Entscheidungsdatum
26.02.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
W232 1429536-3/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Simone BÖCKMANN-WINKLER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.08.2017, Zl. 811319010/160903935, zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass der Spruchpunkt I. wie folgt lautet:
"Der Ihnen mit Bescheid vom 05.09.2014, Zahl 811319010/1995256/BFA_STM_RD, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wird Ihnen gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt wird."
II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
III. Die Beschwerde gegen den ersten und zweiten Spruchteil des Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde gegen den dritten Spruchteil des Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und lautet wie folgt:
"Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan ist gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig."
IV. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 02.11.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, dass er Afghanistan verlassen habe müssen, da die Gefahr bestanden habe, dass er von den Taliban angegriffen und getötet werde. Pakistan habe er verlassen, da er dort Schulden habe.
2. Mit Bescheid des damals zuständigen Bundesasylamtes vom 11.09.2012 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 02.11.2011 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen.
3. Mit Schriftsatz vom 26.09.2012 erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des damals zuständigen Bundesasylamtes vom 11.09.2012 eine Beschwerde.
4. Mit Schreiben vom 12.12.2013 teilte das Bezirksgericht XXXX mit, dass der Beschwerdeführer rechtskräftig zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe, bedingt auf 3 Jahre, wegen § 83 Abs. 1 StGB, rechtskräftig mit XXXX .2013, verurteilt wurde und übermittelte die gekürzte Urteilsausfertigung.
5. Mit Schreiben vom 19.12.2013 teilte das Landesgericht XXXX mit, dass der Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall, teils iVm Abs. 2, 3 und 4 Z 1 SMG, §§ 15, 87 Abs. 1 StGB und §§ 127, 130 erster Fall StGB rechtskräftig mit XXXX .2013 zu 24 Monaten Freiheitsstrafe, davon acht Monate unbedingt, verurteilt wurde und übermittelte die gekürzte Urteilsausfertigung.
6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.04.2014 wurde der Bescheid des damals zuständigen Bundesasylamtes vom 11.09.2012 gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
7. Am 02.09.2014 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.
8. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.09.2014 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II) und dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 05.09.2015 erteilt (Spruchpunkt III.).
Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevanten Gründe habe glaubhaft machen können. Eine Rückkehr nach Afghanistan in seine Herkunftsprovinz sei nicht zumutbar und eine innerstaatliche Fluchtalternative aufgrund der allgemein schlechten Versorgungslage und persönlichen Umstände nicht zur Verfügung gestanden, weshalb der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei.
9. Mit Schriftsatz vom 15.09.2014 erhob der Beschwerdeführer gegen Spruchpunkt I. des genannten Bescheides Beschwerde.
10. Mit Schreiben vom 03.10.2014 teilte die Landespolizeidirektion
XXXX dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - das diese Information an das Bundesverwaltungsgericht weiterleitete - eine rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers mit und übermittelte die gekürzte Urteilsausfertigung, mit welcher der Beschwerdeführer am XXXX .2014 vom Bezirksgericht XXXX wegen § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG zu zwei Monaten Freiheitsstrafe, bedingt auf drei Jahre, verurteilt wurde. Die Probezeit der mit Urteil vom XXXX 2013 gewährten bedingten Strafnachsicht ist auf fünf Jahre verlängert worden.
11. Mit Schriftsatz vom 06.07.2015 beantragte der Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsbewilligung für die höchstzulässige Dauer.
12. Mit Schreiben vom 29.07.2015 teilte die Landespolizeidirektion
XXXX dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - welches diese Information an das Bundesverwaltungsgericht weiterleitete - eine rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers mit und übermittelte einen Protokollsvermerk und die gekürzte Urteilsausfertigung. Mit dem Urteil vom XXXX .2015 wurde der Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 1 Z 1, erster, zweiter und achter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Die mit Urteil vom XXXX .2014 bedingte Strafnachsicht wurde wiederrufen.
13. Mit Bescheid vom 15.09.2015 wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 05.09.2017 erteilt.
14. Mi Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.07.2016 wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.09.2014 gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
15. Mit Schreiben vom 09.09.2016 übermittelte die Landespolizeidirektion XXXX dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Abschlussbericht an die Staatsanwaltschaft, in welchem ermittelt wurde, dass der Beschwerdeführer ein Verbrechen nach dem SMG begangen habe.
16. Mit Schreiben vom 14.09.2016 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass ein Aberkennungsverfahren mit einer Rückkehrentscheidung hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten eingeleitet worden sei.
