TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/9 I405 1302592-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.01.2020
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Entscheidungsdatum

09.01.2020

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §56
AsylG 2005 §58
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AsylG 2005 §58 Abs6
AsylG 2005 §58 Abs8
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z2
AsylG-DV 2005 §4 Abs2
AsylG-DV 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I405 1302592-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch RA Mag. Dr. Vera M. WELD, Weihburggasse 4/40, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 24.03.2016, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.12.2019, zu Recht erkannt:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 VwGVG idgF behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Nigerias, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 30.11.2005 einen Asylantrag.

2. Mit Bescheid vom 09.06.2006, Zl. XXXX, wies das Bundesasylamt diesen Antrag des BF gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) ab und wies den BF gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria aus.

3. Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 01.05.2011, Zl. XXXX, als unbegründet abgewiesen.

4. Am 18.02.2015 stellte der BF gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gem. § 56 AsylG 2005.

5. Mit angefochtenem Bescheid vom 24.03.2016, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des BF vom 18.02.2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG als unzulässig zurück.

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht durch seine rechtsfreundliche Vertretung erhobene Beschwerde des BF vom 19.04.2016.

7. Mit Schriftsatz vom 25.04.2016, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 28.04.2016, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

8. Am 11.12.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, zu welcher die rechtsfreundliche Vertretung des BF erschien. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde ein Mängelheilungsantrag gemäß § 4 AsylG-DV gestellt sowie der ursprünglich gestellte Antrag gemäß § 56 AsylG modifiziert, zumal ein Antrag gemäß 55 AsylG angemessener erscheine.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Er ist ledig und hat keine Sorgepflichten. Seine Identität steht nicht fest.

Der BF reiste illegal aus Nigeria nach Österreich und hält er sich seit (mindestens) 30.11.2005 im Bundesgebiet auf.

Der BF hat keine Verwandten in Österreich. Er verfügt allerdings zum Entscheidungszeitpunkt über einen großen Bekannten- und Freundeskreis.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig sowie arbeitswillig. Er verkauft in Österreich seit dem Jahr 2007 eine Straßenzeitung, wodurch er monatlich durchschnittlich € 300,- bis 400,- ins Verdienen bringt. Er ist bei der Österreichischen Sozialversicherung sozialversichert.

Der BF hat die Deutschprüfung auf dem Niveau A2 abgelegt sowie eine Ausbildung zum Staplerfahrer absolviert. Er hat in Österreich auch den B-Führerschein gemacht. Des Weiteren ist er Mitglied in einer Freikirche.

Der BF ist in Österreich nicht vorbestraft.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz, in den Eingaben im Beschwerdeverfahren sowie durch Erörterung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 11.12.2019.

2.2. Zur Person des BF:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Herkunft, seiner Glaubenszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit und Gesundheit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des BF vor der belangten Behörde und vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Da der BF den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellung zur Integration des BF beruht auf den vorgelegten Unterlagen: So konnte aufgrund der Bestätigung der Straßenzeitung "Eibisch-Zuckerl" festgestellt werden, dass der BF durch den Zeitungsverkauf ein Einkommen zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes erzielt. Dass der BF Kirchenmitglied ist und einen großen Freundes- und Bekanntenkreis hat, geht aus den glaubhaften Angaben des BF sowie dem Schreiben vom 23.11.2019 der Ichthys Gemeinde Wiener Neustadt hervor.

Dass der BF die Sprachprüfung auf Niveau A2 bestanden hat, wird durch das Sprachzertifikat-Deutsch des ÖIF vom 10.09.2011 belegt. Die Feststellung zum Besuch einer Ausbildung zum Staplerfahrer sowie zum B-Führerschein ergeben sich aus der Bestätigung der Live and Learn GmbH vom 16.06.2013 sowie der Kopie seines Führerscheines.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

Die Feststellung, dass er keine Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus einem aktuell abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht im Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 11 VwGVG sind, soweit in diesem und im vorangehenden Abschnitt nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren nach diesem Abschnitt jene Verfahrensvorschriften anzuwenden, die die Behörde in einem Verfahren anzuwenden hat, das der Beschwerde beim Verwaltungsgericht vorangeht.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in den dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 idgF ist das AsylG 2005 am 01.01.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG, des VwGVG und jene im AsylG 2005 enthaltenen sowie die materiellen Bestimmungen des AsylG 2005 idgF samt jenen Normen, auf welche das AsylG 2005 verweist, anzuwenden.

