TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/19 W181 1306688-2

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Veröffentlicht am 19.02.2020
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Entscheidungsdatum

19.02.2020

Norm

AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W181 1306688-2/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald PERL als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jordangasse 7/4, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.04.2018, Zl. 231362504-160198323, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.01.2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 55 Abs. 1 iVm § 54 Abs. 2 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, reiste am 01.07.2005 in das Bundesgebiet ein und stellte am 02.07.2005 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.10.2006,

FZ. 05 09.696-BAT, abgewiesen wurde. Zugleich wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Bangladesch für zulässig erklärt und der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

I.2. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde seitens des Asylgerichtshofes mit Erkenntnis vom 26.09.2011, Zl. C6 306688-1/2008/10E, in Rechtskraft erwachsen am 03.10.2011, abgewiesen.

I.3. Mit Schreiben der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt vom 05.10.2011 wurde der BF auf seine Verpflichtung zur unverzüglichen Ausreise sowie auf die Möglichkeit einer Rückkehr auf freiwilliger Basis hingewiesen, darüber hinaus darüber informiert, dass die Ausreise auch mit einer Abschiebung erzwungen werden könne und Sicherungsmaßnahmen (gelinderes Mittel oder Schubhaft) ergriffen werden könnten sowie zwecks Prüfung der Ausreisewilligkeit bzw. der Beschaffung eines Reisedokumentes für den 04.11.2011 geladen.

I.4. Mit Datum vom 28.10.2011 stellte der BF einen Antrag gemäß § 41a Abs. 9 NAG auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus".

I.5. Mit Verfahrensanordnung der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt vom 17.02.2012 wurde der BF darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Bundespolizeidirektion, um den rechtswidrigen Aufenthalt des BF zu beenden, beabsichtige, die Vertretungsbehörden von Bangladesch zu ersuchen, zum Zwecke der Abschiebung des BF ein Reisedokument (Heimreisezertifikat) auszustellen. Der BF wurde aus diesem Grund aufgefordert, ein beiliegend übermitteltes Formular ausgefüllt und unterschrieben zu retournieren.

I.6. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt vom 05.03.2012,

Zl. 1-1013595/FrB/12, wurde, da der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht zeitgerecht nachgekommen sei und damit die Voraussetzungen für eine Abschiebung vorlägen, zur Sicherung dieser Abschiebung das gelindere Mittel im Sinne des § 77 FPG angeordnet. Hierzu erging an den BF die Auflage, sich - beginnend mit 09.03.2012 - jeden Freitag in der Zeit von

08.00 Uhr und 13.00 Uhr im fremdenpolizeilichen Referat der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt zu melden.

I.7. Mit Schreiben vom 06.03.2012 wurde seitens der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt bei der Botschaft der Volksrepublik Bangladesch in Berlin - unter dem Hinweis, dass sich der BF geweigert habe, ein für die Feststellung der Identität erforderliches Formblatt auszufüllen bzw. zu unterschrieben - um Ausstellung eines Heimreisezertifikates, den BF betreffend, angesucht und mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, auf Grund einer vorliegenden rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung den BF nach Ausstellung eines Heimreisezertifikates abzuschieben.

I.8. Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wiener Neustadt vom 27.12.2012,

Zl. WNS3-F-111252, wurde der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels

"Rot-Weiß-Rot - Karte plus" rechtskräftig abgewiesen.

I.9. Im Rahmen eines Termins am Polizeikommissariat Wiener Neustadt am 04.01.2013 wurde dem BF mitgeteilt, dass die Anordnung des gelinderen Mittels - auf Grund des Ablaufens der gesetzlichen Frist für die angewendete fremdenpolizeiliche Maßnahme - aufgehoben werde.

I.10. Mittels telefonisch erteilter Auskunft der Botschaft der Volksrepublik Bangladesch in Berlin vom 04.01.2013 wurde der Landespolizeidirektion Niederösterreich mitgeteilt, dass eine Bearbeitung des Antrages auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates nur erfolgen könne, wenn seitens des BF ein für die Antragstellung notwendiges Formular ausgefüllt werde.

I.11. Am 23.07.2014 stellte der BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß

§ 46a Abs. 2 FPG, welcher mit Bescheid des BFA vom 21.01.2016,

Zl. IFA 231362504/151765709, abgewiesen wurde.

I.12. Mit Datum vom 09.02.2016 stellte der BF einen an das BFA gerichteten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005. In einem beigelegten Schreiben verwies der BF zur Begründung seines Antrages u.a. auf seinen seit 01.07.2005 durchgängig aufrechten Aufenthalt im Bundesgebiet, bereits erlangte Deutschkenntnisse, eine bestehende Lebensgemeinschaft mit einer im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältigen südafrikanischen Staatsangehörigen, einen bestehenden Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich, auf ausgeübte (ehrenamtliche) Vereinstätigkeiten und einen ihm ausgestellten Arbeitsvorvertrag.

