TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/18 W159 2183238-1

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Veröffentlicht am 18.02.2020
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Entscheidungsdatum

18.02.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W159 2183238-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2017, Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A)

1. Das Verfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG gegen Spruchpunkt I. eingestellt.

2. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 34 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

3. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 18.02.2021 erteilt.

4. Der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte IV. bis VI. wird stattgegeben und diese ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Hazara zugehörig, schiitischer Moslem, volljährig und verheiratet gelangte mit seiner Ehefrau und volljährigen Tochter (spätestens) am 09.01.2016 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Am gleichen Tag erfolgte die Erstbefragung durch das XXXX .

Er gab befragt zu seinem Fluchtgrund an, einerseits hätten die Taliban versucht ihn anzuwerben und seine Familie bedroht. Andererseits sei seine Tochter von ihrem Ehemann geschlagen und mißhandelt worden.

Am 30.10.2017 erfolgte die Niederschrift im Verfahren vor der belangten Behörde. Der Beschwerdeführer brachte seine Tazkira in Vorlage. Der Beschwerdeführer gab an, er sei bewaffneter Kämpfer etwa im Jahre 1990 gewesen. Zu dieser Zeit seien die Sowjets im Land gewesen und sie hätten auch gegen die Taliban gekämpft. Der Beschwerdeführer gab auch an, dass er zuletzt von den Taliban etwa zwei Monate vor seiner Ankunft in Österreich, bedroht worden sei. Sie hätten ihm gesagt, entweder er würde mit ihnen zusammenarbeiten, oder es werden für ihn und seine Familie teuer werden. Der Beschwerdeführer gab an, dass die Taliban die Hazara-Bevölkerung töten wollte. Er und seine Frau, die zuhause das Sagen habe, hätten beschlossen Afghanistan zu verlassen.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid von 17.11.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § Abs. 8 abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Zif. 3 Asyl wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die Abschiebung nach Afghanistan sei zulässig. Es bestehe eine zweiwöchige Frist für eine freiwillige Ausreise.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, sie habe dem Fluchtgrund keinen Glauben geschenkt. Die Fluchtgründe seien nicht substantiiert, nicht konkret, nicht lebensnahe geschildert worden. Seine Ehefrau und seine Tochter würden ebenfalls mit demselben Datum eine Rückkehrentscheidung erhalten.

In der Beschwerde, vertreten durch den XXXX , welche fristgerecht am 11.12.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte, wurde der Bescheid zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, mangelhafter bzw. unrichtiger Bescheidbegründung sowie Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung wesentlichen Verfahrensvorschriften angefochten.

Der Beschwerdeführer sei mit seiner Ehefrau in den Iran geflohen, weil er gegen die sowjetische Besatzung gekämpft habe. Seine Ehefrau habe als Schulwartin gearbeitet und habe in Heimarbeit Besen hergestellt. Die Tochter habe im Iran einen Afghanen geheiratet, der die Tochter geschlagen hätte und ihr nicht erlaubt habe zu arbeiten. Die Familie sei nach Afghanistan geflohen. Hier hätten die Taliban ihren Ehemann gedroht seine Familie zu töten um ihn zu bewegen sich ihnen anzuschließen.

Der Beschwerdeführerer erteilte eine Vollmacht an Rechtsanwalt XXXX

.

An der öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 29.01.2020 nahmen der Beschwerdeführer, seine Rechtsvertretung, seine Ehefrau und seine Tochter ebenfalls als Beschwerdeführer, ein Vertreter der belangten Behörde, zwei Vertrauenspersonen und eine Dolmetscherin teil.

Nach der Einvernahme der Tochter des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau und Beratung des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau gab die Rechtsvertretung an, dass sie die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes I. zurückziehe und subsidiären Schutz beantrage:

"Sowohl BF1 als auch BF2 sind krank und müssen Medikamente einnehmen. Sie leiden beide an Vergesslichkeit und werden aufgrund ihrer Krankheit und des Alters in Afghanistan nicht in der Lage sein zu arbeiten und sich zu versorgen. Sie haben keinerlei Anknüpfungspunkte mehr in Afghanistan und verfügen über kein Vermögen. Auch in Österreich sind sie auf die Hilfe der Kinder, insbesondere die der Tochter angewiesen. Sie begleitet sie zu den Arztterminen und verabreicht ihnen die Medikamente. Im Falle einer etwaigen Rückkehr müssten sie auf der Straße verweilen und wären die staatlichen Behörden nicht in der Lage, ihnen entsprechende Hilfe zu gewähren. Die Kernfamilie der BFs befindet sich in Österreich, die restlichen Verwandten in IRAN, sohin könnten sie in Afghanistan keine familiäre Unterstützung erhalten. BF1 leidet an Vergesslichkeit, hört sehr schlecht. Der BF1 hat an den Hüften Zysten, die hier operiert werden müssten. Weiters leidet der BF1 unter Blasenschwäche."

Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, er habe niemanden mehr, keine Familienangehörigen oder Verwandte mehr in Afghanistan. Er verfüge über kein Vermögen und besitze kein Haus oder Grundstück in Afghanistan. Seine Familie würde sich in Österreich aufhalten. Ohne seine Familienangehörigen würde er nichts schaffen. Sein ganzes Leben würde sich um seine Familie drehen. Seine Tochter würde alles erledigen, sie würde alles organisieren und den Beschwerdeführer und seine Frau in den Park ausführen.

Auf die Frage, ob er aktuelle gesundheitliche oder psychische

Probleme habe antwortete der Beschwerdeführer: "Ich leide an

Vergesslichkeit, ich habe Beschwerden mit der Wirbelsäule. Ich habe

eine kleine Zyste im Nackenbereich, eine weiter im

Lendenwirbelbereich. Ich habe psychische Probleme. Manchmal weiß ich

nicht, wo ich gerade bin. ... Ich war beim Arzt. Man weiß nicht, was

ich habe. Die Vergesslichkeit kann man nicht behandeln. Gott möge

alles erleichtern. ... Ich habe ein Medikament für die

Blasenschwäche. ... Ich verspüre immer wieder Schmerzen. Am Kopf, in

den Ohren, an der Stirn. Ich weiß nicht, wovon ich die Schmerzen

habe. ... Mein ganzer Körper ist geschwollen."

Eine Kommunikation mit dem extrem schwerhörigen Beschwerdeführer war auch für die Dolmetscherin sehr schwer möglich.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zum Leben in Österreich:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an, ist volljährig, verheiratet und schiitischer Moslem. Er ist spätestens am 09.01.2016 mit seiner Frau und seiner volljährigen Tochter in das Bundesgebiet eingereist und hat gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er brachte seine Tazkira in Vorlage.

Es besteht ein enger familiärer Zusammenhalt, er lebt mit seiner Frau und seiner volljährigen Tochter in einem Haushalt. Der Beschwerdeführer und seine Frau benötigen die Hilfe der Tochter zur Bewältigung des Alltags. Der Beschwerdeführer ist vergesslich und multimorbid. Befunde konnten allerdings nicht in Vorlage gebracht werden.

Seine Frau leidet unter einer schweren Depression und erhält sowohl Psychotherapie, als auch eine medikamentöse Therapie in Österreich. Sie leidet an Diabetes Typ 2. Zusätzlich erhält sie Medikamente um die Säureproduktion des Magens und den Serotoninspiegel zu regulieren. Sie muss auch ein Herz-Kreislauf Medikament und durchblutungsförderndes Medikament einnehmen. Sie hat wohl schon mehrere Deutschkurse, aber kein Deutschdiplom erworben, da sie auch an Vergesslichkeit leidet. Die Beschwerdeführerin ist bemüht sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren. Sie half ehrenamtlich in einem Obstgarten in Traiskirchen.

Der Beschwerdeführer und seine Frau sind nicht selbsterhaltungsfähig, werden aber von ihrem Sohn, der einen Aufenthaltsstatus in Österreich hat, finanziell unterstützt. Der Beschwerdeführer wäre auch nicht in der Lage in Afghanistan das Überlebensnotwendige durch Erwerbsarbeit zu erwirtschaften und verfügt auch über kein soziales Netzwerk in Afghanistan.

Der Beschwerdefüher ist nicht strafrechtlich verurteilt lt. Strafregisterauszug.

Beweis wurde erhoben durch Einvernahmen des Beschwerdeführers

-

durch Beamte des XXXX am 09.01.2016 sowie

-

durch das BFA, Regionaldirektion Wien am 30.10.2017,

-

durch Befragung des Beschwerdeführers, seiner Frau und seiner Tochter, im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 29.01.2020 sowie durch Vorhalt des aktuellen Länderinformationsblattes zu Afghanistan (soweit verfahrensrelevant).

2. Beweiswürdigung:

Der Ehefrau des Beschwerdeführers wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

In Anbetracht der Gewährung von subsidiärem Schutz im Familienverfahren war es nicht notwendig, eigene Länderfeststellungen zu treffen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen.

