TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/13 W195 2213133-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.02.2020
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Entscheidungsdatum

13.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W195 2213133-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.12.2018, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.02.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Erster Antrag auf internationalen Schutz:

I.1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte nach illegaler Einreise erstmals am 20.09.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab er an, Mitglied der Bangladesh Nationalist Party (im Folgenden: BNP) zu sein und daher in seiner Heimat aufgrund seiner politischen Gesinnung von Mitgliedern der regierenden Partei Awami League verfolgt zu werden. Am 15.08.2010 habe es eine Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern der BNP und der Awami League gegeben, woraufhin mehrere Mitglieder, darunter auch der BF, strafrechtlich angezeigt worden seien. Dem BF sei eine Anzeige wegen Raufhandel und fälschlicherweise ein Verstoß gegen das Sprengmittelgesetz zur Last gelegt worden, weshalb er von der Sicherheitsbehörde verfolgt werde. Da gegen seine Person ein Haftbefehl erlassen worden sei, habe er die Flucht ergriffen. Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Im Fall einer Rückkehr befürchte er, festgenommen bzw. von Mitgliedern der Awami League getötet zu werden.

I.1.2. Im Rahmen einer am 27.09.2011 vor dem Bundesasylamt erfolgten niederschriftlichen Einvernahme gab der BF im Wesentlichen an, in XXXX geboren und seit dem Jahr 2000 standesamtlich verheiratet zu sein sowie zwei Töchter im Alter von fünf und sieben Jahren zu haben. Er habe eine Ausbildung als Schneider für Herren und Damen. In XXXX habe er mit seiner Ehefrau, seinen Kindern, seinem Bruder, seiner Schwägerin und ihren zwei Kindern gemeinsam im Elternhaus gewohnt. Seine Eltern seien verstorben und das Elternhaus würde ihm und seinen zwei Brüdern gehören. Bis 15.08.2010 habe er dort gewohnt, danach sei er nur mehr sporadisch, zuletzt Mitte Juli 2011, zu Hause gewesen. Am 05.08.2011 habe er Bangladesch verlassen. Er habe regelmäßigen Kontakt zu seiner Ehefrau. Seine Frau und seine Kinder seien zu Hause und seine Töchter würden in den Kindergarten bzw. eine davon demnächst in die Schule gehen. Solange der BF im Ausland sei, lebe seine Frau bei ihren Eltern, die sie unterstützen würden. Vor seiner Ausreise aus Bangladesch sei der BF als Textilhändler tätig gewesen. Von 1990 bis 2008 habe er als Schneider gearbeitet, aber weil das Geschäft nicht so gut gelaufen sei, habe er 2008 nebenbei angefangen, mit Textilien zu handeln und habe diese Tätigkeit bis August 2010 ausgeführt. Um sein Geschäft kümmere sich derzeit sein Bruder. Seinen Lebensunterhalt habe er danach mit dem Verkauf seines Geschäftsinventars bestritten, inzwischen habe er alles verbraucht.

Er habe Ende Juli 2011 erstmals den Entschluss gefasst, sein Heimatland zu verlassen, als gegen seine Person ein Haftbefehl erlassen worden sei. An einem Tag nach dem 15.07.2011 habe er gegen 23:30 Uhr sein Elternhaus verlassen und sich danach circa fünf Tage bei seinen Schwiegereltern aufgehalten. Nach dem 25.07.2011 sei er dann zu einem Schlepperquartier gefahren, von wo aus er weiter nach Indien gereist sei. Am 20.09.2011 sei er in Österreich eingereist. In Bangladesch würden neben seiner Frau und seinen Töchtern noch seine zwei Brüder und drei Schwestern sowie zwei Onkel und eine Tante mütterlicherseits leben. Sein ältester Bruder kümmere sich um das Schneidergeschäft des BF und der andere Bruder arbeite für ein Privatunternehmen, aber der BF habe keinen Kontakt, deshalb wisse er nichts Genaues darüber. Seine drei Schwestern seien verheiratet und würden mit ihren Männern ebenfalls in XXXX leben. Seine Onkel und Tante seien Landwirte.

Am 15.08.2010 habe die Awami League einen Trauertag veranstaltet, da an diesem Tag im Jahr 1975 ihr Gründer getötet worden sei. An diesem Tag habe auch der Parteivorsitzende der BNP Geburtstag und dies sei mit einem Menschenzug gefeiert worden. Dieser Menschenzug sei an der Veranstaltung der Awami League vorbeigezogen und es sei zu einer Auseinandersetzung gekommen, bei der auch Bomben geworfen und mehrere Personen verletzt worden seien. Am nächsten Tag habe der BF erfahren, dass fünf Personen, darunter auch er, angezeigt worden seien und von der Polizei gesucht werden würden. Drei Tage nach dem Vorfall sei er von der Polizei gesucht worden, habe sich aber bei einem Freund in einem anderen Viertel aufgehalten. Der BF habe am 20.07.2011 von einem Freund erfahren, dass von einem Richter ein Haftbefehl gegen ihn erlassen werden würde. Es sei dem BF auch ein Mordversuch wegen eines Verstoßes gegen das Sprengmittelgesetz vorgeworfen worden.

