Entscheidungsdatum
17.02.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W195 2205802-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch die XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.01.2020 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 29.06.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen einer am Tag der Antragstellung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, als Homosexueller in seiner Heimat von der Polizei gesucht zu werden. Am 25.06.2017 sei gegen ihn wegen seiner sexuellen Neigung eine Beschwerde bei der Polizei XXXX eingebracht worden. "Somit" werde der BF sowohl von der Polizei als auch von der Justiz verfolgt, weil Homosexualität unter Strafe stehe. Er habe Angst, dort weiter zu leben, weil er verurteilt werden könne. Weitere Gründe habe er nicht.
I.2. Am 12.06.2018 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.
Dabei gab der BF zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, homosexuell zu sein. Das sei in Bangladesch rechtlich, gesellschaftlich und religiös verboten. Sein Partner habe ihn an seinem Geburtstag am 10.03.2017 besucht. Der BF hätte das Schloss zu einem Pumpenraum aufgebrochen, um dort mit seinem Partner Sex zu haben. Während sie in dem Pumpenraum miteinander geschlafen hätten, seien sie vom Besitzer der Pumpe erwischt worden. Dieser hätte damit gedroht, die Polizei und das Dorfgericht zu verständigen.
Der BF und sein Partner seien sodann nach XXXX geflohen. In der Folge seien sie in die Provinz XXXX ur Familie des Partners des BF gegangen. Einige Tage später habe der Partner dem BF eröffnet, dass er die Beziehung nicht fortführen könne.
Der BF habe seine Mutter angerufen und erfahren, dass er vom Dorfgericht und der Polizei gesucht werde.
I.3 Mit Schreiben vom 21.06.2018 nahm der BF durch den Verein XXXX Stellung. Darin finden sich Ausführungen zur Plausibilität der Schilderungen des BF. Weiters wurden weitwendig Länderinformationen zitiert und die "rechtliche Beurteilung" unternommen, wonach der BF als Homosexueller in Bangladesch in asylrelevanter Weise verfolgt werde.
I.4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.
I.5. Mit Schriftsatz vom 06.08.2018 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des - damals durch den Verein XXXX vertretenen - BF wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten.
Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes und der behaupteten Fluchtgründe wurde dabei zusammengefasst begründend ausgeführt, ein vom Vertreter des BF vorgelegter Länderbericht habe keine Beachtung im Verfahren gefunden. Das Ermittlungsverfahren sei ua. In Folge Nichtberücksichtigung angebotener Beweismittel mangelhaft. Das BFA habe eine mangelhafte Beweiswürdigung unternommen. Daraus resultiere eine unrichtige rechtliche Beurteilung.
Es wurden die Anträge gestellt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt I. zu beheben und dem BF Asyl zu gewähren, in eventu, Spruchpunkt II. zu beheben und dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu, festzustellen, dass die Abschiebung nach Bangladesch auf Dauer unzulässig sei und die erlassene Rückkehrentscheidung ersatzlos zu beheben, in eventu, den Bescheid gem. § 28 Abs. 3 VwGVG zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung das BFA zurückzuverweisen.
I.6. Mit Schreiben vom 13.09.2018 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
I.7. Mit Schreiben vom 08.01.2020 wurde zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen und damit dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den30.01.2020 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.
I.9. Am 30.01.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.
Der BF, welcher aus psychischen Gründen (Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion; rezidivierende depressive Störung, mittelgradige Episode) derzeit Medikamente (eine halbe Schlaftablette abends sowie eine Tablette Escitalopram morgens) einnimmt, konnte an der Verhandlung vor dem BVwG nach seinen Aussagen teilnehmen. Dass er auch in Bangladesch depressive Zeiten hatte, ergab sich im Laufe des Gespräches (zB. VS S 15: "weil ich psychisch etwas zerschlagen war ging ich nach XXXX "; VS S 17: "Mir gefiel nichts mehr, ich fühlte mich ohne ihn sehr schlecht"; VS 18:
"Ich war zwei Jahre in einem schlechten psychischen Zustand"). Der BF legte auch ein Schriftstück der psychosozialen Dienste Wien, sozialpsychiatrisches Ambulatorium XXXX vom XXXX vor, in dem ausgeführt wird: "Ein positiver Asylbescheid wäre für eine längerfristige Stabilisierung seines psychischen Zustandes notwendig.". Eine weitergehende Begründung oder ein näherer Befund dazu ist diesem Schreiben nicht zu entnehmen.
Kontakt zu seinen Verwandten in Bangladesch habe er über seine Mutter; sein Vater würde ihn "ignorieren". Seiner Familie ginge es finanziell mittelmäßig.
Eine Konversation mit dem BF in deutscher Sprache war in der Verhandlung vor dem BVwG nur schwer möglich, da der Sprachwortschatz sehr begrenzt ist. Die Verständlichkeit der Antworten erfolgt nie mit vollen Sätzen und man musste den Antworten mit großer Aufmerksamkeit begegnen.
Kinder habe er keine. In Österreich sei er "mit einem bengalischen Jungen" zusammen, sie seien "in einer körperlichen Beziehung". Sie würden nicht zusammenwohnen, sich aber einmal wöchentlich, freitags, treffen. Gefragt, was er den ganzen Tag mache, führte der BF aus, dass er "koche" und er treffe sich "mit meinen homosexuellen Freunden und amüsiere mich im XXXX ." Nachgefragt, ob dies alles sei, antwortete der BF: "Ich ging in den Deutschkurs, aber da ich etwas krank bin, habe ich damit aufhören müssen, ich werde demnächst wieder hingehen und es gutmachen." Er würde nicht mehr in den Deutschkurs gehen, weil seine "Beine und Hände" immer zu zittern anfangen würden. Er habe keine Prüfung abgelegt, aber "ich dachte mir, dass ich gleich die A2-Prüfung ablege".
Hinsichtlich seiner Schulausbildung gab der BF an, dass er ca. bis zu seinem 15 Lebensjahr in die Schule ging. Er habe den Abschluss in der Primärschule, aber nicht in der Sekundärstufe. Eine Berufsausbildung (Kleidungsstücke nähen, "Design hinzufügen") habe er nicht abgeschlossen. Er habe das Nähen von seinen Schwestern gelernt. In Österreich wolle er einen Beruf in der Kosmetikbranche machen.
