TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/27 W168 1429152-2

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Veröffentlicht am 27.01.2020
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Entscheidungsdatum

27.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W168 1429152-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.11.2019,

Zl. 820406708/191137138, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste im April 2012 unberechtigt und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 04.04.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei seiner Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Wien am selben Tag gab der BF an, er sei sunnitischer Moslem und gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an. Zu seinem Fluchtgrund führte der BF aus, dass sein Bruder mit den Taliban in Kontakt stehe und Waffentransporte organisiere. Auch der BF selbst hätte auf diese Weise die Taliban unterstützen sollen. Da er dies jedoch abgelehnt habe, sei dieser ihm gegenüber gewalttätig geworden. Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat würden ihn die Taliban und sein Bruder töten.

3. Am 23.08.2016 wurde der BF vom Bundesasylamt (in der Folge: BAA) einvernommen. Der BF gab an, dass er in der Betreuungsstelle lebe und vom Staat versorgt werde. Die Frage, ob er Mitglied in einem Verein, einer Moschee oder einer sonstigen Organisation sei oder österreichische Freunde habe, wurde vom BF verneint. Er sei gesund und benötige keine Medikamente oder Therapien. Der BF sei in Österreich auch nicht wegen strafbaren Handlungen verurteilt worden und verfüge über kein Eigentum.

Zu seinen Lebensumständen im Herkunftsstaat befragt, gab der BF zu Protokoll, dass er Analphabet sei und keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen könne. Er sei sunnitischer Paschtune, er hätte keine Schule besucht jedoch über einen längeren Zeitraum in einer Moschee Religionsunterricht bekommen. Sein Vater sei bereits verstorben und seine Mutter und seine beiden Brüder würden nach wie vor in der Provinz Kapisa in einem Haus von Verwandten seines Onkels wohnhaft sein. Neben zwei Onkeln habe der BF noch eine Tante in Afghanistan und er stehe mit diesen Angehörigen in unregelmäßigen Kontakt. Vor seiner Ausreise aus Afghanistan habe der BF mit seiner Mutter und seinen beiden Brüdern im Heimatdorf in Kapisa gewohnt. Befragt, wie seine Familie ihren Lebensunterhalt bestritten habe, antwortete der BF, dass sein Vater im Iran gearbeitet habe und ihnen Geld geschickt habe, bzw. dieser für die Familie ein Geschäft aufgebaut habe. Sie hätten ein gutes Leben gehabt. Er selbst habe seit seinem 13. Lebensjahr ein Geschäft geführt und auf Feldern gearbeitet. Auf Nachfrage, was er dort verkauft habe, antwortete der BF, dass sie Zucker und Tee verkauft hätten und die täglichen Einnahmen ungefähr 300,- Afghanis betragen hätten. Die Fragen, ob er im Heimatland Mitglied einer politischen Organisation, eines politischen Vereins oder Mitglied einer bewaffneten Gruppierung gewesen sei, wurden vom BF verneint. Er habe derzeit keinen Kontakt in seinen Herkunftsstaat, da die Netzverbindung nicht gut funktioniere. Zuletzt habe er vor ungefähr zwei Monaten mit seinem Onkel telefoniert.

Zum Fluchtgrund befragt, führte der BF aus, dass er bereits seit drei Jahren Probleme mit seinem Bruder gehabt habe, da dieser seine Ausbildung abgebrochen und sich den Taliban angeschlossen habe. Auch würden die Feinde seines Bruders bei einer Rückkehr Rache an ihm nehmen.

4. Mit Bescheid vom 20.08.2012, Zl. 12 04.067-BAT, wies das BAA den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen. (Spruchpunkt III.).