I.13. Am 13.03.2018 wurde der BF von einem Organwalter des BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei führte der BF aus, in seinem Herkunftsland Probleme zu haben und aus diesem Grund nicht nach Bangladesch zurückkehren zu können. Zudem befinde er sich bereits seit 13 Jahren im Bundesgebiet. Er habe daher nie seine Ausreise vorbereitet und nie eine Rückkehrorganisation kontaktiert. Jedoch habe er bei der Botschaft in Wien vorgesprochen, von welcher ihm eine Geburtsurkunde ausgestellt worden sei. Mangels Nachweis einer Identität habe der BF jedoch keinen Reisepass erhalten. Zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt, gab der BF an, ledig zu sein und keine Sorgepflichten zu haben. Er habe in Österreich keine Familienangehörigen, lebe nach wie vor in einer Lebensgemeinschaft und sei im

16. Wiener Gemeindebezirk (als Untermieter) behördlich gemeldet. Seinen Lebensunterhalt verdiene der BF als Zeitungszusteller. Für diese Tätigkeit erhalte er auf Werkvertragsbasis etwa 500 Euro monatlich, eine arbeitsrechtliche Bewilligung habe er nicht. Es gebe jedoch einen Arbeitsvorvertrag und der BF sei krankenversichert. In Bangladesch würden noch die Eltern des BF und Geschwister von ihm leben.

I.14. Mit Schreiben der bevollmächtigten Rechtsvertretung des BF - bezeichnet als Stellungnahme sowie als Antrag auf Heilung des Mangels gemäß § 4 AsylG-DV 2005 - vom 09.04.2018 wurde mit Verweis auf das Vorliegen intensiver Integrationsbemühungen ersucht, dem Antrag des BF in Hinblick auf die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens gemäß Artikel 8 EMKR stattzugeben und dem BF den begehrten Antragstitel zu erteilen. Zugleich wurde der Antrag gestellt, eine Heilung des Mangels gemäß § 4 AsylG-DV 2005 zuzulassen.

I.15. Mit dem nun angefochtenen Bescheid des BFA vom 10.04.2018,

Zl. 231362504-160198323, wurde der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß

§ 10 Absatz 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig ist (Spruchpunkt III.) und wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und 3

AsylG-DV 2005 wurde der Antrag auf Heilung eines Mangels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1

und 2 AsylG-DV 2005 vom 09.04.2018 abgewiesen.

Dabei führte das BFA begründend zusammengefasst aus, dass der BF trotz einer gegen ihn ausgesprochenen Ausweisungsentscheidung seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei und er sich seit rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Dabei habe der BF wiederholt keine Bereitschaft gezeigt, das Bundesgebiet zu verlassen. Dem Verhalten des BF sei zu entnehmen, dass ihm an der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung nicht viel gelegen sei und er nicht bereit sei, sich dieser unterzuordnen. Einer im Zeitraum während seines illegalen Aufenthaltes erfolgten Integration sei lediglich ein minderer Stellenwert beizumessen. Darüber hinaus verfüge der BF über keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung und es sei in seinem Fall nicht von einer Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen. Der BF verfüge zudem über keine familiären Bindungen in Österreich und sein im Bundesgebiet begründetes Privatleben sei nicht von besonderer Intensität gekennzeichnet. Der Umstand, dass der BF nicht gerichtlich straffällig geworden sei, bewirke keine relevante Verstärkung seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet. Darüber hinaus sei festzuhalten, dass der BF den überwiegenden Teil seines Lebens in Bangladesch verbracht habe, erst im Erwachsenenalter nach Österreich eingereist sei und ihm eine Reintegration in Bangladesch möglich sei. Im Ergebnis seien die privaten Interessen des BF an der Aufrechterhaltung seines Privat- und Familienlebens nicht höher zu werten als die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen. Der Antrag nach § 55 AsylG 2005 sei daher abzuweisen und diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Eine Abschiebung des BF sei zudem als zulässig zu beurteilen. Der Antrag auf Heilung eines Mangels nach

§ 8 AsylG-DV 2005 sei darüber hinaus insbesondere aus dem Grund abzuweisen, da der BF keinen Nachweis erbracht habe, dass er sich um die Ausstellung eines Reisedokumentes bemüht hätte. Er habe zudem auch nicht an der behördlichen Erlangung eines Reisedokumentes mitgewirkt. Jedenfalls wäre es ihm aber möglich und zumutbar gewesen bzw. sei es ihm nach wie vor möglich und zumutbar, gegenüber der Botschaft seines Heimatlandes entsprechende Angaben zu tätigen, um als Staatsangehöriger von Bangladesch identifiziert werden zu können und notwendige Reisedokumente zu erlangen.

I.16. Mit Schriftsatz vom 08.05.2018 wurde der Bescheid des BFA vom 10.04.2018 seitens des BF wegen unrichtiger und aktenwidriger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung zur Gänze angefochten. Begründend wurde ausgeführt, dass sich der BF seit etwa 16 Jahren im Bundesgebiet befinde und diese lange Aufenthaltsdauer mit positiven Faktoren und guter Integration verbunden sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe festgestellt, dass bei einem zehnjährigen Aufenthalt von einem Überwiegen der persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich auszugehen sei. Der BF nehme keine sozialen oder finanziellen Hilfen in Anspruch, sei selbsterhaltungsfähig und krankenversichert. Bei einem derart langen Aufenthalt in Österreich sei zudem von einem lediglich spärlichen Kontakt zur ursprünglichen Heimat auszugehen. Zu den in Bangladesch aufhältigen Verwandten bestehe nur sporadischer Kontakt. Der BF habe in Österreich einen großen Freundeskreis und achte die hiesigen Gepflogenheiten. Der Vorwurf, dass der BF gegen die Einwanderungsbestimmungen verstoßen habe, gehe insofern ins Leere, als dass die Behörde selbst kein Reisedokument für den BF erlangen habe können. Dem BF sei nichts anderes übriggeblieben, als im Bundesgebiet zu verbleiben. Der BF habe am behördlichen Verfahren mitgewirkt. Er sei zudem unbescholten sowie sprachlich, sozial und beruflich integriert. Die Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung sei darüber hinaus keiner Beurteilung unterzogen worden bzw. stelle eine Rückkehrentscheidung aus den bereits dargelegten Gründen einen Widerspruch zu Artikel 8 EMRK dar. Die Behörde habe sich nicht mit der konkreten Situation des BF auseinandergesetzt und sei ihrer Verpflichtung, ein amtswegiges Ermittlungsverfahren durchzuführen, nicht nachgekommen. Da sich die Behörde nicht mit der konkreten Situation des BF auseinandergesetzt habe, sei eine rechtliche Auseinandersetzung mit seinem Vorbringen nicht möglich gewesen.

Es wurde beantragt, dem BF einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer sowie eine Abschiebung nach Indien (wohl gemeint: Bangladesch) unzulässig sei, allenfalls das Verfahren zurückzuverweisen, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen und dem Antrag auf Heilung des Mangels gemäß § 4 AsylG-DV 2005 stattzugeben.

I.17. Mit Datum vom 11.05.2018 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.18. Am 23.01.2019 hat der BF im Wege seiner Rechtsvertretung Einsicht in den Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichtes genommen.

I.19. Am 30.01.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und der ausgewiesenen Rechtsvertreterin des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF zu seinem bisherigen Aufenthalt im Bundesgebiet, insbesondere seinen privaten, beruflichen und sozialen Lebensverhältnissen, befragt wurde.

Das BFA hatte bereits mit Schreiben vom 16.01.2019 mitgeteilt, auf die Teilnahme an der mündlichen Beschwerdeverhandlung zu verzichten und nahm folglich an dieser auch nicht teil.

Auf Wunsch des BF wurde die Beschwerdeverhandlung - im Wesentlichen - auf Deutsch geführt, lediglich bei schwierigen bzw. inhaltlich komplexen Sätzen wurde die Hilfe des anwesenden Dolmetschers in Anspruch genommen.

Der BF trat einer vom erkennenden Richter eingangs der Verhandlung dargelegten Zusammenfassung bzw. Darstellung der bisherigen im Bundesgebiet geführten Verfahren des BF nicht entgegen, bestritt jedoch - wie ebenso vom Richter vorgehalten - bereits im Jahr 2002 im Bundesgebiet aufhältig gewesen zu sein.

Im Zuge seiner Befragung führte der BF - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, ledig zu sein und sich im 16. Wiener Gemeindebezirk mit drei bis vier Bekannten eine Wohnung zu teilen, wobei der Hauptmieter der Wohnung ein aus Bangladesch stammender Bekannter des BF sei. Die monatlichen Wohnkosten würden sich auf 150 Euro belaufen. Der BF beziehe seit etwa sechs Monaten wieder Leistungen aus der Grundversorgung. Darüber hinaus habe er keine finanziellen Einkünfte, diesbezüglich würden ihm aber Freunde von Zeit zu Zeit aushelfen. Der BF habe während seines bisherigen Aufenthaltes bereits die deutsche Sprache gelernt und könne diesbezüglich Nachweise vorlegen. Der BF habe im Bundesgebiet bereits in Restaurants und Gaststätten gearbeitet, er könne jedoch keine Berufsausbildung im juristischen Sinn vorweisen. Im Bundesgebiet verfüge er über eine große Anzahl an Freunden. Die Lebensgemeinschaft mit seiner Freundin sei nach drei Jahren zu Ende gegangen. In seiner Freizeit treffe der BF Freunde in Lokalen oder zu Spaziergängen. Er besuche auch Fußballmatches und lese zu Hause österreichische Zeitungen und Kochbücher.

In Bangladesch habe der BF insgesamt 13 Jahre lang die Schule besucht und dabei auch ein Bachelor-Studium (Sozialwissenschaften) begonnen. In Bangladesch würden derzeit die Eltern des BF und eine Schwester sowie ein Bruder leben. Mit der Mutter bestehe - etwa einmal im Monat - Kontakt.

Diesbezüglich nachgefragt, führte der BF aus, dass er bisher keinen Reisepass beantragt habe, da ihm vor längerer Zeit seitens der Vertretungsbehörden von Bangladesch mitgeteilt worden sei, dass ihm ohne Visum kein Reisepass ausgestellt werde. Auf einen in einem übermittelten Schreiben vom 05.09.2018 erwähnten Ladungstermin im Amtsgebäude des BFA angesprochen, gab der BF an, dass bei diesem Termin Vertreter des BFA und der Vertretungsbehörde seines Heimatlandes anwesend gewesen seien und thematisiert worden wäre, aus welchen Gründen der BF noch nicht ausgereist sei. Der BF habe sich in diesem Zusammenhang auf das laufende - gegenständliche - Beschwerdeverfahren berufen.

Auf Einladung, eine Stellungnahme zu den Länderinformationen abzugeben, führte der BF aus, dass er sich bereits lange in Österreich befinde, er in Bangladesch keinerlei Beziehungen mehr aufrecht habe bzw. politische Probleme bestünden. Er könne über die Situation in Bangladesch nicht viel sagen, da er lediglich Kontakt mit seiner Mutter habe.

Im Zuge der Beschwerdeverhandlung wurden seitens des BF Versicherungsdatenauszüge der Österreichischen Sozialversicherung, ein vom BF verfasstes Schreiben betreffend seinen bisherigen Aufenthalt im Bundesgebiet, private Empfehlungsschreiben, diverse Sprachkursunterlagen sowie ein auf den 26.01.2019 datierter Arbeitsvorvertrag vorgelegt.

I.20. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.03.2019, Zl. W181 1306688-2, wurde die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Bescheid dahingehend abgeändert werde, dass der Antrag auf Heilung eines Mangels gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß §§ 55 iVm 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurückgewiesen wird (Spruchpunkt II.), gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt III.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wird, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig ist (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt V.).

Zur Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK wurde zusammengefasst ausgeführt, dass dem BF zuzugestehen sei, dass er sich bereits seit mehr als 13 1/2 Jahren in Österreich aufhalte und er im Zeitraum von Juli 2005 bis Oktober 2011 - als Asylwerber - auch zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen sei. Die Aufenthaltsdauer des BF werde jedoch dadurch relativiert, dass der BF bis zum rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens lediglich auf Grund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet zum Aufenthalt berechtigt gewesen sei und sich seit Oktober 2011 unrechtmäßig in Österreich aufhalte.

Auch sei zuzugestehen, dass der BF während seines bisherigen Aufenthaltes Integrationsschritte gesetzt, soziale Bindungen geknüpft und sich Deutsch-Kenntnisse angeeignet habe sowie immer wieder beruflich tätig gewesen sei. Die während des bisherigen Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet gesetzten Integrationsschritte seien aber auf Grund des dem BF bewussten Aspektes der Unsicherheit bzw. der Rechtswidrigkeit seines Aufenthaltes als minder gewichtig anzusehen, woran auch die lange Dauer eines Rechtsmittelverfahrens, mag den Fremden daran auch kein Verschulden treffen, nichts ändere.

Zum anderen sei im Hinblick auf die gesetzten Integrationsschritte zur Frage einer Integrationsverfestigung des BF in Österreich festzuhalten, dass die im Bundesgebiet eingegangenen sozialen Bindungen und Kontakte des BF - im Hinblick auf die vorliegende Aufenthaltsdauer - einen verhältnismäßig geringen Grad aufweisen und der BF derzeit keine Einkünfte beziehe, nicht selbsterhaltungsfähig sei und seit November 2017 wieder Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung beziehe. Aus dem Umstand, dass der BF einen Arbeitsvorvertrag vorlegen konnte, sei nicht ein bereits erreichter Grad an Integration in wirtschaftlicher Hinsicht ableitbar, sondern bloß die noch ungewisse Möglichkeit deren künftigen Eintretens.

Weiters sei festzuhalten, dass der überwiegende Teil der Aufenthaltsdauer dadurch bedingt sei, dass der BF die gegen ihn erlassene Ausweisungsentscheidung - bis dato - nicht berücksichtigt habe, indem er an den behördlichen Anstrengungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates zur (behördlichen) Organisation der Ausreise des BF - trotz diesbezüglich mehrfacher Aufforderung durch die Weigerung, notwendige Unterlagen für die Ausstellung eines Heimreisezertifikates auszufüllen bzw. zu unterfertigen - nicht mitgewirkt und damit den behördlichen Bemühungen, die Ausreise des BF voranzutreiben entgegengewirkt habe sowie überdies auch von sich aus keine Bemühungen unternommen habe, das Bundegebiet zu verlassen. Dem BF sei vorzuwerfen, die rechtskräftige Entscheidung des Asylgerichtshofes aus dem Jahr 2011 insofern nicht anerkannt zu haben, als er der Ausreiseaufforderung nicht nachgekommen sei und damit die österreichischen fremden- und aufenthaltsrechtlichen Rechtsvorschriften missachtet habe.

Auf Grund der Ergebnisse des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ergebe sich insgesamt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstelle.

I.21. Der anwaltlich vertretene BF erhob gegen dieses Erkenntnis eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

I.22. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11.06.2019, E 1565/2019, wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Bundesverwaltungsgericht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegengetreten werden könne, wenn es auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgeht, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art. 8 EMRK überwiegt (vgl. VfSlg. 19.086/2010).

I.23. Am 17.08.2019 erhob der anwaltlich vertretene BF - nach Ablehnung der Behandlung und Abtretung der an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde - gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.03.2019 eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

I.24. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.12.2019, Ra 2019/21/0243, wurde das angefochtene Erkenntnis aufgehoben.

Der Verwaltungsgerichtshof begründete seine Entscheidung zusammengefasst damit, dass die Bedeutung der vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Umstände (Setzung der Integrationsschritte während unsicheren Aufenthaltes bzw. - ab rechtskräftiger Erledigung seines Asylantrages - während unrechtmäßigen Aufenthalts) in einem Fall, der durch einen knapp vierzehnjährigen Inlandsaufenthalt gekennzeichnet sei, nicht überbewertet werden dürfe, zumal zunächst nicht ausgeklammert werden dürfe, dass das vormalige Asylverfahren des BF, ohne dass ihm das erkennbar angelastet werden könnte, länger als sechs Jahre gedauert habe. Was den Vorwurf anlange, der BF habe nicht an der Ausstellung eines Heimreisezertifikates mitgewirkt, stehe dem gegenüber, dass sich die Behörden damit über Jahre hindurch schlichtweg abgefunden hätten. Zusammenfassend hätte die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG nicht zu Lasten des Revisionswerbers ausfallen und daher keine Rückkehrentscheidung erlassen werden dürfen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zum Beschwerdeführer:

II.1.1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch. Seine Muttersprache ist Bengali.

Der BF ist in Bangladesch geboren und aufgewachsen und hat dort eine dreizehnjährige Schulausbildung absolviert bzw. ein Bachelor-Studium (Sozialwissenschaften) begonnen.

II.1.1.2. Der BF hat im Jahr 2005 sein Herkunftsland verlassen, ist am 01.07.2005 in das Bundesgebiet eingereist und hält sich seither ununterbrochen in Österreich auf.

Der BF hat am 02.07.2005 im Bundesgebiet einen Asylantrag gestellt, welcher (in zweiter Instanz) mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 26.09.2011, Zl. C6 306688-1/2008/10E, rechtskräftig am 03.10.2011, abgewiesen wurde. Zugleich wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Bangladesch rechtskräftig für zulässig erklärt und der BF rechtskräftig aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

Ein mit Datum vom 28.10.2011 seitens des BF gestellter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" wurde mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wiener Neustadt vom 27.12.2012, Zl. WNS3-F-111252, rechtskräftig abgewiesen.

Ein mit Datum vom 23.07.2014 seitens des BF gestellter Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 2 FPG wurde mit Bescheid des BFA vom 21.01.2016,

Zl. IFA 231362504/151765709, rechtskräftig abgewiesen.

II.1.1.3. Der BF ist ledig und verfügt über keine in Österreich lebenden Familienangehörigen. Im Herkunftsland des BF befinden sich dessen Eltern sowie Geschwister des BF. Der BF hat etwa einmal im Monat Kontakt mit seiner Mutter.

Der BF verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2.

Der BF war während seines bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet - seit September 2008 beinahe durchgehend - bei einer Vielzahl an Dienstgebern (vorrangig im Gastronomiebereich) für jeweils kurze Zeiträume (wenige Wochen bzw. Monate) als geringfügig beschäftigt gemeldet. Zudem verfügt der BF auch über einen Arbeitsvorvertrag als Hilfskraft in einem Gastronomiebetrieb. Derzeit geht der BF keiner Erwerbstätigkeit nach. Er bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Der BF hat während seines Aufenthaltes in Österreich soziale Kontakte geknüpft. Er lebt in keiner Lebensgemeinschaft. Im Bundesgebiet wohnt der BF gemeinsam mit drei bis vier Bekannten als Untermieter eines aus Bangladesch stammenden Bekannten.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten. Ein gegen den BF - nach Vorlage eines gefälschten bengalischen Führerscheins im Rahmen der Beantragung eines österreichischen Führerscheins - im Juli 2008 wegen des Verdachts auf Urkundenfälschung eingeleitetes Verfahren wurde seitens des Landesgerichts Wiener Neustadt mittels Diversion (Probezeit bis 03.11.2010) erledigt.

Der BF ist gesund und befindet sich nicht in ärztlicher Behandlung.

II.1.1.4. Der BF hat im Rahmen seiner Antragstellung nach § 55 AsylG 2005 kein gültiges Reisedokument vorgelegt.

Der BF hat weder nachgewiesen, dass ihm die Beschaffung eines gültigen Reisedokumentes nicht möglich war, noch, dass ihm die Beschaffung eines Dokumentes nicht zumutbar war.

II.1.1.5. Der unter I. dargelegte Verfahrensgang wurde vom BF im Rahmen der Beschwerdeverhandlung bestätigt.

II.2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Hinsichtlich der Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF und seiner Muttersprache wird den bereits im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen des BFA gefolgt, an denen sich im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel ergeben haben, zumal diese Feststellungen, die auf den bereits im Verfahren zum Antrag auf internationalen Schutz getätigten eigenen Angaben des BF gründen, im Beschwerdeverfahren auch nicht beanstandet wurden. Ebenso verhält es sich mit den Feststellungen zur Herkunft des BF (geboren und aufgewachsen in Bangladesch) und der im Herkunftsland absolvierten Schulausbildung des BF. Dass der BF ledig ist, bestätigte dieser auf entsprechendes Nachfragen im Rahmen der Beschwerdeverhandlung.

Die Identität des BF konnte - mangels Vorliegens geeigneter Identitätsnachweise - seitens des Bundesverwaltungsgerichtes nicht festgestellt werden und dienen der im Spruch angeführte Name und das angeführte Geburtsdatum des BF lediglich zur Identifizierung des BF als Verfahrenspartei.

II.2.2. Dass der BF im Jahr 2005 sein Herkunftsland verlassen hat, am 01.07.2005 in das Bundesgebiet eingereist ist und in Österreich am 02.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist den diesbezüglich im BFA-Akt einliegenden Unterlagen das Asylverfahren des BF betreffend zu entnehmen. Die getroffenen Feststellungen zu den rechtskräftig ergangenen Entscheidungen über diesen Antrag auf internationalen Schutz vom 02.07.2005 sowie zu den Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" vom 28.10.2011 und auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 2 FPG vom 23.07.2014 basieren auf den diesbezüglich im Akt einliegenden gerichtlichen/behördlichen Entscheidungen und wurden im Rahmen der Beschwerdeverhandlung auf entsprechenden Vorhalt vom BF nicht bestritten.

Dass der BF sich seit Juli 2005 ununterbrochen im Bundesgebiet aufhält, ist unstrittig und der BF bekräftigte diesen Umstand zudem mehrmals selbst im Beschwerdeverfahren. Hinweise dafür, dass der BF schon bereits im Jahr 2002 für einen kurzen Zeitraum im Bundesgebiet aufhältig gewesen ist, sind dem BFA-Akt zwar zu entnehmen, ein diesbezüglicher Vorhalt wurde vom BF im Rahmen der Beschwerdeverhandlung jedoch bestritten. Zumal dies für die weitere Beurteilung allerdings von herabgesetzter Relevanz ist, kann dieser Umstand dahingestellt bleiben.

II.2.3. Dass der BF in Österreich über keine Familienangehörigen verfügt, gab dieser bereits vor dem BFA zu Protokoll. Im Beschwerdeverfahren haben sich keine zudem keine Hinweise auf familiäre Beziehungen des BF in Österreich ergeben.

Die Feststellungen zu den in Bangladesch aufhältigen Verwandten des BF beruhen ebenso auf dessen bereits vor der Behörde und in weiterer Folge vor dem Bundesverwaltungsgericht getätigten eigenen Angaben.

Die Feststellungen betreffend die Deutschkenntnisse des BF gründen sich zum einen auf diesbezüglich vom BF vorgelegte Bestätigungen (Sprachzertifikat des Österreichischen Integrationsfonds Niveaustufe A2 vom 30.06.2011, Bestätigung des Clubs für interkulturelle Begegnung über die Ablegung eines B1-Testes am 06.07.2013). Zum anderen konnten im Rahmen der Beschwerdeverhandlung beim BF entsprechende Deutschkenntnisse festgestellt werden und konnte die Beschwerdeverhandlung - im Wesentlichen (lediglich bei schwierigen bzw. inhaltlich komplexen Sätzen wurde die Hilfe des Dolmetschers in Anspruch genommen) - auf Wunsch des BF auch auf Deutsch geführt werden.

Dass der BF während seines bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet bei einer Vielzahl an Dienstgebern als geringfügig beschäftigt gemeldet gewesen ist, geht aus im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vorgelegten Unterlagen (Auszüge aus der österreichischen Sozialversicherung) hervor. Der BF führte im Beschwerdeverfahren zudem aus, in Österreich bei seinen bisherigen Anstellungen als "angelernter" Koch bzw. Zeitungszusteller tätig gewesen zu sein, jedoch über keine Berufsausbildung im juristischen Sinn zu verfügen. Den vorgelegten Unterlagen (vgl. "Beitragspflichtiges Einkommen" auf S. 5 des vorgelegten Versicherungsdatenauszuges) ist zudem zu entnehmen, dass der BF mit seinen Tätigkeiten im Jahr 2017 ein Jahreseinkommen von rund 900 Euro bzw. im Jahr 2016 ein Jahreseinkommen von rund 2.000 Euro erzielt hat.

Dass der BF derzeit über kein Einkommen verfügt und Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht, gab der BF im Rahmen der Beschwerdeverhandlung zu Protokoll und diese Angaben stimmen mit den Eintragungen in einem dem Akt beiliegenden Speicherauszug den BF betreffend aus dem Betreuungsinformationssystem überein, wobei diesem Auszug zu entnehmen ist, dass der BF - entgegen seinen Angaben im Rahmen der Beschwerdeverhandlung, wonach er seit etwa sechs Monaten (sohin seit etwa August 2018) wieder Leistungen aus der Grundversorgung beziehe - seit Anfang November 2017 in der Grundversorgung aktiv gemeldet ist. Einen Vorvertrag für eine Tätigkeit als Hilfskraft in einem Gastronomiebetrieb (Teilzeitarbeit; Bruttoeinkommen: 1.288 Euro) legte der BF im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vor.

Dass der BF in Österreich soziale Kontakte geknüpft hat, brachte er im Rahmen des Beschwerdeverfahrens mehrfach vor. In im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vorgelegten Empfehlungsschreiben werden mit dem BF bestehende Freundschaften zwar bestätigt, diese Schreiben lassen auf Grund des Umstandes, dass es sich bei drei der vier vorgelegten Bestätigungen um wortidente und der äußeren Form nach vorgedruckte Schreiben handelt, jedoch auf keine besonders engen Beziehungen schließen. Nichts desto trotz ist allein auf Grundlage des mehr als 13 Jahre andauernden Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet - bereits nach der allgemeinen Erfahrung - jedenfalls davon ausgegangen, dass der BF in Österreich über soziale Kontakte verfügt. Dass der BF im Bundesgebiet in keiner Lebensgemeinschaft lebt, gab der BF auf entsprechende Nachfrage vor dem Bundesverwaltungsgericht zu Protokoll. Eine etwa drei Jahre andauernde im Bundesgebiet eingegangene Beziehung, auf die im Beschwerdeschriftsatz Bezug genommen wurde, ist laut den eigenen Angaben des BF nicht mehr aufrecht. Die Feststellungen zur Wohnsituation des BF in Österreich basieren auf dessen eigenen Angaben im Rahmen der Beschwerdeverhandlung.

Die Feststellung, dass der BF strafrechtlich unbescholten ist, ist einem im Akt einliegenden aktuellen Auszug aus dem Strafregister zu entnehmen. Die gegen den BF verhängt Diversion im Rahmen eines Verfahrens wegen des Verdachts auf Urkundenfälschung geht aus im Verwaltungsakt einliegenden Unterlagen hervor und wurde seitens des BF im Rahmen der Beschwerdeverhandlung auf entsprechenden Vorhalt nicht bestritten.

Dass der BF an gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet wurde nicht vorgebracht bzw. auch keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt, die auf gesundheitliche Beschwerden des BF schließen lassen würden.

II.2.4. Dass der BF im Rahmen seiner Antragstellung kein gültiges Reisedokument vorgelegt hat, ist unstrittig und auch durch das Stellen des Heilungsantrages gemäß § 4 AsylG-DV 2005 belegt.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

II.3.2. Zu A) Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005:

II.3.2.1. Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, 4. der Grad der Integration, 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren und 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des

Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die bereits oben genannten Kriterien zu berücksichtigen.