Er habe beim Reishandel seines Vaters geholfen. Da im Laufe der Zeit viele Agrargrundstücke überschwemmt worden seien, seien viele Bewohner aus dem Dorf weggezogen. Hinsichtlich der Grundstücke, dessen Eigentümer der BF zu sein behauptet, würden als "eine Art der Strafe" wegen seiner Homosexualität die Agrarflächen nicht genutzt werden. Eine Person namens XXXX (phonetisch) würde seine Grundstücke nicht bewässern.
Derzeit lebe er in Österreich von der Unterstützung, und wenn er etwas zusätzlich benötigen würde, würde er es von seiner Mutter erhalten.
Als Fluchtgrund gab der BF einzig seine behauptete Homosexualität an.
Als er 12 bis 13 Jahre alt war hätte er mit einem "Hausdiener", der zur Reisernte saisonal gekommen sei, in der Nähe eines Reisfeldes zum ersten Mal homosexuelle Erfahrungen gemacht. So sei das Verhältnis mit diesem Mann entstanden und hätte vier Jahre lang - saisonal - gedauert. Nach vier Jahren sei der Erntehelfer jedoch nicht mehr gekommen. Sein Vater hätte den BF geschimpft und vorgeworfen, dass er nichts lerne und sich nicht um das Geschäft kümmern würde. Er sei immer wieder in der Ecke vom Feld gesessen und viele hätten ihn als "Hijra" beschimpft. Im Dorf würde niemand "Homosexueller" sagen, das kennen die meisten nicht, sondern sie würden Hijra sagen.
Wegen dieser Beschimpfungen hätte ein junger Mann, dessen Vater reich gewesen sei, ihn kontaktiert und sie hätten ebenfalls eine sexuelle Beziehung begonnen, welche ein Jahr gedauert habe (andere, vom BF unterschriebene Aussage in der Niederschrift vor dem BFA vom XXXX , wo "drei Jahre" angegeben sind).
Danach habe er am 21.02.2017 XXXX getroffen. Er habe am Shaheed Minar (Nationaldenkmal in Dhaka) im Zuge von Feierlichkeiten Blumen legen wollen. Er sei dort barfuß gewesen, ebenso wie XXXX , welcher Farbe an seinen Füßen gehabt habe. Sie hätten miteinander geplaudert, seien dann Tee trinken gewesen und in die gleiche Richtung mit dem Bus gefahren, jedoch bei unterschiedlichen Stationen ausgestiegen. In der Nacht hätten sie telefoniert und dabei hätten sie zugegeben, "dass wir homosexuell sind, ich habe ihn gefragt". Sie hätten dann über einige Tage hinweg Kontakt gehabt, bevor sie sich getroffenen hätten und zum sexuellen Akt gekommen seien.
Über Frage der BFV gab der BF an, dass XXXX "vier Stunden mit dem Bus" entfernt leben würde, relativierte diese Angabe jedoch mit folgenden Worten: "Wie weit könnte es dann wohl sein, vier Stunden mit dem Bus? 2.000 Kilometer?".
Hinsichtlich seines konkreten Fluchtgrundes gab der BF an, dass er am 10.03.2017 anlässlich seines Geburtstages XXXX eingeladen hätte. Dieser sei um 09.00 früh zum Basar gekommen, sie hätten gefrühstückt und hätte ihm XXXX eine Flasche Wodka geschenkt, welche sie in weiterer Folge in seinem Haus konsumiert hätten. Da sie miteinander Sex haben wollten, wollten sie in den Maschinenraum der Reisbewässerungsanlage für die Agrargrundstücke gehen; es gäbe dort ein Gestell, auf dem die Person übernachten könne, welche in der Nacht die Pumpe in Betrieb nehme. Der BF hätte einen Schraubenzieher mitgenommen, um das chinesische Schloss zu knacken. Während der sexuellen Aktes sei jedoch der Besitzer der Anlage, XXXX , gekommen, hätte gerufen "Wer ist hier?", weil er Geräusche gehört habe, hätte sie entdeckt und sie geschlagen. Sie seien dann weggelaufen und hätte der BF an diesem Tag sein Dorf verlassen. Sie wären dann gemeinsam nach XXXX gegangen, sein Freund hätte ihm Kleidungsstücke gekauft. Danach seien sie in das Dorf von XXXX gegangen, wo der BF bei der Familie von XXXX einige Tage lang wohnte. Der BF habe von der Mutter von XXXX erfahren, dass dieser nach Saudi-Arabien zu seinem Bruder gehen werde, worauf der BF XXXX gefragt habe, weshalb er ihn verlasse. Dieser hätte von der Sharia gesprochen und dass seine Familie ein Verhältnis mit dem BF nie akzeptieren würde.
Der BF hätte auch von seiner Mutter erfahren, dass der Besitzer des Reisbewässerungs-Maschinenraums mit Leuten zu seiner Familie gekommen wäre, dass es eine Bestrafung geben werde und es zu einem Verfahren kommen würde. Seine Familie würde sehr belästigt werden (VS 14; ähnlich BFA, AS 68: "Meine Mutter war am Weinen und sagte:
... Die Leute beleidigen uns, beleidigen deinen Vater. Die Leute wollen ein Dorfgericht involvieren und der Polizei Bescheid geben.")
XXXX hätte vorgeschlagen, dass der BF nach Europa ziehen solle, welcher sich somit schlepperunterstützt auf den Weg gemacht habe.
Hinsichtlich seiner Homosexualität gab der BF an, dass seine Mutter schon früh mitbekommen habe, dass er homosexuell sei. Er habe mit ihr darüber gesprochen, sie hätte deswegen immer herumgeweint. Aber er habe ihr gesagt, was sein Wille sei. Mit seinen Sexualpartnern in Bangladesch habe er ebenfalls darüber gesprochen, mit anderen Freunden jedoch nicht. Als seine Mutter es bemerkt hatte, wurde er von ihr nicht geschlagen, sondern geschimpft. Er sei ja noch klein gewesen. Ob seine Mutter dem Vater, der "gepilgert" habe, Bescheid gegeben habe, wisse er nicht. Gefragt, ob der Vater das Thema angesprochen habe, antwortete der BF "Mein Vater wollte mich schlagen und außer Haus bringen. Deshalb hat meine Mutter versucht das Thema mit ihm zu meiden", um - nachgefragt, wie alt er denn gewesen sei - sich darauf gleich wieder zu korrigieren: "Nein, nein, wenn meine Mutter es gesagt hätte, hätte er mich geschlagen und außer Haus gebracht, verstehen sie es? Ich wurde ja nie erwischt mit einem Beweis, sodass ich tatsächlich außer Haus geschmissen werden konnte."
