Entscheidungsdatum
11.02.2020Norm
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4Spruch
W170 2191604-1/21E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas MARTH über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hermann KIENAST, vom 22.01.2020 der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.01.2020, Zl. W170 2191604-1/18E, erhobenen außerordentlichen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, beschlossen:
Der außerordentlichen Revision wird gemäß § 30 Abs. 2 iVm § 30a Abs. 3 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2019, die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.
Text
BEGRÜNDUNG:
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2018, Zl. 1046067801/170196212 wurde XXXX der ihm nach einem Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.05.2015, Zl. 1046067801/140200242, zuerkannte Status des Asylberechtigten aberkannt und festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt. Weiters wurde XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, diesem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen diesen eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass dessen Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung nach Syrien unzulässig ist und diesem eine Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt sowie gegen diesen ein unbefristeten Einreiseverbotes erlassen.
Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben, die mit der nunmehr in Revision gezogenen Entscheidung abgewiesen bzw. hinsichtlich der Beschwerde gegen die Feststellung, dass die Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung des XXXX nach Syrien unzulässig sei, mangels Rechtschutzinteresse zurückgewiesen wurde.
Mit Schriftsatz vom 22.01.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 10.02.2020, brachte XXXX (im Folgenden: Revisionswerber) eine außerordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis ein. Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führte der Revisionswerber darin aus:
"Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision ist auszuführen, dass der Bewilligung der aufschiebenden Wirkung öffentliche Interessen nicht entgegen stehen, die geeignet wären, dies zu verhindern, da sich der Beschwerdeführer noch in Haft befindet, die noch nicht zur Gänze verbüßt ist (fünfjährige Haftstrafe seit Sommer 2017). Außerdem befindet er sich im Maßnahmenvollzug, aus dem er erst nach erwiesener Erfolge der psychiatrischen Behandlung und aufgrund einer gerichtlichspsychologischen Untersuchung bei nicht mehr bestehenden Gefährlichkeit entlassen wird.
Im Gegensatz dazu hätte der Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses zur Folge, dass der Beschwerdeführer im Falle der Entlassung aus der Haft bzw. des Maßnahmenvollzuges zwar nicht abgeschoben werden kann, aber andererseits sich illegal in Österreich aufhalten würde bzw. in keiner Weise irgendeiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann, um für seinen Lebensunterhalt, aber auch für den seiner Familie (Frau und Kinder) zu sorgen, wenn es ihm nach erfolgreicher Psychotherapie und frühzeitig bedingter Entlassung aus dem Straf- bzw. Maßnahmenvollzug möglich wäre die Justizanstalt Graz-Karlau zu verlassen und einer Arbeit (bei seinem Vater) nachzugehen.
Der Beschwerdeführer hat sich außer der einen Straftat, für die er Haft verbüßt bzw. sich im Maßnahmenvollzug befindet, nichts zu Schulden kommen lassen und bestehen daher weder general- noch spezialpräventive Gründe, dem Aufschiebeantrag nicht Folge zu geben."
Zum Revisionswerber hat das Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis unter anderem festgestellt:
" XXXX wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 27.11.2017, Gz. 230 Hv 11/17i, wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung an XXXX , seiner Ehefrau, zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er am 25.01.2017 in Graz seine Ehefrau XXXX absichtlich schwer am Körper verletzt hat, indem er gegen sie Faustschläge und Tritte führte, sie biss und in wiederholten Angriffen erhitzte Metallgegenstände, nämlich einen Löffel, vier Messer, einen Schlitzschraubenzieher und eine Shisha-Zange sowie einen weiteren nicht näher bekannten großflächigen Gegenstand gegen den Hals, die Oberschenkel, das Gesäß und den Genitalbereich presste, seiner Gattin zumindest den erhitzten Schraubenzieher vaginal und anal einführte und ihr auf diese Weise Verbrennungen zweiten und dritten Grades der Haut an Hals, linker Hüfte, Oberschenkel, linkem Unterschenkel sowie am Gesäß, Anal- und Genitalbereich sowie Schwellungen im Gesichtsbereich, Hautunterblutungen im Gesicht, am linken Oberarm, am linken Ellbogen, an beiden Unterarmen, an der rechten Hand, an beiden Knien sowie am rechten Unterschenkel und Hautkratzer im Gesicht, an der rechten Hand sowie am rechten Oberschenkel, mithin eine an sich schwere Verletzung mit längerer als 24 Tage dauernder Gesundheitsschädigung absichtlich zufügte.
Mildernd wurden das reumütige und zur Wahrheitsfindung beitragende Geständnis und die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten, erschwerend die Straftat gegen eine Angehörige, die mehrfachen Verletzungen über Stunden und die qualvollen sowie erniedrigenden Tathandlungen gewertet.
XXXX übernimmt für diese Straftat vor dem Bundesverwaltungsgericht formal die Verantwortung, spielt seine Tathandlung aber in Schwere und Bedeutung herunter, da er über Befragung vorerst nur angab, seine Frau geschlagen zu haben. Nach der ersten Nachfrage fügte XXXX hinzu, dass er ihr auch die Haare abgeschnitten habe und erst über ausdrücklichen Vorhalt wurde die mehrstündige Folter mittels heißer Metallgegenstände, die er seiner Frau auch vaginal und anal eingeführt hat, zugegeben. Hinsichtlich der Tat macht XXXX Freunde, die ihm von der vorgeblichen Untreue seiner Ehefrau erzählt hätten, und seinen Drogenkonsum verantwortlich. Bei der psychiatrischen Untersuchung beim gerichtlichen Sachverständigen hat XXXX noch angegeben, dass er aufgrund der "Vergehen" seiner Frau berechtigt gewesen sei, nach dem islamischen Glauben die "Strafe" anzuwenden und sie sogar hätte köpfen dürfen. Auch für diese Aussage macht XXXX einen "Kollegen", der mit ihm in Haft sitze, und Drogenersatzstoffe, die er in der Haft bekommen habe, verantwortlich.
Im Gutachten des im Strafverfahren herangezogenen gerichtlichen Sachverständigen für Psychiatrie und Neurologie vom 24.04.2017 wurde allerdings festgestellt, dass XXXX zum Untersuchungszeitpunkt bewusstseinsklar und in allen Qualitäten orientiert war, sodass die Aussage, dass seine Ausführungen, er sei aufgrund der "Vergehen" seiner Frau berechtigt gewesen, nach dem islamischen Glauben die "Strafe" anzuwenden und sie sogar hätte köpfen dürfen, unter Drogeneinfluss erfolgt seien, nicht glaubhaft ist. Der Sachverständige ging in seinem Gutachten vom 24.04.2017 davon aus, dass XXXX mit großer Wahrscheinlichkeit zu neuerlichen Tathandlungen mit schweren Folgen, wie schwere Körperverletzungen, die unter Umständen auch mit Lebensgefahr oder dem Tod verbunden sein könnten, neigen wird. In einem Gutachten vom 30.09.2019 bescheinigt derselbe Sachverständige dem XXXX zwar, dass sich seine Einstellung gegenüber seiner Frau und seiner Familie geändert zu haben scheint, jedoch sei noch keine ausreichende risikorelevante Veränderung der Gefährlichkeit zum Positiven zu erkennen, sodass zum nunmehrigen Zeitpunkt die Fortführung der Maßnahme im Sinne des § 21 Abs. 2 StGB zu empfehlen sei.
1.4. XXXX wurde in Österreich wegen keiner anderen gerichtlich strafbaren Handlung und keiner Verwaltungsübertretung bestraft.
Allerdings verhielt sich XXXX zu Beginn seiner Haft unangepasst, inadäquat, massiv auffällig und bizarr, sodass bei XXXX im Rahmen des Haftvollzuges Sicherheitsmaßnahmen getroffen und mehrere Meldungen aufgrund von ungebührlichem Benehmen erstattet werden mussten. Eine Beschäftigung in der Anstaltsbäckerei wurde wegen mangelhafter Arbeitsleistung und Arbeitsmotivation nach fünf Monaten beendet und XXXX in der Anstaltsdruckerei zur Arbeit eingeteilt. Im Rahmen seiner Anhaltung wurden gegen XXXX 18 Ordnungswidrigkeiten vermerkt, die zum Teil, aber nicht vollständig, seiner psychischen Instabilität zugeordnet werden konnten. Seit Beginn einer psychopharmakologischen Medikation hat sich das Verhalten des XXXX gebessert, er zeigt nunmehr adäquates und höfliches Auftreten, allerdings fällt dieser weiterhin durch Ordnungswidrigkeiten, die nicht Ausdruck seiner psychischen Erkrankung sind, auf.
1.5. XXXX gibt zu, suchtgiftabhängig gewesen zu sein; es ist nicht glaubhaft, dass er im Falle der Freilassung keinen Kontakt zum Suchtgift mehr suchen wird, weil er sich hinsichtlich seiner Abhängigkeit und den von ihm konsumierten Suchtgiften in widersprüchliche Angaben verwickelt hat und sich somit mit der Abhängigkeit nicht hinreichend beschäftigt hat, um diese hinter sich zu lassen.
XXXX ist in seinem Leben in Österreich bisher keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen, er hat in Österreich vor der Haft von der Grundversorgung bzw. Mindestsicherung gelebt. XXXX würde aber nach der Entlassung aus der Haft von seinem Vater in dessen Lokal beschäftigt werden. XXXX hat in Österreich bis dato zwei Deutschkurse besucht, er besuchte oder besucht weder andere Kurse, noch Vereine, eine Schule oder Universität.
XXXX hatte bisher - von seinen Aufenthaltsrechten während des Asylverfahrens vom 22.11.2014 bis zum 19.05.2015 und als Asylberechtigter vom 19.05.2015 bis dato abgesehen - kein Aufenthaltsrecht in Österreich, sein Aufenthalt in Österreich war allerdings praktisch den gesamten Zeitraum durch die genannten Aufenthaltsrechte gerechtfertigt. XXXX ist rechtswidrig nach Österreich eingereist.
XXXX spricht verkehrstaugliches Deutsch.
XXXX hat keine durch Zeugnisse belegbare abgeschlossene Berufsausbildung und keine durch Zeugnisse belegbare Berufserfahrung.
XXXX hat in Österreich kein Vermögen und lebte vor der Haft von der Sozialhilfe."
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus der unstrittigen Aktenlage.
3. Rechtliche Beurteilung:
§ 30 Abs. 2 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2019 (in Folge: VwGG), lautet: "Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden."
Gemäß § 30a Abs. 3 VwGG hat das Verwaltungsgericht über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unverzüglich mit Beschluss zu entscheiden.
Nach Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichtes - der keine Rechtsprechung der Höchstgerichte entgegensteht, die auch nicht offensichtlich unrichtig ist und die sich im Wesentlichen auf die rechtskräftige Verurteilung durch das Strafgericht stützt - ergibt sich aus der rechtskräftigem Verurteilung des Revisionswerbers durch das Landesgericht für Strafsachen Graz vom 27.11.2017, Gz. 230 Hv 11/17i, wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung an XXXX , der Ehefrau des Revisionswerbers, zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und einer Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, weil der Revisionswerber am 25.01.2017 in Graz seine Ehefrau absichtlich schwer am Körper verletzt hat, indem er gegen sie Faustschläge und Tritte führte, sie biss und ihr in wiederholten Angriffen erhitzte Metallgegenstände, nämlich einen Löffel, vier Messer, einen Schlitzschraubenzieher und eine Shisha-Zange sowie einen weiteren nicht näher bekannten großflächigen Gegenstand gegen den Hals, die Oberschenkel, das Gesäß und den Genitalbereich presste, seiner Gattin zumindest den erhitzten Schraubenzieher vaginal und anal einführte und ihr auf diese Weise Verbrennungen zweiten und dritten Grades der Haut an Hals, linker Hüfte, Oberschenkel, linkem Unterschenkel sowie am Gesäß, Anal- und Genitalbereich sowie Schwellungen im Gesichtsbereich, Hautunterblutungen im Gesicht, am linken Oberarm, am linken Ellbogen, an beiden Unterarmen, an der rechten Hand, an beiden Knien sowie am rechten Unterschenkel und Hautkratzer im Gesicht, an der rechten Hand sowie am rechten Oberschenkel, mithin eine an sich schwere Verletzung mit längerer als 24 Tage dauernder Gesundheitsschädigung absichtlich zufügte sowie aus der festgestellten Inanspruchnahme des Rechts auf Selbstjustiz, die mehrmalige Berufung des Revisionswerbers darauf, dass er die geschilderten Handlungen habe setzen dürfen und der damit verbundenen Stellung (vermeintlichen) islamischen Rechts über die österreichische Rechtsordnung, der sachverständig festgestellten Gemeingefährlichkeit und der festgestellten Suchtgiftabhängigkeit eine außergewöhnliche Gefährlichkeit des Revisionswerbers. Da die Entscheidung mit einer Verpflichtung zur Ausreise aus Österreich verbunden ist, die nach Entlassung des Revisionswerbers durch diesen - auch wenn eine Abschiebung nach Syrien unzulässig ist - zu beachten ist, bestehen im gegenständlichen Fall erhebliche öffentliche Interessen an der Durchsetzbarkeit der gegenständlichen Entscheidung, der der Revisionswerber nur entgegensetzt, dass er derzeit auf Grund der Anhaltung in der Haft nicht gefährlich ist und nach seiner Entlassung arbeiten möchte. Die Entlassung aus der Haft kann nicht abgesehen werden und ist daher kein Grund, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ersichtlich. Die anderen angeführten Interessen des Revisionswerbers - so sie nicht nur wirtschaftliche Interessen darstellen mögen - wiegen jedenfalls nicht schwerer als die dargestellten öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der Ausreiseverpflichtung des Revisionswerbers auf Grund seiner festgestellten Gefährlichkeit.
Schon aus diesen Erwägungen war dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision gegen den die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes ablehnenden Beschluss gemäß § 30 Abs. 2 VwGG nicht stattzugeben.
Schlagworte
Asylverfahren, aufschiebende Wirkung, außerordentliche Revision,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W170.2191604.1.01Zuletzt aktualisiert am
02.07.2020