Entscheidungsdatum
31.01.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I409 2125215-1/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Florian Schiffkorn als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, Staatsangehörigkeit Ägypten, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22. März 2016, Zl. "1096113404 + 151843599", nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen am 23. August 2018 und am 22. Februar 2019, zu Recht erkannt:
A)
Der erste Spruchteil des Spruchpunktes III des angefochtenen Bescheides lautet wie folgt: "Eine ,Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 Asylgesetz 2005 wird nicht erteilt."
Im Übrigen wird die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 23. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen seiner Erstbefragung am 24. November 2015 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer hinsichtlich seines Fluchtgrundes Folgendes an:
"Ich ging zu den Demonstrationen gegen die derzeitige ägyptische Regierung. Alle Demonstranten werden derzeit von der Polizei und dem Sicherheitsdienst verfolgt und viele wurden verhaftet. Ich hatte Angst ebenfalls verhaftet zu werden und versteckte mich bei meinem Onkel. Dort kam es zu einem Familienstreit mit einer anderen Familie und es gab Tote. Ich hatte Angst bei diesem Streit getötet zu werden und beschloss zu fliehen."
Am 21. März 2016 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich durch die belangte Behörde einvernommen und zu seinen Fluchtgründen befragt machte er folgende Angaben:
"LA: Waren sie in Haft oder sonst inhaftiert?
AW: Ich wurde einmal vom ägyptischen Regime für eine Woche inhaftiert. Danach wurde ich freigelassen, werde aber wieder von ihnen verfolgt.
...
LA: Was wäre der Grund für die Anhaltung gewesen.
AW: Ich wurde beschuldigt bei Demonstrationen teilgenommen zu haben. Das stimmt allerdings, ich war zweimal dabei da das Leben dort sehr schwer ist, es gibt kaum Arbeit und es herrscht Armut.
...
LA: Was waren die Gründe dafür; dass sie ihr Heimatland verlassen haben?
AW: Ich bin hier um in Sicherheit zu leben. Ich will mir hier eine Zukunft aufbauen. Ich nehme an einem Deutschkurs teil und gehe auch ins Fitnessstudio. Ich suche auch Arbeit und habe schon zwei Arbeitsstellen gefunden wo ich beginnen könnte. Das geht aber erst, wenn ich einen Bescheid erhalten habe.
LA: Haben sie Probleme mit staatlichen Einrichtungen oder Behörden in ihrem Heimatland?
AW: Außer dem geschilderten habe ich keine Probleme.
LA: Hatten sie, abgesehen von den bereits geschilderten Problemen, sonstige Probleme in ihrem Heimatland?
AW: Als ich mich bei meinem Onkel versteckt habe, gab es zwischen zwei Familien einen Streit. Es kam zu Schießereien. Meine Tante hat gerade zu diesem Zeitpunkt die Straße gefegt. Sie wurde unabsichtlich bei diesem Streit erschossen und ist gestorben. Daraufhin ging ich mit meinem Onkel zu der Familie, weil wir Schadenersatz einfordern wollten. Dabei wurden wir geschlagen. Nach dieser Schlägerei bekam ich von dieser Familie Drohungen, dass man mich umbringen will. Das war auch der Grund warum ich das Dorf verlassen und nach Kairo geflüchtet bin."
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. März 2016 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß "§ 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF" (Spruchpunkt I) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß "§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG" (Spruchpunkt II) als unbegründet ab; zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß "§§ 57 und 55 AsylG" nicht erteilt. Gemäß "§ 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß "§ 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" erlassen und gemäß "§ 52 Absatz 9 FPG" festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß "§ 46 FPG" nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt III). Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde gemäß "§ 55 Absatz 1 bis 3 FPG" mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV).
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 7. April 2016 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Entscheidung über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid
A) 1.1. Feststellungen
Der volljährige, gesunde und erwerbsfähige Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos, Staatsangehöriger von Ägypten und Angehöriger der Volksgruppe der Araber.
Feststellungen zu seiner Identität - vor allem zu seinem Namen und seinem Geburtsdatum - können nicht getroffen werden.
Der Beschwerdeführer hält sich seit 23. November 2015 im Bundesgebiet auf. Er verfügt in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte. Seine gesamte Familie, insbesondere seine Eltern sowie seine drei Brüder, lebt nach wie vor in Ägypten.
Der Beschwerdeführer wurde von einer freien Christengemeinde getauft; es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass er auch eine christliche Glaubensüberzeugung angenommen hat.
Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich ehrenamtlich engagiert und diverse Integrationskurse besucht; er verfügt hier über einen Bekannten- sowie über einen Freundeskreis. Überdies spricht er Deutsch auf A2-Niveau. Er legte zwei - fast wortgleiche und beide mit 7. August 2018 datierte - Einstellungszusagen eines Lebensmittel-Großhandels sowie einer Bäckerei vor, die jedoch weder die in Aussicht stehende Tätigkeit noch das Beschäftigungsausmaß und das Arbeitsentgelt enthalten. Zudem stellte er einen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung als Pizzakoch, der mit Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 11. Mai 2018 abgewiesen wurde.
Er ist in Österreich strafrechtlich unbescholten und bestreitet seinen Lebensunterhalt über die staatliche Grundversorgung.
In Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird nicht festgestellt, dass er in Ägypten aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würde. Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr nach Ägypten also mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.
A) 1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Ägypten:
Zur aktuellen Lage in Ägypten werden folgende Feststellungen getroffen:
"Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 16.4.2018, Präsidentschaftswahlen in Ägypten (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage):
Ägyptens autoritäres Staatsoberhaupt Abdel Fattah al-Sisi hat bei der Präsidentschaftswahl in Ägypten [Anm.: die von 26. bis 28.3.2018 stattfand] nach Angaben der Wahlkommission 97,08% der gültigen Stimmen bekommen. Die Wahlbeteiligung bei der Abstimmung in der vergangenen Woche habe 41,5% betragen, teilte die Kommission mit (TS 2.4.2018; vgl. DS 2.4.2018). Neben Al-Sisi trat nur der weitgehend unbekannte Politiker Mussa Mustafa an, in dem Beobachter einen Alibi-Kandidaten sahen. Dieser kam auf 2,92% der Stimmen (DS 2.4.2018; vgl. TS 2.4.2018).