Als der BF seine Homosexualität zu verstehen begann hätte danach gleich sein Verhältnis im Alter von 12 bis 13 Jahren mit dem Reiserntehelfer begonnen.
Seine Homosexualität würde er in Österreich offen ausleben. In diesem Zusammenhang verwies die BFV darauf, dass der BF vor Gericht mit Lippenstift, roten Nagellack und Armbändern in Regenbogenfarben erschienen sei.
Der BF sei seit zweieinhalb Jahren in Kontakt mit XXXX . XXXX sei "alles für mich. Alle Mitarbeiter lieben mich, ich bin bei allen möglichen Festivitäten und Veranstaltungen anwesend". Seit ca einem Jahr sei " XXXX " nicht mehr da, aber dennoch würden sie schauen, "welches Fest sie veranstalten könnten, wie sie etwa das Weihnachtsprogramm gestalten würden oder dass manche mit meinen Freunden, die schon Papiere bekommen haben und manche auf ihre Papiere warten, Veranstaltungen organisieren." Er sei bei der Parade für Homosexuelle dabei gewesen und er könne mit vollem Stolz sagen, dass er als Homosexueller vertreten sei.
Er sei derzeit mit einem Bengalen zusammen, würde aber "mit verschiedenen Männern regelmäßig Geschlechtsverkehr" haben.
Der BF führte weiters aus, dass er "im Heimatland zwar Vermögen [habe], aber hier werde ich einfach so von der XXXX , XXXX , unterstützt." Er wolle in Österreich älteren Frauen und Männern beiseite stehen, denn seine Mutter sei sehr krank.
Zur Unterstützung der Aussagen wurde der vom BF namhaft gemachte Zeuge, XXXX , einvernommen.
Dieser führte aus, dass er beim Verein XXXX arbeite, diesen mitaufgebaut habe und im Moment auf Bildungskarenz sei. Er habe bei XXXX vor allem Community-Arbeit geleistet, Sozialberatung gemacht und bei Personen, bei denen er sicher gewesen sei, dass sie der Zielgruppe angehören, auch Rechtsberatung durchgeführt. Er habe psychoanalytische Pädagogik und Sozialpädagogik an der Universität XXXX studiert.
Ende 2017 habe er den BF kennengelernt, im Rahmen der Community-Treffpunkte. Auf Grund der Häufigkeit dieser Treffen habe sich zuerst ein vertrauensvolles Beratungsverhältnis, sodann ein Sozialberatungsverhältnis aufgebaut. Da XXXX sich als eine Interessensvertretung u.a. für homosexuelle Personen verstehe, hätte diese Organisation auch ein Interesse daran, dass lediglich Personen dieser Zielgruppe als Klienten angenommen werden. Der BF sei nicht zu ihnen gekommen, weil er Rechtsberatung, Geld oder eine bessere Wohnung gesucht habe, sondern weil er "Anschluss an andere schwule/homosexuelle Personen gesucht" habe. Es sei öfters so, dass Leute auf sie zu kämen, die zwar homosexuelle Kontakte, aber "keine schwule Identität" hätten. Der BF sei so froh gewesen, dass es das gäbe und er wolle sich einbringen. Die sexuelle Orientierung sei in dem Beratungsverhältnis "das zentrale Thema". Obwohl der Zeuge in Folge seiner Bildungskarenz nicht mehr so häufig dabei sei würde er ihn dennoch dort regelmäßig treffen.
Kommuniziert hätten sie größtenteils auf Englisch, gelegentlich mittels bengalischen Personen, welche gut Deutsch könnten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen
Lebensumständen in Österreich:
Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali (gleichlautende Angaben in Erstbefragung AS 11 sowie bei Einvernahme vom beim BFA AS 65).
Der BF ist in Bangladesch geboren und hat den größten Teil seines Lebens dort gelebt (AS 11 ff.; AS 65). Er hat in seinem Heimatland für zehn Jahre die Schule besucht (AS 11; AS 66), keinen Sekundärabschluss, und hat vor seiner Ausreise seinem Vater in der Landwirtschaft (AS 11) geholfen.
Der BF ist ledig und hat keine Kinder (AS 11 ff.; AS 66). In Bangladesch halten sich die Eltern und die Familie des BF auf (AS 66). Zwischen dem BF und seinen Verwandten, zumindest mit der Mutter, besteht aufrechter regelmäßiger Kontakt.
Der BF ist im Juni 2017 nicht legal in das Bundesgebiet eingereist. Er ist in die staatliche Grundversorgung einbezogen. Er geht in Österreich keiner Beschäftigung nach, verbringt den größten Teil bei XXXX , ist "mit einem bengalischen Jungen" zusammen und hat behaupteter maßen mit mehreren verschiedenen Männern Geschlechtsverkehr. Er sei mit XXXX seit zweieinhalb Jahren in Kontakt. Alle Mitarbeiter würden ihn lieben, und der BF würde bei allen möglichen Festivitäten und Veranstaltungen anwesend sein. Er würde Veranstaltungen mitorganisieren und mitarbeiten. Der BF legte Bilder von der Teilnahme an der Regenbogenparade vor.
Der BF engagierte sich während seines bisherigen Aufenthaltes nicht ehrenamtlich. Der BF würde sich nach seinen Aussagen für die Pflege älterer Frauen und Männer in Österreich engagieren, was er jedoch nicht belegt hat.
Der BF ist strafrechtlich in Österreich unbescholten.
Der BF verfügt über geringe Deutschkenntnisse, wie auch in der Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG festgestellt werden musste. Die Hände und Beine würden immer zu zittern anfangen, er habe mit dem Deutschkurs aufhören müssen, da er "etwas krank" sei.
Der BF ist in einer mittleren depressiven Phase, welche er zeitweilig bereits in Bangladesch erlebte. Er nimmt deshalb Medikamente, nämlich ein halbes Schlafpulver am Abend sowie Escitalopram (verschrieben: 1 Tablette morgens 10 mg; laut Internet, Wikipedia, gibt es die Tabletten in der Verabreichungsform von 5 mg, 10mg, 15mg und 20 mg).
