TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/18 W233 2189937-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.02.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

18.02.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W233 2189937-1/16E

W233 2189931-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörige von Kirgisistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2018, Zahl: 1047758108 - 140275811 und 2.) XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörige von Kirgisistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2018, Zahl: 1047758110 - 140275803, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.07.2019, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerden werden hinsichtlich der Spruchpunkte I. gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Hinsichtlich der Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide wird den Beschwerden stattgegeben und

1.) XXXX , geboren am XXXX , gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Kirgisistan zuerkannt und

2.) XXXX , geboren am XXXX , gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Kirgisistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX und XXXX jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 18.02.2021 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die minderjährige Erstbeschwerdeführerin ist die Tochter der Zweitbeschwerdeführerin. Die Zweitbeschwerdeführerin stellte am 11.12.2014, auch im Namen ihrer minderjährigen Tochter, der Erstbeschwerdeführerin, einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Zuge ihrer am 13.12.2014 stattgefundenen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes begründet die Zweitbeschwerdeführerin ihren Antrag und jenen ihrer minderjährigen Tochter damit, dass sie beide als Angehörige der ethnischen Minderheit der Uiguren in Kirgisistan ständig diskriminiert würden und sie darüber hinaus im Falle ihrer Rückkehr fürchte, dass ihrer Tochter aufgrund dieser Diskriminierung medizinische Versorgung vorenthalten werden würde.

Im Zuge ihrer Befragung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) am 12.12.2017 wiederholte die Zweitbeschwerdeführerin im Wesentlichen ihre bereits in der Ersteinvernahme vorgebrachten Fluchtgründe.

Mit den gegenständlichen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2018 wurde die Anträge der Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 11.12.2014 hinsichtlich des Status einer Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status einer subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihnen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerinnen eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Kirgisistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Dafür wurde ihnen in Spruchpunkt VI. eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.

Gegen diese Bescheide erhoben die vertretenen Beschwerdeführerinnen fristgerecht Beschwerde.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde durch den erkennenden Richter in der gegenständlichen Rechtssache am 03.07.2019 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch und im Beisein der gewillkürten Vertretung der Beschwerdeführerinnen sowie eines Vertreters der belangten Behörde eine öffentlich mündliche Verhandlung durchgeführt, im deren Rahmen die Zweitbeschwerdeführerin insbesondere nochmals zu den Fluchtgründen, einer möglichen Rückkehr in ihren Herkunftsstaat sowie ihrem Leben in Österreich einvernommen wurde. Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wurden in der mündlichen Beschwerdeverhandlung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Kirgisistan, vom 18.05.2018, in das Verfahren eingebracht und mit den Parteien erörtert.

Von Seiten der belangten Behörde wurden in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ein Bericht der Wiener Zeitung vom 18.01.2019 mit dem Titel "Die Sichtbare von Bischkek" und einen im Medium "Jesuitenweltweit" publizierten Artikel "Kinder der Hoffnung, Therapie und Erholung Issyk Kul See" vorgelegt.

Mit Eingabe vom 28.08.2019 und vom 05.09.2019 legte die gewillkürte Vertretung der Beschwerdeführerinnen weitere medizinische Unterlagen der Erstbeschwerdeführerin vor.

Mit Schreiben vom 30.09.2019 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die Staatendokumentation um Auskunft, ob in Kirgisistan Behandlungsmöglichkeiten und Therapieformen bei infantiler Zerebralparese zur Verfügung stehen.

Die Beantwortung dieser Anfrage wurde von der Staatendokumentation mit Schriftsatz vom 12.12.2019 dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Anfragebeantwortung dem Bundesamt und dem gewillkürten Vertreter der Beschwerdeführerin mit der Aufforderung dazu Stellung zu nehmen übermittelt. Weder das Bundesamt noch die vertretenen Beschwerdeführerinnen haben sich dazu geäußert.

Schließlich legten die vertretenen Beschwerdeführerinnen mit Eingabe vom 28.01.2020 einen aktuellen Ambulanzbericht über den Gesundheitszustand der Erstbeschwerdeführerin dem Bundesverwaltungsgericht vor. Dieser medizinische Befundbericht wurde vom Bundesverwaltungsgericht dem Bundesamt mit der Einladung dazu Stellung zu nehmen übermittelt. Das Bundesamt hat diese Möglichkeit ungenützt verstreichen lassen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der erhobenen Anträge auf internationalen Schutz, der Erstbefragung der Zweitbeschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt, der Beschwerden gegen die im Spruch genannten Bescheide des Bundesamtes, der in das Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen und der Anfragebeantwortung zur Behandlungsmöglichkeiten und Therapieformen bei infantiler Zerebralparese vom 12.12.2019, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in die Bezug habenden Verwaltungsakte der beiden Beschwerdeführerinnen, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

II.1. Feststellungen:

1.1. Zur Erstbeschwerdeführerin:

Die minderjährige Erstbeschwerdeführerin - eine Staatsangehöriger der Kirgisischen Republik - führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren. Sie ist Angehörige der Volksgruppe der Uiguren und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Ihre Identität steht fest.

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Tochter der Zweitbeschwerdeführerin.

