugriff am 13.12.2019). Auch ist dem Akt zu entnehmen, dass der Zweitbeschwerdeführer unter Verwendung seines Reisepasses nach Österreich geflogen ist - lediglich bei dem französischen Visum habe es sich um eine Fälschung gehandelt - und ist sein Vorbringen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.11.2019, wo er zunächst ausführte, ohne Reisepass auf dem Luftweg ausgereist zu sein, in weiterer Folge jedoch davon wiederum abweichend angab, mit einem fremden Reisepass die Flughafenkontrollen passiert zu haben, wobei das ausgestellte Flugticket sehr wohl auf seinen eigenen Namen gelautet habe, nicht glaubhaft und lebensnah. Offen bleibt auch, wie die irakischen Behörden davon Kenntnis erlangt haben sollten.

Zusammengefasst kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass der Zweitbeschwerdeführer keiner besonderen individuellen Bedrohung ausgesetzt ist.

Soweit in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.11.2019 seitens des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer vorgebracht wurde, die Beschwerdeführer würden in Bagdad über keine Unterkunft verfügen und sei der Zugang zum Arbeitsmarkt für den Zweitbeschwerdeführer angesichts seines Gesundheitszustandes und seiner früheren Tätigkeit für eine Menschenrechtsorganisation erschwert, sodass die Beschwerdeführer im Fall ihrer Rückkehr in eine aussichtlose Lage geraten würden, so ist einerseits auf das umfangreiche sowie intakte familiäre Netzwerk der Beschwerdeführer in Bagdad zu verweisen, welches die Erstbeschwerdeführerin sowie den Dritt- und Viertbeschwerdeführer bereits sozial und wirtschaftlich unterstützt hat, als der Zweitbeschwerdeführer zunächst alleine nach Österreich ausgereist ist, und andererseits auf den Umstand, dass der Zweitbeschwerdeführer bereits vor seiner Ausreise laut eigenen Angaben seinen Lebensunterhalt einerseits durch den Bezug einer Pension, andererseits durch selbstständige Textil-Importgeschäfte aus der Türkei bestritt, sodass seitens des Bundesverwaltungsgerichtes nicht nachvollzogen werden kann, inwieweit einer derart gelagerten Tätigkeit sein Gesundheitszustand oder sein (im Übrigen nicht glaubhaftes) früheres Engagement bei einer Menschenrechtsorganisation entgegenstehen würde. Es wird nicht verkannt, dass die frühere Mietwohnung nicht mehr zur Verfügung steht und auch keine Ersparnisse mehr vorhanden sind, doch reicht dies angesichts des familiären Netzwerkes nicht aus, um eine Notlage auszulösen. Es wird vom Bundesverwaltungsgericht nicht verkannt, dass die Erstbeschwerdeführerin in der Verhandlung angab, dass sie zwar in der Vergangenheit von ihrer Familie unterstützt worden sei, aber in Zukunft nicht damit zu rechnen sei, da sich die Lage verschlechtert habe und jeder woanders hingegangen sei. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass sie zugleich bestätigte, dass ihre erwachsenen Kinder noch immer in Bagdad leben würden. Die erkennende Richterin geht davon aus, dass eine anfängliche Unterstützung durchaus gegeben wäre und dass es der Familie dann möglich wäre, sich selbst zu erhalten. Zudem könnte der Zweitbeschwerdeführer versuchen, seinen Anspruch auf eine Rente wieder geltend zu machen.