17. Mit Urteil vom XXXX .2016 wurde der Beschwerdeführer wegen § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG und § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX .2013 sowie die mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX .2013 gewährte Strafnachsicht wurde widerrufen.
18. Mit Schreiben vom 21.07.2017 wurde der Beschwerdeführer zu einer Stellungnahme zwecks Prüfung eines Aberkennungsverfahrens verbunden mit einer Rückkehrentscheidung aufgefordert.
19. Mit Schriftsatz vom 31.07.2017, eingelangt bei der Behörde am 04.08.2017, gab der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahem ab, in der er im Wesentlichen vorbrachte, dass er bereits einen Deutschkurs erfolgreich abgeschlossen habe und sich gegen die Aberkennung des subsidiären Schutzes stelle. Er bereue die rechtskräftige Verurteilung und es tue ihm leid. Er täte alles dafür, dass sein Leben in Österreich geregelt ablaufen könne. Weiters legte er einen ausgefüllten Fragebogen bei.
20. Mit Bescheid vom 25.08.2017 wurde der mit Bescheid vom 28.08.2014 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG 2005 erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Im Spruchpunkt IV. wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgesetzt.
Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten lediglich aufgrund einer schwierigen Allgemeinsituation und einer damit möglichen aussichtslosen Lage bei einer Rückkehr zugesprochen worden sei. In der Herkunftsprovinz Nangarhar habe sich in manchen Teilen die Sicherheitslage aufgrund von militärischen Operationen verbessert. Eine Rückkehr nach Nangarhar scheine aber nicht zumutbar, da die Lage trotz der Besserungen noch immer als prekär zu bezeichnen sei. Sehr wohl sei dem Beschwerdeführer aber eine Rückkehr nach Kabul oder in eine der sicheren Provinzen Balkh (Mazar-e Sharif) oder Herat möglich und zumutbar. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes lägen im konkreten Fall nicht mehr vor, da die Provinzen Kabul, Balkh und Herat laut den aktuellen Länderfeststellungen sicher und zumutbar seien. Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sei aufgrund § 9 Abs. 4 AsylG mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung zu verbinden.
21. Mit Schriftsatz vom 08.09.2017 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen uns Asyl vom 25.08.2017 Beschwerde, in welcher zunächst das Fluchtvorbringen wiederholt und auf eine Mangelhaftigkeit des Spruchs hingewiesen wurde. Dem Spruch sei nicht zu entnehmen, welchen Aberkennungstatbestand und welche Gesetzesstelle herangezogen werde. Sodann wurden Verfahrensmängel aufgezählt, wobei ein mangelhaftes bzw. kein Parteiengehör hinsichtlich des amtswegig eingeleiteten Aberkennungsverfahren gerügt wurde. Auch seien das Ermittlungsverfahren und die Länderberichte mangelhaft gewesen, da die Länderberichte unvollständig gewesen seien und nur allgemeine Aussagen über Afghanistan beinhalten würden. Schlussfolgerungen seien größtenteils aus irrelevanten und veralteten Länderberichten gezogen worden. Anschließend wurde die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan, gestützt auf Zeitungsartikel, dargelegt. Hinsichtlich Spruchpunkt I. sei unrichtig beweisgewürdigt worden, da die Behörde unterlassen habe, eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens des Beschwerdeführers vorzunehmen. Mängel in der rechtlichen Beurteilung seien, dass die Behörde es unterlassen habe, eine Subsumtion unter die drei Tatbestände des § 9 Abs. 1 Z 1 bis 3 AsylG vorzunehmen. Der Bescheid sei mit Rechtswidrigkeit aufgrund der mangelnden Nennung der Rechtsgrundlage belastet. Abschließend wurde eine Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt.
22. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.05.2018 wurde das Beschwerdeverfahren über die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.08.2017 gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichthof der Europäischen Union über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 14.12.2017, EU 2017/0011-1 (Ra 2016/20/0038) vorgelegte Frage ausgesetzt.
23. Mit Schreiben vom 01.10.2018 gab der Beschwerdeführer an, gegen diesen Beschluss mit Beschwerde zu erheben und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass er inzwischen an seiner Integration und seiner Resozialisierung gearbeitet, die deutsche Sprache erlernt habe und in einer Bäckerei arbeite. Er bereue seine Tat, welche er aus Verzweiflung mangels Essen begangen habe.