Die Erstbeschwerdeführerin beherrscht die Sprachen Russisch und Deutsch.

Die Erstbeschwerdeführerin verfügt in ihrem Herkunftsstaat über Familienangehörige, in Form ihrer dort aufhältigen Großeltern mütterlicherseits und eines Onkels und einer Tante. Sie steht mit diesen Familienmitgliedern über ihre Mutter, die Zweitbeschwerdeführerin, in Kontakt.

In Österreich hingegen verfügt die Erstbeschwerdeführer, mit Ausnahme ihrer Mutter, der Zweitbeschwerdeführerin, über keine weiteren Familienmitglieder oder Verwandten.

Die Erstbeschwerdeführerin leidet an einer bilateralen spastischen Cerebralparese GMFM III, BFMF II-III, CFCS I, Strabismus convergens links und schwere Myopie links sowie psychoemotionale Unsicherheit und Ängstlichkeit und steht wegen dieses Krankheitsbildes in regelmäßiger medizinischer Behandlung, darunter auch in physiotherapeutischer und ergotherapeutischer Behandlung, welche zur Verbesserung des Bewegungsablaufes regelmäßig auch stationär in einer Reha-Klinik durchgeführt werden. Eine Reduzierung der Therapieangebote würde in kürzester Zeit zu massiven Kontrakturen und zu einem völligen Verlust der Gehfähigkeit und in zunehmendem Maße auch zur Einschränkung des übrigen Bewegungsradius führen.

Dieses Krankheitsbild grenzt die Erstbeschwerdeführerin von der Gesellschaft in Kirgisistan als andersartig ab.

Die Erstbeschwerdeführer besucht im Schuljahr 2019/20 die zweite Schulstufe einer Volksschule in XXXX und weist in der Schulnachricht vom 14.02.2020 im Unterrichtsfach Deutsch, Lesen, Schreiben die Beurteilung "Sehr gut" auf. Aufgrund ihrer Körperbehinderung hat die Erstbeschwerdeführerin Anspruch auf sonderpädagogischen Förderbedarf im Sinne von § 8 Abs. 1 Schulpflichtgesetz.

Die Erstbeschwerdeführerin hat sich im Bundesgebiet einen Freundeskreis bzw. ein für sie in ihrem Alltag wichtiges soziales Netz aufgebaut.

1.2. Zur Zweitbeschwerdeführerin:

Die Zweitbeschwerdeführerin - eine Staatsangehöriger der Kirgisischen Republik - führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren. Sie ist Angehörige der Volksgruppe der Uiguren und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Ihre Identität steht fest.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist die Mutter der Erstbeschwerdeführerin und ihre gesetzliche Vertretung.

Ihre Muttersprache ist Russisch. Sie hat zudem Kenntnisse der Sprachen Englisch, Chinesisch und Uigurisch. Außerdem verfügt die Zweitbeschwerdeführerin über für eine Konversation gute Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau B/2.

Die Zweitbeschwerdeführerin verfügt in ihrem Herkunftsstaat über Familienangehörige, in Form ihrer dort aufhältigen Eltern und Geschwister, mit denen sie in Kontakt steht.

In Österreich hingegen verfügt die Zweitbeschwerdeführer, mit Ausnahme ihrer Tochter, der Erstbeschwerdeführerin, über keine weiteren Familienmitglieder oder Verwandten.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist gesund und nimmt keine Medikamente ein.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat in ihrem Herkunftsstaat die Schule abgeschlossen und im Anschluss daran Orientalistik studiert.

In Österreich bezieht die Zweitbeschwerdeführerin für sich und ihre Tochter, die Erstbeschwerdeführerin, Leistungen aus der Grundversorgung.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat sich im Bundesgebiet einen Freundeskreis bzw. ein für sie in ihrem Alltag wichtiges soziales Netz aufgebaut

1.3. Zu den Gründen des Verlassens ihres Herkunftsstaates (Fluchtgründe):

Die Zweitbeschwerdeführerin konnte mit ihrem Vorbringen, dass sie und ihre Tochter als Angehörige der ethnischen Minderheit der Uiguren in Kirgisistan ständigen Diskriminierungen ausgesetzt seien bzw. im Fall der Rückkehr befürchte, dass ihrer Tochter die notwendige medizinische Behandlung vorenthalten werde, weder für sich selbst noch für ihre Tochter, die Erstbeschwerdeführerin, Gründe darlegen, dass sie während ihres Aufenthalts in Kirgisistan oder im Falle ihrer Rückkehr nach Kirgisistan aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten, Drohungen oder Gewaltanwendungen von staatlicher oder privater Seite zu befürchten hätte.

Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin während ihres Aufenthalts in Kirgisistan wegen ihrer Erkrankung einer konkret gegen sie gerichteten psychischen und/oder psychischen Gewalt ausgesetzt war oder im Falle ihrer Rückkehr nach Kirgisistan einer solchen Gefahr ausgesetzt wäre.