Auf Nachfrage, ob es richtig sei, dass der BF schon vor dem Haftbefehl erfahren habe, dass er erlassen werden würde, gab der BF an, dass er dies so von den Leuten gehört habe. Diese hätten nur gesagt, dass in der nächsten Verhandlung sicher ein Haftbefehl erlassen werden würde, wenn der BF dort nicht erscheine. Der BF habe nicht vorgehabt, zu erscheinen.

Auf Nachfrage, ob der BF jemals eine Ladung des Gerichts bekommen habe, gab er an, dass er das schon glaube, sich aber entschlossen habe, sich nicht vor Gericht zu stellen, weil er kein Vertrauen in die Justiz habe, weil die Justiz nicht unabhängig sei.

Auf Nachfrage, weshalb er sein Heimatland nicht schon früher verlassen habe, gab der BF an, dass er bis zum Haftbefehl gewartet habe und die Lage beobachten habe wollen. Er habe gestern mit seiner Frau telefoniert und diese habe ihm gesagt, dass tatsächlich ein Haftbefehl gegen den BF erlassen worden sei.

Die Frage, ob der BF bei der BNP eine Funktion innegehabt habe, verneinte er und gab an, dass er normales Mitglied gewesen sei.

I.1.3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.09.2011, XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bangladesch verfügt (Spruchpunkt III.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz wurde im Wesentlichen damit begründet, dass im Fall des BF weder eine entsprechende Intensität noch ein zeitlicher Zusammenhang erkennbar gewesen sei und dem BF hinsichtlich des Bestehens der Gefahr einer Verfolgung in seinem Heimatland gänzlich die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei. Beweiswürdigung wurde dazu ausgeführt, dass der BF die in der Einvernahme vorgehaltenen Widersprüche nicht plausibel habe erklären können und es sich zweifelsfrei ergeben habe, dass die vom BF geschilderte Bedrohungssituation nicht den Tatsachen entspreche. Zudem würden auch keine individuellen Umstände vorliegen, die dafür sprechen, dass der BF bei einer Rückkehr in sein Heimaland in eine derart extreme Notlage gelangen würde, die eine unmenschliche Behandlung iSd Art. 3 EMRK darstellen würde. Ebenso stelle eine Ausweisung keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf ein Privat- und Familienleben des BF dar.

I.1.4. In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 03.10.2011 wurde der Bescheid vollinhaltlich angefochten und gab der BF darin zusammengefasst an, dass die Behörde ihrer Pflicht zu amtswegigen Ermittlungen nicht nachgekommen sei und das Parteiengehör verletzt habe, da sie dem BF nicht in ausreichendem Maß die Möglichkeit gegeben habe, zu den Länderberichten sowie den zu von der belangten Behörde herangezogenen Gründen für die Abweisung des Asylantrags Stellung zu nehmen. Für ein substantiiertes Vorbringen zu den Gründen, weshalb ihm Asyl zu gewähren sei benötige er einen Rechtsberater, weshalb die Beigabe eines Rechtsberaters beantragt werde.

I.1.5. Mit Verfahrensanordnung des Asylgerichtshofes vom 07.10.2011 wurde der BF aufgefordert alle Beweismittel vorzulegen, allfällige neue Flucht- oder Verfolgungsgründe darzutun und zu erklären, ob dieser mit Erhebungen im Herkunftsstaat einverstanden sei.

I.1.6. Mit Verfahrensanordnung des Asylgerichtshofs vom 10.10.2011 wurde dem BF ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

I.1.7. Am 31.10.2011 langte beim Asylgerichtshof ein als Beschwerdeergänzung bezeichneter Schriftsatz des BF ein, in welchem nach Zusammenfassung der Fluchtgründe ausgeführt wurde, dass die Verfolgung des BF auf Gründen der GFK beruhe, da er eine Verfolgung seitens des Staates vorgebracht habe. Auch ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Ausreisegrund und -zeit sei gegeben, da der BF schon wenige Tage nachdem er von dem Haftbefehl erfahren habe, geflüchtet sei. Er habe eine Verfolgung durch den Staat vorgebracht und die Ausführungen im angefochtenen Bescheid zur Schutzfähigkeit des Staates würden aufzeigen, dass sich die Behörde mit dem Vorbringen des BF nicht hinreichend auseinandergesetzt habe. Dasselbe gelte für die Ausführungen betreffend die innerstaatliche Fluchtalternative. Es sei auch nicht nachvollziehbar wie die Behörde zu der Ansicht gelangen habe können, dass eine Asylgewährung wegen der allgemein gehaltenen Behauptungen und spekulativen Befürchtungen des BF ausgeschlossen sei, da er von einem konkret gegen ihn erlassenen Haftbefehl gesprochen habe. Die Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid sei unbegründet und habe keinen Bezug zum Vorbringen des BF. Auch sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Behörde keine Ermittlungen vor Ort durchgeführt habe. Weiters habe es die Behörde unterlassen, Feststellungen zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens und zu den Haftbedingungen zu treffen.