24. Mit Schreiben vom 08.10.2018 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, binnen zwei Wochen mitzuteilen, ob das Schreiben vom 01.10.2018 als Beschwerdeergänzung zur Beschwerde vom 08.09.2017 eingebracht werden wollte oder ob er außerordentliche Revision vor dem VwGH bzw. Beschwerde vor dem VfGH gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.05.2018 erheben wolle. Mit Schreiben vom 25.10.2018 gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er Beschwerde vor dem VfGH erheben wolle.
25. Mit undatiertem Schreiben, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 02.04.2019, brachte der Beschwerdeführer vor, dass er mittlerweile Ausgang habe und dass sein Grund weiter geprüft werden möge.
26. Mit Schreiben vom 17.12.2019 gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Stellungnahme zu dem vom Bundesverwaltungsgericht übermittelten Länderberichtsmaterial ab und trat diesen nicht entgegen, sondern verwies zusammengefasst auf das Bestehen einer zumutbaren innerstaatlichen Flucht- bzw. Schutzalternative für den Beschwerdeführer.
27. Mit Schriftsatz vom 19.12.2019 gab die Beschwerdeführervertretung eine Stellungnahme zu dem vom Bundesverwaltungsgericht übermittelten Länderberichtsmaterial ab. Zusammenfassend wurde vorgebracht, dass das Länderinformationsblatt 2019 der Staatendokumentation im Vergleich zu jenem von 2018 ein schlechteres Bild zeichne. Dem Beschwerdeführer sei es nicht zumutbar nach Afghanistan zurückzukehren, da sich die allgemeine Lage verschärft habe. Auch eine innerstaatliche Fluchtalternative sei für den Beschwerdeführer nicht zumutbar und wurde dazu unter anderem auf die Studie zum Verbleib und zu den Erfahrungen abgeschobener Afghanen von Friederike Stahlmann verwiesen sowie diverse Quellen zitiert.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zum Verfahren:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren. Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Afghanistan und gehört der Volksgruppe der Paschtunen und der sunnitischen Glaubensrichtung des Islams an. Er ist ledig und hat keine Kinder.
Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Nangarhar, XXXX , in Afghanistan. Er ist in Afghanistan geboren und in seinen ersten fünf Lebensjahren dort aufgewachsen, ehe er mit der Familie nach Pakistan zog. Seine Muttersprache ist Paschtu. Seine Kernfamilie besteht aus den Eltern, vier Schwestern und einen Bruder. Zumindest eine Tante des Beschwerdeführers lebt in Afghanistan.
Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am 02.11.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz woraufhin ihm mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.09.2014 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.09.2015 wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 05.09.2017 erteilt.
Der Beschwerdeführer wurde mit rechtskräftigen Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX .2013 XXXX , wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt, da er am XXXX .2013 im Haftraum der Justizanstalt XXXX durch Versetzen von Schlägen in das Gesicht einen anderen vorsätzlich am Körper verletzt, wodurch dieser Prellmarken im Bereich der linken Unterlippe und des Kinns, Prellmarken im Bereich der rechten Schulter, leichte Schwellungen im Bereich des rechten Daumengrundgelenkes sowie am Zeigefingergrundgelenk erlitten hat. Bei der Strafbemessung wurde mildernd die Unbescholtenheit und das Geständnis und erschwerend die Tat während der Haft gewertet.
Mit Urteil des Landesgericht XXXX vom XXXX .2013, XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtmittel nach dem § 27 Abs. 1 Z 1, 1., 2. und 8. Fall teils iVm Abs. 2,3 und 4 Z 1 SMG und wegen des Verbrechens der versuchten absichtlich schweren Körperverletzung nach den §§ 15 Abs. 1, 87 Abs. 1 StGB und das Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahles nach den §§ 127, 130 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe zu 24 Monaten verurteilt, wobei ihm unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren 16 Monate bedingt nachgesehen wurde. Freigesprochen gemäß § 259 Abs. 3 StPO wurde der Beschwerdeführer von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe Mitte April 2013 in XXXX den XXXX durch die sinngemäße Äußerung, er werde ihn umbringen, wenn er ihn wegen seiner Suchtmittelgeschäfte bei der Polizei anzeigen werde, mithin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, wobei er diese Drohung dadurch untermauerte, dass er ein Messer in der Hand hielt, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme der Anzeigeerstattung bei der Polizei zu nötigen versucht, er habe sohin das Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB begangen.
Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX , XXXX , vom XXXX 2014 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten unter der Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt, da er am XXXX 2014 in Graz, XXXX , vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge des § 28b SMG nicht übersteigenden Menge, nämlich rund 13,4 Gramm Cannabiskraut, mit dem Vorsatz besessen, es in der Folge durch gewinnbringende Verkäufe in den Verkehr zu setzen, wobei er die Tat nicht ausschließlich zum persönlichen Gebrauch beging. Als mildernd wurde kein Umstand gewertet, als erschwerend zwei auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorverurteilungen. Gemäß § 494a Abs. 1 Z 2 und Abs. 6 StPO wurde vom Widerruf der mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX .2013, rechtskräftig mit XXXX .2013 XXXX , gewährten bedingten Strafnachsicht aus Anlass der neuerlichen Verurteilung abgesehen, jedoch die Probezeit auf 5 Jahre verlängert.
Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX , XXXX , vom XXXX 2015 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1, erster, zweiter und achter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt, da er im Zeitraum 21.07.2014 bis Anfang Mai 2015 in Graz, XXXX vorschriftswidrig Suchtmittel erworben und besessen hat, indem er zumindest 12 Gramm Marihuana von verschiedenen unbekannten Dealern ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erwarb und einmalig im Jahr 2014 ein Gramm Marihuana an unbekannte Dritte überließ. Als mildernd wurde die geständige Verantwortung, als erschwerend die zwei einschlägigen Vorstrafen gewertet. Gemäß § 53 Abs. 1 StGB iVm § 494a Abs. 1 Z 4 StPO wurde die mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX .2014, rechtskräftig mit XXXX .2014, zu XXXX gewährte bedingte Strafnachsicht aus Anlass der neuen Verurteilung widerrufen.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX , XXXX vom XXXX .2016 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG und wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Gemäß § 494a Abs. 1 Z 4 StPO iVm § 53 Abs. 1 StGB wurde die mit dem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX .2013, XXXX , sowie die mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .2013, XXXX , gewährte bedingte Strafnachsicht (betreffend eine Freiheitsstrafe von vier Monaten und 16 Monaten) widerrufen. Als erschwerend wurden die vier (teils einschlägigen) Vorverurteilungen, die Tatbegehung in Gesellschaft, das Zusammentreffen von einem Verbrechen und einem Vergehen und der äußerst rasche Rückfall nach der Entlassung aus der Strafhaft am XXXX 2016, als mildernd hingegen das Geständnis sowie die untergeordnete Täterrolle gewertet.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aktuell in einer Lebensgemeinschaft lebt. Seinen Angaben zufolge hat er eine Freundin. In Österreich ist der Beschwerdeführer derzeit in der Justizanstalt XXXX in Haft, davor war er vom XXXX .2017 bis XXXX .2019 in der Justizanstalt XXXX . Der Beschwerdeführer hat keine Verwandte in Österreich. Der Beschwerdeführer wurde fünfmal, davon viermal wegen Delikten nach dem SMG, verurteilt. Der Beschwerdeführer hat sich während seines langjährigen Aufenthaltes Deutschkenntnisse angeeignet, hat keine Ausbildung absolviert und war während seines Aufenthaltes auf fremde Unterstützungsleistungen angewiesen. Der Beschwerdeführer hat sich in keinen Vereinen betätigt und ist keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nachgegangen. Es kann nicht festgestellt werden, dass der vorbestrafe Beschwerdeführer die Dauer seines Aufenthalts hinsichtlich einer Integration in beruflicher, sprachlicher oder gesellschaftlicher Hinsicht genutzt hätte. Verwandte des Beschwerdeführers leben im Herkunftsstaat, es besteht kein Kontakt zu diesen.
Der Beschwerdeführer ist gesund und befindet sich in keiner ärztlichen Behandlung.
Festgestellt wird, dass seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten keine wesentliche Veränderung in der subjektiven Lage des Beschwerdeführers eingetreten ist. Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers und der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan (einschließlich der urbanen Gebiete) wird festgestellt, dass sich die Umstände, die zur Gewährung subsidiären Schutzes geführt haben, nicht wesentlich und nachhaltig verändert bzw. verbessert haben.
1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Afghanistan:
1.2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019, (Schreibfehler teilweise korrigiert):
Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).
So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).
Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).
Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).
Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).
Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit
29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).
Global Incident Map (GIM) verzeichnete in den ersten drei Quartalen des Jahres 2019 3.540 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahr 2018 waren es 4.433.