Quellen:
-
DS - Der Standard (2.4.2018): Offiziell: Ägyptens Präsident al-Sisi klar wiedergewählt,
https://derstandard.at/2000077191005/Offiziell-Aegyptens-Praesident-al-Sisi-klar-wiedergewaehlt, Zugriff 16.4.2018
-
TS - Tagesschau (2.4.2018): Präsidentenwahl in Ägypten - Al-Sisi bekommt 97 Prozent,
https://www.tagesschau.de/ausland/aegypten-wahl-113.html, Zugriff 16.4.2018
Politische Lage
Ägypten sieht sich nach der Absetzung von Präsident Mohamed Mursi im Juli 2013 und der Wahl von Abdel Fattah Al-Sisi zum Staatspräsidenten im Mai 2014 noch immer vor allem enormen wirtschafts- und sicherheitspolitischen Herausforderungen gegenüber, die die politische Konsolidierung verzögern. Die 2014 in Kraft getretene Verfassung sieht für das Land das Regierungssystem eines demokratischen Rechtsstaats vor. Die Wahlen zum neuen Parlament Ende 2015 vollzogen sich grundsätzlich frei und gesetzmäßig, fanden jedoch in einem Klima allgemeiner staatlicher Repression statt, in dem politische Opposition oder der Einsatz für Menschenrechte in die Nähe von Terrorismus und staatsfeindlichen Aktivitäten gerückt wurden. Dies setzt der freien politischen Betätigungen faktisch enge Grenzen. Das von etwa 25 % der ägyptischen Wahlberechtigten gewählte und im Januar 2016 konstituierte ägyptische Parlament zeigt die erwarteten Anlaufschwierigkeiten auf dem Weg zu einem eigenständigen politischen Akteur, der seine Kontrollfunktion gegenüber der Regierung effektiv und selbstbewusst ausübt. Das Parlament bleibt dennoch die einzige Institution in Ägypten, die derzeit das Potential hierzu besitzt. Die Parteienlandschaft ist schwach ausgeprägt. Die Parteien vermögen es in der Regel nicht, landesweite Strukturen aufzubauen und programmatische Akzente zu setzen. Das 2014 reformierte Wahlrecht trug zur weiteren Schwächung der Parteien bei, die im Parlament keine wichtige Rolle spielen. Die Mehrheit der Abgeordneten im ägyptischen Parlament ist regierungstreu. Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz sind verfassungsrechtlich vorgesehen, jedoch durch weitreichende politische Einflüsse zunehmend eingeschränkt. Die Justiz, die in der Vergangenheit viel auf die eigenen Standards hielt, ist zum Instrument der Repression geworden. Drakonische Strafen, die seit dem Sommer 2013 verhängt werden, sind oft Vergeltungsmaßnahmen gegen Akteure, durch die sich der "tiefe Staat" bedroht sieht, insbesondere die Zivilgesellschaft auf der einen und die Muslimbruderschaft auf der anderen Seite. Bedenklich ist die verbreitete Praxis von Strafverfahren gegen Zivilisten vor Militärgerichten sowie erzwungenes Verschwindenlassen, langwierige Haft ohne Anklage, Prozesse, die rechtsstaatlichen Kriterien nicht genügen, Folter und Misshandlungen in Polizeigewahrsam, überbelegte Haftanstalten und schlechte Haftbedingungen. Militär und Sicherheitsbehörden nehmen im Staatsgefüge eine dominierende Position ein und verfügen über weitreichende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten. Gerade auf dem Gebiet der begrifflich sehr weit verstandenen Terrorismusbekämpfung sind die Sicherheitsbehörden der Kontrolle durch die Justiz und andere Verfassungsorgane weitgehend entzogen. Polizei und Staatsschutz (National Security Services) sind formal getrennt, unterstehen jedoch gemeinsam dem Innenministerium (AA 15.12.2016).
Mit dem Verfassungsreferendum im Januar 2014, der Wahl Abdel Fattah Al-Sisis zum Staatspräsidenten im Mai 2014 und den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im November und Dezember 2015 hat Ägypten formal seinen "Fahrplan zur Demokratie" abgeschlossen. Die Verfassung vom Januar 2014 enthält einen im Vergleich zu früheren Verfassungen erweiterten Grundrechtskatalog, der sowohl bürgerlich-politische wie auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst. Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern wird gewährt. Jedoch können einzelne Grundrechte durch einfache Gesetze wieder eingeschränkt werden; in der Verfassungswirklichkeit ist die Geltung und Geltendmachung der Grundrechte eingeschränkt. Im November und Dezember 2015 fanden die Wahlen zum Parlament statt. Die Verfassung von 2014 sieht ein Parlament mit nur einer Kammer (Abgeordnetenhaus oder Maglis El-Nuab) vor. Das bisherige Oberhaus des Parlamentes (Schurarat) wurde dagegen abgeschafft. Das ägyptische Wahlrecht sah für die politischen Parteien hohe administrative Hürden vor, sodass die Mehrheit der 596 Abgeordneten als unabhängige Einzelkandidaten gewählt wurde. Daneben zogen 120 Abgeordnete über die Wahlliste "In Liebe zu Ägypten" in das Parlament ein, die sich die Unterstützung von Staatspräsident Al-Sisi auf die Fahnen geschrieben hatte. 28 Abgeordnete wurden nicht gewählt, sondern vom Staatspräsidenten bestimmt. Als stärkste politische Partei sind die "Freien Ägypter" mit 65 Abgeordneten im Parlament vertreten, vor der "Zukunft der Nation" und der traditionellen Wafd-Partei. Die salafistische Nour-Partei hat als einzige islamistische Partei 11 Abgeordnete. Die Sozialdemokratische Partei ist mit vier Abgeordneten vertreten.