Bei der Gesamtbeurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffes in das Privat- und Familienleben sind gemäß Art. 8 EMRK alle relevanten Umstände seit der Einreise eines Fremden zu berücksichtigen (vgl. VwGH 16.12.2014, 2012/22/0148).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (vgl. VfSlg. 17.516 sowie VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

Unter dem Privatleben sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente spielt jedoch insofern eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte".

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet - unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände - ein großes Gewicht verleihen (vgl. VwGH 10.05.2011, 2011/18/0100, mwN). Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, sind Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. zuletzt VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0243).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist aber auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren. Es ist daher auch in Fällen eines mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthaltes eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller fallbezogen maßgeblichen Aspekte vorzunehmen, wenn auch unter besonderer Gewichtung der langen Aufenthaltsdauer (vgl. VwGH 29.08.2018, 2018/22/0180).

Das Bundesverwaltungsgericht ging im Rahmen der (ursprünglichen) Entscheidung vom 25.03.2019 in der Interessensabwägung unter Berücksichtigung der langen Aufenthaltsdauer und Integration des BF von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bestimmungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus.

Dieser Beurteilung ist der Verwaltungsgerichtshof nicht gefolgt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Entscheidung vom 19.12.2019 klar zum Ausdruck gebracht, dass der langen Aufenthaltsdauer des BF entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt und beim BF eine nicht zu vernachlässigende Verankerung des BF im Inland vorliegt, sodass es darauf ankommt, ob Umstände vorliegen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer des BF im Inland relativieren.

Dem BF ist zuzugestehen, dass er sich nunmehr bereits seit etwa 14 1/2 Jahren in Österreich aufhält und er im Zeitraum von Juli 2005 bis Oktober 2011 - als Asylwerber - auch zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen ist. Auch ist dem BF zuzugestehen, dass er während seines bisherigen Aufenthaltes Integrationsschritte gesetzt, soziale Bindungen geknüpft und sich Deutsch-Kenntnisse angeeignet hat sowie immer wieder beruflich tätig gewesen ist.

Die Aufenthaltsdauer des BF wird zwar dadurch relativiert, dass der BF bis zum rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens lediglich auf Grund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet zum Aufenthalt berechtigt gewesen ist und sich seit Oktober 2011 unrechtmäßig in Österreich aufhält. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs darf die Bedeutung dieses Umstandes in einem Fall, der durch einen knapp vierzehnjährigen Inlandsaufenthalt gekennzeichnet ist, aber nicht überbewertet werden, zumal zunächst nicht ausgeklammert werden darf, dass das Asylverfahren des BF, ohne dass ihm das erkennbar angelastet werden könnte, länger als sechs Jahre dauerte. (VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0243, mwN)

Unter Berücksichtigung aller Umstände überwiegen daher nach der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Ergebnis im gegenständlichen Verfahren die privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet, weshalb die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

Der BF hat seinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK kein gültiges Reisedokument (iSd § 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG) angeschlossen. Da aber nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im gegenständlichen Fall ein schützenwertes Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 ERMK vorliegt, ist der Heilungstatbestand nach § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 verwirklicht (siehe VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0243, mwN).

II.3.2.2. Eine "Aufenthaltsberechtigung plus" ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBI. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBI. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

Gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegen.

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 Abs. 4 IntG erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBI. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBI. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Gemäß § 11 Abs. 2 IntG umfasst die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.

Gemäß der Übergangsbestimmung des Art. 81 Abs. 36 NAG gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 (Anm: Inkrafttreten 01.10.2017) erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.

Gemäß § 14a Abs. 4 NAG idF vor dem BGBl. I Nr. 68/2017 ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,

2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht oder

4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 besitzt.

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies:

Der BF verfügt über ein Sprachzertifikat Deutsch des österreichischen Integrationsfonds Niveaustufe A2 des Europarates vom 30.06.2011. Damit hat der BF die Voraussetzungen des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß 14a NAG vor dem Inkrafttreten des BGBl. I Nr. 68/2017 am 01.10.2017 erfüllt.

Es ist dem BF somit gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen.

Gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 berechtigt der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975.

Das BFA hat dem Antragsteller den Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG 2005 auszufolgen, der Antragsteller hat hieran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 mitzuwirken. Der Aufenthaltstitel gilt gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum. Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG 2005 sind nicht verlängerbar.

II.3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, vielmehr beruht die gegenständliche Entscheidung auf einer bezughabenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides ausführlich wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus, Aufenthaltsdauer, Deutschkenntnisse,
Integration, Interessenabwägung, Privat- und Familienleben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W181.1306688.2.00

Zuletzt aktualisiert am

02.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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