TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/3 W170 2166801-1

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Veröffentlicht am 03.02.2020
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Entscheidungsdatum

03.02.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W170 2166801-1/9E

Beantragte schriftliche Ausfertigung des am 07.01.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch 1. MigrantInnenverein St. Marx und 2. ehem. Rechtsanwalt Dr. Lennart BINDER LL.M., gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2017, Zl. 1103967801-160156145/BMI-BFA_SZB_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 28 Abs. 2

Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 53/2019, stattgegeben und XXXX der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg.cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Gemäß § 3 Abs. 4 leg.cit kommt XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter für drei Jahre zu.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2019, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

XXXX (in Folge auch: beschwerdeführende Partei) hat am 31.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit im Spruch bezeichneten Bescheid vom 17.07.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, dem aber hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stattgegeben wurde.

Gegen die Abweisung des Antrags hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet sich die rechtzeitige Beschwerde vom 26.07.2017, die vom Bundesamt am 07.08.2017 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurde.

Am 18.10.2019 wurde die Rechtssache der zuvor zuständigen Gerichtsabteilung W150 abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung W170 zugeteilt.

Am 07.01.2020 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt und das nunmehr über Antrag des Bundesamtes auszufertigende Erkenntnis mündlich verkündet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. XXXX ist ein zum Antragszeitpunkt minderjähriger, jetzt volljähriger syrischer Staatsangehöriger, dessen Identität feststeht und der in Österreich unbescholten ist.

1.2. XXXX stammt aus dem Gouvernement Homs, der Stadt Homs, dem Bezirk XXXX (Herkunftsort), sein Herkunftsort ist in der Hand des Regimes.

XXXX ist wehrdienstpflichtig, er hat seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet und ist von diesem nicht befreit, er befindet sich in einem Alter und Gesundheitszustand, der ihn als Soldat für die syrische Armee interessant macht.

XXXX könnte nur über die Grenzübergänge zum Libanon oder über den Flughafen von Damaskus sicher und legal nach Syrien in seinen Herkunftsort zurückkehren; die genannten Grenzübergänge sind in der Hand des syrischen Regimes.

Es besteht - trotz der theoretischen Möglichkeit der Zahlung eines Wehrersatzgeldes, das XXXX bzw. seine Familie aber nicht bezahlen können - das reale Risiko, dass XXXX diesfalls am jeweiligen Grenzkontrollposten verhaftet und dem Dienst als Grundwehrdiener der syrischen Armee zugeführt wird. Der Dienst als Grundwehrdiener ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit dem Zwang zur Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen verbunden, im Falle einer Weigerung würde XXXX zumindest mit einer mit Folter verbundenen Gefängnisstrafe bestraft werden.

Eine solche droht XXXX aber auch, weil er sich dem Dienst als Grundwehrdiener der syrischen Armee durch die Ausreise bzw. nicht rechtzeitige Rückkehr nach Syrien entzogen hat, was vom Regime als Ausdruck einer oppositionellen Gesinnung gesehen wird.

1.3. XXXX hat keine Asylausschluss- oder -endigungsgründe verwirklicht.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweiswürdigung zu 1.1.: Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere aus dem vorgelegten Personalausweis und Reisepass der beschwerdeführenden Partei sowie aus der in das Verfahren eingeführten Strafregisterauskunft.

2.2. Beweiswürdigung zu 1.2.: Die Feststellung zum Herkunftsort der beschwerdeführenden Partei ergeben sich aus den im Verfahren gleichbleibenden, glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei sowie aus dem Umstand, dass nichts hervorgetreten ist, was gegen diese Angaben spricht. Dass das Herkunftsgebiet der beschwerdeführenden Partei in der Hand der Regierung ist, ergibt sich aus dem in das Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.5.2019, letzte Aktualisierung eingefügt am 17.10.2019 (in Folge: LIB) sowie einer am 02.01.2020 durchgeführten Nachschau auf https://syria.liveuamap.com/ und schließlich aus dem Umstand, dass diese Tatsache den Parteien in der Verhandlung unwidersprochen vorgehalten wurde. Hier ist anzumerken, dass das LIB den Parteien bereits mit der Ladung übermittelt wurde, sodass diesen diesbezüglich jedenfalls genug Vorbereitungszeit zukam.