Arbeitsschwerpunkte der Regierung unter Premierminister Sherif Ismael bleiben Stabilitätserhalt und Wirtschaftsförderung. Mit der "Egypt Vision 2030" legte die ägyptische Regierung einen ambitionierten Entwicklungsplan vor, der thematisch sämtliche Bereiche umspannt und sich an den internationalen Zielen für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) orientiert. Das Jahr 2017 wurde von Staatspräsident Al-Sisi zum ägyptischen "Jahr der Frau" erklärt, nachdem 2016 offiziell als "Jahr der Jugend" deklariert wurde (AA 2.2017a).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
AA - Auswärtiges Amt (02.2017a): Ägypten - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aegypten/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.04.2017
Sicherheitslage
Die Armee ging 2016 weiterhin mit gepanzerten Fahrzeugen, Artillerie und Luftangriffen gegen bewaffnete Gruppen im Norden der Sinai-Halbinsel vor. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurden bei jedem Einsatz zahlreiche "Terroristen" getötet. Für einen Großteil des Gebietes galt weiterhin der Ausnahmezustand. Unabhängige Menschenrechtsbeobachter und Journalisten hatten faktisch keinen Zugang. Bewaffnete Gruppen verübten mehrfach tödliche Anschläge auf Sicherheitskräfte sowie auf Regierungsbedienstete, Justizpersonal und andere Zivilpersonen. Die meisten Angriffe gab es im Norden des Sinai, aber auch aus anderen Landesteilen wurden Bombenanschläge und Schießereien bewaffneter Gruppen gemeldet. Zu vielen Anschlägen bekannte sich ein Ableger der bewaffneten Gruppe Islamischer Staat (IS), der sich "Provinz Sinai" nennt. Die bewaffnete Gruppe gab an, sie habe im Laufe des Jahres 2016 mehrere Männer hingerichtet, weil diese für die Sicherheitskräfte spioniert hätten (AI 22.02.2017).
Am 18. April 2017 kam es zu einem Anschlag auf einen Kontrollposten in unmittelbarer Nähe des Katharinenklosters im Süden der Sinai-Halbinsel, bei dem ein Polizist getötet und weitere Personen verletzt wurden. Am Palmsonntag, den 9. April 2017, wurden zwei Anschläge auf christlich-koptische Kirchen in der Stadt Tanta, ca. 80 km nördlich von Kairo entfernt, und in Alexandria verübt. Es sind zahlreiche Tote und Verletzte zu beklagen. Bereits am 11. Dezember 2016 fielen Teilnehmer an einem Gottesdienst in der koptischen Kirche "Peter und Paul" in Kairo einem Attentat zum Opfer. Damit wurden im zeitlichen Zusammenhang mit hohen christlichen Feiertagen wiederholt koptische Kirchen zu Anschlagszielen (AA 02.05.2017)
Quellen:
AI - Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017
AA - Auswärtiges Amt (02.05.2017): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise,
http://www.auswaertigesamt.de/DE/Laenderinformationen/00SiHi/Nodes/AegyptenSicherheit_node.html, Zugriff 02.05.2017
Rechtsschutz/Justizwesen
Die Unabhängigkeit der Justiz ist vor allem im Bereich der äußerst weit verstandenen Terrorismusbekämpfung erheblich beeinträchtigt. Willkürliche Verhaftungen und politisch motivierte Gerichtsverfahren sind an der Tagesordnung. Folter und Misshandlungen in Haft sind verbreitet. Die justizielle Kontrolle des Einsatzes von Sicherheitsbehörden unterliegt faktischen und rechtlichen Grenzen. Die Todesstrafe wird verhängt und gegenwärtig auch vollstreckt. Zu diskriminierender Strafverfolgung oder Strafzumessung aufgrund bestimmter Merkmale liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. In diesem Bereich macht sich häufig der Druck der öffentlichen Meinung bemerkbar. Harte Strafen gegen Angehörige der Muslimbruderschaft und oppositionspolitische Aktivisten sind häufig Ausdruck einer politisierten Justiz, die nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen verfährt. Vor dem Hintergrund allgemein harter und häufig menschenrechtswidriger Haftbedingungen gibt es Hinweise, dass insbesondere junge und unbekannte politische Straftäter besonders harten Haftbedingungen ausgesetzt sind. Amnestien werden wiederholt angekündigt und auch umgesetzt. Anlässlich ägyptischer Feiertage werden immer wieder Gefangene amnestiert bzw. im formellen Sinne begnadigt. Allerdings profitieren hiervon in der Regel keine politischen Gefangenen, sondern ausschließlich Strafgefangene. Allgemeine Voraussetzungen sind in der Regel die Verbüßung von mindestens der Hälfte der Haftzeit und gute Führung in Haft. Im November 2016 kam es jedoch zur Amnestierung von über 100 Studenten und Journalisten, die wegen Teilnahme an Demonstrationen oder wegen ihrer Berichterstattung festgenommen wurden (AA 15.12.2016).
In den meisten Fällen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen leiteten die Behörden keine wirksamen Untersuchungen ein. Dies betraf Folter und andere Misshandlungen, Verschwindenlassen, Todesfälle in Gewahrsam und die weitverbreitete Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt durch Sicherheitskräfte seit 2011. Die Täter wurden nicht zur Rechenschaft gezogen. Die Staatsanwaltschaft weigerte sich regelmäßig, von Gefangenen erhobene Vorwürfe, sie seien gefoltert und anderweitig misshandelt worden, zu untersuchen und ignorierte Hinweise darauf, dass Sicherheitskräfte in Fällen von Verschwindenlassen das Datum der Festnahme gefälscht hatten (AI 22.02.2017).
