Entscheidungsdatum
20.02.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W251 2181483-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2017, Zl. 1142541703 - 170174758, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 09.02.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Am 09.02.2017 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er mit seiner Ehefrau und seinen Kindern aus Afghanistan geflüchtet sei, da seine Frau in Afghanistan für das Rote Kreuz gearbeitet habe. Der Bruder seiner Frau habe für deutsche Behörden gearbeitet. Daher seien sie ständig von den Taliban bedroht worden, sonst habe er keine Fluchtgründe.
3. Am 09.11.2017 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass er nach Österreich gekommen sei, da seine Frau 14 Jahre beim Roten Kreuz gearbeitet habe. Er habe öfter Warnungen bekommen, da seine Frau bei einem ausländischen Institut arbeiten würde. Er sei von Unbekannten bedroht worden, vielleicht seien diese Taliban gewesen.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.11.2017 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab. Es wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt 1. und 2.). Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt 3. und 4.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt 6.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann, der noch über ein familiäres Unterstützungsnetz in Afghanistan verfüge und somit bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Situation geraten würde. Er könne sich in seiner Heimatstadt Mazar-e Sharif sowie in den Städten Herat und Kabul (als innerstaatliche Fluchtalternative) ansiedeln. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.
5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass sich das Bundesamt nicht mit der konkreten Rückkehrsituation in Herat und Kabul auseinandergesetzt habe, diesbezüglich seien auch keine aktuellen Länderinformationen in das Verfahren eingebracht worden. Da die Ehefrau des Beschwerdeführers beim Roten Kreuz tätig gewesen sei, weise diese ein eindeutiges Risikoprofil auf. Es sei daher lebensnah, dass der Beschwerdeführer als Familienangehöriger Verfolgungshandlungen durch die Taliban ausgesetzt sei. Es habe sich in Afghanistan, auch in Mazar-e Sharif die Sicherheitslage verschlechtert. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei dem Beschwerdeführer nicht zumutbar.
6. Der Beschwerdeführer befand sich von Juli 2018 bis Juli 2019 in Deutschland. Der Aufenthaltsort war dem Gericht nicht bekannt, sodass das Verfahren mit Beschluss eingestellt wurde. Nachdem der Beschwerdeführer ab 16.07.2109 wieder in Österreich behördlich gemeldet war, wurde das Verfahren fortgesetzt.
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 06.12.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an, bekennt sich zum sunnitischen Glauben und spricht Dari als Muttersprache (AS 1; AS 38; Verhandlungsprotokoll vom 06.12.2019, OZ 16, S. 7).
Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Balkh in der Stadt Mazar-e Sharif geboren und ist dort gemeinsam mit seinen Eltern, seinen zwei Schwestern und seinen drei Brüdern aufgewachsen. Der Beschwerdeführer hat 9 Jahre lang eine Schule besucht. Er hat danach eine dreijährige Ausbildung zum Krankenpfleger gemacht (AS 1-3; OZ 16, S. 7, S. 8). Der Beschwerdeführer hat drei Jahre lang bei einer Baufirma gearbeitet, er hat mehrere Jahre als Krankenpfleger gearbeitet. Gelegentlich hat er auch bei dem Ehemann seiner Tante, einem Autohändler, gearbeitet (OZ 16, S. 8).
Der Beschwerdeführer ist verheiratet, er hat zwei Kinder (OZ 16, S. 7).
Die Eltern des Beschwerdeführers und seine drei Brüder leben in einem Dorf, 8 Kilometer von der Stadt Mazar-e Sharif in einem Eigentumshaus (OZ 16, S. 10-11). Ein Bruder des Beschwerdeführers besitzt mit einem Cousin ein Restaurant, ein Bruder arbeitet mit einem Cousin väterlicherseits zusammen und ein Bruder arbeitet in einer Apotheke. Eine Schwester des Beschwerdeführers ist seit kurzer Zeit verheiratet. (OZ 16, S. 10). Der Beschwerdeführer hat einen Onkel väterlicherseits der in der Stadt Mazar-e Sharif wohnt. Der Beschwerdeführer hat zwei Cousins und zwei Cousinen väterlicherseits und eine große Anzahl an Cousins und Cousinen mütterlicherseits. Zwei Cousinen arbeiten als Lehrerinnen. Die Cousins väterlicherseits sind im Transportbereich tätig, manche arbeiten im Restaurant, einer ist Schweißer und auch die anderen Cousins sind in unterschiedlichen beruflichen Bereichen tätig (OZ 16, S. 11). Der Familie des Beschwerdeführers geht es wirtschaftlich gut, diese konnten zuletzt ein eigenes Haus auf einem Grundstück errichten. Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu seinen Familienangehörigen in Afghanistan (OZ 16, S. 10-11).