Jänner bis Oktober 2018 nahm die Kontrolle oder der Einfluss der afghanischen Regierung von 56% auf 54% der Distrikte ab, die Kontrolle bzw. Einfluss der Aufständischen auf Distrikte sank in diesem Zeitraum von 15% auf 12%. Der Anteil der umstrittenen Distrikte stieg von 29% auf 34%. Der Prozentsatz der Bevölkerung, welche in Distrikten unter afghanischer Regierungskontrolle oder -einfluss lebte, ging mit Stand Oktober 2018 auf 63,5% zurück. 8,5 Millionen Menschen (25,6% der Bevölkerung) leben mit Stand Oktober 2018 in umkämpften Gebieten, ein Anstieg um fast zwei Prozentpunkte gegenüber dem gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).
Ein auf Afghanistan spezialisierter Militäranalyst berichtete im Januar 2019, dass rund 39% der afghanischen Distrikte unter der Kontrolle der afghanischen Regierung standen und 37% von den Taliban kontrolliert wurden. Diese Gebiete waren relativ ruhig, Zusammenstöße wurden gelegentlich gemeldet. Rund 20% der Distrikte waren stark umkämpft. Der Islamische Staat (IS) kontrollierte rund 4% der Distrikte (MA 14.1.2019).
Die Kontrolle über Distrikte, Bevölkerung und Territorium befindet sich derzeit in einer Pattsituation (SIGAR 30.4.2019). Die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle Ende 2018 bis Ende Juni 2019, insbesondere in der Provinz Helmand, sind als verstärkte Bemühungen der Sicherheitskräfte zu sehen, wichtige Taliban-Hochburgen und deren Führung zu erreichen, um in weiterer Folge eine Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Intensivierte Druckmittel am Verhandlungstisch in Doha erachtet (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019).
Zivile Opfer Die Vereinten Nationen dokumentierten für den Berichtszeitraum 1.1.-30.9.2019 8.239 zivile Opfer (2.563 Tote, 5.676 Verletzte) - dieser Wert ähnelt dem Vorjahreswert 2018. Regierungsfeindliche Elemente waren auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer; 41% der Opfer waren Frauen und Kinder. Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September - im Gegensatz zu 2019 - von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 17.10.2019).
Für das gesamte Jahr 2018 wurde von mindestens 9.214 zivilen Opfern (2.845 Tote, 6.369 Verletzte) (SIGAR 30.4.2019) berichtet bzw. dokumentierte die UNAMA insgesamt 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte). Den Aufzeichnungen der UNAMA zufolge, entspricht das einem Anstieg bei der Gesamtanzahl an zivilen Opfern um 5% bzw. 11% bei zivilen Todesfällen gegenüber dem Jahr 2017 und markierte einen Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2009. Die meisten zivilen Opfer wurden im Jahr 2018 in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni und Faryab verzeichnet, wobei die beiden Provinzen mit der höchsten zivilen Opferanzahl - Kabul (1.866) und Nangarhar (1.815) - 2018 mehr als doppelt so viele Opfer zu verzeichnen hatten, wie die drittplatzierte Provinz Helmand (880 zivile Opfer) (UNAMA 24.2.2019; vgl. SIGAR 30.4.2019). Im Jahr 2018 stieg die Anzahl an dokumentierten zivilen Opfern aufgrund von Handlungen der regierungsfreundlichen Kräfte um 24% gegenüber 2017. Der Anstieg ziviler Opfer durch Handlungen regierungsfreundlicher Kräfte im Jahr 2018 wird auf verstärkte Luftangriffe, Suchoperationen der ANDSF und regierungsfreundlicher bewaffneter Gruppierungen zurückgeführt (UNAMA 24.2.2019).
High-Profile Angriffe (HPAs)
Sowohl im gesamten Jahr 2018 (USDOD 12.2018), als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018). Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen (USDOD 6.2019). Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 73) (USDOD 12.2018), zwischen 1.12.2018 und15.5.2019 waren es 6 HPAs (Vorjahreswert: 17) (USDOD 6.2019).
Anschläge gegen Gläubige und Kultstätten, religiöse Minderheiten
Die Zahl der Angriffe auf Gläubige, religiöse Exponenten und Kultstätten war 2018 auf einem ähnlich hohen Niveau wie 2017: bei 22 Angriffen durch regierungsfeindliche Kräfte, meist des ISKP, wurden 453 zivile Opfer registriert (156 Tote, 297 Verletzte), ein Großteil verursacht durch Selbstmordanschläge (136 Tote, 266 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).
Für das Jahr 2018 wurden insgesamt 19 Vorfälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten dokumentiert, bei denen es insgesamt zu 747 zivilen Opfern kam (223 Tote, 524 Verletzte). Dies ist eine Zunahme von 34% verglichen mit dem Jahr 2017. Während die Mehrheit konfessionell motivierter Angriffe gegen Schiiten im Jahr 2017 auf Kultstätten verübt wurden, gab es im Jahr 2018 nur zwei derartige Angriffe. Die meisten Anschläge auf Schiiten fanden im Jahr 2018 in anderen zivilen Lebensräumen statt, einschließlich in mehrheitlich von Schiiten oder Hazara bewohnten Gegenden. Gezielte Attentate und Selbstmordangriffe auf religiöse Führer und Gläubige führten, zu 35 zivilen Opfern (15 Tote, 20 Verletzte) (UNAMA 24.2.2019).
Angriffe im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen im Oktober 2018
Die afghanische Regierung bemühte sich Wahllokale zu sichern, was mehr als 4 Millionen afghanischen Bürgern ermöglichte zu wählen (UNAMA 11.2018). Und auch die Vorkehrungen der ANDSF zur Sicherung der Wahllokale ermöglichten eine Wahl, die weniger gewalttätig war als jede andere Wahl der letzten zehn Jahre (USDOS 12.2018). Die Taliban hatten im Vorfeld öffentlich verkündet, die für Oktober 2018 geplanten Parlamentswahlen stören zu wollen. Ähnlich wie bei der Präsidentschaftswahl 2014 warnten sie Bürger davor, sich für die Wahl zu registrieren, verhängten "Geldbußen" und/oder beschlagnahmten Tazkiras und bedrohten Personen, die an der Durchführung der Wahl beteiligt waren (UNAMA 11.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Von Beginn der Wählerregistrierung (14.4.2018) bis Ende des Jahres 2018, wurden 1.007 Opfer (226 Tote, 781 Verletzte) sowie 310 Entführungen aufgrund der Wahl verzeichnet (UNAMA 24.2.2019). Am Wahltag (20.10.2018) verifizierte UNAMA 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) durch Wahl bedingte Gewalt. Die höchste Anzahl an zivilen Opfern an einem Wahltag seit Beginn der Aufzeichnungen durch UNAMA im Jahr 2009 (UNAMA 11.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (USDOD 6.2019; vgl. CRS 12.2.2019) und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (USDOD 6.2019):
Taliban
Die USA sprechen seit rund einem Jahr mit hochrangigen Vertretern der Taliban über eine politische Lösung des langjährigen Afghanistan-Konflikts. Dabei geht es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen wird. Beide Seiten hatten sich jüngst optimistisch gezeigt, bald zu einer Einigung zu kommen (FAZ 21.8.2019). Während dieser Verhandlungen haben die Taliban Forderungen eines Waffenstillstandes abgewiesen und täglich Operationen ausgeführt, die hauptsächlich die afghanischen Sicherheitskräfte zum Ziel haben. (TG 30.7.2019). Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zu Ziel. Das wird als Versuch gewertet, in den Friedensverhandlungen ein Druckmittel zu haben (USDOD 6.2019).
Der derzeitige Taliban-Führer ist nach wie vor Haibatullah Akhundzada (REU 17.8.2019; vgl. FA 3.1.2018) - Stellvertreter sind Mullah Mohammad Yaqub - Sohn des ehemaligen Taliban-Führers Mullah Omar - und Serajuddin Haqqani (CTC 1.2018; vgl. TN 26.5.2016) Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (TN 13.1.2017). Die Taliban bezeichnen sich selbst als das Islamische Emirat Afghanistan (VOJ o. D.). Die Regierungsstruktur und das militärische Kommando sind in der Layha, einem Verhaltenskodex der Taliban, definiert (AAN 4.7.2011), welche zuletzt 2010 veröffentlicht wurde (AAN 6.12.2018).