Dass die beschwerdeführende Partei wehrpflichtig ist, ergibt sich aus den einschlägigen Informationen aus dem LIB, dass diese ihren Wehrdienst noch nicht abgeleistet und von diesem nicht befreit ist, ergibt sich aus den im Verfahren gleichbleibenden, glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei sowie aus dem Umstand, dass nichts hervorgetreten ist, was gegen diese Angaben spricht.

Dass sich die beschwerdeführende Partei in einem Alter und Gesundheitszustand befindet, die sie als Soldat für die syrische Armee interessant machen, ergibt sich aus den tatsächlichen Umständen, die insbesondere hinsichtlich des Gesundheitszustandes mittels Augenschein durch den erkennenden Richter in der mündlichen Verhandlung wahrgenommen und des Weiteren durch die Befragung der beschwerdeführenden Partei zu ihrem Gesundheitszustand festgestellt wurden.

Die Feststellungen, wie die beschwerdeführende Partei sicher und legal nach Syrien zurückkehren könnte, ergeben sich ebenso aus den einschlägigen Passagen des LIB, wie der Umstand, dass diese Grenzübergänge in der Hand des Regimes sind. Dies wurde den Parteien im Rahmen der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgehalten.

Dass das reale Risiko besteht, dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückkehr am jeweiligen Grenzkontrollposten verhaftet und dem Dienst als Grundwehrdiener der syrischen Armee zugeführt wird, ergibt sich ebenso aus folgenden Überlegungen, wie die Feststellung, dass der Dienst als Grundwehrdiener mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit dem Zwang zur Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen verbunden ist und dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Weigerung zumindest mit einer mit Folter verbundenen Gefängnisstrafe bestraft werden würde:

In Syrien besteht für männliche syrische Staatsbürger im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die gesetzliche Pflicht zur Ableistung eines Wehrdienstes von 18 oder 21 Monaten. Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Auch Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert. In der Praxis wurde die Altersgrenze erhöht und auch Männer in ihren späten 40ern und frühen 50ern sind gezwungen Wehr-/Reservedienst zu leisten. Dem Experten zufolge würden jedoch jüngere Männer genauer überwacht, ältere könnten leichter der Rekrutierung entgehen. Manche Personen werden wieder zum aktiven Dienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen. Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen, daher ist aktuell ein "Herausfiltern" von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints weit verbreitet. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht. Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis 27 ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise nach oben angehoben, sodass auch Männer bis zu einem Alter von 55 Jahren eingezogen wurden, bzw. Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen können. Ebenso wurden seit Ausbruch des Konflikts aktive Soldaten auch nach Erfüllung der Wehrpflicht nicht aus dem Wehrdienst entlassen (LIB, S. 40 ff)

Nur der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Regierungsangestellte können vom Wehrdienst befreit werden oder diesen aufschieben, auch medizinische Gründe können Befreiung oder Aufschub bedingen (LIB, S. 43).

Syrische Männer mit Wohnsitz und Aufenthaltserlaubnis im Ausland können sich gegen Zahlung eines "Wehrersatzgeldes" vom Wehrdienst befreien lassen. Laut Wehrpflichtgesetz Art. 46 von 2012 beträgt diese Zahlung je nach Wohnort zwischen 4.000 und 5.000 USD. Gemäß Gesetz Nr. 33 vom August 2014 müssen bei einem Auslandsaufenthalt von über vier Jahren 8.000 USD bezahlt werden. Für im Ausland geborene und weiterhin wohnhafte Syrer im wehrpflichtigen Alter beträgt diese Zahlung 2.500 USD. Es ist jedoch nicht bekannt, ob dies auch für syrische Männer gilt, die seit Beginn des Bürgerkriegs ins Ausland geflüchtet sind (LIB, S. 43).