So hat der Zweitbeschwerdeführer seine Erwerbsfähigkeit im Verfahren selbst durch Vorlage eines arbeitsmedizinischen Leistungsprofils bescheinigt und ging er auch in Österreich - wenngleich nur kurzzeitig - einer Beschäftigung als Arbeiter in einem Gastronomiebetrieb nach. Überdies befindet sich auch der Drittbeschwerdeführer in einem erwerbsfähigen Alter und leidet an keiner maßgeblichen Gesundheitsbeeinträchtigung. Vom Bundesverwaltungsgericht wird nicht verkannt, dass die Arbeitsmarktsituation im Irak, wie von den Beschwerdeführern in der mündlichen Verhandlung geschildert, aktuell sehr schwierig ist und dass die wirtschaftliche Perspektive der Beschwerdeführer schwierig wäre. Dass sie allerdings tatsächlich Hunger leiden und eine unmenschliche Existenz führen müssten, ist aufgrund des familiären Netzwerkes und der prinzipiellen Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführer nicht anzunehmen.

Zu prüfen ist aber noch die Sicherheitslage, welche der Grund für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten an den Zweitbeschwerdeführer mit Bescheid der belangten Behörde vom 12.02.2016 war. Wie dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak vom 08.04.2016 zu entnehmen ist, war Bagdad - die Heimatstadt der Beschwerdeführer - zu diesem Zeitpunkt fast täglich Schauplatz von Anschlägen und Gewaltakten. Im Jahr 2015 gab es in der Region Bagdad 3.736 Personen aus der Zivilbevölkerung, die durch Gewalt um Leben kamen. Auch in den ersten beiden Monaten des Jahres 2016 wurden in Bagdad zumindest 576 Zivilisten getötet.

Auch zum Zeitpunkt der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung des Zweitbeschwerdeführers als subsidiär Schutzberechtigter am 11.02.2017 (sowie der erstmaligen Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten an die Erstbeschwerdeführerin und den Dritt- und Viertbeschwerdeführer am 12.04.2017) stellte sich die Sicherheitslage in Bagdad noch immer als äußerst prekär dar.

Dem stellte die belangte Behörde die zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung aktuelle Sicherheitssituation gegenüber. Dem aktuellen Länderinformationsblatt ist zu entnehmen, dass seit 2016 das Ausmaß der Gewalt in Bagdad allmählich zurückgegangen. In den ersten beiden Monaten des Jahres 2019 gab es 20 Tote (während in diesem Zeitraum 2016 576 Zivilisten um ihr Leben gekommen sind). Auch wenn der IS versucht, seine Unterstützerzone im Gürtel rund um Bagdad wiederaufzubauen, so bleibt er doch erstens außerhalb der Stadt selbst und kam es wochenweise zu keinerlei terroristischen Aktivitäten. Auch EASO bestätigt in der Country Guidance vom Juni 2019, dass gewalttätige Zwischenfälle seit 2017 in Bagdad zurückgegangen sind und die Stadt unter staatlicher Kontrolle ist. UNHCR spricht ebenfalls davon, dass sich die Sicherheitssituation in Bagdad stabilisiert habe (UNHCR, International Protection Considerations with Regard to people Fleeing the Republic of Iraq, Mai 2019).

Aus Sicht der belangten Behörde kam es daher zu einer eindeutigen Verbesserung der Sicherheitslage in der Hauptstadt; das Bundesverwaltungsgericht teilt diese Ansicht, soweit die Sachlage im Mai 2019 betroffen war. Diese Lageänderung war allerdings nicht dauerhaft. Auch wenn die Konflikte mit dem IS und die Auseinandersetzungen zwischen sunnitischen und schiitischen Bevölkerungsgruppen nur mehr in geringerem Umfang Todesopfer fordern und das damit verbundene Ausmaß an Gewalt zurückgegangen ist, hat sich die im Oktober 2019 in Bagdad entstandene Protestbewegung derart ausgeweitet bzw. waren die Reaktionen der Sicherheitsbehörden derart repressiv und gewalttätig, dass es zu einer massiven Krise in der Politik, aber auch zu einer instabilen Sicherheitssituation geführt hat, die in den letzten Monaten Hunderte Tote und Zehntausende Verletzte gefordert hat. Auch eine politische Lösung ist trotz des Rücktritts des früheren Premierministers nicht in Sicht und bleibt auch abzuwarten, wie der Iran auf die zunehmende Kritik an seiner Rolle im Irak reagiert.