Ein Bericht über die Rekrutierungspraxis der Taliban teilt die Taliban-Kämpfer in zwei Kategorien: professionelle Vollzeitkämpfer, die oft in den Madrassen rekrutiert werden, und Teilzeit-Kämpfer vor Ort, die gegenüber einem lokalen Kommandanten loyal und in die lokale Gesellschaft eingebettet sind (LI 29.6.2017). Die Gesamtstärke der Taliban wurde von einem Experten im Jahr 2017 auf über 200.000 geschätzt, darunter angeblich 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Der Experte schätzte jedoch, dass die Zahl der Vollzeitkämpfer, die gleichzeitig in Afghanistan aktiv sind, selten 40.000 übersteigt (LI 23.8.2017). Im Jänner 2018 schätzte ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums die Gesamtstärke der Taliban in Afghanistan auf 60.000 (NBC 30.1.2018). Laut dem oben genannten Experten werden die Kämpfe hauptsächlich von den Vollzeitkämpfern der mobilen Einheiten ausgetragen (LI 23.8.2017; vgl. AAN 3.1.2017; AAN 17.3.2017).
Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan. Seit Ende 2014 wurden 20 davon öffentlich zur Schau gestellt. Das Khalid bin Walid-Camp soll12 Ableger, in acht Provinzen betreibt (Helmand, Kandahar, Ghazni, Ghor, Saripul, Faryab, Farah und Maidan Wardak). 300 Militärtrainer und Gelehrte sind dort tätig und es soll möglich sein, in diesem Camp bis zu 2.000 Rekruten auf einmal auszubilden (LWJ 14.8.2019).
Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt (LI 23.8.2017). In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend NichtPaschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LI 23.8.2017).
Haqqani-Netzwerk
Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida (CRS 12.2.2019). Benannt nach dessen Begründer, Jalaluddin Haqqani (AAN 1.7.2010; vgl. USDOS 19.9.2018; vgl. CRS 12.2.2019), einem führenden Mitglied des antisowjetischen Jihad (1979-1989) und einer wichtigen TalibanFigur; sein Tod wurde von den Taliban im September 2018 verlautbart. Der derzeitige Leiter ist dessen Sohn Serajuddin Haqqani, der seit 2015, als stellvertretender Leiter galt (CTC 1.2018).
Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk, seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt (NYT 20.8.2019) und wird für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich gemacht (CRS 12.2.2019).
Islamischer Staat (IS/ISIS/ISIL/Daesh), Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP)
Erste Berichte über den Islamischen Staat (IS, auch ISIS, ISIL oder Daesh genannt) in Afghanistan gehen auf den Sommer 2014 zurück (AAN 17.11.2014; vgl. LWJ 5.3.2015). Zu den Kommandanten gehörten zunächst oft unzufriedene afghanische und pakistanische Taliban (AAN 1.8.2017; vgl. LWJ 4.12.2017). Schätzungen zur Stärke des ISKP variieren zwischen 1.500 und 3.000 (USDOS 18.9.2018), bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern (UNSC 13.6.2019). Nach US-Angaben vom Frühjahr 2019 ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Auch soll der Islamische Staat vom zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan sowie von aus Syrien geflohenen Kämpfern profitieren (BAMF 3.6.2019; vgl. VOA 21.5.2019).
Berichten zufolge, besteht der ISKP in Pakistan hauptsächlich aus ehemaligen Teherik-e Taliban Mitgliedern, die vor der pakistanischen Armee und ihrer militärischen Operationen in der FATA geflohen sind (CRS 12.2.2019 ;vgl. CTC 12.2018). Dem Islamischen Staat ist es gelungen, seine organisatorischen Kapazitäten sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan dadurch zu stärken, dass er Partnerschaften mit regionalen militanten Gruppen einging. Seit 2014 haben sich dem Islamischen Staat mehrere Gruppen in Afghanistan angeschlossen, z.B. Teherik-e Taliban Pakistan (TTP)-Fraktionen oder das Islamic Movement of Uzbekistan (IMU), während andere ohne formelle Zugehörigkeitserklärung mit IS-Gruppierungen zusammengearbeitet haben, z.B. die JundullahFraktion von TTP oder Lashkar-e Islam (CTC 12.2018).