I.1.8. Am 25.04.2013 wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof durchgeführt.

I.1.9. Am 24.05.2013 langten beim Asylgerichtshof eine in englischer Sprache gehaltene Bestätigung der BNP vom 24.07.2011 betreffend die Mitgliedschaft des BF bei der BNP und die Geburtsurkunde des BF ein.

I.1.10. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 04.11.2013, XXXX , wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bereits die Angaben zum Fluchtweg widersprüchlich geschildert worden seien. Zum Vorbringen des BF zu seinem eigentlichen Fluchtgrund sei anzumerken, dass die "Grundgeschichte" in ihren wesentlichen Zügen zwar nahezu gleichlautend vorgebracht worden sei, sich der BF jedoch bei tiefergehender Befragung zunehmend in Widersprüche verstrickt habe, die von ihm auf Vorhalt nicht nachvollziehbar aufgeklärt werden hätten können. Beispielsweise sei der BF nicht in der Lage gewesen, die Namen der angeblich mit ihm gemeinsam angezeigten Personen widerspruchsfrei zu nennen. Hätte der BF den geschilderten Vorfall tatsächlich erlebt, wäre er in der Lage gewesen, sein Vorbringen auch in Nebenpunkten und auf Nachfrage entsprechend zu konkretisieren bzw. widerspruchfrei darzulegen, zumal der BF - seinen Angaben zu seinen persönlichen Daten zufolge - zehn Jahre lang die Schule besucht habe.

Beweiswürdigung wurde insbesondere ausgeführt, dass trotz der vorgelegten Mitgliedsbestätigung eine Mitgliedschaft des BF bei der BNP bzw. eine Führungsfunktion - zuletzt behauptete der BF der Öffentlichkeitssekretär der BNP gewesen zu sein - nicht glaubhaft sei, da sich bei einer Gesamtbetrachtung dieses Vorbringens weitere Widersprüche ergeben haben, die der BF nicht nachvollziehbar aufklären konnte. So habe der BF in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt dezidiert angegeben, dass er keine Funktion in der BNP gehabt habe, sondern nur "normales Mitglied" gewesen sei. Hingegen habe er vor dem Asylgerichtshof die Frage bejaht, ob er eine Führungsposition in der Partei gehabt habe und habe ergänzend ausgeführt, dass er der Öffentlichkeitssekretär der Partei gewesen sei. Warum er dies nicht vor dem Bundesasylamt angegeben habe, habe der BF dahingehend begründet, dass er nicht so genau gefragt worden sei. Der angeblich von der BNP ausgestellten Mitgliedsbestätigung wiederum sei zu entnehmen, dass der BF "member" der BNP ist, der die Partei sorgfältig organisiert habe und bei Parteitreffen, Seminaren und anderen Programmpunkten in vorderster Front gestanden sei. Dass der BF definitiv eine Funktion - in eine solche wird man auch in Bangladesh üblicherweise gewählt bzw. ernannt - nämlich die des Öffentlichkeitssekretärs gehabt habe, werde in der vorgelegten Bestätigung allerdings nicht erwähnt. In Zusammenhang mit der angeblich von der BNP ausgestellten Mitgliedsbestätigung sei jedoch noch auf weitere inhaltliche Unstimmigkeiten zu verweisen. In der Bestätigung werde unter anderem angeführt, dass die Mitglieder der Awami League den BF mehrere Male damit gedroht hätten, ihn zu töten. Eine solche konkrete Bedrohung durch Mitglieder der Awami League habe der BF in Zusammenhang mit seinen eigenen Fluchtgründen allerdings nicht erwähnt. Weiters sei darauf zu verweisen, dass die Bestätigung das Ausstellungsdatum "24.07.2011" aufweise und sohin zu einem Zeitpunkt ausgestellt worden sei, als der BF - seinen eigenen Angaben zufolge - bereits seine Flucht vorbereitet habe, sodass es nicht nachvollziehbar sei, dass sich der BF im Zuge seiner Fluchtvorbereitungen eine Bestätigung über seine Mitgliedschaft von der BNP ausstellen lässt, die er in der Folge jedoch nicht auf die Flucht mitnimmt. Hinzu komme, dass der BF seinen eigenen Angaben zufolge bereits im Jahr 2000 der BNP "schriftlich beigetreten" sei und es auch in diesem Zusammenhang nicht plausibel sei, sich die diesbezügliche Mitgliedsbestätigung erst elf Jahre später ausstellen zu lassen. Aus all diesen Gründen werde die vom BF vorgelegte Bestätigung seiner Mitgliedschaft bei der BNP als ein Gefälligkeitsschreiben gewertet. Darüber hinaus zeigte sich im weiteren Verlauf der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof weiters, dass der BF - als angeblicher Funktionär der BNP mit zehnjähriger Schulbildung - massive Wissenslücken betreffend seine Partei aufweist.