Zusammengefasst war daher im Mai 2019 von einer entscheidungswesentlichen Verbesserung der Sicherheitslage in Bagdad auszugehen, doch war diese nicht dauerhaft und kann bei einem Vergleich der Situation in den Jahren 2016 und 2017 mit der aktuellen Situation nicht von einer wesentlichen und andauernden Änderung der Umstände gesprochen werden. Die Gefahr, dass die Beschwerdeführer im Fall ihrer Rückkehr nach Bagdad mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder einer ernsthaften Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt sind, besteht aktuell wieder.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Viertbeschwerdeführer minderjährig und damit besonders vulnerabel ist (vgl. etwa VwGH, 19.06.2019, Ra 2019/18/0084 bis 0093; VwGH, 13.12.2018, Ra 2018/18/0336 bis 0341): Diese besondere Vulnerabilität ist bei der Beurteilung, ob bei einer Rückkehr in die Heimat eine Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte droht, im Speziellen zu berücksichtigen. Kinder sind als Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre in überproportionaler Weise von der schwierigen humanitären Lage in den Krisengebieten des Irak betroffen (VfGH, 23.09.2019, E512-517/2019 und VfGH, 25.09.2018, E 1764-1771). Auch unter diesem Blickwinkel ist zum aktuellen Zeitpunkt die Aberkennung des Status subsidiär Schutzberechtigter nicht gerechtfertigt.

2.4. Zu den Länderfeststellungen

Unter Punkt 2.3. wurde zur Beurteilung der Sicherheitslage in Bagdad zu den unterschiedlichen Zeitpunkten der BFA-Entscheidungen auf die verschiedenen Länderinformationsblätter der Staatendokumentation zurückgegriffen. Die Beschwerdeführer traten den Quellen und deren Kernaussagen im Beschwerdeverfahren auch nicht substantiiert entgegen. Vielmehr wird im Beschwerdeschriftsatz selbst aus Passagen des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zum Irak zitiert. In der mündlichen Verhandlung wurden auch die oben erwähnten Empfehlungen von EASO und UNHCR thematisiert, denen nicht substantiiert entgegengetreten wurde.

Zur aktuellen Lage im Irak (siehe dazu Punkt 1.3.) wurde auf verschiedene Medienberichte zurückgegriffen, da sich keine tagesaktuellen Berichte anerkannter Organisationen finden ließen. Es wurde diesbezüglich auf eine Vielfalt seriöser Medien zurückgegriffen, die alle im Wesentlichen das gleiche Bild zeichnen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gesetzliche Bestimmungen

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der §§ 8, 9 AsylG 2005 lauten (auszugsweise) wie folgt:

"Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

...

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

..."

"Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.

(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen."

3.2. Zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide)

Vorauszuschicken ist, dass sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausdrücklich auf den Aberkennungstatbestand nach § 9 Abs. 1 AsylG 2005 bezog. Die Frage, ob die Aberkennung des Schutzstatus auf den ersten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, dem zufolge die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten "nicht vorliegen", oder auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, dem zufolge die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten "nicht mehr vorliegen", gestützt wurde, ist anhand der konkretisierenden Ausführungen in der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung des BFA zu beantworten, wonach die Aberkennung erfolgt, weil "die Gründe, die zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, nicht mehr vorliegen

[...]".

Im zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, in dem die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen, wird auf eine Änderung der Umstände abgestellt, die so wesentlich und nicht nur vorübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