Die Verfassung sieht die Unabhängigkeit und Immunität der Richter vor. Die Gerichte handelten in der Regel unabhängig, obwohl es einzelnen Gerichten manchmal an Unparteilichkeit fehlte und diese zu politisch motivierten Ergebnissen gelangten. Die Regierung respektierte in der Regel Gerichtsbeschlüsse. Das Gesetz geht von einer Unschuld der Angeklagten aus, und die Behörden informieren sie in der Regel unverzüglich und im Detail über die Anklagen gegen sie. Die Angeklagten haben das Recht, bei den Verfahren anwesend zu sein. Die Teilnahme ist verpflichtend für Personen, die eines Verbrechens angeklagt werden, und fakultativ für diejenigen, die wegen Vergehen angeklagt sind. Zivilverhandlungen sind in der Regel öffentlich. Die Angeklagten haben das Recht, einen Anwalt zu konsultieren, und die Regierung ist zuständig für die Beratung, wenn der Angeklagte sich keinen Rechtsanwalt leisten kann. Verhandlungen vor dem Militärgericht sind nicht öffentlich (USDOS 03.03.2017).
Die ägyptische Justiz ist in Zivil- und Strafgerichte einerseits und Verwaltungsgerichte andererseits unterteilt. Jeweils höchste Instanz ist das Kassationsgericht bzw. das Hohe Verwaltungsgericht. Darüber hinaus existieren Sonder- und Militärgerichte. Seit 1969 ist das Oberste Verfassungsgericht das höchste Gericht. Obwohl die Gerichte in Ägypten - mit gewissen Einschränkungen - als relativ unabhängig gelten und sich Richter immer wieder offen gegen den Präsidenten stellten, gab es immer wieder Vorwürfe gegen Richter, Prozesse im Sinn des Regimes zu manipulieren. Solche Vorwürfe werden auch heute noch in Bezug auf die Prozessführung gegen die angeklagten Spitzen des alten Regimes sowie hohe Offiziere der Sicherheitskräfte erhoben. Das Mubarak-Regime bediente sich immer wieder der durch den Ausnahmezustand legitimierten Militärgerichte, um politische Urteile durchzusetzen. Auch nach der Revolution wurden zahlreiche Zivilisten vor Militärgerichten angeklagt (GIZ 9.2016a).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
AI - Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2016a): Liportal, Ägypten - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 02.05.2017
USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt,
http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
Sicherheitsbehörden
Lang andauernde Haft ohne Anklage ist auf Veranlassung der Sicherheitsbehörden verbreitet. Urteile in politisch motivierten Verfahren basieren in der Regel nicht auf rechtsstaatlichen Grundsätzen (AA 15.12.2016).
Die primären Sicherheitskräfte des Innenministeriums sind die Polizei und die Zentralen Sicherheitskräfte. Die Polizei ist für die Strafverfolgung bundesweit verantwortlich. Die Zentralen Sicherheitskräfte sorgen für die Sicherheit der Infrastruktur und wichtigen in- und ausländischen Beamten. Zivile Behörden behielten die wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte bei. Die Straflosigkeit blieb jedoch auch aufgrund schlecht geführter Ermittlungen ein Problem. Die Polizei hat gemeldeten Polizeimissbrauch nicht ausreichend untersucht (USDOS 03.03.2017).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt,
http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
Folter und unmenschliche Behandlung
Folter wird durch ägyptische Sicherheitsbehörden in unterschiedlichen Formen und Abstufungen praktiziert. In Polizeigewahrsam sind Folter und Misshandlungen weit verbreitet. In diesem Zusammenhang kommt es auch zu Todesfällen in Haft. Menschenrechtsverteidiger kritisierten, dass Beweise, die zu Verurteilungen in Strafverfahren führten, unter Folter gewonnen worden waren. Die Praxis der Folter ist nicht auf bestimmte Gruppen beschränkt, auch wenn missliebige politische Aktivisten besonders gefährdet sind. Folter wird als Mittel zur Abschreckung und Einschüchterung eingesetzt.
Extralegale Tötungen werden im Zusammenhang mit dem staatlichen Vorgehen gegen Islamisten verübt. Nach offiziellen Darstellungen handelt es sich um gerechtfertigte Tötungen, z. B. im Zusammenhang mit Widerstand bei der Festnahme oder der Verhinderung von Terroranschlägen. Es kommt zu willkürlichen Festnahmen und erzwungenem Verschwindenlassen. Inhaftierungen durch die Sicherheitsbehörden über längere Zeiträume ohne Anklage und Information von Angehörigen und Rechtsbeiständen sind verbreitet und üblich. Die Zahl solcher Fälle ist zuletzt im Zuge der verstärkten Repression gegen die politische Opposition stark angestiegen (AA 15.12.2016).
Gefangene in Gewahrsam der Sicherheitskräfte wurden verprügelt und anderweitig misshandelt. Verhörbedienstete des nationalen Geheimdienstes folterten und misshandelten zahlreiche Personen, die Opfer des Verschwindenlassens geworden waren, um "Geständnisse" zu erpressen, die später vor Gericht als Beweismittel verwendet wurden (AI 22.02.2017).
Beamte der National Security Agency folterten routinemäßig und gewaltsam Verdächtige mit wenig Konsequenzen. Viele der Gefangenen, die diese Missbräuche erlitten haben, wurden der Sympathie oder der Mitgliedschaft in der Muslimbruderschaft bezichtigt, die die Regierung im Jahr 2013 als eine terroristische Gruppe einstufte, aber die größte Oppositionsbewegung des Landes geblieben ist (HRW 12.01.2017).
Die Verfassung besagt, dass keine Folter, Einschüchterung, Zwang, körperlicher Schaden einer Person zugefügt werden darf, die Behörden inhaftiert oder festgenommen haben. Das Strafgesetzbuch verbietet die Folter, um ein Geständnis von einem festgenommenen oder inhaftierten Verdächtigen zu erlangen (USDOS 03.03.2017).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
AI - Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017
HRW - Human Rights Watch (12.01.2017): World Report 2017 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/334703/476536_de.html, Zugriff 26.04.2017
USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt,
http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
Korruption
Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption vor, aber die Regierung setzte das Gesetz nicht konsequent um. Die Korruptionsbehörde der Regierung (CAA) legte dem Präsidenten und dem Premierminister Berichte vor, die der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung standen (USDOS 03.03.2017).