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr der Erstbeschwerdeführerin nach Kirgisistan:

Eine Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ist der Erstbeschwerdeführerin aufgrund ihrer individuellen Umstände, konkret wegen ihrer als schwer einzustufenden Erkrankung und der in den Länderinformationen dokumentierten Diskriminierung von Behinderten beim Zugang zur medizinischen Versorgung nicht zumutbar. Die Zweitbeschwerdeführerin läuft im Falle ihrer Rückkehr Gefahr, aufgrund der für Uiguren in den Länderinformationen ebenso dokumentierten Diskriminierungen im Alltag auch vom Zugang zu der für sie grundlegenden und notwendigen medizinischen Versorgung ausgeschlossen zu werden und somit ihre medizinischen Bedürfnisse nicht befrieden zu können und damit in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Darüber hinaus läuft die Erstbeschwerdeführerin auch Gefahr aufgrund ihrer wegen ihres Krankheitsbildes gegebenen besonderen Bedürfnissen in Kirgisistan keine Schuldbildung zu erhalten.

Aufgrund dieser aktuellen Lage in Kirgisistan und ihrer individuellen Situation steht der Erstbeschwerdeführerin auch keine innerstaatliche Fluchtalternative in ihrem Herkunftsstaat offen.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Kirgisistan:

Das Bundesverwaltungsgericht trifft aufgrund der in das Beschwerdeverfahren eingebrachten aktuellen Erkenntnisquellen folgende entscheidungsrelevante Feststellungen:

1.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Kirgisistan vom 18.05.2018:

[...]

12. Allgemeine Menschenrechtslage

Das einst als "Insel für Demokratie und Freiheit" bekannte Kirgisistan macht seit einigen Jahren Rückschläge im Bereich der Menschenrechte durch. Obwohl die kirgisische Verfassung in Artikel 16 vorschreibt, dass alle in Kirgisistan lebenden Menschen vor dem Gesetz gleich sind und dass kein Mensch aufgrund von Geschlecht, Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Sprache, Glauben, politischer Überzeugung, Ausbildung oder Behinderung diskriminiert werden darf, sieht die Realität häufig anders aus. Die jüngsten Verhaftungen in der politischen Landschaft Kirgisistans sind besorgniserregend. Nicht nur Politiker, sondern auch regierungskritische Journalisten und gesellschaftliche Aktivisten sind Zielscheibe der Justiz (GIZ 3.2018).

Die Behörden beschränkten das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung, insbesondere im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen. LGBTI-Personen waren weiterhin mit Diskriminierung und Gewalt durch staatliche und nichtstaatliche Akteure konfrontiert. Anfällige Gruppen, einschließlich Menschen mit Behinderungen, hatten zusätzliche Schwierigkeiten beim Zugang zur Gesundheitsversorgung (AI 22.2.2018).

Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen gehören die Anwendung von Folter und willkürliche Verhaftungen durch Beamte der Strafverfolgungs- und Sicherheitsdienste, der zunehmende Druck auf unabhängige Medien, die Schikanierung von Journalisten, selektive und politisch motivierte Strafverfolgungsmaßnahmen, allgegenwärtige Korruption, Zwangsarbeit sowie Übergriffe, Drohungen und systematische Erpressung sexueller und ethnischer Minderheiten durch die Polizei. Die offizielle Straflosigkeit war ein großes Problem. Während die Behörden Berichte über offiziellen Missbrauch in den Sicherheitsdiensten und anderswo untersuchten, verfolgten und bestraften sie nur selten Beamte, die wegen Menschenrechtsverletzungen oder Mittäterschaft am Menschenhandel angeklagt waren (USDOS 20.4.2018).

[...]

18. Ethnische Minderheiten

Laut Schätzungen betrug 2017 der Anteil der Kirgisen 73,2% der Gesamtbevölkerung. Usbeken machten 14,6%, Russen 5,8% und Dunganen 1,1% aus. Die übrigen 5,3% verteilten sich u.a. auf Uiguren, Tadschiken, Türken, Kasachen, Tataren, Ukrainer, Koreaner und Deutsche (CIA 1.5.2018, vgl. MRGI 3.2018a).

Ethnische Usbeken bilden die größte Minderheit und leben hauptsächlich in den südlichen Regionen von Osch und Jalalabad. Die ethnischen Kirgisen machen heute fast drei Viertel der Bevölkerung aus. Slawen - hauptsächlich Russen, aber auch einige Ukrainer - waren bis vor kurzem die größte Minderheit in Kirgisistan. Anders als in anderen zentralasiatischen Staaten ist ein erheblicher Teil der Slawen Landbewohner. Ihre Zahl ist jedoch seit der Unabhängigkeit drastisch zurückgegangen. Auch die überwiegende Mehrheit der Deutschen ist ausgewandert, vor allem nach Deutschland. Juden, die einst in der Hauptstadt zahlreich waren und für ihren Beitrag zu Gesundheit, Technik und Kultur respektiert wurden, sind eine weitere Gruppe, die schnell schrumpft. Die überwiegende Mehrheit ist nach Israel ausgewandert, andere in die USA und nach Deutschland (MRGI 3.2018a).

[...]