Zu A):

1. Zu Spruchpunkt I.:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Der Antrag auf Asyl wurde während des Verfahrens von dem Beschwerdeführer zurückgezogen. Somit ist die Abweisung auf internationalen Schutz vom 17.11.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF rechtskräftig.

Die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist damit nicht mehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens und es war darauf nicht mehr einzugehen.

Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG die Entscheidungen und Anordnungen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Beschluss.

In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG, Anm. 5).

Aufgrund der Zurückziehung der Beschwerde zum Spruchpunkt I. hat das Verwaltungsgericht das diesbezügliche Verfahren lediglich mit Beschluss einzustellen (siehe VwGH vom 29.04.2015 Fr 2014/20/0047-11).

2. und 3. Zu Spruchpunkt II. und III.:

Dem Asylwerber ist gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden (Abs. 2 leg. cit.).

§ 8 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.40.1999, 98/20/0561; 20.05.1999, 98/20/0300).

Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 AsylG 1997 iVm § 57 FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011).

"Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist; einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes."

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 122/2009 hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3); die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7 AsylG 2005).

Familienangehörige sind gemäß § 2 Z 22 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 135/2009, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art. 8 MRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention (vgl. EGMR, Urteil v. 13.6.1997, Fall MARCKX, Ser. A, VOL. 31, Seite 14, § 31).

Nach dem oben zitierten EGMR-Urteil sind sowohl die Beziehungen der Eltern untereinander, als auch jeweils jene zu den Kindern durch Art. 8 MRK geschützte familiäre Bande. Bei einer diesbezüglichen Familie ergeben sich die von der MRK-Rechtsprechung zusätzlich geforderten engen Bindungen der Familienmitglieder untereinander aus ihrem alltäglichen Zusammenleben, gemeinsamer Sorge und Verantwortung füreinander, sowie finanzieller und anderer Abhängigkeit.

Die Unmöglichkeit der Fortsetzung des Familienlebens in einem anderen Staat wird in der Regel dann gegeben sein, wenn kein anderer Staat ersichtlich ist, der dem Asylberechtigten und seinem Angehörigen Asyl oder eine dem Asylrecht entsprechende dauernde Aufenthaltsberechtigung gewährt.

Mit seiner Ehefrau führt der Beschwerdeführer ein Familienleben. Er und seine Ehefrau sind Familienangehörige gemäß § 2 Z 22 AsylG 2005. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, wonach dem Beschwerdeführer ein Familienleben getrennt von seiner Frau in einem anderen Staat zumutbar ist oder möglich wäre.

Der Beschwerdeführer ist überdies eine mulit-morbide Person im 71. Lebensjahr und wäre zweifelsohne nicht in der Lage, das Überlebensnotwendige durch Erwerbsarbeit zu erwirtschaften, ebensowenig wie seine Ehefrau, wobei er über ein soziales Netzwerk in Afghanistan nicht verfügt. Er bedarf dauernde Hilfe seiner aufhältigen Familienangehörigen.

Die Ehefrau des Beschwerdeführers, aber auch der Beschwerdeführer würden vor dem Hintergrund der dargelegten Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der sie betreffenden individuellen Umstände bei einer Rückkehr nach Afghanistan die reale Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung drohen, wobei eine innerstaatliche Fluchtalternative aus den dargelegten Erwägungen nicht in Betracht kommt, zumal er dort kein normales Leben ohne unangemessene Härten führen kann (VwGH vom 23.01.2018, Ra 2018/18/001).

Es ist damit dargetan, dass seine Abschiebung eine Verletzung in seinen Rechten nach Art. 3 EMRK darstellen würde (siehe auch BVwG vom 04.09.2019, Zahl: W246 2183379-1/11E und mündlich verkündetes Erkenntnis des BVwG vom 24.06.2019, W252 2155351-1/E).

Ausschlussgründe nach § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind (§ 9 Abs. 2 Z 1 und 2 AsylG 2005) und der Beschwerdeführer andererseits unbescholten ist (Z 3 leg.cit.).

Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war stattzugeben, da der Ehefrau des Beschwerdeführers gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt wurde. Dementsprechend ist dem Beschwerdeführer gemäß § 34 AsylG (wie oben bereits) ausgeführt, der Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 war dem Beschwerdeführer daher auch eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter in der Dauer von einem Jahr zu erteilen.

4. Behebung Spruchpunkte IV. bis VI. des angefochtenen Bescheides:

Auf Grund der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten waren die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides- gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG (vgl. VwGH vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0162) - ersatzlos zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

befristete Aufenthaltsberechtigung, Familienverfahren, subsidiärer
Schutz, Teileinstellung, teilweise Beschwerderückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W159.2183238.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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