Im vorliegenden Fall wurde den Beschwerdeführern der Status von subsidiär Schutzberechtigten aufgrund der in den Jahren 2016 und 2017 vorherrschenden prekären Sicherheitslage in Bagdad - welches zu den relevanten Zeitpunkten annähernd täglich Schauplatz von Anschlägen und Gewaltakten war - zuerkannt, wobei sich die belangte Behörde hierbei auf die jeweils aktuell gültigen Länderfeststellungen zum Irak gestützt hat. Zur Zeit der Erlassung der gegenständlich angefochtenen Bescheide hatten sich die Umstände in Bagdad verändert. Die Sicherheitslage in Bagdad gestaltete sich - insbesondere im Vergleich mit der Situation in den Jahren 2016 und 2017 - im Wesentlichen stabil und war durch eine geringere Anzahl ziviler Opfer gekennzeichnet. Soweit der Zweitbeschwerdeführer geltend macht, dass er und seine Familie aufgrund seiner Tätigkeit für eine Menschenrechtsorganisation besonders gefährdet seien, ist das Vorbringen nicht glaubhaft. Zudem verfügen sie über ein umfangreiches sowie intaktes familiäres Netzwerk in Bagdad, welches die Erstbeschwerdeführerin sowie den Dritt- und Viertbeschwerdeführer bereits nach der Ausreise des Zweitbeschwerdeführers wirtschaftlich und sozial unterstützt hat, und sind auch die Beschwerdeführer selbst - wenngleich im Falle des Zweitbeschwerdeführers mit gewissen Einschränkungen - erwerbsfähig und leidet keiner von ihnen an einer lebensbedrohlichen Gesundheitsbeeinträchtigung.

Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht nach der jetzigen Sachlage zu entscheiden (VwGH, 14.12.2016, Ro 2016/19/0005) und hat sich die Situation in Bagdad inzwischen wieder massiv verschlechtert. Wie unter Punkt 1.3. ausgeführt wurde, protestieren Teile der Bevölkerung seit Anfang Oktober gegen Misswirtschaft und hohe Arbeitslosigkeit, Korruption und die Nähe der politischen Elite zum Iran. Es gab inzwischen mehr als 400 Tote und mehr als 20.000 Verletzte. Insbesondere ist nicht auszuschließen, dass sich die politische Krise verschärft und es auch zu offenen Konfrontationen zwischen den Milizen kommt, die auf unterschiedlichen Seiten stehen. Auch ohne ein eigenes Engagement bei der Protestbewegung kann nicht ausgeschlossen werden, dass man als Zivilperson in die Krisensituation hineingezogen wird und einen Schaden an Leib und Leben davon trägt. Zum aktuellen Zeitpunkt kann daher - anders als noch im Mai 2019 - von keiner grundlegenden Veränderung im Herkunftsstaat seit Gewährung des subsidiären Schutzes ausgegangen werden, da die Sicherheitssituation (wieder) sehr schlecht und volatil ist.

Die Annahme einer grundlegenden politischen Veränderung im Herkunftsstaat setzt eine gewisse Konsolidierung der Verhältnisse voraus, für deren Beurteilung es in der Regel eines längeren Beobachtungszeitraumes bedarf (vgl. zu § 7 AsylG 1997 etwa VwGH 16.02.2006, 2006/19/0030, mwH).

In Anlehnung an Art. 16 der Statusrichtlinie bedarf es hier (§ 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005) einer grundlegenden und dauerhaften Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland des Fremden. So ist es keineswegs ausreichend, lediglich festzustellen, dass sich seit der ursprünglichen Antragstellung in Österreich die Gegebenheiten im Herkunftsstaat wesentlich gebessert haben und darauf basierend gegenwärtig keine reale Gefahr für den bislang subsidiär Schutzberechtigten besteht, im Falle seiner Abschiebung in dieses Land, Opfer einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder des 6. bzw. 13. ZPEMRK zu werden, respektive als Zivilperson ernsthaft am Leben oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bedroht zu sein. Um die Voraussetzungen der Aberkennung des Status des subsidiären Schutzes gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 objektiv zu erfüllen, muss eine entsprechende Nachhaltigkeit der positiven Veränderungen im Herkunftsland des Fremden gewährleistet sein. Dies erfordert im Regelfall eine längere Beobachtungsphase, anhand deren Verlaufs und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen sich das nachhaltige Ende der bisherigen Bedrohungssituation entsprechend verifizieren lässt (Schrefler-König/Gruber, Asylrecht, § 9 AsylG 2005, Anm. 11).