18.2. Uiguren

Es gab Berichte über beleidigende und feindselige Äußerungen - einige kamen von Regierungsbeamten -, die Uiguren als Terroristen und Fundamentalisten ("Wahhabiten") bezeichneten und mitunter zur wahrgenommenen negativen gesellschaftlichen Einstellung und Medienberichten gegenüber der uigurische Minderheit beitrugen. Menschenrechtsgruppen haben ihre Besorgnis darüber geäußert, dass die kirgisischen Behörden allzu oft die Uiguren auf der Basis von erfundenen Terroranschuldigungen angreifen, angeblich auf Druck Chinas, da sich die bilateralen Beziehungen zwischen den Ländern verstärkt haben (MRGI 3.2018c).

Vertreter der uigurischen Gemeinschaft haben ebenfalls ihre Besorgnis über die Überwachung durch die Regierung zum Ausdruck gebracht. Dies hat sich nach mehreren gewalttätigen Vorfällen gegen chinesische Regierungsvertreter in Bischkek verschärft, beispielsweise im August 2016, als bei einem Angriff auf die chinesische Botschaft drei Mitarbeiter verletzt wurden. Die kirgisischen Behörden beschuldigten die islamische Bewegung Ostturkestans (ETIM), eine separatistische Organisation. Viele uigurische Gruppen in Kirgisistan haben diese Vorfälle ebenfalls verurteilt. Die Führer der uigurischen Gemeinden in Kirgisistan bekunden keine Unterstützung für den uigurischen Separatismus (MRGI 3.2018c, vgl. AJ 8.1.2017).

Einige Uiguren-Vertreter haben Berichten zufolge Bedenken geäußert, dass das Fehlen einer uigurischen Sprachschule im Land ihre Sprachrechte verletzt. Uiguren wurden auch von nationalistischen kirgisischen Jugendgruppen, wie Kyrk Choro, angegriffen (MRGI 3.2018c).

[...]

19.2. Kinder

Kirgisistan ist ein junges Land und 2,1 Millionen Kinder machen 36,5% der Bevölkerung aus. Kinderarmut ist ein ernstes Problem. Die Armut nimmt zu (32,1%), wobei Kinder in der Armutsstatistik überrepräsentiert sind (40,5% im Jahr 2015). Fast 900.000 Kinder in Kirgisistan leben in Armut und sind weiterhin von Armut betroffen. Kinder, die in Armut leben, versäumen die Vorschul- und Schulbildung sowie die Gesundheitsversorgung und sind der Unterernährung ausgesetzt. Die ärmsten Kinder leben hauptsächlich in ländlichen Gebieten im Süden des Landes. Viele gehören Familien mit drei und mehr Kindern und Familien mit arbeitslosen Erwachsenen an. Fast 73% der Kinder berichten von Missbrauch oder Vernachlässigung in der Familie. Es gibt jedoch einige Verbesserungen, um Kinder, die mit dem Gesetz in Berührung kommen, zu schützen. Mittlerweile wurde die Zahl der gegen Jugendliche verhängten Haftstrafen um 84% reduziert (UNICEF o.D.).

Nach Berichten von NGOs und der UNO waren Kindesmissbrauch, einschließlich Prügel, Kinderarbeit und kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Jungen und Mädchen, ein Problem. Kinder im Alter von 16 und 17 Jahren können mit Zustimmung der örtlichen Behörden legal heiraten, aber das Gesetz verbietet unter allen Umständen standesamtliche Ehen vor dem 16. Lebensjahr. Obwohl illegal, ging die Praxis der Brautentführung weiter. Die Nationale Statistikkommission schätzte, dass 15% der verheirateten Frauen zwischen 25 und 49 Jahren vor dem Alter von 18 Jahren und 1% unter 15 Jahren heiraten (USDOS 20.4.2018).

Wie in den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Berichte über die Vernachlässigung von Kindern aufgrund mangelnder Ressourcen der Eltern, und eine große Zahl von Kindern lebte in Heimen, bei Pflegefamilien oder auf der Straße. Etwa 80% der Straßenkinder waren interne Migranten. Straßenkinder hatten Schwierigkeiten beim Zugang zu Bildungs- und medizinischen Diensten. Die Polizei nahm Straßenkinder fest und schickte sie nach Hause, wenn eine Adresse bekannt war oder in ein Rehabilitationszentrum oder Waisenhaus. Staatliche Waisenhäuser und Pflegeheime waren nicht in der Lage, eine angemessene Betreuung zu gewährleisten, was zum Beispiel dazu führte, dass ältere Kinder in psychiatrische Einrichtungen verlegt wurden, auch wenn sie keine psychischen Probleme hatten (USDOS 20.4.2018).

[...]

23. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung in Kirgisistan entspricht nicht europäischen Verhältnissen. Es wird empfohlen, wichtige Medikamente sowie Verbandsmaterial und Einwegspritzen mitzuführen, da diese auch bei Behandlung in Krankenhäusern selbst beschafft werden müssen. Ein etwa mit Deutschland vergleichbares Rettungssystem mit intensivmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten ist nicht vorhanden. Selbst in der Hauptstadt können Notfälle meist nur unzureichend behandelt werden (AA 7.5.2018).