Das BVwG stellt fest: Der im Schreiben des sozialpsychiatrischen
Ambulatoriums XXXX enthaltene Satz: "Ein positiver Asylbescheid wäre für eine längerfristige Stabilisierung seines psychischen Zustandsbildes notwendig" beruht auf keinem nachvollziehbaren fachlichen Befund, der sich mit der Gesundheitshistorie oder dem gegenwärtigen Zustand des BF auseinandersetzt und ist auch nicht plausibel dargelegt. Es fehlt somit dieser Aussage jedweder Bezug, jedwede Kausalität und damit jedwede Schlüssigkeit zum vorliegenden Asylverfahren, sondern ist dies schlichtweg ein für das gegenständliche Verfahren belangloser Satz. Der BF hat nicht um ein psychologisches Gutachten ersucht und war ein solches für das erkennende Gericht weder erforderlich noch geboten.
In diesem Zusammenhang hält das Gericht fest, dass der BF vor Gericht geschminkt mit Lippenstift und an einer Hand rot lackierten Fingernägeln erschienen ist, wie die Vertreterin des BF extra im Protokoll vermerken lies. Auch trug der BF Armbänder in Regenbogenfarben, welche scheinbar von der Regenbogenparade stammen; der BF legte Bilder von seiner Teilnahme an der Regenbogenparade vor.
Festgestellt wird, dass der über Antrag des BF vernommene Zeuge, ein an der Universität XXXX ausgebildeter Pädagoge (psychoanalytische Pädagogik sowie Sozialpädagogik) die Meinung vertritt, dass der BF seine sexuelle Identität in Österreich ausleben könne. Der Zeuge habe viel Erfahrung damit, weil er XXXX mitaufgebaut habe, er viel Community-Arbeit geleistet habe und XXXX versuche lediglich die Menschen zu unterstützen, welche ihrer Zielgruppe angehören; dies sei bei dem BF sicherlich der Fall, welcher "über die ganze Zeit" Anschluss gesucht habe bei der Community.
I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:
Festgestellt wird, dass sich der BF in Österreich als homosexueller Mensch geoutet hat.
Festgestellt wird, dass der BF behauptet, im Alter von 12 bis 13 Jahren seine ersten homosexuellen Kontakte in Bangladesch gehabt zu haben und dass er diese sexuelle Orientierung in weiterer Folge zehn Jahre lang mit drei verschiedenen Männern in seinem Heimatland ausgelebt habe.
Festgestellt wird, dass der BF behauptet, hinsichtlich seiner sexuellen Orientierung zumindest mit seiner Mutter öfters, jedoch nie zu Freunden, außer seinen Sexualpartnern, gesprochen zu haben und in seiner Ortschaft als "Hijra" bezeichnet worden sei.
Festgestellt wird, dass der BF nicht behauptet oder über nachfragen bestätigt, dass sein Vater mit ihm darüber gesprochen habe; gleichzeitig betont der BF, dass sein Vater in der Ortschaft seinetwegen "beleidigt" worden sei; siehe auch Feststellungen zum behaupteten G.D.
Der BF behauptet, sexuelle Kontakte zu einem Reisernte-Saisonarbeiter (für vier Jahre), zu einem Sohn eines reichen Mannes in seiner Ortschaft (für ein Jahr; widersprüchlich vor BFA: drei Jahre) sowie zu einem Studenten aus einer mehrere, ca. vier-Stunden Busfahrt entfernten Ortschaft gehabt zu haben.
Diesen Studenten namens XXXX habe er am 21.02.2017 bei einem öffentlich zugänglichen Nationaldenkmal Shaheed Minar kennengelernt, wo er Blumen niederlegen wollte. Sie beide seien barfuß gewesen und es sei dem BF aufgefallen, dass XXXX mit einer roten Farbe umrandete Füße gehabt habe (VS 15). Er hätte ihn danach gefragt und XXXX habe ihm geantwortet, dass er homosexuell sei und der BF dies nicht verstehen würde (BVA AS 70; anders in VS 15: in der Nacht, als sie miteinander telefonierten, gaben sie einander zu, dass sie homosexuell seien).
Festgestellt wird, dass nach Aussage des BF am 10.03.2017 anlässlich des Geburtstages des BF sein Freund XXXX um 09.00 früh (aus der mit dem Bus vier Stunden entfernten Ortschaft) beim Basar angekommen sei und sie gefrühstückt hätten. Nachdem sie zu Hause weitergefeiert sowie im weiteren Verlauf eine Flasche Wodka getrunken hätten wollten sie miteinander Sex haben und seien dazu in den Maschinenraum der Bewässerungsanlage, welche XXXX gehöre, gewaltsam eingebrochen (bewusst mitgenommener Schraubenzieher, Aufbruch eines chinesischen Schlosses; detaillierte Schilderung BFA AS 67; BVwG VS 13f). Dieser habe sie, als er den Maschinenraum visitierte, bei sexuellen Handlungen betreten, nachdem er gerufen habe "Wer ist hier?". XXXX habe deswegen eine G.D veranlasst (BFA AS 71).
Der BF sei gemeinsam mit XXXX geflohen, um wenige Tage später bei dessen Familie für einige Zeit zu wohnen. Da jedoch sein Studentenfreund XXXX nach dem Studium zu dessen Bruder nach Saudi-Arabien gehen sollte und eine Beziehung mit diesem Freund somit nicht aussichtsreich war sei der BF schlepperunterstützt nach Europa geflohen, wo er in Österreich am 29.06.2017 um Asyl angesucht habe.
Zusammenfassend wird hinsichtlich des behaupteten fluchtauslösenden Ereignisses festgestellt, dass der BF am 10.03.2017 nach eigenen Angaben einen Einbruch in den Maschinenraum einer Reisbewässerungsanlage mit vorsätzlicher Sachbeschädigung verübt hat, und als er vom Besitzer gestellt wurde, geflohen ist.
Festgestellt wird, dass der BF vorlegte (jeweils in Kopie einer englischen Übersetzung) ein behauptetes G.D. vom 24.05.2017 gegen den Vater des BF, angezeigt vom XXXX , dem Besitzer der Reisfeldbewässerungsanlage, weil die beiden wegen des Vorfalles vom 10.03.2017 eine Auseinandersetzung im Basar gehabt hätten. Weiters wurde vorgelegt ein behauptetes G.D. von XXXX gegen den BF vom 25.06.2017, in der besagter Vorfall vom 10.03.2017 geschildert werde.
Dass der BF in Falle einer Rückkehr in sein Herkunftsland aufgrund seiner behaupteten sexuellen Orientierung unmittelbaren Bedrohungen ausgesetzt wäre, kann nicht festgestellt werden.
II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:
Rechtsschutz/Justizwesen:
Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof. Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen "Common Law". Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem "High Court", der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem "Appellate Court", dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 12.2018).
Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 12.2018). Gemäß einer Verfassungsänderung hat das Parlament seit 2014 das Recht, oberste Richter abzusetzen (USDOS 20.4.2018).
Auf Grundlage mehrerer Gesetze ("Public Safety Act", "Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act", "Women and Children Repression Prevention Act", "Special Powers Act") wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese "Speedy Trial" Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren ca. 200 Personen zum Tode verurteilt (ÖB 12.2018).
Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 12.2018). Gerichtsverfahren sind durch eine überlange Verfahrensdauer geprägt, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommt es zu Zeugenbeeinflussung und Einschüchterung von Opfern (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 1.2018). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 9.1.2019).
Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese "Gerichte" eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftliche Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 12.2018).
Quellen:
* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
* FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (9.1.2019):
Joint statement [by AHRC - Asian Human Rights Commission; ANFREL - Asian Network for Free Elections; GNDEM - Global Network of Domestic Election Monitors; FIDH - International Federation for Human Rights; CMEV - Centre for Monitoring Election Violence, Sri Lanka] on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 6.3.2019
* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018):
Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019
Allgemeine Menschenrechtslage:
Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 12.2018; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit 17. Mai 2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum "High Court" offen. Die "National Human Rights Commission" wurde im Dezember 2007 unter dem "National Human Rights Commission Ordinance" von 2007 eingerichtet, hat aber noch keine nennenswerte Aktivität entfaltet (ÖB 12.2018).
Teils finden Menschenrechtsverletzungen auch unter Duldung und aktiver Mitwirkung der Polizei und und anderer Sicherheitskräfte statt (GIZ 12.2018a). Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwinden lassen von Personen, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen und Folter (USDOS 20.4.2018). Im Jahr 2017 sollen nach Angaben der bangladeschischen Menschenrechtsorganisation Odhikar 117 Personen durch Sicherheitskräfte getötet, 13 Personen dabei zu Tode gefoltert bzw. geprügelt worden sein (Odhikar 12.1.2018). Die Regierung verhaftete laut neuesten Berichten bis zu 2000 Mitglieder der RABs wegen diverser Vergehen. Obwohl die RABs in den letzten Jahren hunderte Tötungen bzw. mutmaßliche Morde verübt haben, kam es noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen (ÖB 12.2018, siehe auch Abschnitt 5).
Zu den bedeutendsten Menschenrechtsproblemen zählen weiters, auch aufgrund des Fehlens von Rechenschaftspflicht, Einschränkungen der Bürgerrechte inklusive der Rede- und Pressefreiheit, der Aktivitäten von NGOs, ein Mangel an Freiheit, um an politischen Prozessen teilzunehmen, Korruption, Gewalt und Diskriminierung basierend auf Geschlecht, Religion, Kaste, Stamm, inklusive indigener Personen, sexueller Orientierung und Genderidentität. Auch Menschenhandel, Einschränkungen der Arbeitnehmerrechte und schlimme Formen der Kinderarbeit sind weiterhin ernsthafte Probleme (USDOS 20.4.2018).
Die meisten NGOs können uneingeschränkt arbeiten, jedoch werden Gruppen, die als übermäßig regierungskritisch gelten, überwacht und schikaniert und ihnen werden regelmäßig notwendige behördliche Genehmigungen verweigert (FH 1.2018; für mehr Informationen zu NGOs siehe Abschnitt 8).
Im April brachte die EU während der jährlichen bilateralen Menschenrechtskonsultationen ihre Besorgnis über Berichte über außergerichtliche Tötungen und gewaltsames Verschwindenlassen zum Ausdruck und forderte von der Regierung das Problem der Gewalt und Belästigung von Gewerkschaftern anzugehen (HRW 17.1.2019).
Das Gesetz verbietet Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, es wird jedoch nicht effektiv durchgesetzt. Fälle von Diskriminierung und gesellschaftlicher Gewalt gegen religiöse und ethnische Minderheiten sowie von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bestehen fort (USDOS 20.4.2018). Das Informations- und Kommunikationstechnologiegesetz (Information and Communication Technology Act - ICT Act) wird angewandt, um Oppositionelle und Mitglieder der Zivilgesellschaft wegen Delikten von Verleumdung und Blasphemie juristisch zu verfolgen (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018).
Die Regierung unternimmt Anstrengungen den "Prevention and Suppression of Human Trafficking Act (PSHTA)" von 2012 umzusetzen, erreicht aber noch nicht die Minimalstandards zur Verhinderung von Menschenhandel. Für 2017 hat die Regierung 778 Fälle von Menschenhandel gemeldet, wobei ein Vergleich mit den Jahren davor nicht möglich ist. Verurteilungen sind selten, da nicht ausreichend Ressourcen für die Ermittlungen in allen Fällen bereitgestellt werden. Für Frauen und Kinder, die Opfer von Menschenhandel waren, stellt die Regierung für maximal fünf Tage Unterkunft in Schutzhäusern zur Verfügung. NGOs kritisieren, dass die Unterstützung nicht ausreichend ist und die Gefahr neuerlich Opfer zu werden hoch ist. NGOs unterstützen männliche Opfer, bieten jedoch keine Unterkunft an (USDOS 28.6.2018).
Quellen:
* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
* GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018a): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat, Zugriff 5.3.2019
* HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002245.html, Zugriff 27.2.2019
* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018):
Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
* Odhikar (12.1.2018): Bangladesh Annual Human Rights Report 2017, http://odhikar.org/wp-content/uploads/2018/01/Annual-HR-Report-2017_English.pdf, Zugriff 1.3.2019
* UNHROHC- United Nations Human Rights Office of the High Commissioner (o.D.): View the ratification status by country or by treaty - Bangladesh,
http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/TreatyBodyExternal/Treaty.aspx?CountryID=37&Lang=EN, Zugriff 5.3.2019
* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019
* USDOS - US Department of State (28.6.2018): Trafficking in Persons Report 2018 - Country Narratives: A-C, S 89ff, https://www.state.gov/documents/organization/282800.pdf, Zugriff 28.2.2019
Relevante Bevölkerungsgruppen:
SOGI - Sexuelle Orientierung und Genderidentität:
Homosexuelle Handlungen sind illegal und können nach § 377 des "Bangladesh Penal Code, 1860" (BPC) mit einer Haftstrafe von bis zu zehn Jahren, inklusive der Möglichkeit einer Geldstrafe bestraft werden (ILGA 5.2017; vgl. USDOS 20.4.2018; AA 27.10.2017). Gerichtsverfahren oder Verurteilungen von Homosexuellen sind allerdings nicht bekannt (ÖB 12.2018). Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft (Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender und Intersex) berichteten, dass die Polizei das Gesetz als Vorwand benutzt, um LGBTI-Personen sowie feminine Männer unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, zu schikanieren (USDOS 20.4.2018).
Homosexualität ist gesellschaftlich absolut verpönt und wird von den Betroffenen nicht offen gelebt. Wo Homosexuelle als solche erkannt werden, haben sie mit gesellschaftlicher Diskriminierung, in Einzelfällen auch mit Misshandlungen bis hin zum Mord zu rechnen (ÖB 12.2018). Jedes Jahr wird über dutzende Angriffe auf Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft berichtet (FH 1.2018); diese bleiben meist straflos (HRW 1.2018; vgl. AA 27.10.2017).
Eine besondere Rolle kommt dem "dritten Geschlecht" zu, den so genannten "Hijras", Eunuchen und Personen mit unterentwickelten oder missgebildeten Geschlechtsorganen. Diese Gruppe ist aufgrund einer langen Tradition auf dem indischen Subkontinent im Bewusstsein der Gesellschaft präsent und quasi etabliert. Dieser Umstand schützt sie jedoch nicht vor Übergriffen und massiver gesellschaftlicher Diskriminierung (AA 27.10.2018). Im November 2013 wurde das "dritte Geschlecht" offiziell anerkannt und Hijras können sich seither entsprechende Ausweise ausstellen lassen (ILGA 5.2017; vgl. HRW 17.1.2019), jedoch bleibt die Umsetzung der Richtlinien, insbesondere beim Zugang zu Sozialhilfe schwach (HRW 17.1.2019).
LGBT-Organisationen, insbesondere für Lesben, sind selten (USDOS 20.4.2018). Es gibt keine NGO für sexuelle Orientierung und Geschlechteridentität in Bangladesch, dafür aber NGOs wie "Boys of Bangladesh", die "Bhandu Social Welfare Society" und online Gemeinschaften wie "Roopbaan", das lesbische Netzwerk "Shambhab" und "Vivid Rainbow" (ILGA 5.2017).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017):
Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).
* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
* HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002245.html, Zugriff 27.2.2019
* ILGA - International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (5.2017): State Sponsored Homophobia 2017: A world survey of sexual orientation laws: criminalisation, protection and recognition,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1399981/90_1495430692_ilga-state-sponsored-homophobia-2017-web-corr.pdf, S 121f, Zugriff 28.2.2019
* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018):
Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019
Bewegungsfreiheit:
Die Freiheit, sich im Land zu bewegen, ist relativ unbeschränkt (FH 1.2018; vgl. AA 27.10.2017). Rechtliche Hindernisse, sich in anderen Landesteilen, mit Ausnahme der Chittagong Hill Tracts, niederzulassen, bestehen nicht. Faktisch migriert jährlich eine große Zahl von Menschen vom Land in die Städte (AA 27.10.2017). Grundsätzlich respektiert die Regierung die Rechte der inländischen und ausländischen Bewegungsfreiheit, Emigration und Rückkehr von Bürgern, mit Ausnahme der zwei sensiblen Regionen Chittagong Hill Tracts und Cox's Bazar. Die Regierung hat 2015 Restriktionen für ausländische Reisende in diese Gebiete, in denen viele nichtregistrierte Rohingyas außerhalb der zwei offiziellen Flüchtlingscamps in den Städten und Dörfern leben, angekündigt, allerdings war die Art der Umsetzung zum damaligen Zeitpunkt noch unklar (ÖB 12.2018).
Es liegen keine Einschränkungen hinsichtlich der Ein- oder Ausreise vor (ÖB 12.2018; vgl. FH 1.2018; AA 27.10.2017). Personen, die in der Vergangenheit bereits ihren Pass verloren haben, bekommen allerdings oft nur Reisepässe, die nur für wenige Monate gültig sind, ausgestellt. Generell kommt es zu teils enormen Verzögerung bei der Reisepassausstellung (ÖB 12.2018). Auch manche Oppositionspolitiker berichten von langen Verzögerungen bei der Erneuerung von Reisepässen, zusätzlich von Belästigungen und Verzögerungen an Flughäfen (USDOS 20.4.2018). Seit Ende November 2015 können die alten, handgeschriebenen Pässe nicht mehr für Flugreisen genutzt werden (AA 27.10.2017). Ein Ausreiseverbot besteht für Verdächtige an den Kriegsverbrechen während des Unabhängigkeitskrieges 1971 (ÖB 12.2018; vgl. USDOS 20.4.2018).
Frauen brauchen keine Erlaubnis ihrer Väter oder Ehemänner um zu reisen. Minderjährige über zwölf Jahre brauchen keinen gesetzlichen Vertreter um einen Pass zu beantragen. Sie dürfen auch alleine reisen, bedürfen dazu aber eines speziellen, von einem Elternteil unterschriebenen Formulars (ÖB 12.2018).
Ein staatliches Meldewesen oder Staatsangehörigkeitsregister besteht nicht (ÖB 12.2018; vgl. AA 27.10.2017).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017):
Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).
* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018):
Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430114.html, Zugriff 27.2.2019
Grundversorgung:
Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln hat sich in den vergangenen Jahren wesentlich verbessert (AA 27.10.2017). Obwohl die Armutsquote in den letzten zwei Dekaden zurückging, leben weiterhin mindestens 12,1 % der Bevölkerung (circa 20 Millionen) unterhalb der extremen Armutsgrenze von 1,9 US-Dollar. Unter- sowie Fehlernährung bleiben weit verbreitete Phänomene. Das Bevölkerungswachstum liegt bei 1,04 %, die Geburtenziffer je Frau bei 2,2 % (AA 12.2018).
Bangladeschs Wirtschaft ist seit 2005 jährlich um rund 6 % gewachsen, trotz politischer Instabilität, schlechter Infrastruktur, Korruption, unzureichender Stromversorgung und langsamer Umsetzung der Wirtschaftsreformen (CIA 26.7.2017). Der landwirtschaftliche Sektor beschäftigt knapp die Hälfte der Gesamtbevölkerung, erwirtschaftet jedoch nur knapp ein Sechstel des Bruttoinlandsproduktes. Die Landwirtschaft wird zu 80 % von Reisanbau dominiert. (GIZ 12.2018b; vgl. CIA 19.2.2019). Die Verarbeitung von Produkten der Landwirtschaft und die Textilindustrie sind die wichtigsten Zweige des industriellen Sektors (GIZ 12.2018b), auf den 2017 geschätzt 29,3 % des BIP gefallen sind. Der Export von Kleidungsstücken macht ca. 80 % der Exporte aus. Der Dienstleistungssektor erwirtschaftet 2017 ca. 56 % des BIP (CIA 19.2.2019).
Über 10 % Anteil an der bangladeschischen gesamtwirtschaftlichen Leistung haben Geldüberweisungen von Arbeitsmigranten nach Bangladesch (GIZ 12.2018b), die im Finanzjahr 2016/17 ca. 13 Milliarden US-Dollar ausmachten (CIA 19.2.2019). Arbeitsmigration, vornehmlich in die Golfstaaten und Malaysia, ist stark ausgeprägt und wird von der Regierung gefördert. Ca. 8,6 Millionen bangladeschische Staatsangehörige arbeiten im Ausland. Die Migration wird durch das "Bureau of Manpower, Employment and Training" (BMET) gesteuert. Daneben existieren weitere Organisationen, die sich der Bedürfnisse der Wanderarbeiter vor Ausreise und nach Rückkehr annehmen. (z.B. "BRAC", "Welfare Association of Bangladeshi Returnee Employees", "Bangladesh Migrant Centre", "Bangladesh Women Migrants Association"). Dachverband ist das "Bangladesh Migration Development Forum" (BMDF). Diese Organisationen werden aber auch bei zurückgeführten Personen aktiv (AA 27.10.2017).
Die offizielle Arbeitslosenrate liegt 2018 geschätzt bei 4-6 %, jedoch mit verdeckter weit verbreiteter massiver Unterbeschäftigung. Vor allem in der Landwirtschaft ist Subsistenzwirtschaft ausgeprägt. Formelle und organisierte Beschäftigung gibt es lediglich im staatlichen Bereich, sowie bei größeren Unternehmen. 85 % der Beschäftigten arbeiten im informellen Sektor. Einen staatlichen Mindestlohn gibt es nicht. Die Durchsetzung von arbeitsrechtlichen Standards erfolgt lediglich sporadisch (ÖB 12.2018). Brände und Gebäudeeinstürze mit zahlreichen Toten kommen immer wieder vor; insbesondere in der Textilindustrie, wo Bauordnungen lax sind und gefährliche Chemikalien nicht ordnungsgemäß gelagert werden (Al Jazeera 21.2.2019).
Die Bevölkerung Bangladeschs erfährt seit einigen Jahren einen erhöhten Verteilungs- und Chancenkonflikt, aufgrund des Bevölkerungswachstums bei gleichzeitig abnehmenden Landressourcen und fehlenden Alternativen zur Landarbeit, sowie erhöhtem Druck durch Extremwetterereignisse und anderen Konsequenzen des Klimawandels. Die Slums der Städte wachsen, wenn auch im Vergleich zu anderen Ländern mit ähnlichen Bedingungen etwas langsamer. Ebenso konkurriert die Bevölkerung mit einem höheren Bildungsabschluss um Universitätsplätze und besser bezahlte Arbeitsplätze. Die Lebenshaltungskosten in den Städten steigen und die Versorgung mit Wasser und Elektrizität in den ländlichen Gebieten und kleineren Städten ist oft lückenhaft bzw. ist ein Anschluss an öffentliche Versorgungsnetzwerke noch nicht vollzogen. Die Strukturen werden zusätzlich temporär belastet, wenn Saisonarbeiter für einige Zeit in die Städte ziehen und dort Arbeitsplätze und Unterkünfte suchen. Die nötige Infrastruktur wird in vielen Gebieten ausgebaut, allerdings kann das Tempo dieses Ausbaus noch nicht mit der Bevölkerungsdynamik mithalten. Aktuell sind ungefähr 60 % aller Haushalte an das staatliche Stromnetz angeschlossen (GIZ 12.2018b).
Mit dem etwas höheren Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre kam es zu einer Beschleunigung der Inflation mit geschätzten 6 % für 2018. Die Preissteigerungen bei Lebensmittel von bis zu 70 % treffen besonders den armen Teil der Bevölkerung. Die Regierungen versuchen, mit staatlichen Nahrungsmittel-, Düngemittel- und Treibstoffsubventionen gegenzusteuern, fördern damit aber hauptsächlich Ineffizienz. Allerdings verfügt Bangladesch über ein hervorragendes Netz an Mikrokreditinstitutionen, welche Millionen Bangladeschis effektiv bei ihrem Weg aus der Armut unterstützen (ÖB 12.2018).
Mikrokreditinstitute bieten Gruppen und Individuen ohne Zugang zum herkömmlichen Finanzsystem die Möglichkeit, einen Kredit aufzunehmen (GIZ 12.2018b). Das bekannteste davon ist die Grameen Bank, die 1976 in Bangladesch durch den späteren Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus gegründet wurde. Die Grameen Bank, deren Konzept von zahlreichen weiteren Institutionen aufgegriffen und auch in anderen Ländern umgesetzt wurde, gewährt Kredite ohne die banküblichen materiellen Sicherheiten und setzt stattdessen vor allem auf die soziale Komponente, um die Rückzahlung zu gewährleisten. Die Kreditnehmerinnen, die kaum unternehmerische Erfahrung und zumeist einen sehr niedrigen Bildungsstand haben, sollen auch langfristig beraten und unterstützt werden, um ein realistisches Konzept entwickeln und erfolgreich umsetzen zu können - so zumindest ist es vorgesehen. Bei seriösen Programmen sind auch Schulungen über Grundlagen der Unternehmensführung enthalten ("finanzielle Alphabetisierung") (IP 6.3.2018).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017):
Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).
* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (12.2018):
Bangladesch - Wirtschaft,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206278, Zugriff 27.2.2019
* Al Jazeera (21.2.2019): Worst building disasters in Bangladesh, https://www.aljazeera.com/news/2019/02/timeline-worst-building-disasters-bangladesh-190221050555909.html, Zugriff 28.2.2019
* CIA - Central Intelligence Agency (19.2.2019): The World Factbook - Bangladesh,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bg.html, Zugriff 27.2.2019
* GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2018b): Bangladesch - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/bangladesch/wirtschaft-entwicklung, Zugriff 27.2.2019
* IP - Idealism Prevails (6.3.2018): Mikrokredite: Kann Armut durch Unternehmertum überwunden werden?, https://www.idealismprevails.at/mikrokredite-kann-armut-durch-unternehmertum-ueberwunden-werden, Zugriff 27.2.2019
* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018):
Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
Sozialbeihilfen:
Bei regionaler Nahrungsmittelknappheit werden von der Regierung Bezugsscheine für staatliche Nothilferationen ausgegeben. Sonstige staatliche Hilfe für bedürftige Personen gibt es nicht (AA 27.10.2017). Aufgrund des Fehlens eines staatlichen Sozialversicherungssystems muss allgemein auf Hilfe innerhalb von Familienstrukturen zurückgegriffen werden. Dies gilt auch für die Absicherung alter und behinderter Menschen (ÖB 12.2018). Nichtstaatliche Unterstützung durch religiös ausgerichtete Wohltätigkeitsvereine und andere NGOs findet statt (AA 27.10.2017; vgl. ÖB 12.2018), kann aber in Anbetracht der hohen Bevölkerungszahl nur einem kleinen Teil der Bedürftigen geleistet werden. Eine flächendeckende soziale Absicherung besteht nicht (AA 27.10.2017).
Eine Alterspension in der Höhe von 500 Taka wird an Männer über 65 und Frauen über 62 Jahren mit Wohnsitz in Bangladesch ausgezahlt, wobei nur ein Familienmitglied eine Pension beziehen kann. Eine Behindertenpension beträgt monatlich 600 Taka wobei die Bezugsberechtigung durch eine Kommission festgestellt wird. Im Falle einer Krankheit wird das Gehalt zu 100 % für insgesamt 14 Tage jährlich ausbezahlt. Mütter erhalten den Durchschnitt ihres Gehalts der letzten drei Monate vor der Ankündigung der Schwangerschaft für den Zeitraum von acht Wochen vor bis acht Wochen nach der Geburt, für insgesamt zwei Lebendgeburten, ausbezahlt; ab der dritten Geburt ist keine Unterstützung vorgesehen. Bei temporärer Behinderung nach einem Arbeitsunfall werden 100 % des Gehaltes für zwei Monate, danach 2/3 für die nächsten zwei Monate, danach die Hälfte des Gehaltes bis zu einem Zeitraum von zwei Jahren bezahlt. Bei permanenter Behinderung in Folge eines Arbeitsunfalles wird ein Fixbetrag von 125.000 Taka bezahlt. Es gibt keine staatliche Arbeitslosenunterstützung, Unternehmen müssen eine Kündigungsabfindung in der Höhe von 30 Tagesgehältern pro Jahr Firmenzugehörigkeit bezahlen (USSSA 3.2017).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017):
Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017).
* USSSA - U.S. Social Security Administration (3.2017): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2016 - Bangladesh,
https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2016-2017/asia/bangladesh.pdf, Zugriff 27.2.2019
* ÖB - Österreichische Botschaft Neu Delhi (12.2018):
Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
Medizinische Versorgung:
Die medizinische Versorgung in Bangladesch ist mit Europa nicht zu vergleichen und ist vielfach technisch, apparativ und/ oder hygienisch problematisch. Die Ausstattung der örtlichen Krankenhäuser ist ungenügend (AA 25.2.2019; vgl. AA 27.10.2017). Wegen des Mangels an Ärzten und Rettungsfahrzeugen kann bei Unfällen nicht mit schneller Hilfe gerechnet werden (AA 25.2.2019). Medizinische Einrichtungen in Bangladesch sind äußerst selten. Es herrscht ein eklatanter Mangel an ausgebildeten Doktoren, Krankenschwestern und Spitalsbetten. Schätzungsweise lediglich 12 % aller schweren Krankheitsfälle erreichen das staatliche Gesundheitssystem (ÖB 12.2018).
In der Hauptstadt Dhaka sowie in Sylhet, Chittagong und Barisal existieren Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können (AA 27.10.2018). In Dhaka bestehen wenige moderne kommerzielle Großkliniken, die Behandlungen nach internationalem Ausstattungsstand und eine gesicherte medizinische Versorgung anbieten. Die Behandlung in diesen Krankenhäusern ist den zahlungsfähigen Patienten vorbehalten (AA 27.10.2017; vgl. ÖB 12.2018). Ferner bestehen private Arztpraxen, deren Inhaber häufig im Ausland ausgebildet wurden. Wohlhabende Bangladescher und westliche Ausländer ziehen bei Erkrankungen häufig das regionale Ausland vor (AA 27.10.2017). Der Großteil der armen Landbevölkerung ist auf Selbsthilfe oder private Hilfsinitiativen angewiesen (ÖB 12.2018).
Bangladesch produziert preisgünstige Medikamente (Generika) für den lokalen Markt sowie für den Export. Der heimische Markt wird weitgehend von den lokalen Produzenten bedient. Die Versorgung mit Medikamenten ist aber auch durch Importmöglichkeiten gewährleistet (AA 27.10.2017).
Ärztlichen Auskünften zufolge sind, im Gegensatz zu ambulanten Behandlungen, längerfristige psychologische und psychiatrische Behandlungen und Betreuungen in Bangladesch nur schwer zu gewährleisten. Nach Erfahrungen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind diese Behandlungen sehr teuer. In ländlichen Gebieten sind sie nicht möglich (AA 27.10.2017). Vor allem NGOs und Entwicklungshilfeinstitutionen sind um Verbesserungen der medizinischen Versorgung bemüht, z.B. durch Impfprogramme für Kinder gegen weit verbreitete Krankheiten wie Tuberkulose. Bangladesch hat