In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, dass die vom BF behauptete Furcht vor Verfolgung in Afghanistan nicht glaubhaft gewesen sei. Dies, da es unlogisch und nicht plausibel sei, dass er einerseits ausführe, dass die angegebenen "Feinde seines Bruders" auch hinter ihm her seien und ihn nunmehr aus Rache töten wollen. Andererseits könne er aber bezüglich jener Personen so gut wie keine Angaben machen. Auf die Frage, ob es zu konkreten Bedrohungen seitens der "Feinde seines Bruders" gekommen sei, habe er nur vage, allgemeine und ausweichende Antworten gegeben. Auch lebe die Familie des BF nach wie vor in Afghanistan und auch der BF selbst habe nach diesem Vorfall noch vier Monate in seinem Heimatdorf gelebt, ohne dass es zu konkreten Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen seitens dieser sogenannter "Feinde seines Bruders" gekommen sei. Bei der Schilderung seiner Fluchtgründe habe er einleitend unter anderem ausgeführt, dass er schon seit drei Jahren Probleme mit seinem Bruder habe, was jedoch in gravierendem Widerspruch zu seinen Angaben stehe, dass sein Bruder vor dreieinhalb Jahren nach Pakistan gegangen sei und sich dort zweieinhalb Jahre aufgehalten habe. Auffallend und nicht nachvollziehbar sei auch, dass er anlässlich seiner Erstbefragung überhaupt nichts von der Rache der "Feinde seines Bruders" erwähnt habe, sondern als Fluchtgrund lediglich ausgeführt habe, dass er die Zusammenarbeit mit den Taliban ablehne und sein Bruder deswegen ihm gegenüber Gewalt ausgeübt habe. Unlogisch und nicht plausibel seien auch die Angaben des BF über den Grundstücksverkauf gewesen. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des BF würden auch aufgrund der widersprüchlichen Angaben des BF betreffend seine familiären Verhältnisse bestehen. In Würdigung seiner bisherigen Ausführungen habe der BF der Behörde jedenfalls kein nachvollziehbares, gehaltvolles und glaubhaftes Fluchtvorbringen darlegen können. Es könne keine Gefährdung für die Person des BF im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan festgestellt werden.

5. Der BF erhob mittels seines nunmehrigen Rechtsvertreters am 06.09.2012 gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und führte aus, dass die Behörde den belangten Bescheid mit Ermittlungsfehlern belastet habe, da eine nähere Auseinandersetzung mit dem konkreten Vorbringen und der daraus erwachsenden Verfolgungssituation des BF in Afghanistan nicht erfolgt sei. Eine Prüfung und Bewertung der Frage eines tatsächlichen und effizienten Schutzes des BF im Heimatstaat finde im belangten Bescheid ebenfalls nicht statt. Dem BF seien im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme zwar Länderfeststellungen vorgehalten worden, allerdings sei dabei nicht auf das konkrete Vorbringen des BF Bezug genommen, sondern nur die allgemeine Lage und die Rückkehrsituation erörtert worden. Die belangte Behörde habe die Situation in Afghanistan nur mangelhaft erhoben und so das Verfahren mit Ermittlungsfehlern belastet. Die belangte Behörde habe die vorliegenden Länderberichte nur unzureichend zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des BF herangezogen. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Am 08.10.2014 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.11.2014, W169 1429152-1/7E, wurde die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen und der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II wurde stattgegeben und dem BF gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 13.11.2015 erteilt.

Begründend wurde im Erkenntnis ausgeführt, dass der BF aufgrund der Sicherheitslage in der Provinz Kapisa sowie in Ermangelung des Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan in eine ausweglose Lebenssituation geraten würde. Im Fall des BF würden sich aus den Feststellungen zur persönlichen Situation des BF vor dem Hintergrund der spezifischen Länderfeststellungen zu Afghanistan konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Hindernisses der Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat Afghanistan. Betreffend die Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere in der Provinz Kapisa sei mit Blick auf die individuelle Situation des BF zunächst auf die Länderfeststellungen zu verweisen, denen zufolge das Haqqani Netzwerk seine Präsenz insbesondere in der Provinz Kapisa ausgeweitet habe. Hinzu komme, dass der BF keinen Kontakt zu seiner im Heimatland verbliebenen Familie habe und eine Niederlassung des BF in Kabul oder einer anderen größeren Stadt ohne familiärer oder sozialer Anknüpfungspunkte nicht zumutbar sei, zumal der BF bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan in der Provinz Kapisa gelebt habe. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass der BF in einer größeren Stadt in Afghanistan ohne Familienanschluss oder soziales Netzwerk auf sich alleine gestellt in der Lage wäre, dort Fuß zu fassen und seine existenziellen Grundbedürfnisse zu decken, zumal er nicht von vornherein über die nötigen finanziellen Mittel für eine Ansiedelung in einer Stadt verfüge. Ausgehend davon sei zu erkennen, dass der BF im Falle seiner Abschiebung in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden.

7. Am 21.10.2015 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG.

8. Mit Bescheid des BFA vom 30.10.2015, Zl. 820406708/2038489, wurde dem BF die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 13.11.2017 erteilt.

9. Am 09.10.2017 stellte der BF erneut einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG.

10. Mit Bescheid des BFA vom 03.11.2017, Zl. 820406708/2038489/BMI-BFA_NOE_RD, wurde dem BF die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 13.11.2019 erteilt.

11. Am 27.09.2019 stellte der BF erneut einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG.

12. In einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 08.11.2019 führte der BF aus, dass er gesund sei und keine Medikamente einnehme. Er stehe nicht in ärztlicher Behandlung. Er gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an und sei Sunnit. Befragt, welche Ausbildungen und Kurse er bislang in Österreich absolviert habe, entgegnete der BF, dass er Deutsch auf dem Niveau A2 absolviert habe und die Prüfung positiv absolviert habe. Überdies habe er im Bundesgebiet bereits einen Wertekurs besucht. Zur Frage, welcher Arbeit er bislang nachgegangen sei, erklärte der BF, dass er bisher bei Leihfirmen und zuletzt auf einer Baustelle gearbeitet habe. Zurzeit habe er eine Zusage bei einer anderen Baufirma. Auf Vorhalt, dass er gemäß Sozialversicherungsauszug immer nur zwei bis drei Monate bei einer Firma gearbeitet habe, gab der BF zu Protokoll, dass es sich bei seinen Arbeitsstellen immer nur um Leihfirmen gehandelt habe. Zum weiteren Vorhalt, wieso er sich nicht um eine Fixanstellung bemühe, entgegnete der BF, dass seine Tätigkeiten im Laufe der Zeit weniger geworden seien. Die Fragen, ob er in Österreich Verwandte oder private Bindungen habe, wurde vom BF verneint. Derzeit beziehe er Leistungen vom AMS, wolle jedoch in Zukunft einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Auf Aufforderung, anzugeben, wie er zu den Taliban stehe, entgegnete der BF, dass er nicht dieselbe Meinung wie diese Gruppierung habe. Zur Frage, wie seine Mutter dazu stehe, dass er sich in Österreich aufhalte, brachte der BF vor, dass diese zufrieden sei, da sie wisse, dass die Lage in Afghanistan schlecht sei. Nachgefragt, welche Angehörigen sich noch in Afghanistan aufhalten würden, erwiderte der BF, dass seine Mutter, sein jüngerer Bruder und zwei Onkeln sowie zwei Tanten im Heimatland aufhältig seien. Befragt, ob er zuvor bereits nach Pakistan geflogen sei, um dort seine Familie zu treffen, gab der BF an, dass er im Jahr 2016 seine Familie im Iran besucht habe und dass es ihnen dort gut gehe. Mit seinen Angehörigen stehe er derzeit ungefähr einmal im Monat in telefonischen Kontakt. Auf die Frage, was die aktuellen Gründe seien, die einer Rückkehr nach Afghanistan entgegenstehen würden, gab der BF an, dass derzeit Krieg vorherrsche und die Mafia überall präsent sei. Zum Vorhalt, was einer Rückkehr nach Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat entgegenstehen würde, erklärte der BF, dass seine Familie in Kabul keine Besitztümer habe und er nur in seinem Dorf keine Miete zahlen müsste.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurde vom BF ein ÖSD Zertifikat auf dem Niveau A2 und eine Teilnahmebestätigung über die Absolvierung am Werte-und Orientierungskurs am 09.06.2017 in Vorlage gebracht.