Das Gesundheitssystem in Kirgisistan ist nach wie vor mit Problemen konfrontiert, mit öffentlichen Einrichtungen, die durch eine Pflichtversicherung und symbolische Zuzahlungen, in der Regel unterfinanziert und mangelhaft ausgestattet sind. Neuere und hochwertigere private Einrichtungen sind teuer und sind meist nur in drei städtischen Gebieten konzentriert. Ein häufiges Phänomen in jüngster Zeit sind private Spendenaufrufe für Gesundheitsausgaben. Korruption im Bildungssystem, einschließlich der medizinischen Hochschulbildung, stellt eine Herausforderung dar, da sie neben der mangelnden technischen Ausstattung und Finanzierung auch die Qualität der Gesundheitsleistungen mindert (BTI 1.2018).

[...]

24. Rückkehr

Rückkehrer oder Personen, die wegen gescheiterter Asylanträge nach Kirgisistan zurückkehren, werden bei ihrer Ankunft individuell behandelt und beurteilt. Bei der Ankunft am Flughafen würde die Person wahrscheinlich zu einer ausführlichen Befragung herangezogen werden, wenn sie keine ordnungsgemäßen Reise- und Ausweispapiere vorlegt (insbesondere im Zusammenhang mit der Besorgnis der Regierung über die Teilnahme kirgisischer Bürger an den Kämpfen in Syrien). Die Person wird in eine Arrestzelle gesteckt und von Polizeibeamten befragt und/oder gemeinsam von Polizei und Geheimdiensten auf unbestimmte Zeit befragt. Rückkehrer, die ethnische Usbeken oder ethnische Uiguren sind, werden mit einem zusätzlichen Maß an Misstrauen behandelt, insbesondere Personen aus städtischen Regionen (Diese werden eher als islamistischen Gruppen zugetan angesehen). Außerdem werden junge Männer stärker unter die Lupe genommen. Die Behandlung der Person kann auch durch die Qualität des Beamten an der Grenze beeinflusst werden, und ob diese Person Bestechungsgelder annimmt oder nicht (IRB 12.2.2015).

[...]

1.5.2. Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation "Kirgisistan - Behandlungsmöglichkeiten und Therapieformen bei infantiler Zerebralparese" vom 12.12.2019:

[...]

Der nachfolgend zitierten Quelle ist zu entnehmen, dass für das in der Fragestellung angegebene Krankheitsbild [Anmerkung: infantile Cerebralparese] landesweit nur sehr wenige Behandlungseinrichtungen verfügbar sind. Die meisten Einrichtungen zur Behandlung des genannten Behandlungsbildes befinden sich in der Hauptstadt Bischkek.

Zur Behandlung der oben angeführten Krankheit weist ein Neurologe im Hausärztlichen Zentrum des Wohnortes des Patienten, nach einer entsprechenden Diagnose, dem Patienten eine bestimmte Einrichtung zu. Bei Verfügbarkeit von entsprechenden Fachärzten im Nahbereich des Wohnortes des Patienten kann ebenso eine Therapie im häuslichen Umfeld durchgeführt werden.

Mögliche Unterstützungsleistungen sind fallabhängig, orientieren sich an der Diagnose des behandelnden Arztes und sind an den Bestand einer kirgisischen Staatsbürgerschaft gekoppelt. So können Behandlungskosten durch staatliche Stellen teilweise übernommen werden. Auch ist ein staatliches Programm existent, welches eine Behandlung von Kindern mit körperlichen Beeinträchtigungen von der Zuzahlung für stationäre Behandlungen befreit. Auf die praktizierte Form von inoffiziellen Zahlungen an das medizinische Fachpersonal zum Erhalt von medizinischen Leistungen aufgrund der Niedriglöhne von Ärzten wird durch IOM ausdrücklich hingewiesen.

[...]

Der nachfolgend zitierten Quelle ist zu entnehmen, dass [...] Behandlungen und Formen von Therapien mit Ausnahme der Ergotherapie, diese wird in Kirgisistan nicht angeboten, landesweit nur in einem sehr eingeschränkten Ausmaß zur Verfügung stehen.

Die angeführten, verfügbaren Therapien werden lediglich in unregelmäßigen Intervallen angeboten. Verfügbare Therapieplätze dafür sind darüber hinaus nur in einem begrenzten - bis sehr begrenzten - Ausmaß vorhanden. Nicht jede Person, welche eine Therapie in Anspruch nehmen möchte, erhält Zugang zu den notwendigen medizinischen/therapeutischen Leistungen. Mögliche Inanspruchnahmen von Behandlungen und Therapien sind an entsprechende Verschreibungen und andere administrative Vorgaben, wie auch an informelle Zuzahlungen an das medizinische Personal, gebunden.

Dies trifft in gleichen Maße auch für die Situation einer schulischen Bildung für Kinder mit besonderen Bedürfnissen zu. Auch hier sind nur eine als sehr begrenzt zu bezeichnende Anzahl von Plätzen verfügbar. [...]

[...]

II.2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Beschwerdeführer:

Die Feststellungen zur Person der beiden Beschwerdeführerinnen beruhen auf ihren eigenen Angaben, die durch die Vorlage von Identitätsdokumenten gestützt werden.

Die Feststellungen zur Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Uiguren beider Beschwerdeführerinnen gründen sich auf die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin.