Der Beschwerdeführer wurde nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.
Der Beschwerdeführer ist anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen (OZ 16, S. 15, S. 18).
Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Er leidet an Schlafstörungen sowie an einer posttraumatischen Belastungsstörung bzw. an Depressionen. Dies mindert seine Arbeitsfähigkeit jedoch nicht. Darüber hinaus ist der Beschwerdeführer gesund (Beilage B; OZ 16, S. 16).
1.2. Zum (Privat)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:
Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hielt sich von Februar 2017 bis Juli 2018 durchgehend in Österreich auf. Danach war er ein Jahr lang in Deutschland. Seit Juli 2019 ist der Beschwerdeführer wieder in Österreich aufhältig (As 1; Beilage ./I; OZ 16, S. 9). Er ist in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG rechtmäßig aufhältig.
Der Beschwerdeführer hat einen Alphabetisierungskurs besucht. Er hat einen Aufnahmetest für einen A1-Deutschkurs abgelegt. Der Beschwerdeführer verfügt nur über sehr geringe Deutschkenntnisse (OZ 16, S. 14; Beilage ./C ).
Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung, er ist am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert und geht keiner Erwerbstätigkeit nach (Beilage ./I; OZ 16, S. 15).
Der Beschwerdeführer geht keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Im Jahr 2017 hat er einmal auf ehrenamtlicher Basis einen Tag lang bei einer Gemeinde ausgeholfen. Der Beschwerdeführer besucht keine Integrationskurse, keine Schule und er ist auch kein Mitglied in einem Verein (OZ 16, S. 15).
Der Beschwerdeführer ist in Österreich mit einem aufenthaltsberechtigten Afghanen befreundet, diesen besucht er gelegentlich. Der Beschwerdeführer verfügt jedoch weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen (Ehefrau, Kinder, etc.) in Österreich (OZ 16, S. 15-16).
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./I).
1.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.
1.2.1 Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden in Afghanistan jemals von den Taliban oder von anderen Personen bedroht.
Die Ehefrau des Beschwerdeführers hat nicht für das Rote Kreuz oder für eine andere ausländische Organisation gearbeitet.
Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlasen.
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen. Auch wenn der Beschwerdeführer ohne seine Frau und Kinder nach Afghanistan zurückkehrt, droht ihm kein Eingriff in seine körperliche Integrität.
1.2.2. Der Beschwerdeführer war in Afghanistan wegen seiner Religionszugehörigkeit zu den Sunniten und wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Tadschiken konkret und individuell weder physischer noch psychischer Gewalt ausgesetzt (AS 42).
1.2.3. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.
1.2.4. Es kann nicht festgestellt werden, wo sich die Ehefrau und die Kinder des Beschwerdeführers derzeit aufhalten.
1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Der Beschwerdeführer kann in seine Heimatstadt Mazar-e Sharif zurückkehren.
Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Mazar-e Sharif sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.
Der Beschwerdeführer kann zudem von seiner Familie bei einer Rückkehr nach Afghanistan finanziell unterstützt werden, er kann auch bei seinen Eltern in der Nähe von Mazar-e Sharif bzw. bei seinen vielen Verwandten in der Stadt Mazar-e Sharif zumindest vorübergehend wohnen. Der Beschwerdeführer kann zudem Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.
Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.
1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat
Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:
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Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 (LIB),
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UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (UNHCR)
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EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO) und
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Arbeitsübersetzung Landinfo Report "Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 (Landinfo 1) und
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EASO Bericht Afghanistan Netzwerke, Stand Jänner 2018
1.5.1. Allgemeine Sicherheitslage
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (LIB, Kapitel 2).
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren (LIB, Kapitel 3). Die Hauptlast einer unsicheren Sicherheitslage in der jeweiligen Region trägt die Zivilbevölkerung (UNHCR, Kapitel II. B).