Aus einem eingeholten Auszug im Rahmen des Auskunftsverfahrens geht hervor, dass der BF seit dem 29.10.2019 Arbeitslosengeld bezieht.

Am 02.02.2017 wurde dem BFA die Rechnung eines Fluges nach Teheran (hin-und retour) vom 09.11.2016-01.02.2017 übermittelt.

In einem Aktenvermerk des BFA vom 08.11.2019 wurde festgehalten, dass infolge geänderter persönlicher Umstände die Voraussetzungen für die Zuerkennung nicht mehr vorliegen würden.

13. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11.11.2019, Zl. 820406708/191137138, wurde dem BF der zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG), von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und der Antrag vom 27.09.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde abgewiesen. (Spruchpunkt II.) Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen wird (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt wird, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters wurde festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde zusammenfassend insbesondere ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht vorliegen würden. Zwar sei den aktuellen Länderinformationen der Staatendokumentation vom 29.06.2018 die Herkunftsprovinz (Kapisa) nach wie vor als nicht ausreichend stabil zu bewerten, sei ihm jedoch sehr wohl eine Neuansiedelung in den Städten Mazar e-Sharif und Herat zuzumuten. Dies aus folgenden Gründen. Bei dem Beschwerdeführer würde es sich um einen jungen gesunder Mann handeln der sich im erwerbsfähigen Alter befinden würde. Der BF verfüge über Schulbildung, habe nunmehr bereits Arbeitserfahrung gesammelt und darüber hinaus an Bildung dazugewonnen. Aus diesen Gründen sei festzustellen, dass er im Falle der Rückkehr für seine Existenzsicherung aufkommen könnte. Auch ein fehlender sozialer bzw. familiärer Background bzw. fehlende Unterstützung in den Städten Mazar e-Sharif oder Herat führe freilich nicht zu einer Unzumutbarkeit einer Neuansiedelung in diesen Städten, umso mehr er als erwachsener, arbeitsfähiger und gesunder Mann seinen Lebensunterhalt in eigener Regie organisieren, bewerkstelligen und dabei im Bedarfsfall auch auf diverse Unterstützungsnetzwerke zurückgreifen könnte. Insbesondere führte die Behörde aus, dass nunmehr festgestellt werden hätte können, dass der BF zudem nunmehr Kontakt mit seinen Familienangehörigen habe und somit einen Zugriff auf ein familiäres bzw. ein soziales Netzwerk in Afghanistan habe. Er könne somit (nunmehr) über seine Verwandtschaft einen Zugriff auf familiäre oder auch soziale Netzwerke sicherstellen. Überdies sei die im Bescheid angeführte Sicherheitslage nicht mehr in diesem Maße vorherrschend, weshalb auch hier die Änderung zu sehen sei, zumal nunmehr mit Mazar e-Sharif/Herat eine absolut taugliche innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe. Auch eine ausweglose Lebenssituation seiner Person im gesamten Staatsgebiet sei nicht gegeben, zumal der BF mittlerweile Ausbildungen erhalten habe. Da es dem BF in Österreich schließlich gelungen sei, Fuß zu fassen, sei es ihm sehr wohl zuzumuten, in Afghanistan, speziell in Mazar e-Sharif oder Herat Stadt zumutbar zu leben. Deshalb ergebe sich in Zusammenschau der Fakten (Zugriff auf Netzwerke, Zugang zu Arbeitsmöglichkeiten) eine eindeutige Änderung der subjektiven Lage. Somit sei eindeutig festzustellen, dass die Gründe für die damalige Schutzgewährung derzeit nicht bzw. nicht mehr vorliegen würden. Überdies sei anzumerken, dass zum Zeitpunkt der Schutzgewährung davon ausgegangen worden sei, dass der BF als alleinstehender Rückkehrer ohne familiären Background und ohne finanzielle Unterstützung vor eine ausweglose Situation gestellt gewesen wäre. Nunmehr habe sich jedoch insbesondere aufgrund der in Vorlage gebrachten Beweismittel und Aussagen des BF die damalige Ausgangslage zu den Merkmalen seiner Person gänzlich konträr dargestellt. Er habe Schreiben und Lesen gelernt, was deutlich zum Ausdruck bringe, dass er eine Person mit einer raschen Auffassungsgabe sei sowie mit seiner Flexibilität und Aufgeschlossenheit überzeuge.

14. Der BF erhob mittels seines nunmehrigen Rechtsvertreters gegen den oben genannten Bescheid fristgerecht die gegenständliche Beschwerde, in der insbesondere ausgeführt wurde, dass der Umstand, dass der BF in Österreich zeitweise Hilfstätigkeiten ausgeführt habe, nicht den Schluss zulasse, dass deshalb zum Zeitpunkt der Zuerkennung gewisse Eigenschaften vorgelegen seien, die der Gewährung des subsidiären Schutzes entgegengestanden wären. Vielmehr handle es sich bei dieser Argumentation der belangten Behörde um einen logischen Fehlschluss. Auch schließe die belangte Behörde aus dem Umstand, dass der BF vorgebracht habe, Kontakt zu seinen Familienangehörigen zu haben, dass diese im Falle seiner Rückkehr unterstützen könnten. Wie die belangte Behörde zu dieser Annahme komme, erschließe sich nicht, zumal sie den BF keinerlei Fragen zur ökonomischen Situation seiner Familienangehörigen und deren Fähigkeit, ihn zu unterstützen, gestellt habe. Leidglich aus dem Umstand, dass Kontakt bestehe, lasse sich nicht schließen, dass der BF im Falle seiner Rückkehr mit Unterstützung durch seine Familie rechnen könnte. Eine Berufsausbildung weise der BF ebenso weiterhin nicht auf, sondern sei nur gelegentlich als Hilfsarbeiter tätig gewesen. Die persönlichen Umstände des BF hätten sich seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes somit nicht so wesentlich und nachhaltig geändert, dass eine Aberkennung des subsidiären Schutzes zulässig wäre. Auch der Umstand, dass der BF in der deutschen Sprache alphabetisiert worden sei, könne keine wesentliche Änderung seiner persönlichen Umstände begründen, zumal in Afghanistan Dari und Farsi gesprochen und geschrieben werden würden und der BF diese weiterhin nicht lesen bzw. schreiben könne. Die Situation in Afghanistan selbst habe sich seit Zuerkennung des subsidiären Schutzes ebenso nicht nachhaltig und wesentlich verbessert, wie aus sämtlichen Länderberichten hervorgehe. Gegenständlich unterlasse es das Bundesamt, darzulegen, welche konkreten Tatsachen sich nach der Zuerkennung als unzutreffend erwiesen hätten und inwiefern die neuen Informationen hinreichend bedeutsam und endgültig seien. Die von der belangten Behörde ins Treffen geführten angeblich vorliegenden persönlichen Eigenschaften des BF seien in der Zuerkennung zugrundeliegenden Entscheidung mit keinem Wort thematisiert worden, diese könnten somit keinesfalls als ausschlaggebend für die ursprüngliche Entscheidung bezeichnet werden. Das Bundesamt unterlasse die Durchführung einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung, welche jedenfalls geboten wäre. Gegenständlich sei somit im Rahmen der Prüfung, ob die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten verhältnismäßig sei, zu berücksichtigen, dass der BF zu keinem Zeitpunkt Tatsachen verschwiegen oder über Tatsachen getäuscht habe. Es wurde auf mehrere Berichte sowie ein Gutachten von Friederike Stahlmann verwiesen, in dem ausgeführt wurde, dass die Zugehörigkeit zu einem sozialen Netzwerk essentiell sei, um Zugang zu grundlegenden Leistungen bekommen zu können. Vergleiche man die persönlichen Umstände des BF zum Zeitpunkt des Zuerkennungs-bzw. Verlängerungsbescheids mit den persönlichen Umständen des BF zum Zeitpunkt des Aberkennungsbescheids habe sich-abgesehen von der Integrationsverfestigung des BF in Österreich-nichts Wesentliches verändert. Auch hinsichtlich der allgemeinen Sicherheits-und Versorgungslage liege keine maßgebliche Veränderung der Situation zu Lasten des BF vor. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

15. Mit Stellungnahme vom 12.12.2019 wurde seitens des BFA ausgeführt, dass dem Vorhalt einer mangelhaften Beweiswürdigung, sowie eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder falscher rechtlichen Würdigung entschieden entgegenzutreten sei, wie auch die ganzheitliche und objektive Betrachtung des Verfahrens zeige.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Paschtu.

Der BF stammt aus der Provinz Kapisa, Afghanistan. Der BF verdiente seinen Lebensunterhalt im Herkunftsstaat aus den Einnahmen seines eigenen Lebensmittelgeschäftes, sowie als Landarbeiter in der familieneigenen Landwirtschaft.

Im Heimatland leben in der Provinz Kapisa neben seiner Mutter und einem jüngeren Bruder auch zwei Onkeln sowie zwei Tanten und der BF steht mit seiner Familie in regelmäßigen Kontakt. Die Mutter und der Bruder des BF werden von einem Onkel finanziell unterstützt. Der BF besuchte im Jahr 2016 mehrere Verwandte im Iran.

Der BF ist alleine auf Grund der Tatsache, dass er sich in Europa aufgehalten hat und ihn damit unterstellt werden könnte "westlich" orientiert zu sein in Afghanistan keiner psychischen und/oder physischen Gewalt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt bzw. hat er (oder jeder derartige "Rückkehrer") eine solche im Falle seiner Rückkehr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten.

Der BF war nach unberechtigter Einreise in das Bundesgebiet zunächst ab April 2012 als Asylwerber und dann seit November 2014 als subsidiär Schutzberechtigter mit einer bis November 2015 befristeten Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet aufhältig, die zweimal verlängert und zuletzt bis zum 13.11.2019 erteilt wurde.

In Österreich hat der BF keine familiären Anknüpfungspunkte oder sonstige Verwandte.

Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der BF hat einen Deutschkurs auf dem Niveau A2 absolviert und war zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz arbeitslos. Der Beschwerdeführer war im Bundesgebiet jedoch wiederholt als Arbeiter bei diversen Bauunternehmen beschäftigt.

Der BF befindet sich, nicht nur auf Grund seines nunmehrigen Lebensalters und aufgrund der in Österreich erhaltenen Ausbildungen, sondern insbesondere aufgrund der in Österreich gesammelten Berufserfahrung in der Baubranche, aktuell nicht mehr in der persönlich gleichen, bzw. gleich vulnerablen Lage wie zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes im November 2014. Zudem hat der Beschwerdeführer nunmehr im Unterschied zum Zeitpunkt der Zuerkennung wieder regelmäßigen Kontakt zu seiner in Afghanistan aufhältigen Familie. Dem Beschwerdeführer steht somit ein familiäres Netzwerk in Afghanistan bei einer Rückkehr zu Verfügung.

Die persönliche Situation des Beschwerdeführers hat sich wesentlich und nachhaltig im Vergleich zum Zeitpunkt der Zuerkennung geändert, sodass diesen auch in Zusammenschau mit den aktuellen Länderfeststellungen zu Afghanistan als gesunden und arbeitsfähigen jungen Mann nunmehr eine Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere nach Mazar - e Sharif oder Herat möglich und zumutbar ist.

Im Falle einer Verbringung des BF in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

Eine Rückkehr des BF in seine Heimatprovinz Kapisa ist nicht möglich.

Dem BF steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung. Der BF hat bis zu seiner Ausreise in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat nicht gelebt. Der BF kann Mazar-e Sharif oder Herat-Stadt von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug auf Grund der vorhandenen internationalen Flughäfen erreichen.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des BF nach Mazar-e Sharif oder Herat-Stadt ausschließen, liegen nicht vor.

Der BF ist mit den kulturellen Gepflogenheiten und der Sprache seines Herkunftsstaates vertraut und verfügt über Kenntnisse in Paschtu in Wort und Schrift.

Der BF liefe im Falle einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif oder Herat-Stadt nicht maßgeblich Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er ist in der Lage, in Mazar-e Sharif oder in Herat-Stadt eine einfache Unterkunft zu finden bzw. am Erwerbsleben teilzunehmen.

Der Beschwerdeführer verfügt nach eigenen Angaben nunmehr über familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan und steht mit seinen Familienangehörigen in durchgehenden Kontakt, sodass diese den BF zunmindest für eine erste Zeit nach einer Rückkehr unterstützten können.

Im Übrigen besteht für den BF die Möglichkeit finanzielle Unterstützung in Form einer Rückkehrhilfe zu erhalten, die den BF beim Aufbau einer ersten Existenzgrundlage insbesondere in Mazar - e -Sharif oder in Herat Stadt unterstützen kann.

Der BF ist gesund, mobil, anpassungsfähig, befindet sich im erwerbsfähigen Alter und ist auch erwerbsfähig. Der Beschwerdeführer hat in Österreich bereits auf Baustellen gearbeitet und eine solcherat Arbeit kann dieser auch in Afghanistan finden und auch ausüben und sich damit durch eingene Erwerbstätigkeit seine Existenzgrundlage selbst erwirtschaften.

Das BFA hat zu Recht erkannt, dass der Beschwerdeführer somit aufgrund von wesentlichen und nachhaltigen persönlichen Veränderungen als auch aufgrund der aktuellen Lage in Afghanistan nunmehr nicht mehr eines subdiären Schutzes in Österreich bedarf.

Das Vorliegen einer besonders zu berücksichtigen außerordentlichen Integration, dies auch unter besonderer Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, kann sämtlichen vorgelegten Unterlagen und Ausführungen des Beschwerdeführers nicht entnommen werden, bzw. hat dieses Vorliegen einer solchen ingesamt begründet nicht aufzuzeigen vermocht.

Der Beschwerdefüher erfüllt insgesamt nicht die Voraussetzungen gem. §57 AsylG.

Die Ausweisung des gesunden Beschwerdefühers aus dem Bundesgebiet stellt keinen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 3 oder 8 EMRK geschützte Rechte dar.

Die belangte Behörde hat ein insgesamt mängelfreies, ordnungsgemäßes und das Vorbringen des BF vollinhaltlich und abschließend erfassendes Ermittlungsverfahren durchgeführt. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurden die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage nachvollziehbar, sowie konkret auf den Einzelfall bezogen rechtskonform vorgenommen. Die gegenständlich angefochtene Entscheidung wurde insgesamt rechtskonform, nachvollziehbar und zutreffend getroffen.

Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen bzw. substantiiert begründeten Sachverhaltselemente zu entnehmen, die geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung in Frage zu stellen.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich vollinhaltlich auf das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren stützend, sowie die Würdigungen des BFA übernehmend die gegenständliche Entscheidung treffen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Verfahren unterbleiben.

1.4. Zum Herkunftsstaat:

Das BVwG trifft, unter Berücksichtiung der aktuellsten Länderinformationen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, folgende Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat mit ua. gekürzten Auszug aus dem Länderinformationsblatt.

KI vom 4.6.2019, politische Ereignisse, zivile Opfer, Anschläge in Kabul, IOM (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 23/Rückkehr).

Politische Ereignisse: Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl

Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019).

Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).

Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

Anmerkung der Staatendokumentation: Zur besseren Ortung der oben beschriebenen Vorfälle folgt eine kartografische Darstellung der Staatendokumentation mit der Einteilung der Stadt Kabul in Polizeidistrikte:

(Quelle: BFA 13.2.2019)

Rückkehr

Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.5.2019).

Quellen:

1 TV NEWS (30.5.2019): At least six killed in suicide blast near military academy in Kabul, http://www.1tvnews.af/en/news/afghanistan/38366-breaking-blast-rocks-kabul, Zugriff 3.6.2019

AAN - Afghanistan Analysts Network (17.5.2019): The Results of Afghanistan's 2018 Parliamentary Elections: A new, but incomplete Wolesi Jirga, https://www.afghanistan-analysts.org/the-results-of-afghanistans-2018-parliamentary-elections-a-new-but-incomplete-wolesi-jirga/, Zugriff 22.5.2019

AJ - Al Jazeera (30.5.2019): Suicide bomber targets Afghan military training centre in Kabul, https://www.aljazeera.com/news/2019/05/suicide-bomber-targets-afghan-military-training-centre-kabul-190530082719388.html, Zugriff 3.6.2019

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.6.2019): Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (20.5.2019): Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (6.5.2019): Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail

BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (13.2.2019): Kabul Police Districts Map, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf, ua.

KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Grundversorgung und Wirtschaft).

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen" welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

Quellen:

AJ - Al Jazeera (21.3.2019): Blasts in Afghan capital Kabul kill six during new year festival, https://www.aljazeera.com/news/2019/03/blasts-afghan-capital-kabul-kill-6-year-festival-190321064823472.html, Zugriff 26.3.2019

AJ - Al Jazeera (8.3.2019): Death toll rises to 11 in attack on Shia gathering in Kabul, https://www.aljazeera.com/news/2019/03/death-toll-rises-11-afghan-capital-attack-shia-gathering-190308102222870.html, Zugriff 26.3.2019

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (25.3.2019): Briefing Notes Afghanistan, liegen im Archiv der Staatendokumentation auf

NYT - The New York Times (7.3.2019): U.S. Peace Talks With Taliban Trip Over a Big Question: What Is Terrorism?, https://www.nytimes.com/2019/03/07/world/asia/taliban-peace-talks-afghanistan.html, Zugriff 26.3.2019

IFRCRCS - International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies (17.3.2019): Emergency Appeal Afghanistan: Drought and Flash Floods, https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-drought-and-flash-floods, ua.

KI vom 1.3.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018 (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.

(BFA Staatendokumentation 20.02.2019a)In der folgenden Grafik der Staatendokumentation wird das Verhältnis zwischen den vier Quartalen des Jahres 2018 anhand der registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle für den Zeitraum 1.1.2018 - 31.12.2018 veranschaulicht.

(BFA Staatendokumentation 20.02.2019b)Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer; 1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

(UNAMA 24.2.2019)Quellen:

BFA Staatendokumentation (20.02.2019a): kartografische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Jänner-Dezember 2018, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

BFA Staatendokumentation (20.02.2019b): grafische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Q1 bis Q4, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.1.2019): Quarterly Report to the United States Congress, https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2019-01-30qr.pdf, Zugriff 20.2.2019

UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (24.2.2019): Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Annual report 2018, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/afghanistan_protection_of_civilians_annual_report_2018_final_24_feb_2019_v3.pdf, Zugriff 25.2.2019

UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (11.2018): Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Special report: 2018 elections violence, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/special_report_on_2018_elections_violence_november_2018.pdf, Zugriff 20.2.2019

UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (10.10.2018): Qua

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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