Laut Corruption Perceptions Index 2016 befindet sich Ägypten auf Platz 108 von 176 Ländern (TI 25.01.2017)
Quellen:
USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt,
http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
TI - Transparency International (25.01.2017): Corruption Perceptions Index 2016,
https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016#table, Zugriff 27.04.2017
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Ausländische Finanzierung ("Foreign Funding") von NGOs wird mit empfindlichen Geldstrafen belegt (AA 15.12.2016).
Das Parlament und die Behörden haben beispiellose Schritte unternommen, um die unabhängige Menschenrechtsarbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu beschränken und ihre Existenz zu bedrohen (HRW 12.01.2017).
Die Regierung setzte ihre unkooperative Haltung gegenüber internationalen und lokalen Menschenrechtsorganisationen fort. Der "National Council on Human Rights" (NCHR) überwachte den staatlichen Missbrauch von Menschenrechten und übermittelte Bürgerbeschwerden der Regierung. Eine Reihe von namhaften Menschenrechtsaktivisten ist im Vorstand der Organisation, obwohl einige Beobachter behaupteten, dass die Wirksamkeit des Vorstands manchmal begrenzt sei, weil es an ausreichenden Mitteln fehlte und die Regierung selten auf ihre Erkenntnisse einging (USDOS 03.03.2017).
Menschenrechtsorganisationen sind in Ägypten derzeit in bisher ungekanntem Ausmaß Ziel von Repressionen wie Kontosperrungen, Ausreiseverboten und Ermittlungen geworden. Ein 2015 beschlossenes Antiterrorgesetz stellt unter anderem "schädliche Handlungen gegen das nationale Interesse oder zur Destabilisierung des allgemeinen Friedens, der Unabhängigkeit oder der Einheit Ägyptens" unter hohe Strafen bis hin zu lebenslänglicher Haft. Ein restriktives Gesetz, zu dem derzeit eine Novelle erarbeitet wird, erschwert in- und ausländischen Nichtregierungsorganisationen die Arbeit. (AA 02.2017a).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
AA - Auswärtiges Amt (02.2017a): Ägypten - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aegypten/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.04.2017
HRW - Human Rights Watch (12.01.2017): World Report 2017 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/334703/476536_de.html, Zugriff 26.04.2017
USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt,
http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
Ombudsmann
Das Strafgesetzbuch sorgt für einen vernünftigen Zugang zu Gefangenen. Es gab keinen offiziellen Ombudsmann für Gefangene (USDOS 03.03.2017)
Quellen:
USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt,
http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
Wehrdienst und Rekrutierungen
Es gibt keine belastbaren Erkenntnisse, dass die Heranziehung zum Militärdienst an gruppenbezogenen Merkmalen orientiert ist. Die Art und Weise des Einsatzes von Wehrpflichtigen folgt allerdings nach Kriterien der sozialen Zugehörigkeit. So werden wehrpflichtige Angehörige niedriger, insbesondere ländlicher, Bevölkerungsschichten häufig für (bereitschafts-)polizeiliche Aufgaben unter harten Bedingungen eingesetzt. Die Möglichkeit des Ersatzdienstes besteht nicht. Vom Bestehen inoffizieller Möglichkeiten des "Freikaufs" ist auszugehen. Amnestien im Bereich des Wehrdienstes sind nicht bekannt. Wehrdienstverweigerung wird mit Haftstrafen von im Normalfall bis zu zwei Jahren in Verbindung mit dem Entzug politischer Rechte und der Verpflichtung, den Wehrdienst nachträglich abzuleisten, bestraft (AA 15.12.2016).
Männer, die den Wehrdienst nicht abgeschlossen haben, dürfen nicht ins Ausland reisen oder auswandern. Nationale Identifikationskarten indizieren den Abschluss des Militärdienstes (USDOS 03.03.2018).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt,
http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
Allgemeine Menschenrechtslage
Die im Januar 2014 angenommene Verfassung enthält einen im Vergleich zu früheren Verfassungen erweiterten Grundrechtskatalog, der sowohl bürgerlich-politische wie auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst. Viele dieser Grundrechte stehen jedoch unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt. Ägypten hat den Kernbestand internationaler Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert, so etwa den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Pakt über wirtschaftliche und soziale Rechte, die Konvention zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, die UN-Folterkonvention und die UN-Behindertenrechtskonvention von 2008. Erhebliche Vorbehalte zu diesen Instrumenten betreffen unter anderem Bestimmungen betreffend die Gleichstellung von Mann und Frau vor dem Hintergrund islamischen Rechts (Scharia-Vorbehalt) (AA 15.12.2016).
Die Behörden gingen 2016 mit willkürlichen Massenfestnahmen gegen Demonstrationen und Kritik an der Regierung vor. Sie inhaftierten Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und Protestierende und beschnitten die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen. Hunderte Gefangene, die sich in Gewahrsam des nationalen Geheimdienstes befanden, wurden Opfer des Verschwindenlassens. Angehörige des nationalen Geheimdienstes und andere Sicherheitskräfte folterten und misshandelten Häftlinge. Sicherheitskräfte setzten bei regulären Polizeieinsätzen unverhältnismäßige tödliche Gewalt ein, in einigen Fällen könnte es sich dabei um außergerichtliche Hinrichtungen gehandelt haben. Es gab weiterhin grob unfaire Massenprozesse vor Zivil- und Militärgerichten. Die Behörden leiteten weder angemessene Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen ein, noch zogen sie die Täter zur Verantwortung. Frauen wurden weiterhin Opfer von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt. Die Regierung unterdrückte nach wie vor religiöse Minderheiten und verfolgte Personen wegen "Diffamierung der Religion". Die Behörden nahmen Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung fest und stellten sie wegen "Ausschweifung" vor Gericht. Tausende Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten, die das Mittelmeer überqueren wollten, wurden festgenommen. Gerichte verhängten nach wie vor Todesurteile, und es wurden Hinrichtungen vollstreckt (AI 22.02.2017).