Die Militärpolizei verhaftet in Gebieten unter der Kontrolle der Regierung junge Männer, die für den Wehrdienst gesucht werden. Nachdem die meisten fixen Sicherheitsbarrieren innerhalb der Städte aufgelöst wurden, patrouilliert nun die Militärpolizei durch die Straßen. Diese Patrouillen stoppen junge Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln und durchsuchen Wohnungen von gesuchten Personen.

Die Einreise nach Syrien mit Ziel des gegenständlichen Herkunftsgebietes ist sicher und aus Sicht des syrischen Regimes legal im Wesentlichen über den Libanon und den Flughafen von Damaskus möglich (LIB, S. 70), die entsprechenden Grenzkontrollstellen befinden sich in der Hand des Regimes.

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft. Bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während manche die Ergreifung eines Wehrdienstverweigerers mit Foltergarantie und Todesurteil gleichsetzen, sagen andere, dass Betroffene sofort eingezogen würden. Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab. Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen (LIB, S 44 f). Die Wirksamkeit der zahlreichen auch Wehrdienstverweigerer betroffenen Amnestien ist zweifelhaft (LIB, S. 46).

Die syrische Regierung führt Listen mit Namen von Personen, die als in irgendeiner Form regierungsfeindlich angesehen werden. Die Aufnahme in diese Listen kann aus sehr unterschiedlichen Gründen erfolgen und sogar vollkommen willkürlich sein. Zum Beispiel kann die Behandlung einer Person an einer Kontrollstelle wie einem Checkpoint von unterschiedlichen Faktoren abhängen, darunter die Willkür des Checkpoint-Personals oder praktische Probleme, wie die Namensgleichheit mit einer von der Regierung gesuchten Person. Personen, die als regierungsfeindlich angesehen werden, können unterschiedliche Konsequenzen von Regierungsseite, wie Festnahme und im Zuge dessen auch Folter, riskieren (LIB, S. 89 f).

Schwere Menschenrechtsverletzungen, derer das Regime und seine Verbündeten beschuldigt werden, sind willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten, darunter auch der Einsatz von chemischen Waffen; Massaker und Vergewaltigungen als Kriegstaktik (LIB, S. 50).

Die Unabhängige Untersuchungskommission der Vereinten Nationen (VN) für Syrien berichtete ebenfalls von außergerichtlichen Hinrichtungen in Gebieten unter Regierungskontrolle. Menschenrechtsorganisationen berichteten von summarischen Hinrichtungen mutmaßlicher Deserteure (LIB, S. 53).

Dass der beschwerdeführenden Partei darüber hinaus eine Gefängnisstrafe droht, weil sie sich dem Dienst als Grundwehrdiener der syrischen Armee durch die Ausreise bzw. nicht rechtzeitige Rückkehr nach Syrien entzogen hat, was vom Regime als Ausdruck einer oppositionellen Gesinnung gesehen wird, ergibt sich aus den obigen Überlegungen und auch aus dem LIB.

Dass die theoretische Möglichkeit der Bezahlung eines Wehrersatzgeldes, auf die der Behördenvertreter hingewiesen hat, dieses Risiko nicht beseitigt, ergibt sich daraus, dass nach dem LIB nicht bekannt ist, ob dies auch für syrische Männer gilt, die seit Beginn des Bürgerkriegs ins Ausland geflüchtet sind (LIB, S. 43), die gesamte Rekrutierung willkürlich passiert und der Staat willkürlich und korrupt handelt sowie aus dem Umstand, dass die beschwerdeführende Partei im Falle der Rückkehr über einen Grenzübergang in einer besonders verletzlichen Position und den einschreitenden Beamten im Wesentlichen schutzlos ausgeliefert ist.

2.3. Beweiswürdigung zu 1.3.: Die Feststellung ergibt sich aus dem Umstand, dass hinsichtlich der beschwerdeführenden Partei keine Hinweise auf das Vorhandensein von Asylausschluss- oder -endigungsgründe hervorgekommen sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 53/2019 (in Folge: AsylG), ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat - das ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder im Falle der Staatenlosigkeit, der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes und hier zweifellos Syrien - Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in Folge: GFK), droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat. Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199).