Für die Sicherheit in Afghanistan sind verschiedene Organisationseinheiten der afghanischen Regierungsbehörden verantwortlich. Die Afghan National Defense and Security Forces (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan National Police (ANP) und die Afghan Local Police (ALP). Die Afghan National Army (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Die ALP wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB, Kapitel 5).
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv, welche eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität in Afghanistan darstellen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und Angriffen auf staatliche Einrichtungen und gegen Gläubige und Kultstätten bzw. religiöse Minderheiten aus (LIB, Kapitel 3).
1.5.2. Allgemeine Wirtschaftslage
Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant. Lebensgrundlage für rund 80% der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (LIB, Kapitel 21).
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB, Kapitel 21).
In den Jahren 2016-2017 lebten 54,5% der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Immer mehr Menschen greifen auf negative Bewältigungsmechanismen wie Kleinkriminalität, Kinderehen, Kinderarbeit und Betteln zurück, von denen insbesondere Binnenvertriebene betroffen sind. Der Zugang zu einer produktiven oder entgeltlichen Beschäftigung ist begrenzt, 80% der Beschäftigung gelten als anfällig und unsicher in Form von Selbst- oder Eigenbeschäftigung, Tagarbeit oder unbezahlter Arbeit. Der saisonale Effekt ist erheblich. Die Arbeitslosenquote ist in den Frühlings- und Sommermonaten relativ niedrig (rund 20%), während sie im Winter 32,5% erreichen kann (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
In Afghanistan gibt es neben der Zentralbank auch mehrere kommerzielle Banken. Es ist mittlerweile auch relativ einfach, in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Geld kann auch über das Hawala System (Form des Geldtausches) transferiert werden. Dieses Systemfunktioniert schnell, zuverlässig und günstig. Spezielle Dokumente sind nicht notwendig und der Geldtransfer ist weltweit möglich und wird von verschiedenen Bevölkerungsschichten verwendet (LIB, Kapitel 21).
Im Zeitraum von 2016 bis 2017 waren 44,6% der afghanischen Bevölkerung sehr stark bis mäßig von Lebensmittelunsicherheit betroffen. In allen Wohnbevölkerungsgruppen war seit 2011 ein Anstieg festzustellen, wobei der höchste Anstieg in den ländlichen Gebieten zu verzeichnen war (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Afghanistans jährliche Wachstumsrate der städtischen Bevölkerung gehört zu den höchsten der Welt. Kabul war das Zentrum des Wachstums, und der Rest der städtischen Bevölkerung konzentriert sich hauptsächlich auf vier andere Stadtregionen: Herat, Mazar-e Sharif, Kandahar und Jalalabad. Die große Mehrheit (72%, basierend auf ALCS-Zahlen für 2016-2017) der afghanischen Stadtbevölkerung lebt in Slums oder in ungenügenden Wohnungen. 86% der städtischen Häuser in Afghanistan können (gemäß der Definition von UN-Habitat) als Slums eingestuft werden. Der Zugang zu angemessenem Wohnraum stellt für die Mehrheit der Afghanen in den Städten eine große Herausforderung dar (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
In den Städten besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Darüber hinaus bietet die Städte die Möglichkeit von "Teehäusern", die mit 30 Afghani (das sind ca. € 0,35) bis 100 Afghani (das sind ca. € 1,20) pro Nacht relativ günstig sind. "Teehäuser" werden von Reisenden, Tagesarbeitern, Straßenhändlern, jungen Menschen, alleinstehenden Männern und anderen Personen, die in der Gegend keine ständige Unterkunft haben, als vorübergehende Unterkunft genutzt (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V). Man muss niemanden kennen, um eingelassen zu werden (EASO Bericht Afghanistan Netzwerke, Kapital 4.2.).
Der Zugang zu sauberem Trinkwasser sowie angemessenen sanitären Einrichtungen hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, war in den Städten im Allgemeinen besser als auf dem Land. Der Zugang zu Trinkwasser ist für viele Afghanen jedoch nach wie vor ein Problem, und die sanitären Einrichtungen sind weiterhin schlecht (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
1.5.3. Medizinische Versorgung
Das afghanische Gesundheitsministerium gab an, dass 60 % der Menschen im April 2018 Zugang zu Gesundheitsdiensten hatten, wobei der Zugang als eine Stunde Fußweg zur nächsten Klinik definiert wurde. Trotz der Tatsache, dass die Gesundheitsversorgung laut afghanischer Verfassung kostenlos sein sollte, müssen die Menschen in vielen öffentlichen Einrichtungen für Medikamente, Arzthonorare, Labortests und stationäre Versorgung bezahlen. Hohe Behandlungskosten sind der Hauptgrund, weswegen die Behandlung vermieden wird (EASO, Kapitel Common Analysis: Afghanistan, V).
90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre, als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitionen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen (LIB, Kapitel 22).
Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar. In der afghanischen Gesellschaft werden Menschen mit körperlichen oder psychischen Behinderungen als schutzbedürftig betrachtet und von der Familie versorgt, von der Gesellschaft werden diese jedoch oftmals stigmatisiert. Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in manchen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Mental erkrankte Menschen können beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und auch von Organisationen behandelt werden In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (LIB, Kapitel 22.1).
1.5.4. Ethnische Minderheiten
In Afghanistan sind ca. 40 - 42% Paschtunen, rund 27 - 30% Tadschiken, ca. 9 - 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB, Kapitel 17).
Die Volksgruppe der Tadschiken ist die zweitgrößte Volksgruppe in Afghanistan, sie macht etwa 27-30% der afghanischen Gesellschaft aus und hat deutlichen politischen Einfluss im Land. In der Hauptstadt Kabul ist sie knapp in der Mehrheit. Tadschiken sind in zahlreichen politischen Organisationen und Parteien vertreten, sie sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert. Tadschiken sind allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit in Afghanistan weder psychischen noch physischen Bedrohungen ausgesetzt (LIB, Kapitel 17.2).
1.5.5. Religionen
Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80 - 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB Kapitel 16).
1.5.6. Allgemeine Menschenrechtslage
Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB, Kapitel 11).
Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden nach wie vor in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betroffenen Gebiete tatsächlich kontrolliert (UNHCR, Kapitel II. C. 1).
Die Fähigkeit der Regierung, Menschenrechte zu schützen, wird durch die Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte untergraben. Insbesondere ländliche und instabile Gebiete leiden unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden (UNHCR, Kapitel II. C. 2).
1.5.7. Bewegungsfreiheit und Meldewesen
Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen (LIB, Kapitel 19).
Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, keine Datenbanken mit Adress- oder Telefonnummerneinträgen und auch keine Melde- oder Registrierungspflicht. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB, Kapitel 19.1).
1.5.8. Regierungsfeindliche Gruppierungen
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB, Kapitel 2).
Taliban:
Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten bestehen die Taliban bereits überwiegend aus Nicht-Paschtunen, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB, Kapitel 2).
Die Gesamtstärke der Taliban betrug im Jahr 2017 über 200.000 Personen, darunter ca. 150.000 Kämpfer, davon rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten und der Rest ist Teil der lokalen Milizen. Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan (LIB, Kapitel 2).
Zwischen 01.12.2018 und 31.05.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zum Ziel - die Taliban beschränken ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte (LIB, Kapitel 2).
Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten", unter anderem Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte jeden Ranges, oder Regierungsbeamte und Mitarbeiter westlicher und anderer "feindlicher" Regierungen, Kollaborateure oder Auftragnehmer der afghanischen Regierung oder des ausländischen Militärs, oder Dolmetscher, die für feindliche Länder arbeiten. Die Taliban bieten diesen Personen grundsätzlich die Möglichkeit an, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Die Chance zu bereuen, ist ein wesentlicher Aspekt der Einschüchterungstaktik der Taliban und dahinter steht hauptsächlich der folgende Gedanke: das Funktionieren der Kabuler Regierung ohne übermäßiges Blutvergießen zu unterminieren und Personen durch Kooperationen an die Taliban zu binden. Diese Personen können einer "Verurteilung" durch die Taliban entgehen, indem sie ihre vermeintlich "feindseligen" Tätigkeiten nach einer Verwarnung einstellen. (Landinfo 1, Kapitel 4)
1.5.9. Balkh:
Balkh liegt im Norden Afghanistans. Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Die Provinz hat 1.475.649 Einwohner (LIB, Kapitel 3.5).
Balkh zählt zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Afghanistans. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Im Jahr 2018 gab es 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen (LIB, Kapitel 3.5).
In der Provinz Balkh - mit Ausnahme der Stadt Mazar- e Sharif - kommt es zu willkürlicher Gewalt, jedoch nicht auf hohem Niveau. Dementsprechend ist ein höheres Maß an Einzelelementen erforderlich, um wesentliche Gründe für die Annahme aufzuzeigen, dass ein in dieses Gebiet zurückgekehrter Zivilist einem realen ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie zu nehmen (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).
Die Hauptstadt der Provinz Balkh ist Mazar-e Sharif. In dieser Stadt findet willkürliche Gewalt auf einem niedrigen Niveau statt. Im Allgemeinen besteht kein reales Risiko, dass ein Zivilist aufgrund willkürlicher Gewalt im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen wird. Es müssen jedoch immer individuelle Risikoelemente berücksichtigt werden, da sie den Antragsteller in risikoreichere Situationen bringen könnten (EASO, Kapitel Guidance note: Afghanistan, III.3).
Mazar-e Sharif
Mazar-e Sharif ist die Provinzhauptstadt von Balkh, einer ethnisch vielfältigen Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Sie hat 469.247 Einwohner und steht unter Kontrolle der afghanischen Regierung (LIB, Kapitel 3.5).
Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, III).
Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) legal zu erreichen (LIB, Kapitel 21). Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz, ein regionales Handelszentrum sowie ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen (LIB, Kapitel 21). Mazar-e Sharif gilt im Vergleich zu Herat oder Kabul als wirtschaftlich relativ stabiler. Die größte Gruppe von Arbeitern in der Stadt Mazar-e Sharif sind im Dienstleistungsbereich und als Verkäufer tätig (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Die Unterkunftssituation stellt sich in Mazar-e Sharif, wie in den anderen Städten Afghanistans auch, für Rückkehrer und Binnenflüchtlinge als schwierig dar. Viele Menschen der städtischen Population lebt in Slums oder nichtadäquaten Unterkünften. In Mazar-e Sharif besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum, wie beispielsweise in Teehäusern, zu mieten. (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Die meisten Menschen in Mazar-e Sharif haben Zugang zu erschlossener Wasserversorgung (76%), welche in der Regel in Rohrleitungen oder aus Brunnen erfolgt. 92% der Haushalte haben Zugang zu besseren Sanitäreinrichtungen (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).
Während Mazar-e Sharif im Zeitraum Juni 2019 bis September 2019 noch als IPC Stufe 1 "minimal" (IPC - Integrated Phase Classification) klassifiziert wurde, ist Mazar-e Sharif im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 in Phase 2 "stressed" eingestuft. In Phase 1 sind die Haushalte in der Lage, den Bedarf an lebensnotwenigen Nahrungsmitteln und Nicht-Nahrungsmitteln zu decken, ohne atypische und unhaltbare Strategien für den Zugang zu Nahrung und Einkommen zu verfolgen. In Phase 2 weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentliche, nicht nahrungsbezogene Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (ECOI, Kapitel 3.1).
In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es 10 - 15 - teils öffentliche, teils private - Krankenhäuser. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer, jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken die zu 80% öffentlich finanziert sind (LIB, Kapitel 22).
1.5.10. Situation für Rückkehrer
In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 kehrten insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB, Kapitel 23).
Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB, Kapitel 23).
Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB, Kapitel 23).
Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB, Kapitel 23).
Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB, Kapitel 23).
Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB, Kapitel 23).
Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB, Kapitel 23).
Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB, Kapitel 23).
Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB, Kapitel 23).
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./I bis ./VI und Beilage ./D (Konvolut ZMR, GVS, Strafregister Beilage ./I; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 13.11.2019, Beilage ./II;
Bericht EASO, Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./III;
Bericht Landinfo, Afghanistan, der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne, 23.08.2017; Beilage ./IV;
Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Taliban Drohbriefe, vopm 28.07.2016, Beilage ./V; ACCORD, Sicherheitslage und sozio-ökonomische Lage in Herat und Mazar-e Sharif vom 02.10.2019, Beilage ./IV; Bericht von AHRDO , Deportation to Afghanistan, A Challenge to state Legitimacy and Stability, aus November 2019, Beilage ./D).
Dem Erkenntnis werden die EASO Country Guidance Afghanistan aus Juni 2019 sowie die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 zugrunde gelegt.
Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.
Der Beschwerdeführer gab Eingangs der Verhandlung an, dass es Fehler im Protokoll des Bundesamtes gebe, da die Dolmetscherin Iranerin gewesen sei. So habe er nicht gesagt, dass er nicht wisse, welche Ausbildung seine Frau gemacht habe. Auch die Geburtsdaten der Kinder bzw. das Heiratsdatum sein unrichtig protokolliert. Der Beschwerdeführer gab jedoch zu Beginn und am Ende der Einvernahme vor dem Bundesamt an, dass er die Dolmetscherin gut verstehe bzw. immer gut verstanden habe (AS 37, AS 45). Zudem wurde der Beschwerdeführer mehrfach beim Bundesamt zur Ausbildung seiner Ehefrau befragt, er gab dazu mehrfach an, dass er nicht wisse, welche Ausbildung diese habe (AS 40). Dass er tatsächlich angegeben habe, welche Ausbildung seine Frau erhalten habe, ist daher nicht nachvollziehbar und als Schutzbehauptung zu qualifizieren. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers beim Bundesamt richtig und vollständig protokolliert wurden. Die Protokolle werden dem Erkenntnis zugrunde gelegt.
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie zu seinen Familienangehörigen in Afghanistan, seine Schul- und Berufsausbildung, seine Berufserfahrung) sowie zu den Eigentumsverhältnissen seiner Familie gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Dass der Beschwerdeführer noch Verwandte in Mazar-e Sharif hat ergibt sich aus seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung. Dass er zu diesen noch regelmäßigen Kontakt hat, ergibt sich daraus, dass er sowohl kurze Zeit vor der Verhandlung als auch kurze Zeit vor der Befragung beim Bundesamt Kontakt zu seiner Familie hatte (OZ 16, S. 10; AS 39).
Dass der Beschwerdeführer mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut ist, ergibt sich daraus, dass er in Afghanistan mit seiner afghanischen Familie aufgewachsen ist, er ist dort zur Schule gegangen und hat dort jahrelang gearbeitet.
Dass der Beschwerdeführer grundsätzlich anpassungsfähig ist, ergibt sich daraus, dass er sich in Österreich an sich zurechtfindet. Er konnte sich zudem ein Jahr lang in Deutschland ansiedeln. Es sind im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die gegen eine grundsätzliche Anpassungsfähigkeit des Beschwerdeführers sprechen.
Dass der Beschwerdeführer grundsätzlich arbeitsfähig ist, ergibt sich daraus, dass er selber angab, einer Arbeit nachgehen zu wollen und im Verfahren keine Umstände hervorgekommen sind, die gegen eine Arbeitsfähigkeit sprechen. Auch auf Vorhalt seiner psychischen Probleme gab er an, dass er arbeiten gehen könne (OZ 16, S. 15, S. 18).
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und auf die vorgelegten Unterlagen. Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung auch an, gesund zu sein bzw., dass es ihm eigentlich gut gehe (OZ 16, S. 5, S. 16). Es ist daher nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer - abgesehen von der diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörung bzw. den Schlafstörungen und Depressionen - noch an andere oder lebensbedrohliche Erkrankungen leiden würde.
2.2. Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen geringen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären oder fehlenden engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner geringen Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 16, S. 14) sowie auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen (Beilage ./C).
Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen konnten auch vom Gericht getroffen werden, da der Beschwerdeführer in der Verhandlung die auf Deutsch gestellten Fragen kaum verstanden hat und diese kaum auf Deutsch beantworten konnte (OZ 16, S. 14).
Hinweise auf nachhaltige Integrationsschritte (soziale/berufliche Integration) des Beschwerdeführers in Österreich sind weder dem Verwaltungs- noch dem Gerichtsakt zu entnehmen und wurden auch im Verlauf der mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Beilage ./I).