Ein weiterer gravierender Widerspruch im Vorbringen des BF betreffe den angeblichen Haftbefehl. Diesbezüglich gab er in der Erstbefragung an, dass gegen ihn ein Haftbefehl erlassen worden sei. In der Einvernahme vor dem Bundesasylamt habe er diesbezüglich vorgebracht, es sei vom Gericht ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden. Dies habe er von einem Freund erfahren. Bereits am 20.07.2011 habe der BF von den Familien der anderen Beschuldigten erfahren, dass in ein paar Tagen ein Haftbefehl gegen ihn erlassen werde. Am Tag vor der Einvernahme habe er mit seiner Frau telefoniert, die ihm gesagt habe, dass tatsächlich ein Haftbefehl erlassen worden sei. Vor dem Asylgerichtshof brachte der BF in Zusammenhang mit dem Verkauf seines Geschäftes bzw. der Finanzierung der Ausreise vor, er habe sein Geschäft glaublich am 15.07.2011 verkauft. Auf die folgende Frage ob dies vor oder nach dem Haftbefehl gewesen sei, gab er an, er wisse nicht, ob überhaupt ein Haftbefehl erlassen worden sei. Im weiteren Verlauf der Verhandlung wurde er dezidiert danach gefragt, ob gegen ihn ein Haftbefehl existiere und gab er darauf an: "Ja, ich weiß, es gibt einen." Auf Vorhalt seiner vorhergehenden Aussage variierte der BF sein Vorbringen dahingehend, dass er nunmehr ausführte, er habe gehört, dass es einen Haftbefehl gebe. Ob dieser jetzt noch aufrecht sei, wisse er nicht. Dass ein Haftbefehl erlassen worden sei, habe er telefonisch von seiner Frau zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem Bundesasylamt erfahren. Auf die Frage, warum er dann schon vor der Polizei gesagt habe, dass es einen Haftbefehl gebe, antwortete er zunächst, er habe vor der Polizei gesagt, dass ein Haftbefehl erlassen werde, um auf wörtlichen Vorhalt seiner Angaben in der Erstbefragung lediglich ohne nähere Begründung anzugeben, er habe das nicht so gesagt.

Dem Vorbringen des BF zu seinen Fluchtgründen sei sohin zur Gänze die Glaubwürdigkeit zu versagen gewesen. Wenn in der Beschwerdeergänzung ausgeführt wird, dass nicht nachvollziehbar sei, weshalb die Behörde keine Ermittlungen vor Ort durchgeführt habe, sei dem entgegenzuhalten, dass das Fluchtvorbringen als nicht glaubhaft gewertet werde und daher von weiteren Ermittlungen im Heimatland des BF Abstand genommen werde.

Letztlich sei zum - lediglich unkonkret in den Raum gestellten - Vorbringen des BF, er habe Angst vor Mitgliedern der Awami League aus seinem Heimatviertel, auszuführen, dass (ungeachtet der Unglaubwürdigkeit seines gesamten Fluchtvorbringens) ihm für den Fall, dass er tatsächlich Angst vor Mitgliedern der Awami League aus seinem Heimatviertel haben sollte, eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht, da es sich lediglich um befürchtete regional begrenzte Probleme handle.

Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

I.2. Gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz:

I.2.1. Am 27.09.2016 stellte der BF den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag), zu dem er am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde.

Der BF gab darin an, Österreich seit der Entscheidung über seinen ersten Asylantrag nicht verlassen zu haben. Auf die Frage, weshalb er einen neuerlichen Asylantrag stelle, gab er an, sich in Bangladesch bei seiner Familie über die politische Lage informiert zu haben. Sie hätten gesagt, dass es ein Risiko für den BF sei, nach Bangladesch zurückzukehren. Gestern habe er mit seinem Bruder telefoniert, welche ihm mitgeteilt habe, dass der BF seit einigen Wochen von der Polizei und Mitgliedern der Awami League gesucht werde.