2. In der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - und nur diese ist neben der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes für das Bundesverwaltungsgericht relevant - wird ausgeführt, dass drohende Bestrafung wegen der Weigerung der Teilnahme an einem von der Völkergemeinschaft verurteilten Kriegseinsatz dann zur Asylgewährung führen könne, wenn dem jeweiligen Asylwerber eine feindliche politische Gesinnung unterstellt werde (siehe etwa VwGH 21.12.2000, 2000/01/0072). Der Verwaltungsgerichtshof vertritt darüber hinaus ausdrücklich die Auffassung, dass unter dem Gesichtspunkt des Zwangs zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen - etwa gegen die Zivilbevölkerung - auch eine bloße Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung darstellen kann (VwGH 25.03.2003, 2001/01/0009). Dies ist auch in Art. 9 Abs. 2 lit e der Richtlinie 2011/95/EU ausdrücklich festgehalten. Daher wäre eine (drohende) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 der genannten Richtlinie fallen, eine (drohende) asylrelevante Verfolgung.

Dies ist nach den Feststellungen der Fall. Es ist davon auszugehen, dass die beschwerdeführende Partei unmittelbar nach der Einreise festgenommen und dem Wehrdienst in der syrischen Armee zugeführt werden würde. Es besteht das reale Risiko, dass die beschwerdeführende Partei im Rahmen dieses Dienstes zu menschen- und völkerrechtswidrigen Handlungen gezwungen und im Falle einer Weigerung mit zumindest einer mit Folter verbundenen Anhaltung bzw. Haft bestraft werden würde. Daher liegt nach der oben dargestellten Judikatur des VwGH jedenfalls eine der beschwerdeführenden Partei objektiv drohende asylrelevante Verfolgung vor.

Keine Relevanz kommt der Frage zu, warum die beschwerdeführende Partei nicht den Wehrdienst leisten will.

Darüber hinaus droht der beschwerdeführenden Partei eine Verfolgung

-

nämlich eine mit Folter verbundene Anhaltung bzw. Gefängnisstrafe

-

weil sie sich dem Wehrdienst durch Flucht ins Ausland bzw. die nicht rechtzeitige Rückkehr nach Syrien entzogen hat, was vom syrischen Regime als Ausdruck einer oppositionellen politischen Gesinnung gesehen wird. Dies stellt daher eine Verfolgung aus einer allenfalls unterstellten politischen Gesinnung dar und ist für sich asylrelevant.

Auf die jeweiligen Ausführungen der belangten Behörde und des Vertreters der beschwerdeführenden Partei hinsichtlich der ausländischen Rechtsprechung im Bescheid bzw. der Beschwerde braucht nicht eingegangen werden, dieser kommt für das Bundesverwaltungsgericht keine Relevanz zu.

3. Die rechtskräftige Gewährung von subsidiärem Schutz durch das Bundesamt steht mangels einer diesbezüglichen relevanten Änderung der Rechts- oder Tatsachenlage einer Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative entgegen (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/18/0054).

4. Da darüber hinaus keine von der beschwerdeführenden Partei verwirklichten Asylausschluss- oder -endigungsgründe festzustellen waren, ist der Beschwerde stattzugeben, der beschwerdeführenden Partei der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen und auszusprechen, dass dieser somit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG kommt der beschwerdeführenden Partei damit eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2019, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2019 (in Folge: B-VG), zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es darf diesbezüglich auf die unter A) zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen werden.

Schlagworte

Asyl auf Zeit, Asylgewährung, asylrechtlich relevante Verfolgung,
Asylverfahren, befristete Aufenthaltsberechtigung, begründete Furcht
vor Verfolgung, Fluchtgründe, Flüchtlingseigenschaft,
Glaubhaftmachung, Glaubwürdigkeit, Militärdienst, mündliche
Verhandlung, mündliche Verkündung, schriftliche Ausfertigung,
Verfolgungsgefahr, Verfolgungshandlung, Wehrdienst, wohlbegründete
Furcht, Zwangsrekrutierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W170.2166801.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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