2.3. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Soweit der Beschwerdeführer vorbrachte, ihm drohe Lebensgefahr durch die Taliban, weil seine Frau bei einer internationalen Organisation gearbeitet hat bzw. weil diese überhaupt gearbeitet hat, kommt seinem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:
2.3.1. Zunächst ist festzuhalten, dass das Gericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund des persönlichen Eindrucks über den Beschwerdeführer davon ausgeht, dass ihm hinsichtlich seines Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Der Beschwerdeführer wurde zu Beginn der Verhandlung angehalten, sein Vorbringen vollständig und detailliert zu gestalten. Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer jedoch nicht gerecht geworden. Der Beschwerdeführer präsentierte sowohl beim Bundesamt als auch vor Gericht eine bloße Rahmengeschichte, die er selbst auf mehrfaches Nachfragen kaum mit Details ergänzen konnte. Die Angaben des Beschwerdeführers blieben gänzlich detaillos und vage. Der Beschwerdeführer gab auch ausweichende Antworten. Es ergaben sich viele Unplausibilitäten, die seine Angaben unglaubhaft scheinen lassen.
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurückliegen und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können. Dass der Beschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart oberflächlichen und nicht stringenten Weise wie in der mündlichen Verhandlung schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität. Die erzählte Geschichte erweckte für das Gericht daher den Eindruck, dass es sich lediglich um eine auswendig gelernte konstruierte Geschichte handelt.
So gab der Beschwerdeführer beim Bundesamt, aufgefordert seine Fluchtgründe im Detail zu schildern, folgendes an: "Ich bin nach Österreich gekommen, da meine Frau 14 Jahre beim Roten Kreuz gearbeitet hat. Wir bekamen öfter Warnungen warum Sie als Frau bei einem ausländischen Institut arbeiten würde. Wir waren gezwungen Afghanistan zu verlassen. Ich habe dann bei der Polizei eine Anzeige gemacht, die Polizei konnte mir aber nicht helfen. Die Bestätigung hat meine Frau." (AS 39)
Bereits diese Angaben sind gänzlich vage und detaillos und machen nicht den Eindruck, als wäre der Beschwerdeführer oder seine Frau jemals in Afghanistan bedroht worden.
Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung, auf die Aufforderung seine Fluchtgründe detailliert und vollständig darzulegen, folgendes an: "Meine Frau hat in Mazar-e Sharif beim Roten Kreuz gearbeitet. Ich war im Krankenhaus. Ein paar Mal wurde ich angerufen und bedroht, warum meine Frau arbeitet. Zuerst haben Sie meine Frau kontaktiert und dann mich auch. Meine Frau hat gesagt, dass ist nur eine Hilfsorganisation. Sie haben mir gesagt: "Warum lässt du deine Frau arbeiten? Du bist kein Mann, warum hast du keine Ehre? Deine Frau muss zuhause bleiben und sich um den Haushalt kümmern. Ihr seid Feiglinge, ihr schickt eure Frauen arbeiten. Die Frauen müssen zuhause sitzen. Es sei erlaubt, euch zu töten." Wir sind dann zur Polizei gegangen. Die Polizisten haben gesagt, sie werden das alles kontrollieren und der Sache nachgehen. Alle Polizeiposten in Mazar-e Sharif wussten davon. Dann haben wir einen Drohbrief bekommen. Sie schrieben, wieso meine Frau arbeitet und dass sie uns umbringen wollen. Dann haben wir es mitbekommen, dass die Taliban uns bedroht haben, weil alles auf Paschtu war und oben stand "Islamisches Emirat"." (OZ 16, S. 18f)
Auch diese Angaben sind vage und detaillos, wenn man bedenkt, dass der Beschwerdeführer und seine Familie über mehrere Monate, mehrmals die Woche, bedroht worden sein sollen. Das Gericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer und seine Familie tatsächlich nicht von den Taliban bedroht wurde.
2.3.2. Zudem sind in den Angaben des Beschwerdeführers erhebliche Widersprüche enthalten, die sein Fluchtvorbringen, wonach er doch von den Taliban mit dem Umbringen bedroht worden sei, gänzlich unglaubhaft scheinen lassen.
So gab der Beschwerdeführer in der Verhandlung in der freien Erzählung an, dass ihm Drohbrief der Taliban gestanden habe, wieso seine Frau arbeite und dass sie umgebracht werden (OZ 16, S. 19). Konkret befragt, was in dem Brief - der der einzige gewesen sei - drinnen stand, gab der Beschwerdeführer an: "Ich habe nur das verstanden, dass wir keine Chance mehr haben und dass sie uns umbringen wollen." (OZ 16, S. 21). Hier fällt zum einen auf, dass der Erhalt eines Drohbriefs ein besonders einprägsames Ereignis sein müsste. Dass der Beschwerdeführer daher über den Inhalt nur derart vage Angaben machen konnte, ist für das Gericht nicht plausibel. Zudem ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer in der freien Erzählung noch angab, dass ihm zum Vorwurf gemacht worden sei, dass seine Frau arbeiten gehen würde, während er dies auf die konkrete Frage überhaupt nicht erwähnte.