I.2.2. Am 22.11.2018 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen und zu den Gründen für seine neuerliche Antragstellung befragt.

Der BF führte dabei aus, gesund zu sein und dass es ihm nicht möglich gewesen sei, Dokumente zu besorgen, da seine Familie selbst politische Probleme habe. Als der BF noch in Bangladesch gewesen sei, sei ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden. Der BF habe gehört, dass noch zwei bis drei weitere Verfahren eingeleitet worden seien. Sein Neffe sei seit zwei Jahren im Gefängnis und sein Schwager sei seit sieben bis acht Monaten auf der Flucht, da gegen ihn sieben bis acht Verfahren eingeleitet worden seien. Befragt gebe er an, dass er nicht sagen könne, ob er Dokumente nachbringen könne. Auf Vorhalt, dass er den Folgeantrag vor zwei Jahren gestellt habe und es ihm bis dato nicht möglich gewesen sei, die Dokumente zu beschaffen, gab er an, dass sein Bruder Angst habe, zur Polizei zu gehen, weil sein Sohn inhaftiert sei. Außerdem sei sein Bruder sehr krank. Seine Familie lebe bei seinen Schwiegereltern und er habe zu diesen seit zwei Jahren kaum Kontakt gehabt.

Der BF habe von seinem älteren Bruder erfahren, dass die Polizei ab und zu kommen und nach dem BF suchen würde und er glaube, dass sieben bis acht Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden seien. Auf Vorhalt, dass er vorhin noch gesagt habe, dass es sich um zwei bis drei Verfahren handle, gab er an, dass sein Bruder nicht genau wisse, wie viele es seien. Dieser habe keine Anzahl genannt. Sein Bruder habe ihm aber gesagt, dass weitere vier bis fünf Strafverfahren gegen den BF eingeleitet worden seien und er dies von Freunden aus der Umgebung erfahren habe. Auch der BF habe Kontakt zu dieser Person. Der BF habe es sowohl von dieser Person als auch von seinem Bruder erfahren. Da dieser Freund ein politischer Anhänger sei, bekomme er diese Informationen. Auf Nachfrage, wieso es diesem Freund nicht möglich gewesen sei, dem BF die Dokumente zu senden, gab der BF an, dass sie nicht so einen guten Kontakt hätten und er selbst auch politische Probleme habe.

Auf Nachfrage, was konkret dem BF in den neuen Strafverfahren vorgeworfen werde, gab er an, dass er dies nicht genau sagen könne, er wisse nur, dass die Strafverfahren politisch motiviert seien. Auf Nachfrage, wann genau die Strafverfahren eingeleitet worden seien, gab der BF an, im August 2016 mit seinem Bruder gesprochen und erfahren zu haben, dass die Polizei hin und wieder zu ihnen nach Hause komme und den BF suchen würde, weil zwei bis drei Verfahren eingeleitet worden seien. Das Datum der Einleitung wisse er nicht. Die Frage, ob ein Haftbefehl gegen den BF bestehe, bejahte der BF und gab dazu an, dass es dies Folter sei. Er habe auch dies von seinem Bruder erfahren und kenne das Datum des Haftbefehls nicht. Da man den BF nicht gefunden habe, habe man einen Haftbefehl ausgestellt. Auf Nachfrage, wann die Polizei gekommen sei, gab er an, dass ihm sein Bruder kein konkretes Datum genannt habe. Die Polizei habe auch nicht genau gesagt, weshalb sie den BF suchen.

Auf Nachfrage, ob sich in Bezug auf seine Familienangehörigen etwas geändert habe, gab der BF an, dass er zu seiner Familie kaum noch Kontakt habe, weil er sie nicht finanziell unterstütze, und seine Kinder keinen Bezug mehr zu ihm hätten. Seine Frau und seine Töchter würden bei den Eltern seiner Frau leben. Seine Kinder würden ihn ab und zu anrufen. Ansonsten würden noch sein älterer Bruder, seine drei Schwestern und Onkel und Tanten in Bangladesch leben. Zwei seiner Schwager seien gestorben, einer nachdem der BF nach Österreich gekommen sei. Zu seinem Bruder habe der BF Kontakt.

In Bangladesch habe der BF acht Jahre eine Grundschule besucht. Er sei Näher und habe einen Kurs in diesem Bereich besucht. In Bangladesch habe er ein Geschäft gehabt, wo er auch Stoffe verkauft habe. Aufgrund der politischen Probleme habe es viele Vorkommnisse gegeben. Der Handel sei geschlossen worden. Sein älterer Bruder sei schon sehr alt und könne sich nicht mehr darum kümmern. Im Heimatort hätten sie einige Besitztümer, welche vermietet werden würden. Die Familie habe ein großes Grundstück, auf dem einige Wohnungen vermietet seien, sowie ein Geschäft in einem anderen Ort. Zu seinem anderen Bruder habe der BF keinen Kontakt, diese lebe aber auch in Bangladesch.