Dass beide Beschwerdeführerinnen Angehörige der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam sind, ergibt sich aus den diesbezüglich unbedenklichen Angaben der Zweitbeschwerdeführerin.

Die Sprachkenntnisse der beiden Beschwerdeführer können aufgrund der Angaben der Zweitbeschwerdeführerin getroffen werden, die überdies in Bezug auf die Kenntnisse der deutschen Sprache durch die Verwendung dieser in der mündlichen Beschwerdeverhandlung und die Vorlage entsprechender Zertifikate gestützt werden.

Dass beide Beschwerdeführerinnen in Kirgisistan über Familienangehörige verfügten, gründet sich auf die glaubhaften Angaben der Zweitbeschwerdeführerin, wie auch der Umstand, dass sie beide in Österreich über keine weiteren Familienangehörigen verfügen.

Die Feststellungen über den Gesundheitszustand der Erstbeschwerdeführerin stützen sich auf die ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen. Ebenso stützt sich die Feststellung, dass eine Reduzierung der Therapieangebote in kürzester Zeit zu massiven Kontrakturen und zu einem völligen Verlust der Gehfähigkeit und in zunehmendem Maße auch zur Einschränkung des übrigen Bewegungsradius führen würde, auf den im Akt der Erstbeschwerdeführerin einliegenden aktuellen medizinischen Befund vom 23.01.2020.

Die Feststellung, dass die Erstbeschwerdeführerin aufgrund seines Krankheitsbildes von der Gesellschaft in Kirgisistan als andersartig, nämlich als an einer Behinderung leidend, gesehen wird, stützt sich auf die oben in Punkt 1.5.1 Unterpunkt 12 (Allgemeine Menschenrechtslage) wiedergegebenen Informationen.

Dass die Zweitbeschwerdeführerin an keinen Krankheiten leidet und auch keine Medikamente einnimmt, stützt sich auf ihr diesbezüglich glaubhaftes Vorbringen.

Die Feststellungen im Zusammenhang mit dem Schulbesuch der Erstbeschwerdeführerin in Österreich bzw. dem sonderpädagogischen Förderbedarf stützt sich auf das in ihrem Akt einliegenden Zeugnis vom 14.02.20120 und den Bescheid des Landesschulrates von XXXX vom 30.11.2018.

Die Feststellungen zur Ausbildung der Zweitbeschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat gründet sich auf ihre diesbezüglich glaubhaften Angaben.

Dass beide Beschwerdeführerin in Österreich über ein soziales Netzwerk verfügen stützt sich zum einen auf die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin und die Vorlage zahlreicher Empfehlungsschreiben.

2.2. Zu den Gründen des Verlassens des Herkunftsstaates der Beschwerdeführerinnen (Fluchtgründe):

Soweit das vom Beschwerdeführer behauptete Fluchtvorbringen nicht festgestellt werden kann, ist Folgendes festzuhalten:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 liegt es auch am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd § 274 ZPO zu verstehen.

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.

Mit der Glaubhaftmachung ist auch die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).

In diesem Zusammenhang ist der Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 337, 9, (Statusrichtlinie), maßgeblich:

"Artikel 4 Prüfung der Tatsachen und Umstände

(1) - (4) [...]

(5) Wenden die Mitgliedstaaten den Grundsatz an, wonach der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz begründen muss, und fehlen für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise, so bedürfen diese Aussagen keines Nachweises, wenn

a) der Antragsteller sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag zu begründen;

b) alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;

c) festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten, verfügbaren besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;

d) der Antragsteller internationalen Schutz zum frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war; und

e) die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist."

Unter diesen Maßgaben ist das Vorbringen eines Asylwerbers also auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen. Dafür ist vor allem auf folgende Kriterien abzustellen: Zum einen muss das Vorbringen des Asylwerbers - unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten - genügend substantiiert sein. Dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Fluchtvorbringen in sich schlüssig sein; der Asylwerber darf sich demgemäß nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Diese Voraussetzung ist unter anderem dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Schließlich bedarf es einer persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers, die insbesondere dann getrübt sein wird, wenn sein Vorbringen auf ge- oder verfälschte Beweismittel gestützt ist oder er wichtige Tatsachen verheimlicht respektive bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat allerdings im gesamten Verfahren, mit ihrer Behauptung, dass sie und ihre Tochter wegen ihrer Zugehörigkeit zur ethnischen Minderheit der Uiguren in Kirgisistan ständigen Diskriminierungen ausgesetzt seien, keine konkrete Situation eines ungerechtfertigten Eingriffs von erheblicher Intensität in ihre zu schützende persönlich Sphäre aufzeigen können.

Der Zweitbeschwerdeführerin ist es deshalb in einer Gesamtschau nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen ihre als auch die Person ihrer Tochter gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Kirgisistan kann daher nicht erkannt werden, dass den beiden Beschwerdeführerinnen im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.

2.4. Zu einer möglichen Rückkehr der Erstbeschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat Kirgisistan:

Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr der Erstbeschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat Kirgisistan ergeben sich unter Berücksichtigung der über Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.12.2019, betreffend Behandlungsmöglichkeiten und Therapieformen bei infantiler Zerebralparese (vgl. Punkt I.1.5.2) aus den oben unter Punkt I.1.5.1 angeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Kirgisistan, insbesondere zu den dort wiedergegebenen Ausführungen über die medizinischen Versorgung in Kirgisistan.