Im Vergleich zu den dem Erstbescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen ist eine dauerhafte und nachhaltige Änderung (Verbesserung) der Lage in Bagdad anhand der in dieser Entscheidung wiedergegebenen Medienberichte nicht erkennbar.

Gegenüber der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der rechtskräftigen Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter hat sich also keine Sachverhaltsänderung ergeben.

Eine grundlegende Änderung der persönlichen Situation der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat wurde vom BFA nicht dargetan und ergab sich eine solche auch nicht in der mündlichen Verhandlung.

Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 lagen sohin mangels wesentlicher und nachhaltiger Änderung der maßgeblichen Umstände gegenständlich nicht vor.

Da gegenständlich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Tatbestands im Sinn des § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegen, war eine darauf beruhende Aberkennung nicht zu prüfen (VwGH, 17.10.2019, Ro 2019/18/005).

Der Beschwerde war daher stattzugeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben. Den Beschwerdeführern kommt aufgrund der Behebung dieses Spruchpunktes weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug den Herkunftsstaat Hintergrund zu.

3.3. Zur Entziehung der befristeten Aufenthaltsberechtigungen (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide)

Die Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten ist gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden.

Da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aberkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten im vorliegenden Beschwerdefall nicht erfüllt sind (siehe dazu die Ausführungen unter Punkt A) 3.2.), ist Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide ebenfalls zu beheben.

3.4. Zur Abweisung der Verlängerungsanträge (Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide)

Zu den Voraussetzungen der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung und damit auch ihrer Dauer ergibt sich aus § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG 2005, dass die Verlängerung auf Antrag des Betroffenen und nach Maßgabe des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für den subsidiären Schutz zu erfolgen hat. Dies entspricht auch Art. 16 der Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 304), wonach ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser nicht mehr subsidiär Schutzberechtigter ist, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist (Abs. 1). Bei Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden (Abs. 2). Dieses Erforderlichkeitskalkül ist auch bei der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung und der Bestimmung ihrer Dauer anzulegen (VwGH 31.03.2010, 2007/01/1216).

Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Da die gesetzlichen Voraussetzungen für den Status von subsidiär Schutzberechtigten im vorliegenden Fall weiterhin gegeben sind, war den Anträgen der Beschwerdeführer vom 19.12.2018 auf Verlängerung ihrer bis zum 11.02.2019 befristet erteilten Aufenthaltsberechtigungen stattzugeben.

3.5. Zu den sonstigen Spruchpunkten der angefochtenen Bescheide

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass es sich bei den Aussprüchen, mit denen etwa der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt wird, sowie eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen wird, um voneinander rechtlich trennbare Aussprüche handelt. Demgemäß sind diese Aussprüche separat anfechtbar; sie können auch unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen. Es besteht zwischen diesen gemäß den maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 und des Fremdenpolizeigesetzes lediglich insofern ein rechtlicher Zusammenhang, als es für manche Aussprüche Tatbestandsvoraussetzung ist, dass bereits andere Aussprüche getätigt wurden und zudem manche Aussprüche miteinander zu verbinden sind, sodass im Fall der Aufhebung eines Spruches ein darauf rechtlich aufbauender Ausspruch seine Grundlage verlieren kann (vgl. VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047; 28.01.2015, Ra 2014/20/0121; 08.09.2015 Ra 2015/18/0134, je mwN). Nach Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichtes gilt dasselbe im Verhältnis zwischen der Aberkennung eines (subsidiären) Schutzstatus und einer damit verbundenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme.

Da den Beschwerdeführern mit diesem Erkenntnis in Folge der Behebung von Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukommt, verlieren die übrigen von der belangten Behörde getroffenen Aussprüche (Spruchpunkt IV. bis VII.) ihre rechtliche Grundlage, weshalb diese (ebenfalls) ersatzlos aufzuheben sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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