Die Frage, warum der BF einen neuerlichen Asylantrag gestellt habe, beantwortete er damit, dass er im August 2016 seinen Bruder angerufen habe und diesen nach der derzeitigen Situation befragt habe. Sein Bruder habe ihm mitgeteilt, dass die Polizei hin und wieder zu ihnen kommen und den BF suchen würde und dass es besser sei, wenn der BF nicht zurückkehre. Der Sohn seines Bruders sei von der Polizei mitgenommen worden und sitze in Haft, weil gegen diesen auch ein politisch motiviertes Verfahren eingeleitet worden sei. Die Polizei sei zu ihnen nach Hause gekommen und habe Drogen gefunden. Dies sei von den Anhängern der Regierungspartei gemacht worden, um ihn einsperren zu lassen.

Aufgrund der politischen Lage sei das Leben des BF in Gefahr. Er könne auch nicht in einer anderen Stadt oder Provinz leben, weil er immer gefunden werden könne. Es könnten weitere Strafverfahren gegen ihn eingeleitet werden und wenn sie ihn finden würden, würden sie ihn unmenschlich behandeln und töten. Sein älterer Bruder sei kein Mitglied einer Partei, aber Unterstützer der BNP, weshalb auch sein Sohn mitgenommen worden sei. Der Neffe des BF sei Mitglied der BNP.

In Österreich habe er den Kurs A1 gemacht und werde von der Caritas unterstützt. Er sei Mitglied im XXXX , in der XXXX und in einem XXXX -Verein. In Österreich habe er zwei bis drei gute Freunde aus Österreich, mit denen er guten Kontakt habe. Er kenne auch einige Bengalen und habe zwei afghanische Freunde.

I.2.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10.12.2018 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Angaben des BF als unwahr erachtet werden. Der BF habe bereits widersprüchliche Angaben zum Zeitpunkt des Telefonats mit seinem Bruder gemacht. Nach der freien Erzählung zu den Fluchtgründen habe der BF erst angegeben, dass zwei bis drei weitere Strafverfahren eingeleitet worden seien und widersprüchlich dazu habe er danach angegeben, dass sieben bis acht Strafverfahren gegen ihn eingeleitete worden seien. Zum Inhalt der Strafverfahren habe er zudem keine Angaben machen können. Unglaubwürdig sei auch in diesem Zusammenhang, dass es dem BF binnen zwei Jahren nicht gelungen sei, Dokumente vorzulegen. Unglaubwürdig sei weiters, dass der Bruder des BF von einem Freund über die Strafverfahren erfahren habe. Auch dazu habe der BF keine konkreten Angaben machen können. Dem BF sei zudem bereits im ersten Verfahren die Glaubhaftigkeit seines Vorbringens in Bezug auf eine Mitgliedschaft bei der BNP und eines vorhandenen Haftbefehls entsagt worden sei.

Für das BFA sei weiters unglaubwürdig, dass fünf Jahre, nachdem der BF sein Heimatland verlassen habe, weitere Strafverfahren gegen den BF eingeleitet werden sollten. Es sei auch nicht glaubhaft, dass die neuen Strafverfahren politisch motiviert seien, weil nicht festgestellt werden habe können, dass der BF politisch aktiv gewesen sei. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass der BF aufgrund seiner langen Abwesenheit längst in Vergessenheit geraten sei.

Beim BF handle es sich um einen gesunden Mann, von dem erwartet werden könne, dass er sich im Heimatland eine Existenz aufbauen könne. Er habe eine Schulbildung genossen und im Heimatland gearbeitet, zudem verfüge er über familiäre und private Anknüpfungspunkte. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" würden nicht vorliegen und würden zudem die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

I.2.4. Mit Schriftsatz vom 07.01.2019 wurde der Bescheid des BFA seitens des - rechtsfreundlich vertretenen - BF zur Gänze angefochten.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde es unterlassen habe, auf das individuelle Vorbringen des BF einzugehen und die Gesamtbeurteilung anhand der aktuellen Herkunftsstaat-spezifischen Informationen verabsäume. Der BF habe seine Asylgründe schlüssig, ausführlich und glaubhaft angeführt und Angst vor einer Rückkehr glaubhaft gemacht. Außerdem habe der BF mehrere Unterlagen zum Beweis seines Vorbringens vorgelegt. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass im Fall einer Rückkehr dem BF eine unverhältnismäßig hohe Haftstrafe drohen könne, da gegen ihn zu Unrecht Anklage erhoben worden sei. Zur Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter werde angeführt, dass sich die derzeitige Situation in Bangladesch so auswirke, dass der BF im Fall einer Rückkehr einem Klima ständiger Bedrohung und unmittelbaren Einschränkungen sowie einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wäre.

I.2.5. Am 15.01.2019 legte das BFA die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.2.6. Am 06.02.2019 erfolgte eine Dokumentenvorlage an das Bundesverwaltungsgericht, mit welcher der BF eine Kopie des Erstinformationsberichts in bengalischer Sprache sowie eine englische und deutsche Übersetzung davon vorlegte.

I.2.7. Am 06.03.2019 langten Erstinformationsberichte vom 11.08.2016 und vom 01.02.2018 sowie eine Anklage vom 27.08.2017 und ein Anfragebeleg vom 12.08.2016 jeweils im Original in bengalischer Sprache sowie englischer und deutscher Übersetzung beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.2.8. Am 05.02.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF und seine Rechtsvertretung teilnahmen. Im Zuge der Verhandlung wurde der BF erneut ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Bangladesch befragt.

Hinsichtlich seines Aufenthaltes in Österreich sagte der BF aus, dass er derzeit von der Unterstützung der Caritas lebe. In Österreich habe er keine Arbeitsbewilligung.

Gesundheitlich gehe es dem BF so weit gut.

In Österreich habe er weder Kinder, noch eine Beziehung oder Verwandte; mittlerweile habe er jedoch bis zu acht Freunde, mit denen er sich treffe. Er würde Deutsch lernen.

Seine Familie, die er vermissen würde, bestünde aus seiner Ehefrau und seinen zwei Kindern.

Der BF halte sich für einen gesetztreuen Menschen (was er in Folge der weiteren Befragung vor dem BVwG jedoch verneinte). Dennoch sei er nach dem rechtskräftig negativ beschiedenen Asylverfahren betreffend seinen ersten Asylantrag aus September 2011 in Österreich geblieben; er habe dann irgendwann eine Aufenthaltsberechtigungskarte, gültig bis 27.04.2016 erhalten. In dieser Zeit habe er bei Zeitungsständen ausgeholfen.

Er habe einen zweiten Asylantrag gestellt, weil ihm sein Bruder mitgeteilt habe, dass die Polizei ihn suchen würde wegen einer Anzeige.

Er sei Mitglied der BNP gewesen. Er sei wegen illegalen Waffenbesitzes angezeigt worden. Darüber hinaus gäbe es auch eine Anzeige aus Februar 2018.

Der BF habe versucht über den Bruder gegen diese beiden Anzeigen vorzugehen, jedoch sei dieser nicht erfolgreich gewesen.

Für den BF sei es klar, dass diese Anzeige falsche anzeigen seien, weil er ja die ganze Zeit in Österreich gewesen sei.

Der BF führe diese Anzeigen auf sein seinerzeitiges politisches Engagement zurück.

Im Übrigen sei er auch jetzt in Österreich politisch tätig, weil er Kontakte zur BNP habe und etwa an einer Demonstration in Wien gegen die Regierung in Bangladesch teilgenommen habe.

Aus diesem Grund stellte die Rechtsberaterin den Antrag, eine Zeugeneinvernahme durchzuführen und den Generalsekretär der Bangladesch Jatiotabadi Dall Austria einzuvernehmen, um zu beweisen, dass der BF politisch in Österreich tätig gewesen sei.

Ein Vorbringen dazu, welche Verfolgung den BF in Bangladesch erwarten würde wegen seiner behaupteten politischen Tätigkeit in Österreich wurde jedoch nicht erstattet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali.

Der BF hat acht Jahre lang eine Schule und danach einen Schneiderkurs besucht. Von 1990 bis 2008 arbeitete der BF als Schneider und von 2008 bis 2010 war der BF als Textilhändler tätig. Nach der Ausreise des BF führte der älteste Bruder des BF das Geschäft des BF noch eine Zeit lang weiter, bis er dieses aus altersbedingten Gründen geschlossen hat.

Der BF ist mit einer bengalischen Staatsangehörigen verheiratet und hat zwei Töchter. Die Ehefrau und die Töchter des BF sowie seine zwei Brüder und drei Schwestern leben in Bangladesch. Der BF hat regelmäßigen Kontakt zu seinem ältesten Bruder. Der BF hat auch noch weitere Verwandte in Bangladesch. In Bangladesch stehen mehrere vermietete Wohnungen und ein Geschäft im Eigentum des BF und seinen Brüdern.

Der BF stellte am 21.09.2011 seinen ersten Asylantrag. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.09.2011, XXXX , bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und der des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bangladesch ausgewiesen. Die Beschwerde dagegen wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 04.11.2013, XXXX , rechtskräftig abgewiesen. Der BF verließ Österreich nach Erlass der rechtskräftigen Entscheidung des Asylgerichtshofs nicht und hielt sich bis zur Stellung des gegenständlichen Folgeantrags am 27.09.2016 fast drei Jahre illegal in Österreich auf.

In Österreich bezieht der BF Leistungen aus der Grundversorgung und geht seit seiner Einreise ins Bundesgebiet keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach. Er ist in der XXXX aktiv und Mitglied in einem XXXX . Er hat österreichische Freunde. Der BF besuchte in Österreich einen Deutschkurs auf dem Niveau A1. Er absolvierte seit Beginn seines Aufenthalts keine positive Deutschprüfung.

Im Bundesgebiet befinden sich keine Familienangehörigen des BF.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF ist arbeitsfähig und gesund.

II.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Das vom BF im Rahmen seines ersten Antrags auf internationalen Schutzes geltend gemachte Vorbringen (bezüglich seiner Stellung in der BNP, einer Anzeige sowie eines Haftbefehls gegen den BF) wurde bereits rechtskräftig als unglaubwürdig qualifiziert.

Der BF hätte das Bundesgebiet bereits 2013 verlassen müssen.

Festgestellt wird, dass der BF im September 2016 einen neuerlichen Asylantrag stellte.

Hinsichtlich des neuen Fluchtvorbringens kann nicht festgestellt werden, dass gegen den BF eine bzw. mehrere Anzeigen erstattet wurden. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Polizei in Bangladesch nach dem BF sucht.

Es kann somit auch nach dem neuerlichen vom BF erstatteten Fluchtvorbringen nicht festgestellt werden, dass der BF auf aus politischen Gründen in seinem Herkunftsland einer konkret gegen seine Person gerichteten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen ist oder ihm im Falle seiner Rückkehr eine solche droht.

Es wird festgestellt, dass der BF behauptet, in Österreich politisch tätig gewesen zu sein und an einer Demonstration gegen die Regierung Bangladeschs teilgenommen hat. Es wird weiters festgestellt, dass der BF jedoch nicht behauptet hat aus diesem Grund in seinem Heimatland politisch verfolgt zu werden oder ihm die Rückkehr deshalb nicht möglich sei.

Neben der behaupteten Verfolgungsgefährdung aus politischen Gründen brachte der BF im Verfahren keine weiteren Gründe vor, auf Grund derer er in seinem Heimatland eine Verfolgung bzw. Gefährdung zu befürchten hätte.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Politische Lage

Bangladesch - offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?aprajatantri Ba?lades) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 12.2018a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 21.2.2019) leben etwa 159 bis 165 Millionen Einwohner (CIA 21.2.2019; vgl. GIZ 1.2019, AA 12.2018a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtest besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 12.2018a).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 12.2018; vgl. GIZ 12.2018a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 12.2018a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 12.2018) - mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 27.10.2017; vgl. GIZ 12.2018). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 12.2018a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 12.2018).

Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die Awami League (AL) und Bangladesh Nationalist Party (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 12.2018). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 1.2018).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 12.2018a; vgl. ÖB 12.2018). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt (DW 14.2.2019).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die "Große Allianz" um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019).

Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als "Farce" und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl "völlig frei und unabhängig" (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl "viel freier und fairer" ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Von Oktober bis Anfang Dezember 2018 fanden wiederholt Fälle willkürlicher Verhaftungen und Inhaftierungen von Demonstranten und politischen Oppositionellen sowie von Gewalttaten und Einschüchterungen durch Mitglieder der Studenten- und Jugendabteilung der Regierungspartei statt (HRW 13.12.2018). Am Wahltag wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Eine der wichtigsten BNP-Vertreter der Opposition war und ist die ehemalige Premierministerin und amtierende BNP-Parteivorsitzende Khaleda Zia. Sie wurde im Februar 2018 wegen Veruntreuung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt (GIZ 12.2018a) und durfte bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nicht als Kandidatin antreten (DT 8.12.2018). Die oppositionelle BNP hat auf Grund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 12.2018a).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten war (GIZ 12.2018a) und bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nur sechs Mandate erzielen konnte (BI 31.12.2018; vgl. DS 10.1.2019).

Durch eine Verfassungsänderung von Juni 1988 wurde der Islam zur Staatsreligion erklärt, bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen. Auch Säkularismus ist Staatsprinzip und genießt Verfassungsrang (AA 27.10.2017). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren (AA 12.2018).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralstaatlich: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 501 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), 4.876 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (AA 12.2018; vgl. ÖB 12.2018). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 12.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017):

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Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].

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Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 7.3.2019

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RW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokument/1454483.html, Zugriff 7.3.2019

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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