Danach zeigt sich für den erkennenden Richter folgendes Bild:

Da die Erstbeschwerdeführerin an einer bilateralen spastischen Cerebralparese GMFM III, BFMF II-III, CFCS I, Strabismus convergens links und schwere Myopie links sowie psychoemotionale Unsicherheit und Ängstlichkeit leidet, sohin an einer ernsthaften Erkrankung und in Kirgisistan für solche Erkrankungen nur sehr wenige Behandlungseinrichtungen verfügbar sind und darüber hinaus die zur Behandlung dieses Krankheitsbildes notwendigen Therapieformen auch nur in einem sehr eingeschränkten Ausmaß zur Verfügung stehen, die obendrein nur in unregelmäßigen Intervallen angeboten werden und dem Umstand, dass Menschen mit Behinderung beim Zugang zur Gesundheitsvorsorge diskriminiert werden, läuft die Erstbeschwerdeführerin, die laut den einschlägigen ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen eine konsequente physiotherapeutische und ergotherapeutische Therapie, welche zur Verbesserung ihres Bewegungsablaufes regelmäßig auch stationär in einer Reha-Klinik durchgeführt werden müssen, im Falle ihrer Rückkehr Gefahr, ihre medizinischen Bedürfnisse nicht befrieden zu können und damit in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Darüber hinaus zeigt die ins Verfahren eingebrachte relevante Anfragebeantwortung auch, dass schulische Bildung für Kinder mit besonderen Bedürfnissen ebenfalls nur in einer sehr begrenzten Anzahl von Plätzen verfügbar ist, weshalb die Erstbeschwerdeführerin Gefahr läuft, aufgrund ihrer Erkrankung keine Schulbildung, insbesondere keine nach ihrem sonderpädagogischen Förderbedarf ausgerichtet, zu erhalten, sodass ihr eine Rückkehr nach Kirgisistan auch aus diesem Grunde nicht zugemutet werden kann.

Dieses Bild wird noch dadurch bestärkt, dass in den Länderinformationen die Situation der ethnischen Minderheit der Uiguren in Kirgisistan ausgeführt ist, dass beleidigende und feindselige Äußerungen - auch von Regierungsbeamten - zur dort wahrgenommenen negativen Einstellung der Titularnation gegenüber Uiguren beitragen. Dass unter diesen Rahmenbedingungen der Zugang zu den ohnehin sehr eingeschränkten Behandlungs- und Therapiemöglichkeit sowie die ebenso nur in sehr begrenzter Anzahl zur Verfügung stehenden Plätze für Kinder mit besonderen Bedürfnissen in Schulen gerade für die Erstbeschwerdeführerin als Angehörige der ethnischen Minderheit der Uiguren gewährleistet erscheint, kann gerade nicht angenommen werden.

Diese Einschätzung vermag auch nicht durch den in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom Vertreter der belangten Behörde aufgeworfenen Umstand, dass die Zweitbeschwerdeführern nicht von sich aus medizinische Unterlagen ihrer Tochter aus Kirgisistan im Verfahren vorgelegt hat, beeinträchtigt werden. Denn diesen medizinischen Unterlagen aus Kirgisistan kann zwar, wie der Vertreter der belangten Behörde ausführt, entnommen werden, dass die Erstbeschwerdeführerin in Kirgisistan medizinische Versorgung erfahren hat, allerdings kann im Lichte der aktuellen Länderinformationen und der spezifischen Anfragebeantwortung zur Behandlungsmöglichkeit von infantiler Cerebralparese nicht davon ausgegangen werden, dass der Erstbeschwerdeführerin nach einer Rückkehr nach Kirgisistan der Zugang zu einer regelmäßigen konsequenten Therapie ihrer hochgradig motorischen Beeinträchtigungen gewährleistet ist. Auch die vom Vertreter der belangten Behörde ins Verfahren eingebrachten Medienberichte (Artikel in der Wiener Zeitung vom 18.01.2019 und Artikel im Medium "Jesuitenweltweit"), vermögen diese auf die Länderinformationen und die Anfragebeantwortung gestützte Einschätzung mangels substantiellen diesen Informationen widersprechenden Vorbringen nicht zu widerlegen. Zudem hat die belangte Behörde weder zu der ihr im Wege des Parteiengehörs übermittelten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.12.2019 noch zu dem ihr übermittelten aktuellen medizinischen Befundbericht der Erstbeschwerdeführerin vom 23.01.2020 Stellung genommen.

III. Rechtlich Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z. 11 AsylG, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention (im Folgenden kurz "GFK") ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem oder mehreren der in der GFK genannten Gründe haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein.

Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509, mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256, mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0036, mwN).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen; auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt wurde, konnte die Zweitbeschwerdeführerin weder für sich selbst noch für ihre Tochter, die Erstbeschwerdeführerin, auf Kirgisistan bezogenen Fluchtgründe glaubhaft machen.