Die bedeutendsten Menschenrechtsprobleme waren ein übermäßiger Einsatz von Gewalt durch Sicherheitskräfte, Defizite in ordentlichen Gerichtsverfahren und die Unterdrückung der bürgerlichen Freiheiten. Übermäßiger Einsatz von Gewalt umfasste rechtswidrige Tötungen und Folter. Zu den prozessbedingten Problemen gehörten die übermäßige Verwendung von präventiver Haft und Untersuchungshaft. Die Probleme bei den bürgerlichen Freiheiten beinhalten gesellschaftliche und staatliche Beschränkungen der Meinungs- und Medienfreiheit sowie der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Andere Menschenrechtsprobleme beinhalteten das Verschwindenlassen, harte Gefängnisbedingungen, willkürliche Verhaftungen, eine Justiz, die in einigen Fällen zu Ergebnissen kam, die nicht durch öffentlich zugängliche Beweise gestützt wurden oder die politische Motivationen zu reflektieren schienen, Straflosigkeit für Sicherheitskräfte, Begrenzung der Religionsfreiheit, Korruption, Gewalt, Belästigung und gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen und Mädchen, einschließlich weiblicher Genitalverstümmelung, Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, Menschenhandel, gesellschaftliche Diskriminierung religiöser Minderheiten, Diskriminierung und Verhaftungen auf der Grundlage sexueller Orientierung (USDOS 03.03.2017).
Die Lage der Menschenrechte ist besorgniserregend.
Menschenrechtsorganisationen berichten von Folter in Haftanstalten und auf Polizeistationen sowie von überlangen Haftzeiten unter widrigen Bedingungen ohne Anklage. Das Phänomen des Erzwungenen Verschwindenlassens nimmt in seinem Ausmaß weiter zu. Zudem können Zivilisten weiterhin für Straftaten gegen Einrichtungen der Streitkräfte der Militärgerichtsbarkeit unterstellt werden (AA 02.2017a).
Obwohl Ägypten alle wichtigen internationalen Menschenrechtskonventionen unterzeichnete und Personen- und Freiheitsrechte in der Verfassung geschützt sind, wurde und wird das Land regelmäßig wegen Menschenrechtsverletzungen stark kritisiert. Internationale Menschenrechtsorganisationen sowie viele der über 30 ägyptischen Menschenrechtsorganisationen veröffentlichen regelmäßig englisch- und arabischsprachige Berichte zur Menschenrechtslage in Ägypten, darunter die Egyptian Organization for Human Rights EOHR, das Nadim Zentrum für Gewaltopfer, die Egyptian Initiative for Personal Rights EIPR und das Budgetary and Human Rights Observatory (GIZ 09.2016a).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
AA - Auswärtiges Amt (02.2017a): Ägypten - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aegypten/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.04.2017
AI - Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (09.2016a): Liportal, Ägypten - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 02.05.2017
USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt,
http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
Meinungs- und Pressefreiheit
Das Antiterrorismusgesetz von 2015 sieht für Journalisten empfindliche Geldstrafen für das Abweichen von offiziellen Linien der Berichterstattung, etwa über Terroranschläge, vor.
Die Meinungs- und Pressefreiheit sind stark eingeschränkt. Kritische Stimmen finden in den Medien kaum Gehör - sei es in den direkt gesteuerten Staatsmedien oder in den privaten Medien, die durch Selbstzensur auf Regierungslinie berichten oder kommentieren. Nur einzelne Zeitungen und vor allem Onlineportale bieten kritischen Stimmen noch einen gewissen Raum. Insbesondere im Fernsehen wird fast alles ausgeblendet, was die offizielle Sicht in Frage stellt. Ein neues Anti-Terrorismusgesetz stellt einen tiefen Einschnitt in die professionelle Arbeit von Journalisten in Ägypten dar. Es schränkt ihre Recherchemöglichkeiten erheblich ein und entzieht ihnen die freie Wahl ihrer Quellen. Das Abweichen von offiziellen Linien der Berichterstattung wird mit empfindlichen Geldstrafen bedroht. Journalisten wurden im Berichtszeitraum wiederholt an freier Berichterstattung gehindert. Zahlreiche Journalisten befinden sich in Haft, viele ohne formelle Anklage. Besonders breite Aufmerksamkeit erregte das Vorgehen der Sicherheitsorgane gegen den Sender Al Jazeera, dessen ägyptischer Ableger im August 2013 geschlossen worden war (AA 15.12.2016).
Die Behörden schränkten die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit 2016 drastisch ein, sowohl durch Gesetze als auch in der täglichen Praxis. Journalisten, Aktivisten und andere Personen mussten mit Festnahmen, strafrechtlicher Verfolgung und Gefängnisstrafen rechnen (AI 22.02.2017).
Die Verfassung sieht die Redefreiheit und die der Presse vor, beinhaltet aber eine Klausel, wonach diese in Kriegszeiten oder anlässlich einer öffentlichen Mobilisierung einer begrenzten Zensur unterworfen werden kann. Die Regierung regulierte die Lizenzierung von Zeitungen und kontrollierte den Druck und die Verteilung der Mehrheit der Zeitungen, darunter private Zeitungen und die der oppositionellen politischen Parteien. Die Regierung beschränkte oder störte im Allgemeinen den Zugang zum Internet oder zensurierte Online-Inhalte nicht. Die Verfassung schützt das Recht auf Privatsphäre, auch im Internet. Die Verfassung sieht die Vertraulichkeit und die "Unverletzlichkeit" der postalischen, telegraphischen und elektronischen Korrespondenz vor (USDOS 03.03.2017).