Zudem sprach der Beschwerdeführer beim Bundesamt noch von mehreren Drohbriefen: "Wir wurden telefonisch und mit Briefen [Plural] bedroht" (AS 40). In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass er nur einen einzigen Drohbrief erhalten habe (OZ 16, S. 21). Die Angaben des Beschwerdeführers sind nicht nachvollziehbar.
Der Beschwerdeführer sprach in der mündlichen Verhandlung eher davon, dass ihm zum Vorwurf gemacht worden sei, dass seine Frau einer Arbeit nachgehen würde. Dass er bedroht worden sei, weil seine Frau für eine ausländische Organisation gearbeitete habe, blieb jedoch eher im Hintergrund. Den Länderberichten ist jedoch zu entnehmen, dass die städtische Bevölkerung kaum ein Problem mit der Berufstätigkeit ihrer Ehefrauen oder Töchter hat und, dass die Erwerbsbeteiligung von Frauen sich auf 27% erhöht hat (LIB 13.11.2019, S. 302). Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass in der Stadt Mazar-e Sharif ein Problem bestehen sollte, wenn die Frau des Beschwerdeführers berufstätig ist. Zumal der Beschwerdeführer selber angab, dass auch seine Cousinen berufstätig sind, diesbezüglich gab der Beschwerdeführer jedoch keine Bedrohungen an.
Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt an, dass seine Frau bereits 14 Jahren bei einer internationalen Organisation gearbeitet habe (AS 39). Die Bedrohungen hätten jedoch erst 7-8 Monate vor der Ausreise angefangen (OZ 16, S. 22), sodass nicht plausibel ist, weshalb die Ehefrau des Beschwerdeführers über 13 Jahre unbehelligt dort hätte arbeiten können, wenn dies von aufständischen Gruppierungen nicht gerne gesehen wird. Die Angaben des Beschwerdeführers sind nicht nachvollziehbar.
Der Beschwerdeführer gab in der Erstbefragung an, dass er ständig von den Taliban bedroht worden wäre (AS 9). Beim Bundesamt gab der Beschwerdeführer an, dass er durch Unbekannte bedroht worden wäre, vielleicht wären es die Taliban gewesen (AS 40). In der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er wisse, dass er von den Taliban bedroht werde, da auf dem Drohbrief "islamisches Emirat" gestanden wäre (OZ 16, S. 18-19). Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer zur Person der Bedroher derart divergierende Angaben im Verfahren gemacht hat. Die Angaben des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft.
Den Länderberichten ist zudem zu entnehmen, dass die Taliban ein vorgegebenes Verfahren bei Einschüchterungen verfolgen. Dieses sieht vor, dass die Person zunächst identifiziert wird, anschließend werden die Kontaktdaten ermittelt, die Person wird zumindest zweimal verwarnt. Wenn die Person greifbar ist, wird diese verhört und vor ein Gericht gestellt. Wenn diese Person nicht greifbar ist oder die Person sich weigert den Anordnungen der Taliban Folge zu leisten, dann wird diese auf eine schwarze Liste gesetzt. Anschließend wird eine günstige Gelegenheit abgewartet um zuzuschlagen (Beilage ./IV, S. 15). Da die Regeln der Taliban eine zweimalige Verwarnung vorsehen bevor die Person auf die schwarze Liste gesetzt wird, ist nicht plausibel, dass die Taliban den Beschwerdeführer und dessen Frau über mehrere Monate mehrmals die Woche am Telefon bedrohen sollten. Zudem ist nicht anzunehmen, dass die Taliban den Beschwerdeführer anrufen sollten, nur um diesem mitzuteilen, dass der Beschwerdeführer bzw. seine Familie getötet werden sollte. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Taliban den Beschwerdeführer vorwarnen sollten bzw. wäre anzunehmen, dass die Taliban bei einem Anruf