Letzteres insofern in der geltenden Fassung, als der Beschwerdeführer den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 Abs. 1 AsylG 2005 am 18.02.2015 gestellt hat.

Zu Spruchpunkt A.

Gemäß 28 Abs.1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß Abs. 5 leg.cit. sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs darf ein Verwaltungsgericht auf Grund einer gegen eine Zurückweisung erhobenen Beschwerde nur über die Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheides, nicht hingegen über den Antrag selbst entscheiden. (vgl. dazu etwa VwGH 12.10.2015, Zl. Ra 2015/22/0115, mit Verweis auf VwGH 29.04.2015, Zl. 2013/08/013627.01.2010).

"Sache" im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG und demnach Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht ist im vorliegenden Fall die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gem. § 56 AsylG 2005 vom 18.02.2015 durch das BFA (vgl. VwGH 12.10.2015, Zl. Ra 2015/22/0115, mit Verweis auf VwGH 18.12.2014, Zl. Ra 2014/07/0002, 0003; VwGH 23.06.2015, Zl. Ra 2015/22/0040; VwGH 16.09.2015, Zl. Ra 2015/22/0082 bis 0084).

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen

§ 56. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls

1. zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,

2. davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist und

3. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird.

(2) Liegen nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

(3) Die Behörde hat den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.

§ 58 AsylG 2005 lautet auszugsweise:

[...]

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt

[...]

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

[...]

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

[...]

(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten.

§ 8 AsylG-DV lautet auszugsweise:

Urkunden und Nachweise für Aufenthaltstitel

§ 8. (1) Folgende Urkunden und Nachweise sind - unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den Abs. 2 und 3 - im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 3) beizubringen oder dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 3) anzuschließen:

1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG);

2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument;

3. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5;

4. erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschaftsurkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde.

(2) Zusätzlich zu den in Abs. 1 genannten Urkunden und Nachweisen sind dem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG 2005 weitere Urkunden und Nachweise anzuschließen:

1. Nachweis des Rechtsanspruchs auf eine ortsübliche Unterkunft, insbesondere Miet- oder Untermietverträge, bestandsrechtliche Vorverträge oder Eigentumsnachweise;

2. Nachweis über einen in Österreich leistungspflichtigen und alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz, insbesondere durch eine entsprechende Versicherungspolizze, sofern kein Fall der gesetzlichen Pflichtversicherung bestehen wird oder besteht;

3. Nachweis des gesicherten Lebensunterhalts, insbesondere Lohnzettel, Lohnbestätigungen, Dienstverträge, arbeitsrechtliche Vorverträge, Bestätigungen über Pensions-, Renten- oder sonstige Versicherungsleistungen, Nachweise über das Investitionskapital, Nachweis eigenen Vermögens in ausreichender Höhe oder in den bundesgesetzlich vorgesehenen Fällen eine Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung.

[...]

§ 7 AsylG-DV lautet:

Form der Urkunden und Nachweise für Aufenthaltstitel

§ 7. (1) Die nach § 8 bei dem amtswegigen Verfahren oder der Antragstellung erforderlichen Urkunden und Nachweise sind der Behörde jeweils im Original und in Kopie vorzulegen.

(2) Die Behörde prüft die im amtswegigen Verfahren beizubringenden oder dem Antrag anzuschließenden vorgelegten Kopien auf ihre vollständige Übereinstimmung mit dem Original und bestätigt dies mit einem Vermerk auf der Kopie.

(3) Urkunden und Nachweise, die nicht in deutscher Sprache verfasst sind, sind auf Verlangen der Behörde zusätzlich in einer Übersetzung ins Deutsche vorzulegen.

(4) Urkunden und Nachweise sind auf Verlangen der Behörde nach den jeweils geltenden Vorschriften in beglaubigter Form vorzulegen.

§ 4 AsylG-DV lautet:

(1) Die Behörde kann auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen:

1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls,

2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder

3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(2) Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 1 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Nach dem Heilungstatbestand des § 4 Abs. 1 Z 2 der AsylG-DV 2005 "kann" die Behörde die Heilung eines Mangels (ua) nach § 8 der AsylG-DV 2005 (unterbliebene Vorlage der dort genannten Urkunden) "auf begründeten Antrag" des Drittstaatsangehörigen zulassen, wenn das zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 MRK erforderlich ist.

Da es im vorliegenden Fall dem Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Zurückweisungsentscheidung verwehrt ist, selbst in der Sache zu entscheiden, also zu befinden, ob dem BF ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist oder nicht, war letztlich nur zu beurteilen, der Bescheid des BFA aufzuheben war oder nicht - die Beurteilung dieser Frage ist an den nachfolgenden Normen zu messen:

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist - wie die zuständige Fremdenpolizeibehörde - auch der eine Ausweisung aussprechende AsylGH bzw. das Bundesasylamt stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art8 EMRK abzuwägen (vgl. VfGH 22.9.2008, B642/08).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.9.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567;

20.6.2002, Fall Al-Nashif, Appl. 50.963/99, ÖJZ 2003, 344;

22.4.1997, Fall X, Y und Z, Appl. 21.830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 2.8.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124;

11.10.2005, 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 11.4.2006, Fall Useinov, Appl. 61.292/00) für maßgeblich erachtet.

Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere der Durchführung der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Wie sich aus den Feststellungen ergibt, hält sich der BF seit seiner Asylantragstellung im November 2005, also seit mehr als 14 (!!) Jahren, unter anderem auf Grund eines nicht a priori als unberechtigt anzusehenden Asylverfahrens durchgehend in Österreich auf und geht er hier auch seit dem Jahr 2007 einer Beschäftigung, nämlich dem Verkauf von Straßenzeitungen, nach; hierdurch finanziert er auch seinen Lebensunterhalt. Seine berufliche Integration wird auch durch die Ausbildung des BF zum Staplerfahrer sowie den B-Führerschein untermauert.

Des Weiteren hat er sich auch um seine sprachliche Integration bemüht. So hat er mehrere Sprachkurse besucht und verfügt über ein A2-ÖIF-Zertifikat vom 10.09.2011. Auch in gesellschaftlicher Hinsicht hat der BF integrative Schritte gesetzt. Der unbescholtene BF hat sich im Laufe seiner Zeit in Österreich einen nicht unbeachtlichen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut und sich in einer Kirchengemeinschaft integriert. Somit besteht ein äußerst ausgeprägtes Privatleben des BF in Österreich.

Der BF hat zwar immer noch den größeren Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht, durch die jedoch vorliegenden Integrationsschritte und vor allem den Umstand, dass der BF sich bereits seit rund 14 Jahren im Bundesgeiet aufhält, Deutschkenntnisse sowie einen großen Freundeskreis erworben hat und einer Beschäftigung nachgeht, ist von einem ausgeprägten Privatleben des BF im Bundesgebiet auszugehen. Unzweifelhaft hat sich der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers nach Österreich verlagert. Den BF trifft an der Dauer des Verfahrens kein Verschulden. Die Zahl ausufernder Asylanträge und auch ein gewisser Mangel an (personeller) Ressourcen zeichnen für die bisherige Verfahrensdauer verantwortlich.

In diesem Sinne fällt die Interessensabwägung gemäß § 9 BFA-VG eindeutig zu Gunsten des BF aus.

Wie bereits oben ausgeführt, ist es im vorliegenden Fall dem Bundesverwaltungsgericht jedoch aufgrund der Zurückweisungsentscheidung der belangten Behörde verwehrt, selbst in der Sache zu entscheiden. Daher wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren über den nunmehr geänderten Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK (worüber der BF bereits vor der belangten Behörde gem. § 58 Abs. 6 AsylG zu belehren gewesen wäre, was jedoch unterblieben ist) sowie über den Mängelheilungsantrag des BF gem. § 4 Abs. 1 Z 2 der AsylG-DV 2005 zu entscheiden und dem BF letztlich einen Aufenthaltstitel gem. § 55 Abs. 1 zu erteilen haben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylverfahren, Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK,
Behebung der Entscheidung, ersatzlose Behebung, Integration,
Interessenabwägung, Kassation, Mängelbehebung, mündliche
Verhandlung, öffentliche Interessen, Privat- und Familienleben,
private Interessen, Selbsterhaltungsfähigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I405.1302592.2.00

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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