TE Vwgh Erkenntnis 1998/2/27 96/06/0090

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Veröffentlicht am 27.02.1998
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §32;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
BauO Stmk 1968 §62 Abs1;
BauO Stmk 1968 §70a Abs1 idF 1991/042;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde des A in G, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 29. März 1996 (richtig: 29. Februar 1996), Zl. A 17-C-10.459/1995-2, betreffend einen Beseitigungsauftrag gemäß § 70a Steiermärkische Bauordnung 1968, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Hauses H-Gasse 4, Grundstück Nr. 338, EZ. 251, KG I, in dem die Firma L ein Ladengeschäft betreibt.

Im Zuge amtlicher Erhebungen wurde seitens des Baupolizeiamtes des Magistrats Graz festgestellt, daß der erste Kellerraum rechts vom Stiegenabgang unter dem Geschäft L als Personalaufenthaltsraum genutzt wird und im hinteren Bereich der Kellerräume ein WC eingebaut wurde. Mit Bescheid vom 26. Mai 1995 des Magistrats der Landeshauptstadt Graz wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 70a der Steiermärkischen Bauordnung 1968 der Auftrag erteilt, die konsenswidrige Benützung des als Kellerraum konsentierten und nunmehr als Personalaufenthaltsraum verwendeten Raumes unter dem Geschäft L zu unterlassen. Weiters wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, das im hinteren Bereich der Kellerräume eingebaute WC zu entfernen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 7. Juni 1995 Berufung. Mit Schreiben vom 15. Jänner 1996 des Magistrats der Landeshauptstadt Graz, beim Beschwerdeführer eingelangt am 23. Jänner 1996, wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, daß für den als Personalaufenthaltsraum verwendeten Raum im Kellergeschoß lediglich eine Bewilligung als Kellerräumlichkeit vorliege und der Beschwerdeführer die Möglichkeit habe, hierzu binnen einer Woche ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben. Mit Schreiben vom 29. Jänner 1996 bat der Rechtsfreund des Beschwerdeführers um eine Fristerstreckung von acht Wochen zur Stellungnahme. Zur Begründung führte er aus, vor diesem Zeitpunkt die damit befaßten Personen nicht in tauglicher Weise kontaktieren zu können. Mit Schreiben vom 5. März 1996 wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde schließlich mitgeteilt, daß keine Verlängerung der Frist möglich sei.

Mit Bescheid des Gemeinderats der Landeshauptstadt Graz vom 29. Februar 1996, irrtümlich datiert mit 29. März 1996, eingegangen beim Beschwerdeführer am 11. März 1996, wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde erstattete unter gleichzeitiger Aktenvorlage eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 70a Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 ist bei Maßnahmen, die ohne die erforderliche Bewilligung ausgeführt werden, die Baueinstellung zu verfügen.

Erforderlichenfalls sind die Bauten oder Teile derselben zu schließen. Vorschriftswidrige Bauten, für die eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt wurde, sind zu beseitigen. Mündlich verkündete Verfügungen sind schriftlich auszufertigen. Der Wortlaut der Bestimmung geht auf die Novelle zur Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 42/1991, zurück. Durch die Verwendung des Begriffes "Maßnahmen" sollten den Erläuterungen zu dieser Novelle zufolge insbesondere auch solche Maßnahmen erfaßt werden, die in einer Änderung des Verwendungszwecks bestehen (vgl. die bei Hauer, Steiermärkisches Baurecht, 2. Aufl., 251 wiedergegebenen Erläuternden Bemerkungen).

Vorschriftswidrig ist jeder Bau, für den sowohl im Zeitpunkt seiner Errichtung als auch im Zeitpunkt der Auftragserteilung eine baubehördliche Bewilligung erforderlich war bzw. ist, eine solche aber nicht vorliegt.

Der Beschwerdeführer wendet in seiner Beschwerde ein, daß die Kellerräumlichkeiten bereits vorausgehend als Geschäftsräumlichkeiten konsensgemäß benutzt worden seien und die Nutzung im Rahmen des Wiederaufbaues behördlich genehmigt worden sei. Darüberhinaus müsse die Konsensmäßigkeit vermutet werden, da vor dem gegenständlichen Verfahren baubehördliche Beanstandungen wegen Konsenswidrigkeit nicht stattgefunden hätten. Demgegenüber hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, daß für den als Personalaufenthaltsraum verwendeten Raum im Kellergeschoß lediglich eine Bewilligung als Kellerräumlichkeit vorliege. Dies wurde seitens der belangten Behörde durch Einsichtnahme in die vollständig erhaltenen Archivakten des Hauses H-Gasse 4 festgestellt.

Für das Verfahren zur Erteilung des Abbruchauftrages genügt die Ermittlung, ob es sich beim ausgeführten Gebäude um einen vorschriftswidrigen Bau im Sinne des § 70a Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 handelt. Zu dieser Frage wurden von der belangten Behörde ausreichende Sachverhaltsfeststellungen durchgeführt. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers ist die belangte Behörde somit auf sein Vorbringen, es liege eine entsprechende Baugenehmigung vor, eingegangen. Weitere Nachforschungen waren seitens der belangten Behörde zur Ermittlung des Sachverhaltes nicht erforderlich. Der Beschwerdeführer übersieht, daß er trotz der Geltung des Grundsatzes der Amtswegigkeit im Ermittlungsverfahren als Partei verpflichtet ist, an der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes mitzuwirken und für seine Angaben auch Beweise anzubieten, soweit es sich um Sachverhalte handelt, die der Behörde ohne Zutun der Partei nicht bekannt werden können (vgl. hg. Erkenntnis vom 7. Februar 1990, Zl. 89/01/0155, und hg. Erkenntnis vom 24. November 1995, Zl. 92/17/0234). Das in der Beschwerde wiederholte Vorbringen, daß die Nutzung der Kellerräume "bereits im Rahmen des Wiederaufbaus behördlich genehmigt" worden sei und "sohin die Konsensmäßigkeit vermutet" werden müsse, ist unschlüssig, weil bei Vorliegen einer Bewilligung die Rechtsfigur des vermuteten Konsenses nicht herangezogen werden braucht.

Dieses Vorbringen war daher nicht geeignet, eine weitere Ermittlungspflicht der belangten Behörde auszulösen.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann auch durch eine Art konkludentes Verhalten der Bauaufsichtsbehörde weder die fehlende Baubewilligung ersetzt werden, noch das Recht und die Pflicht der Baubehörde zur Erlassung des Beseitigungsauftrages untergehen. Die Erlassung eines baupolizeilichen Beseitigungsauftrages ist vielmehr auch dann zulässig, wenn die Baumaßnahme bereits seit geraumer Zeit unbeanstandet existiert hätte. Die Vermutung des rechtmäßigen Bestandes einer Baumaßnahme kommt lediglich dann in Betracht, wenn auch bei ordnungsgemäß geführten Archiven die Wahrscheinlichkeit, noch entsprechende Unterlagen auffinden zu können, nicht mehr besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/05/0072, oder das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1994, Zl. 92/06/0249).

Weiterhin rügt der Beschwerdeführer die Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör. Hiezu trägt der Beschwerdeführer vor, daß sein Antrag vom 29. Jänner 1996 auf Fristerstreckung zur Stellungnahme mit Schreiben der belangten Behörde vom 5. März 1996 abgelehnt worden sei und ihm mit Zustellung des auf den 29. März 1996 datierten Berufungsbescheides am 11. März 1996 die Möglichkeit genommen worden sei, zur Mitteilung der belangten Behörde vom 15. Jänner 1996 Stellung zu nehmen. In diesem Zusammenhang führt der Beschwerdeführer auch aus, daß das Bescheiddatum wohl richtigerweise 29. Februar 1996 hätte lauten müssen. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, ab Zustellung der Mitteilung vom 5. März 1996 über die Nichtstattgebung des Fristerstreckungsantrages hätte ihm eine weitere Frist von einer Woche bis zum 12. März 1996 zur Stellungnahme gewährt werden müssen und die Abgabe dieser Stellungnahme sei durch die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 11. März 1996 vereitelt worden.

Auch mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Der Vorwurf der Verletzung des Parteiengehörs ist nicht berechtigt, da der Beschwerdeführer einerseits in der Berufung Gelegenheit zur Stellungnahme hatte, andererseits aber im Berufungsverfahren auch formell die Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hat. Darin, daß der Fristerstreckungsantrag des Beschwerdeführers formell abgewiesen wurde, liegt keine Verletzung des Parteiengehörs, da dem Beschwerdeführer faktisch eine weit längere als die ursprünglich mit einer Woche bemessene Frist eingeräumt wurde. In der Abfassung des Bescheides rund vier Wochen nach Ende der ursprünglich gesetzten Frist (Zustellung rund sechs Wochen nach Ende der Frist) kann keine Rechtswidrigkeit erblickt werden, auch wenn die Mitteilung über die Nichtverlängerung der Stellungnahmefrist nur rund eine Woche vor der Bescheidzustellung dem Beschwerdeführer zugegangen ist. Aus dem AVG ist keine Verpflichtung der Behörde zur Setzung einer Nachfrist im Falle der Ablehnung einer Fristerstreckung zu entnehmen. Von einer Überraschung des Beschwerdeführers durch die Annahme eines neuen Sachverhaltes und der Setzung einer unangemessen knappen Stellungsnahmefrist (zur Frage, ob für die gegenständlichen Maßnahmen eine Baubewilligung vorliegt) kann im Beschwerdefall keine Rede sein, zumal die belangte Behörde ihrer Entscheidung den gleichen Sachverhalt zugrunde gelegt hat wie die Behörde erster Instanz und dem Beschwerdeführer letztlich zwischen Mitteilung dieses Sachverhalts und Bescheiderlassung rund sechs Wochen zur Verfügung standen. Der Beschwerdeführer hat auch verabsäumt darzulegen, was er im Falle der Gewährung des seines Erachtens nach verletzten Parteiengehörs vorgebracht hätte und inwieweit der von ihm geltend gemachte Verfahrensmangel möglicherweise von Einfluß auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides gewesen sein könnte. Es ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Pflicht des Beschwerdeführers darzutun, inwiefern die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschrift zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juni 1997, Zl. 93/06/0180). Es ist nicht ersichtlich, in welcher Weise die belangte Behörde bei Einräumung einer weiteren Stellungnahmemöglichkeit zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Die belangte Behörde konnte daher - ohne daß diese Feststellung in einem mangelhaften Verfahren getroffen worden wäre - davon ausgehen, daß für die verfahrensgegenständliche Baumaßnahme keine Baubewilligung vorlag. Der Abbruchauftrag konnte daher zu Recht ergehen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6 Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996060090.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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