Die Pressefreiheit ist in der Praxis eingeschränkt, Ägypten erreicht in der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation "Reporter ohne Grenzen" für das Jahr 2016 den 159. von 180 Plätzen. Laut dem "Committee to Protect Journalists" ist in Ägypten die weltweit dritthöchste Zahl von Journalisten inhaftiert. Journalisten sind durch Verhaftung aufgrund von Vorwürfen wie der "Verbreitung falscher Informationen", durch Ausreiseverbote und politischen/wirtschaftlichen Druck auf Medienhäuser bedroht. Ein im Dezember 2016 verabschiedetes Gesetz über die Regulierungsgremien im Medienbereich zementiert eine weitgehende Kontrolle der Regierung über die Medienaufsicht. Auch ausländische Medien sind mit Anfeindungen und Ausweisungsdrohungen konfrontiert (AA 2.2017a).
Die Verfassung von 2014 hat in Ägypten nur auf dem Papier mehr Presse- und Meinungsfreiheit gebracht. Regierung und Justiz gehen systematisch gegen Medien mit Verbindungen zur oder Sympathien für die Muslimbruderschaft vor. Militärprozesse gegen Journalisten sind unverändert möglich. Reporter müssen mit Gewalt von Sicherheitskräften und Demonstranten rechnen, häufig werden sie von aufgebrachten Menschenmengen bedrängt. Willkürliche Festnahmen und Folter sind an der Tagesordnung. Selbstzensur ist verbreitet. Viele Medien ergreifen offen Partei für Armee und Regierung, nur wenige ägyptische Journalisten wagen Kritik. Ägypten befindet sich laut Reporter ohne Grenzen betreffend Pressefreiheit auf Platz 161 von 180 (ROG 2017).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
AA - Auswärtiges Amt (2.2017a): Ägypten - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aegypten/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.04.2017
AI - Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017
ROG - Reporter ohne Grenzen (2017): Ägypten, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/%C3%A4gypten/, Zugriff 02.05.2017
USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt,
http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Die in der Verfassung garantierte Versammlungsfreiheit wird durch das im November 2013 in Kraft getretene Demonstrationsgesetz sehr weitgehend eingeschränkt. Seither müssen Demonstrationen im Vorfeld genehmigt werden. Zivilgesellschaftliche Akteure berichten von Problemen bereits bei der Antragsstellung und von Ablehnungen ohne Angaben von Gründen. In der Nähe von Militäreinrichtungen sind Versammlungen generell verboten. Bei Verstößen drohen lange Haftstrafen.
Auf der Grundlage des verschärften Demonstrationsgesetzes haben die Sicherheitskräfte hart gegen öffentliche Protestveranstaltungen durchgegriffen. Viele prominente Menschenrechtsverteidiger sind wegen ihrer Teilnahme an nicht genehmigten Demonstrationen (u. a. aus Protest gegen das Demonstrationsgesetz) in Haft. Die Zahl der Demonstrationen ist zuletzt stark zurückgegangen. Gegen die wenigen Proteste geht die Polizei weiterhin mit Härte häufig schon präventiv vor. Dabei kam es wiederholt zu Toten und Verletzten. Polizeigewalt gegen Demonstrationen bleibt in der Regel straffrei. Innerbetriebliche Auseinandersetzungen und die Zahl der Arbeitsniederlegungen haben zugenommen. Allerdings fallen auch spontane Versammlungen vor den Werkstoren unter das Demonstrationsrecht und müssen daher im Vorfeld genehmigt werden, dies schränkt die Möglichkeiten der Arbeitnehmer ein, sich zu organisieren. Unverhältnismäßig hoch sind Strafandrohungen im Versammlungsrecht, insbesondere im Zusammenhang mit der Teilnahme an unangemeldeten Demonstrationen. In diesem Kontext wurden Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren verhängt (AA 15.12.2016).
Die Verfassung garantiert die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. Die Versammlungsfreiheit setzt eine gesetzlich vorgeschriebene Anmeldung voraus. Die Vereinigungsfreiheit wurde durch Gesetz erheblich beschränkt (USDOS 03.03.2017).
Das 2013 in Kraft getretene Demonstrationsgesetz, das die Versammlungsfreiheit sehr weitgehend einschränkt, wird derzeit vom Parlament überarbeitet. Das neue Gesetz sieht vor, dass Demonstrationen nur noch per Gerichtsbeschluss und mit Nennung von Gründen verboten werden dürfen. Ein im Januar 2017 vom Kabinett gebilligtes Bannmeilendekret verbietet Demonstrationen im Umkreis staatlicher Einrichtungen allerdings pauschal, was de facto zu einem pauschalen Protestverbot in ägyptischen Stadtzentren führen könnte. Bei Verstößen drohen weiterhin lange Haftstrafen (AA 02.2017a).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
AA - Auswärtiges Amt (02.2017a): Ägypten - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aegypten/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.04.2017
USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt,
http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
Opposition
Die Betätigungsmöglichkeiten der politischen Opposition sind sehr eingeschränkt. Die Regierung geht gegen die Opposition repressiv vor. In einem politischen Klima, in dem die gegenwärtige Politik unter Staatspräsident Al-Sisi als nationaler Überlebenskampf gegen Terrorismus und fremde Einflüsse stilisiert wird, steht oppositionelle Betätigung unter dem Generalverdacht der Staatsfeindlichkeit. Die oppositionelle Muslimbruderschaft, die im Volk nach wie vor über eigene Anhängerschaft verfügt, ist, als Terrororganisation klassifiziert verboten. Ein Großteil der Führungskader befindet sich in Haft. Auch liberale Aktivisten sind Ziel von Verfolgungsmaßnahmen und einem harten, oft willkürlichen Vorgehen seitens der Sicherheitsbehörden. Die in Ägypten verbotene Muslimbruderschaft ist exilpolitisch aktiv und operiert vorwiegend von Büros in London und Istanbul aus. Von repressiven Maßnahmen gegen zurückgekehrte Aktivisten ist, angesichts der allgemeinen Repression gegen Angehörige der Organisation im Land, bei Führungskadern auszugehen. Prominente regimekritische Aktivisten müssen mit Ausreisesperren, Inhaftierung und Strafverfolgung rechnen. Vermutete politische Aktivitäten im Ausland können selbst bei nur kurzen Aufenthalten (z. B. zur Teilnahme an Seminaren) zu längeren Befragungen durch die Sicherheitsbehörden nach Rückkehr führen (AA 15.12.2016).
Kritiker und Regierungsgegner mussten 2016 weiterhin mit willkürlicher Festnahme und Haft rechnen. Auch mehrere Menschenrechtsverteidiger wurden willkürlich festgenommen (AI 22.02.2017).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
AI - Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017
Haftbedingungen
Die Bedingungen in den Haftanstalten entsprechen nicht internationalen Standards. Haftanstalten sind gegenwärtig überfüllt. Folter und Misshandlungen sowie Todesfälle in Haft sind verbreitet. Zwangsarbeit kann in Verbindung mit Haftstrafen als Teil der Strafe verhängt werden, ausdrücklich auch in Form von schwerer körperlicher Arbeit ("hard labour") (AA 15.12.2016).
Die Haftbedingungen blieben hart. Der halbamtliche Nationalrat für Menschenrechte berichtete weiterhin, dass Gefängnisse und andere Haftanstalten stark überfüllt waren (HRW 12.01.2017).
Die Bedingungen in den Gefängnissen und Haftanstalten waren hart und potenziell lebensbedrohlich wegen Überbelegung, körperlichen Missbrauchs, unzureichender medizinischer Versorgung, schlechter Infrastruktur und schlechter Belüftung (USDOS 03.03.2017).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
HRW - Human Rights Watch (12.01.2017): World Report 2017 - Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/334703/476536_de.html, Zugriff 26.04.2017
USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Egypt,
http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
Todesstrafe
Das ägyptische Strafrecht sieht die Möglichkeit, die Todesstrafe zu verhängen. Im Juni 2014 wurde nach einem seit 2011 bestehenden de-facto Moratorium die Vollstreckung der Todesstrafe wiederaufgenommen. Öffentlichkeitswirksam wurden zahlreiche Führungskader der Muslimbrüder erstinstanzlich zum Tode verurteilt. Die Verfahren entsprachen nicht rechtsstaatlichen Prinzipien, sondern sind das Instrument einer politisierten Justiz, sich an der staatlichen Repression gegen die Muslimbrüder zu beteiligen und diese unter zusätzlichen Druck zu setzen. Auch bei schweren Verbrechen ohne politischen Hintergrund wird die Todesstrafe verhängt (AA 15.12.2016).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
Religionsfreiheit
Die Religionsfreiheit ist eingeschränkt. Die Verfassung von 2014 erhebt den Islam zur Staatsreligion und bestimmt die Scharia zur Hauptquelle der Verfassung. Die Grenze zwischen Staat und sunnitischer Mehrheitsreligion ist nicht klar geregelt. Die Verfassung garantiert lediglich Glaubensfreiheit uneingeschränkt. Die Freiheit des Kultes und das damit verbundene Recht zum Bau von Gotteshäusern bleiben den Offenbarungsreligionen (Muslime, Christen, Juden) vorbehalten. Durch die Beschränkung der Glaubensfreiheit auf einzelne Religionen wird eine Unterscheidung zwischen "anerkannten" und "nicht-anerkannten" Religionen getroffen, die zu zahlreichen Formen der Diskriminierung im Alltag führt. Darunter leiden Angehörige kleinerer Glaubensgemeinschaften. So werden die 150.000 - 200.000 in Ägypten lebenden Schiiten nicht als gleichwertige Religionsgemeinschaft anerkannt. Gleiches gilt für die etwa 2.000 Bahai, die ebenfalls keine staatliche Anerkennung genießen. 2015 wurden einzelne christliche Kirchen angegriffen und Eigentum von Kopten zerstört. Besonders in Oberägypten kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, deren Ursache häufig in Streitigkeiten auf lokaler Ebene liegen. Traditionelle Vorstellungen von (Blut-)Rache und (kollektiver) Vergeltung sind in den ländlichen Gebieten Oberägyptens nach wie vor vorherrschend. Traditionelle Streitschlichtungsmechanismen spielen auch aufgrund der Abwesenheit funktionierender staatlicher Institutionen eine große Rolle. Dabei kommt es regelmäßig zu strukturellen Benachteiligungen der Christen. Im Mai 2016 flammte die Gewalt gegen Christen wieder neu auf, was zu einer öffentlichen Debatte über das Thema und zur Verabschiedung des umstrittenen Gesetzes über den Kirchenbau führte. Am 11. Dezember 2016 kam es in Kairo zu einem schweren Anschlag auf die koptische Kirche Peter und Paul. Dabei wurden 26 Menschen getötet und 49 zum Teil schwer verletzt. Staatspräsident Al-Sisi gab einen Tag nach dem Anschlag öffentlich bekannt, dass die Hintergründe aufgeklärt seien, und der Täter der Muslimbruderschaft zugeordnet werden könne. Dem gegenüber steht ein Selbstbekenntnis des "IS Misr".
Die Konversion vom Christentum zum Islam ist einfach und wird vom Staat anerkannt, während die umgekehrte Konversion vom Islam zum Christentum zu massiven Problemen für die Betroffen führt. Zwar ist die Aufgabe des islamischen Glaubens nicht im geschriebenen Recht, wohl aber nach islamischem Recht verboten. Aufgrund innerislamischer Vorschriften gegen Apostasie haben Konvertiten in Ägypten mit gesellschaftlicher Ächtung zu rechnen. Die Behörden weigern sich in solchen Fällen häufig, neue Personaldokumente auszustellen. Der Eintrag der Religionszugehörigkeit in Personaldokumenten bleibt auch für andere religiöse Minderheiten ein Einfa