In Ermangelung einer individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt zu prüfen, ob die beiden Beschwerdeführerinnen im Herkunftsland aufgrund generalisierender Merkmale unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden Gruppenverfolgung ausgesetzt wären. Gegenständlich kommt bei der Erst- und Zweitbeschwerdeführer die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Uiguren in Kirgisistan und bei der Erstbeschwerdeführerin darüber hinaus auch noch die Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der an motorischen Beeinträchtigungen Leidenden in Betracht:

Zur Frage der Verfolgung wegen ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Uiguren in Kirgisistan:

Im Hinblick auf die spezifische Situation der beiden Beschwerdeführerinnen waren keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie als Angehöriger der Ethnie der Uiguren in Kirgisistan alleine wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit in Kirgisistan aktuell einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wären. Das sehr allgemein gehaltene Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin, dass Uiguren in Kirgisistan schon immer diskriminiert worden seien, zeigt jedenfalls weder für sie selbst noch für ihre Tochter, die Erstbeschwerdeführerin, eine konkrete individuelle Verfolgung auf, die das Ausmaß, das erforderlich wäre, um von einer spezifischen Verfolgung von Angehörigen der ethnischen Minderheit der Uiguren in Kirgisistan im Sinne einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe ausgehen zu können.

Zur Frage der Verfolgung der Erstbeschwerdeführerin wegen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der an motorischen Beeinträchtigungen Leidenden:

In seiner Entscheidung vom 11.12.2019, Ra 2019/20/0295-5 führt der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Definition einer sozialen Gruppe wie folgt aus: "Bei dem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Asylgrund der "Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der sich in weiten Bereichen mit den Gründen "Rasse, Religion und Nationalität" überschneidet, jedoch weiter gefasst ist als diese. Unter Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe wird eine - nicht sachlich gerechtfertigte - Repression verstanden, die nur Personen trifft, die sich durch ein gemeinsames soziales Merkmal auszeichnen, die also nicht verfolgt würden, wenn sie dieses Merkmal nicht hätten (vgl. VwGH 20.10.1999, 99/01/0197; 26.6.2007, 2007/01/0479). Nach herrschender Auffassung kann eine soziale Gruppe aber nicht ausschließlich dadurch definiert werden, dass sie Zielscheibe von Verfolgung ist (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479, mit Hinweisen u. a. auf die UNHCR-Richtlinie zum Internationalen Schutz:

"Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" vom 7. Mai 2002; 29.6.2015, Ra 2015/01/0067).

Damit das Vorliegen einer "sozialen Gruppe" im Sinne dieser Bestimmung festgestellt werden kann, müssen nach der Rechtsprechung des EuGH zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen müssen die Mitglieder der Gruppe "angeborene Merkmale" oder einen "Hintergrund, der nicht verändert werden kann", gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, "die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten". Zum anderen muss diese Gruppe in dem betreffenden Drittland eine deutlich abgegrenzte Identität haben, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (EuGH 7.11.2013, X u. a., C-199/12 bis C-201/12, Rn. 45; 25.1.2018, F., C-473/16, Rn. 30; 4.10.2018, Ahmedbekova, C-652/16, Rn. 89; vgl. auch VwGH 22.3.2017, Ra 2016/19/0350).

Die Beurteilung des Vorliegens einer Verfolgung aus dem Konventionsgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe erfordert daher sowohl Feststellungen zu den Merkmalen und zur abgegrenzten Identität dieser Gruppe als auch zum kausalen Zusammenhang mit der Verfolgung (vgl. VwGH 22.3.2017, Ra 2016/19/0350, Rn. 17)."

Zwar fällt die Erstbeschwerdeführerin als an infantiler Cerebralparese Erkrankter in die soziale Gruppe der an motorischen Beeinträchtigungen Leidenden, doch lassen sich aus den der dieser Entscheidung zugrundliegenden Länderfeststellungen (Länderinformationsblatt und Anfragebeantwortung) keine konkret sie aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretende Bedrohung oder Verfolgung im Falle ihrer Rückkehr nach Kirgisistan ableiten. Aus den oben angeführten Länderberichten kann zwar abgeleitet werden, dass an infantiler Cerebralparese erkrankte Menschen in Kirgisistan soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen erfahren, doch erreichen diese Diskriminierungen und Ausgrenzungen nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht jenes Ausmaß, das erforderlich wäre, um von einer spezifischen Verfolgung von an dieser Krankheit leidenden Menschen ausgehen zu können.

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, war in der Folge davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung der beiden Beschwerdeführerinnen nicht existiert. Der Zweitbeschwerdeführerin ist es deshalb insgesamt nicht gelungen, weder für sie selbst noch für ihre Tochter, die Erstbeschwerdeführerin, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Kirgisistan kann nicht erkannt werden, dass den Beschwerdeführerinnen in ihrem Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.

Eine allgemein desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH vom 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 9.5.1996, 95/20/0161; 30.4.1997, 95/01/0529, 8.9.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt.

Den Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der jeweils angefochtenen Bescheides mussten daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen werden.

2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z. 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z. 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 11 AsylG 2005 offen steht.

Nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG 2005).

Es ist somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen. Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein sowie ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen (siehe z.B. VwGH 30.05.2001, 97/21/0560).

Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönli

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten