TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/17 W104 2200326-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.02.2020
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Entscheidungsdatum

17.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W104 2200326-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian BAUMGARTNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Hochleitner Rechtsanwälte GmbH, 4070 Eferding, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 4.6.2018, Zl. 1097197703-151882349, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.10.2019 zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 AsylG, § 10

Abs. Z 3 AsylG i.V.m. § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2, Abs. 9 FPG und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 26.11.2015 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 27.11.2015 gab der Beschwerdeführer an, er sei am XXXX in der Provinz Paktia geboren, afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und hänge der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an. Er sei verheiratet und Vater von zwei Kindern. Seine Eltern, seine Ehefrau und seine minderjährigen Kinder seien im Herkunftsstat aufhältig. Zum Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, er sei von den Taliban verfolgt worden. Der Beschwerdeführer habe gesehen, wie die Taliban eine Brücke vermint hätten. Dies habe er der örtlichen Polizei gemeldet, woraufhin diese die Minen entschärft habe. Der Beschwerdeführer sei von den Taliban beobachtet worden, weshalb diese gewusst hätten, dass er bei der Polizei gewesen sei. Er sei daher von den Taliban beschuldigt worden, ein Spion zu sein. Zwei Tage später seien die Taliban zu ihm nach Hause gekommen und hätten zu seinem Bruder gesagt, sie würden kommen, um den Beschwerdeführer zu verhaften. Der Beschwerdeführer sei an diesem Tag nicht zu Hause gewesen. Sein Bruder habe ihm geraten, sofort zu verschwinden, da es für ihn gefährlich sei, hier zu bleiben. Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte der Beschwerdeführer, von den Taliban umgebracht zu werden.

In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.3.2018 führte der Beschwerdeführer zunächst aus, dass er zwischenzeitlich Vater von drei Söhnen sei. Sein dritter Sohn sei vier Monate nach seiner Ausreise aus Afghanistan zur Welt gekommen. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer auf das Wesentliche zusammengefasst an, die Taliban seien eines Abends in die Moschee gekommen, wo sein Vater und sein Bruder anwesend gewesen seien. Dort hätten die Taliban verkündet, dass sie eine Brücke vermint hätten. Die Dorfbewohner sollten diese Brücke meiden. Am nächsten Tag sei der Beschwerdeführer mit seinem Motorrad in die Stadt gefahren, um für seine Frau Medikamente zu kaufen. Dabei habe er diese Brücke gemieden und einen anderen Weg genommen. Bei dieser verminten Brücke seien Polizisten gestanden, die ihn angehalten und gefragt hätten, wo er hinwolle. Der Beschwerdeführer habe ihnen sein Vorhaben erklärt und erzählt, was die Taliban am Vorabend in der Moschee verkündet hätten. Die Polizisten hätten ihn gehen lassen und seien in Richtung der verminten Brücke gefahren. Dabei seien sie von den Taliban angegriffen worden. Als der Beschwerdeführer die Schüsse hörte, habe er Angst bekommen, dass die Taliban ihn gesehen haben könnten. Er habe die Medikamente daher seinem Bruder gegeben und sei zu seiner Schwester gegangen, wo er sich zwei Nächte aufgehalten habe. In der Nacht darauf seien die Taliban zu seinem Vater nach Hause gekommen und hätten ihn sprechen wollen. Sein Bruder habe den Beschwerdeführer am nächsten Tag angerufen und ihm dies erzählt. In der zweiten Nacht seien die Taliban wieder zur Familie nach Hause gekommen. Der Vater habe sie gefragt, warum sie den Beschwerdeführer sprechen wollten. Die Taliban hätten geantwortet, dass der Beschwerdeführer als Spion für die Polizei arbeite. Sie hätten gesehen, wie er zur Polizei gegangen sei. Am Tag darauf habe sein Bruder den Beschwerdeführer wieder angerufen und ihm davon erzählt. Der Beschwerdeführer habe daraufhin beschlossen, auszureisen. Er sei mit dem Taxi nach XXXX und von dort mit dem Bus nach Kandahar gefahren. Dort habe er mit seinem Vater telefoniert, der ihm gesagt habe, die Taliban würden ihn unbedingt finden wollen. Sie hätten zum Vater gesagt, dass sie ihn töten würden, sollten sie ihn finden. Dies sei auch schriftlich festgehalten und vom Vater unterschrieben worden. In Kandahar habe sich der Beschwerdeführer ungefähr zwei Monate bei einem Schlepper versteckt gehalten, weil er kein Geld gehabt habe. Sein Bruder habe das Geld schließlich bei einer Wechselstube hinterlegt und der Beschwerdeführer sei ausgereist.

Am 26.3.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den Länderberichten ein, in denen er näheres zur allgemeinen Sicherheitslage, insbesondere zu den Aktivitäten der Taliban, und zur Lage von Rückkehrern in Afghanistan ausführte. Weiter brachte er einige Berichte zur Lage in Afghanistan, darunter etwa mehrere Zeitungsartikel und eine Reisewarnung des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres, ins Verfahren ein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 4.6.2018, zugestellt am 6.6.2018, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers sei in sich widersprüchlich, widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung und sei insgesamt nicht glaubhaft. Den Länderberichten sei zu entnehmen, dass Drohbriefe, wie etwa die vom Beschwerdeführer vorgelegte Vereinbarung zwischen dem Vater und den Taliban, oft gefälscht und käuflich seien. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die Taliban im Vorhinein die Verminung der Brücke bekannt gegeben hätten, sei nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer habe ein unrealistisches Szenario wiedergegeben und den Taliban militärische Unerfahrenheit unterstellt. Auch dass die Familie des Beschwerdeführers weiterhin unbehelligt in dem Dorf leben könne, spreche für die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens. Eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers habe nicht festgestellt werden können. Es sei auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine die Existenz bedrohende Notlage kommen werde. Es gebe keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, der zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen würde. Eine Ansiedelung in Kabul sei dem Beschwerdeführer zumutbar.

Dagegen richtet sich die am 4.7.2018 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung, inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verfahrensmängel. In dieser Beschwerde wird im Wesentlichen der Sachverhalt nochmals zusammengefasst und ausgeführt, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde mangelhaft sei. Entgegen der Ansicht des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl sei auch eine Rückkehr nach Kabul unzumutbar. Die Familie des Beschwerdeführers könne ihn im Fall einer Rückkehr nicht unterstützen. Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Länderfeststellungen seien teils nicht aktuell und teils irrelevant. Rückkehrer hätten in Afghanistan keine Zukunft, was sich insbesondere aus dem Gutachten von Friederike Stahlmann vom März 2018 ergebe. Insgesamt weise der angefochtene Bescheid Begründungsmängel auf, das Ermittlungsverfahren sei unvollständig gewesen.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Entscheidung vorgelegt. Unter einem erklärte die belangte Behörde schriftlich, auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zu verzichten.

Mit Schreiben vom 28.2.2019 informierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht darüber, dass dem Beschwerdeführer vom AMS eine Beschäftigungsbewilligung (Saison), gültig im Zeitraum 27.2.2019 bis 26.2.2020, erteilt wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte mit Schreiben vom 9.7.2019 eine mündliche Beschwerdeverhandlung für den 21.10.2019 an, brachte Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die belangte Behörde teilte mit Schreiben vom 14.10.2019 mit, dass eine Teilnahme eines informierten Vertreters an der mündlichen Beschwerdeverhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei, und beantragte die Abweisung der Beschwerde sowie die Übersendung des aufgenommenen Verhandlungsprotokolls.

Am 15.10.2019 langte eine Urkundenvorlage des Beschwerdeführers ein, mit welcher dieser ein Dienstzeugnis seines Arbeitsgebers, XXXX , vom 10.10.2019 übermittelt.

Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 21.10.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und eine Dolmetscherin für die Sprache Paschtu teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen einer Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat wegen Verfolgung durch die Taliban aufrecht. Weiter legte der Beschwerdeführer ein Zeugnis zur Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf Niveau A2 und zu Werte- und Orientierungswissen vom 29.3.2018 vor. Die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers führte ergänzend aus, der Beschwerdeführer habe seinen Fluchtgrund im Wesentlichen gleich bleibend geschildert. Der Bericht von Landinfo, Informationszentrum für Herkunftsländer "Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" belege das vom Beschwerdeführer geschilderte Vorgehen der Taliban.

Mit Schreiben vom 28.11.2018 verständigte das Bundesverwaltungsgericht die Parteien vom Ergebnis einer Beweisaufnahme und führte das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan (Stand 13.11.2019) ins Verfahren ein. In einem gab das erkennende Gericht den Parteien die Möglichkeit, sich dazu innerhalb einer Frist von 14 Tagen ab Zustellung zu äußern.

Am 9.12.2019 langte ein Ersuchen des Beschwerdeführers um Übermittlung des aktuellen Länderinformationsblatts der Staatendokumentation zu Afghanistan (Stand 13.11.2019) sowie ein Antrag auf Erstreckung der Frist zur Stellungnahme bis 27.1.2020 ein.

Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan (Stand 13.11.2019) mit Schreiben vom 10.12.2019 und erstreckte die Frist zur Stellungnahme bis 20.1.2020.

Mit Schreiben vom 7.1.2020 informierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht darüber, dass dem Beschwerdeführer vom AMS eine Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Landarbeiter für die Zeit vom 3.1.2020 bis 2.1.2021 erteilt wurde.

Am 21.1.2020 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den Länderberichten ein, mit der dieser einen Artikel von Friederike Stahlmann "Studie zum Verbleib und zu den Erfahrungen abgeschobener Afghanen" aus dem Asylmagazin 8-9/2019, S. 276-286 ins Verfahren einbrachte. Im Wesentlichen führte der Beschwerdeführer aus, sein Fluchtgrund sei vor dem Hintergrund des Länderinformationsblattes plausibel, insbesondere sie das Netzwerk der Taliban problemlos in der Lage, abgeschobene Afghanen im Fall ihrer Rückkehr binnen kürzester Zeit ausfindig zu machen. Insgesamt drohte dem Beschwerdeführer im Fall der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat eine ernsthafte Bedrohung des Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen des innerstaatlichen Konflikts.

Mit Schriftsatz vom 27.1.2020 informierte der Beschwerdeführer das erkennende Gericht, dass er aktuell einen Deutschkurs auf Niveau B1 besuche. Seine Rechtsvertretung sei jederzeit bereit, dieses Vorbringen im Rahmen einer formellen Befragung zu bestätigen.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Tazkira;

* Drohbrief der Taliban vom 18.7.2015;

* Bestätigung des Vereins XXXX über die Teilnahme am Kurs Alpha 1 EF - Stufe 1 von 5.4.2016 bis 2.6.2016 vom 2.6.2016;

* Bestätigung des Vereins " XXXX " über die Teilnahme am Deutschunterricht für AsylwerberInnen von 20.1.2016 bis 9.3.2016 (undatiert);

* Information des Vereins " XXXX " zum Deutschkurs Alpha 1, welcher am 5.4.2016 beginnt (undatiert);

* Bestätigung des Vereins " XXXX " über die Teilnahme am Deutschunterricht für AsylwerberInnen von 25.7.2016 bis 7.9.2016 (undatiert);

* Bestätigungen der XXXX über die Teilnahme am Deutschkurs A1 Teil 2 von 1.3.2017 bis 17.5.2017 vom 24.5.2017;

* ÖSD-Zertifikat A1 vom 4.7.2017;

* Bestätigung der XXXX über die Teilnahme am Deutschkurs A2 Teil 1 von 10.7.2017 bis 23.8.2017 vom 23.8.2017;

* Bestätigung der XXXX über die Teilnahme am Deutschkurs A2 Teil 2 von 3.10.2017 bis 24.11.2017 vom 24.11.2017;

* Zeugnis zur Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf dem Niveau A2 und zu Werte- und Orientierungswissen des ÖIF vom 29.3.2018;

* Bestätigung über die Teilnahme am " XXXX " vom 24.11.2016;

* Bestätigung des ÖIF über den Besuch einer Informationsveranstaltung am 6.12.2016 vom 6.12.2016;

* Bestätigung des Vereins XXXX über die Teilnahme am Kurs "Geschlechterbilder. Menschenrechte reflektieren" vom 31.10.2017;

* Bestätigung des Vereins XXXX über das Sammeln von Fallobst und die Pflege von Streuobstwiesen im Rahmen des Projektes "Obstklaubm - nix vawiastn" von September bis Oktober 2017 vom Dezember 2017;

* Bestätigung des Vereins XXXX über die Teilnahme am Kurs "Demokratie und Diversität" vom 3.3.2018;

* Vereinbarung mit der Gemeinde XXXX betreffend gemeinnützige Beschäftigung für Asylwerbende vom 19.10.2016;

* Bestätigung der XXXX über die freiwillige Tätigkeit des Beschwerdeführers im Zeitraum 23.8.2016 bis 28.2.2017 (undatiert);

* Konvolut an Bescheiden des AMS, mit denen dem Beschwerdeführer eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wird;

* Konvolut an Verdienstnachweisen betreffend die Beschäftigung als Land- und Forstarbeiter im Betrieb XXXX (Zeitraum Februar 2017 bis September 2017 und Februar 2018);

* Diverse Dienstzeugnisse des Betriebes XXXX ;

* Bestätigung der XXXX über Unterstützung im Rahmen der Grundversorgung vom 25.4.2017;

* Diverse Empfehlungs- und Unterstützungsschreiben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl;

* Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht;

* Einsichtnahme in folgende vom Bundesverwaltungsgericht eingebrachte Berichte:

-

Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatendokumentation, Stand 13.11.2019;

-

European Asylum Support Office (EASO): Country Guidance:

Afghanistan, June 2018;

https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/easo-country-guidance-afghanistan-2018.pdf

-

European Asylum Support Office (EASO): Country of Origin Information Report: Afghanistan, Individuals targeted by armed actors in the conflict, December 2017;

https://www.easo.europa.eu/information-analysis/country-origin-information/country-reports

-

European Asylum Support Office (EASO): Bericht Afghanistan Netzwerke (Übersetzung durch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation), Stand Jänner 2018;

https://www.easo.europa.eu/information-analysis/country-origin-information/country-reports

-

Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 31.5.2018;

-

Ecoi.net - European Country of Origin Information Network:

Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Fähigkeit der Taliban, Personen (insbesondere Dolmetscher, die für die US-Armee gearbeitet haben) in ganz Afghanistan aufzuspüren und zu verfolgen (Methoden; Netzwerke), 15.2.2013;

-

Landinfo, Informationszentrum für Herkunftsländer: Afghanistan:

Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne (Arbeitsübersetzung durch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staaten-dokumentation), 23.8.2017;

https://landinfo.no/asset/3590/1/3590_1.pdf

* Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente und Berichte.

2. Feststellungen:

2.1. Zur Person und den Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am XXXX im Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz Paktia geboren. Er ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu, er spricht aber auch Dari und etwas Urdu. Der Beschwerdeführer ist Analphabet und kann diese Sprachen weder lesen noch schreiben. Weiter spricht der Beschwerdeführer Deutsch auf dem Niveau A2.

Der Beschwerdeführer wuchs in seinem Heimatdorf im afghanischen Familienverband im Haus des Vaters mit seinen Eltern, vier Schwestern und fünf Brüdern auf. Im Jahr 2007 oder 2008 heiratete der Beschwerdeführer seine nunmehrige Gattin traditionell in seinem Heimatdorf. Der Beschwerdeführer ist Vater von drei minderjährigen Söhnen.

Der Beschwerdeführer besuchte in seinem Herkunftsstaat keine Schule. Er arbeitete ab seinem 14. oder 15. Lebensjahr in der familieneigenen Landwirtschaft auf den Feldern. Zusätzlich verfügt der Beschwerdeführer über acht- bis neunmonatige Berufserfahrung als Schneiderlehrling bzw. Schneiderhilfsarbeiter in der Stadt XXXX .

Die Eltern des Beschwerdeführers und seine Brüder leben nach wie vor im familieneigenen Haus im Heimatdorf. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sowie seine drei minderjährigen Söhne leben ebenfalls bei der Familie im Heimatdorf. Die vier Schwestern des Beschwerdeführers sind verheiratet. Zwei der Schwestern leben mit ihren Ehemännern im Heimatdorf, die beiden anderen Schwestern leben im Nachbardorf. Im Heimatdorf leben zudem zwei Onkel väterlicherseits, zwei Onkel mütterlicherseits und eine Tante mütterlicherseits des Beschwerdeführers. Eine weitere Tante väterlicherseits lebt ebenfalls im Herkunftsstaat, jedoch nicht im Heimatdorf. Die Familie der Ehefrau des Beschwerdeführers lebt ebenfalls im Heimatdorf. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Familie in regelmäßigem Kontakt über die sozialen Netzwerke (Facebook).

Der Vater des Beschwerdeführers besitzt im Heimatdorf ein eigenes Haus sowie mehrere Felder. Die Familie lebt vom Gemüse- und Getreideanbau in der eigenen Landwirtschaft. Ein Bruder des Beschwerdeführers betreibt einen Laden für Autoersatzteile. Die Familie des Beschwerdeführers sorgt für den Unterhalt seiner Gattin und seiner drei minderjährigen Kinder. Die finanzielle Situation der Familie ist als gut einzustufen. Auch die Familie der Ehefrau des Beschwerdeführers besitzt im Herkunftsstaat eigene Grundstücke. Ihre finanzielle Situation stellt sich ebenfalls gut dar.

Der Beschwerdeführer ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer hält sich zumindest seit 26.11.2015, als er seinen Antrag auf internationalen Schutz stellte, durchgehend im Bundesgebiet auf. Er lebt gemeinsam mit drei afghanischen Freunden in einer Wohnung in XXXX . Er ist derzeit nicht erwerbstätig, bezieht aber keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Er hat seit seiner Einreise mehrere Deutsch- und Basisbildungskurse besucht. Im Juli 2017 absolvierte der Beschwerdeführer zu seinen Deutschkenntnissen eine Prüfung aus der Stufe A1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Zuletzt legte er im März 2018 erfolgreich die Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf Niveau A2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen und zu Werte- und Orientierungswissen ab. Derzeit besucht der Beschwerdeführer einen Deutschkurs auf Niveau B1. Der Beschwerdeführer hat im Oktober 2016 gemeinnützige Arbeiten für die Gemeinde XXXX erbracht und war von Ende August 2016 bis Ende Februar 2017 freiwillig für die XXXX tätig. Zu seinen Aufgaben zählte die Unterstützung des Teams bei Möbelabholungen, Containertouren und Altstoffentsorgung. Weiter unterstützte er das Verkaufspersonal im XXXX in XXXX und betätigte sich ehrenamtlich im Verein " XXXX ". Im Februar 2017 wurde dem Beschwerdeführer durch das AMS erstmals eine Beschäftigungsbewilligung erteilt. Der Beschwerdeführer arbeitete anschließend als Saisonarbeiter von 27.2.2017 bis 11.9.2017 am Gemüse-Erdäpfelhof der Firma XXXX , wo sein Aufgabengebiet einfache Tätigkeiten in der Landwirtschaft umfasste. Im Jahr 2018 arbeitete der Beschwerdeführer wieder als Saisonarbeiter beim Gemüse-Erdäpfelhof XXXX ab Februar 2018. Zuletzt arbeitete war der Beschwerdeführer im Jahr 2019 bis Ende Oktober 2019 zum dritten Mal als Saisonarbeiter bei der Firma XXXX angestellt. Aktuell wurde dem Beschwerdeführer durch das AMS eine Beschäftigungsbewilligung als Landarbeiter für den Zeitraum 3.1.2020 bis 2.1.2020 im Betrieb XXXX erteilt, wo der Beschwerdeführer auch zukünftig arbeiten möchte. Der Beschwerdeführer hat in Österreich einige soziale Kontakte - auch zu österreichischen Staatsbürgern - geknüpft. In seiner Freizeit besucht der Beschwerdeführer seine Freunde oder putzt die Wohnung.

In Österreich leben keine Verwandten oder sonstige wichtige Bezugspersonen des Beschwerdeführers. Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des Beschwerdeführers.

2.2. Zu den Fluchtgründen und der Rückkehrsituation des Beschwerdeführers

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung persönlich bedroht oder verfolgt wurde oder eine Verfolgung im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hätte.

Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer die örtliche Polizei in Afghanistan über die Pläne der Taliban, eine Brücke zu verminen, in Kenntnis setzte. Die Taliban konnten den Beschwerdeführer daher auch nicht bei diesem Gespräch mit den Polizisten beobachten. Dass die Taliban den Beschwerdeführer aufgrund dieses Gespräches suchten und mit dem Vater in Form eines Drohbriefs vereinbarten, dass sie den Beschwerdeführer verhaften und töten würden, ist daher nicht anzunehmen. Dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan Übergriffen bzw. Verfolgung durch die Taliban, etwa aufgrund einer ihm unterstellten oppositionellen Gesinnung ausgesetzt wäre, ist nicht zu erwarten. Ein konkreter Anlass, aus dem der Beschwerdeführer den Herkunftsstaat verlassen hat, kann nicht festgestellt werden.

Dass dem Beschwerdeführer als Rückkehrer aus dem westlichen Ausland Übergriffe durch Privatpersonen oder staatliche Stellen drohen, kann nicht festgestellt werden.

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

Die Heimatprovinz des Beschwerdeführers (Paktia) gehört zu den volatilen Provinzen Afghanistans. Sowohl die Taliban als auch das Haqqani-Netzwerk sind in gewissen Distrikten aktiv und führen terroristische Aktivitäten gegen Regierungs- und Sicherheitsinstitutionen aus. Eine Spezialeinheit namens Khost Protection Force (KPF) fungiert in der Provinz auf Seiten der Regierung als Sicherheitsakteur. Dieser Spezialeinheit werden Menschenrechts-verletzungen wie außergerichtliche Tötungen, Folter und willkürliche Verhaftungen vorgeworfen. Es kommt regelmäßig zu Sicherheitsoperationen durch afghanische und ausländische Sicherheitskräfte. Bewaffnete Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Hauptursachen für Zivilopfer im Jahr 2018 waren Selbstmord- sowie Boden- und Luftangriffe.

Im Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Paktia droht ihm die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Die Hauptstadt Kabul ist von innerstaatlichen Konflikten und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban und anderer militanter Gruppierungen betroffen. Kabul verzeichnet eine hohe Anzahl ziviler Opfer. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch.

Im Fall einer Niederlassung in Kabul droht dem Beschwerdeführer die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Die Provinzen Balkh und Herat gehören zu den friedlichsten Provinzen Afghanistans und sind vom Konflikt relativ wenig betroffen. Insbesondere Balkh gehört zu den stabilsten und ruhigsten Provinzen Afghanistans mit im Vergleich zu anderen Provinzen geringen Aktivitäten von Aufständischen. In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif ist davon jedoch nicht betroffen. Die Provinz Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen Afghanistans. Aufständische sind in einigen abgelegenen Distrikten aktiv. Die Hauptstadt der Provinz - Herat (Stadt) - ist davon wenig betroffen und gilt trotz Anstiegs der Kriminalität nach wie vor als sehr sicher. Sowohl Mazar-e Sharif in Balkh als auch Herat (Stadt) stehen unter Regierungskontrolle. Beide Städte verfügen über einen internationalen Flughafen, über den sie sicher erreicht werden können.

Die Provinzen Balkh und Herat waren von einer Dürre betroffen. Ernährungssicherheit, Zugang zu Wohnmöglichkeiten, Wasser und medizinische Versorgung sind in Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) grundsätzlich gegeben. Die Arbeitslosigkeit im Herkunftsstaat ist hoch und Armut verbreitet.

Für den Fall einer Niederlassung des Beschwerdeführers in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat kann nicht festgestellt werden, dass diesem die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Im Fall einer Rückführung des Beschwerdeführers nach Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif ist davon auszugehen, dass er sich eine Lebensgrundlage wird aufbauen und die Grundbedürfnisse seiner menschlichen Existenz wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft wird decken können und im Fall seiner Niederlassung ein Leben ohne unbillige Härten wird führen können, so wie es auch seine Landsleute führen.

Es gibt in Afghanistan unterschiedliche Unterstützungsprogramme für Rückkehrer von Seiten der Regierung, von NGOs und durch internationalen Organisationen. IOM bietet in Afghanistan Unterstützung bei der Reintegration an.

2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat

2.3.1. Staatendokumentation (Stand 13.11.2019, außer wenn anders angegeben):

Politische Lage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.04.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.05.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.01.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.02.2015), und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.05.2019).

In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.04.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.05.2019). Die ursprünglich für den 20.04.2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.09.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für fünf Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.04.2019).

Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.04.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.03.2019).

Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.01.2017; vgl. USDOS 13.03.2019, Casolino 2011).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 02.09.2019).

Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21.10.2018 - mit Ausnahme der Provinz Ghazni - Parlamentswahlen statt (AA 15.04.2019; vgl. USDOS 13.03.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28.09.2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14.11.2019 erwartet (RFE/RL 20.10.2019).

Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Provinz Kandahar musste die Stimmabgabe wegen eines Attentats auf den Provinzpolizeichef um eine Woche verschoben werden, und in der Provinz Ghazni wurde die Wahl wegen politischer Proteste, welche die Wählerregistrierung beeinträchtigten, nicht durchgeführt (s.o.). Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen. Durch Wahl bezogene Gewalt kamen 56 Personen ums Leben, und 379 wurden verletzt. Mindestens zehn Kandidaten kamen im Vorfeld der Wahl bei Angriffen ums Leben, wobei die jeweiligen Motive der Angreifer unklar waren (USDOS 13.03.2019).

Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 06.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.05.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen als "ineffizient" (AAN 17.05.2019).

Politische Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.05.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.01.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.01.2004, USDOS 29.05.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.01.2004).

Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 02.09.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.03.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 02.09.2019; vgl. AAN 06.05.2018, DOA 17.03.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 02.09.2019).

Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert, und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht, und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.03.2019).

Die Hezb-e Islami wird von Gulbuddin Hekmatyar, einem ehemaligen Warlord, der zahlreicher Kriegsverbrechen beschuldigt wird, geleitet. Im Jahr 2016 kam es zu einem Friedensschluss, und Präsident Ghani sicherte den Mitgliedern der Hezb-e Islami Immunität zu. Hekmatyar kehrte 2016 aus dem Exil nach Afghanistan zurück und kündigte im Jänner 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2019 an (CNA 19.01.2019).

Im Februar 2018 hat Präsident Ghani in einem Plan für Friedensgespräche mit den Taliban diesen die Anerkennung als politische Partei in Aussicht gestellt (DP 16.06.2018). Bedingung dafür ist, dass die Taliban Afghanistans Verfassung und einen Waffenstillstand akzeptieren (NZZ 27.01.2019). Die Taliban reagierten nicht offiziell auf den Vorschlag (DP 16.06.2018; s. folgender Abschnitt, Anm.).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.08.2019) - bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 08.09.2019) - mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als "Marionette" des Westens betrachten - auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.08.2019; vgl. NZZ 12.08.2019; DZ 08.09.2019).

Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.01.2019; vgl. DP 28.01.2019, MS 28.01.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigte Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.05.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere Warlords, statt (Qantara 12.02.2019; vgl. TN 31.05.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.02.2019; vgl. NYT 07.03.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.03.2019; vgl. WP 18.03.2019).

Vom 29.04.2019 bis 03.05.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den innerafghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 06.05.2019 bis 04.06.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 06.05.2019). Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil (HE 16.05.2019).

Quellen siehe Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kap.

2.

Allgemeine Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).

So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UN-GASC 3.9.2019).

Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeit-raum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UN-GASC 3.9.2019).

Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit

29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).

Global Incident Map (GIM) verzeichnete in den ersten drei Quartalen des Jahres 2019 3.540 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahr 2018 waren es 4.433.

Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.1.2019).

Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.4.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Intensivierte Kampfhandlungen zwischen ANDSF und Taliban werden von beiden Konfliktparteien als Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019).

Zivile Opfer

Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) - dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September - im Gegensatz zu 2019 - von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).

Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.4.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge, entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl - Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) - 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten, wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.2.2019; vgl. SIGAR 30.4.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.2.2019).

High-Profile Angriffe (HPAs)

Sowohl im gesamten Jahr 2018 (USDOD 12.2018), als auch in den ersten fünf Monaten 2019 f

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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