Der islamische Staat hat eine Präsenz im Osten des Landes, insbesondere in der Provinz Nangarhar, die an Pakistan angrenzt (CRS 12.2.2019 ;vgl. CTC 12.2018). In dieser sind vor allem bestimmte südliche Distrikte von Nangarhar betroffen (AAN 27.9.2016; vgl. REU 23.11.2017; AAN 23.9.2017; AAN 19.2.2019), wo sie mit den Taliban um die Kontrolle kämpfen (RFE/RL 30.10.2017; vgl. AAN 19.2.2019). Im Jahr 2018 erlitt der ISKP militärische Rückschläge sowie Gebietsverluste und einen weiteren Abgang von Führungspersönlichkeiten. Einerseits konnten die Regierungskräfte die Kontrolle über ehemalige IS-Gebiete erlangen, andererseits schwächten auch die Taliban die Kontrolle des ISKP in Gebieten in Nangarhar (UNSC 13.6.2019; vgl. CSR 12.2.2019). Aufgrund der militärischen Niederlagen war der ISKP dazu gezwungen, die Anzahl seiner Angriffe zu reduzieren. Die Gruppierung versuchte die Provinzen Paktia und Logar im Südosten einzunehmen, war aber schlussendlich erfolglos (UNSC 31.7.2019). Im Norden Afghanistans versuchten sie ebenfalls Fuß zu fassen. Im August 2018 erfuhr diese Gruppierung Niederlagen, wenngleich sie dennoch als Bedrohung in dieser Region wahrgenommen wird (CSR 12.2.2019). Berichte über die Präsenz des ISKP könnten jedoch übertrieben sein, da Warnungen vor dem Islamischen Staat laut einem Afghanistan-Experten "ein nützliches Fundraising-Tool" sind: so kann die afghanische Regierung dafür sorgen, dass Afghanistan im Bewusstsein des Westens bleibt und die Auslandshilfe nicht völlig versiegt (NAT 12.1.2017). Die Präsenz des ISKP konzentrierte sich auf die Provinzen Kunar und Nangarhar. Außerhalb von Ostafghanistan ist es dem ISKP nicht möglich, eine organisierte oder offene Präsenz aufrechtzuerhalten (UNSC 13.6.2019).
Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele, verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit (CSR 12.2.2019; vgl. UNAMA 24.2.2019; AAN 24.2.2019; CTC 12.2018; UNGASC 7.12.2018; UNAMA 10.2018). Im Jahr 2018 war der ISKP für ein Fünftel aller zivilen Opfer verantwortlich, obwohl er über eine kleinere Kampftruppe als die Taliban verfügt (AAN 24.2.2019). Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt (UNAMA 24.2.2019), nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab (UNAMA 30.7.2019).
Der ISKP verurteilt die Taliban als "Abtrünnige", die nur ethnische und/oder nationale Interessen verfolgen (CRS 12.2.2019). Die Taliban und der Islamische Staat sind verfeindet. In Afghanistan kämpfen die Taliban seit Jahren gegen den IS, dessen Ideologien und Taktiken weitaus extremer sind als jene der Taliban (WP 19.8.2019; vgl. AP 19.8.2019). Während die Taliban ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte beschränken (AP 19.8.2019), zielt der ISKP darauf ab, konfessionelle Gewalt in Afghanistan zu fördern, indem sich Angriffe gegen Schiiten richten (WP 19.8.2019).
Al-Qaida und ihr verbundene Gruppierungen
Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Beide Gruppierungen haben immer wieder öffentlich die Bedeutung ihres Bündnisses betont (UNSC 15.1.2019). Unter der Schirmherrschaft der Taliban ist al-Qaida in den letzten Jahren stärker geworden; dabei wird die Zahl der Mitglieder auf 240 geschätzt, wobei sich die meisten in den Provinzen Badakhshan, Kunar und Zabul befinden. Mentoren und al-Qaida-Kadettenführer sind oftmals in den Provinzen Helmand und Kandahar aktiv (UNSC 13.6.2019).
Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen. Des Weiteren fungieren al-Qaida-Mitglieder als Ausbilder und Religionslehrer der Taliban und ihrer Familienmitglieder (UNSC 13.6.2019).
Im Rahmen der Friedensgespräche mit US-Vertretern haben die Taliban angeblich im Jänner 2019 zugestimmt, internationale Terrorgruppen wie Al-Qaida aus Afghanistan zu verbannen (TEL 24.1.2019).
Balkh
Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar-e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan (UNOCHA 13.4.2014; vgl. GADM 2018). Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt:
Balkh, Char Bolak, Char Kent, Chimtal, Dawlat Abad, Dehdadi, Kaldar, Kishindeh, Khulm, Marmul, Mazar-e Sharif, Nahri Shahi, Sholgara, Shortepa und Zari (CSO 2019; vgl. IEC 2018).
Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif (CSO 2019). Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (PAJ o.D.; vgl. NPS o.D.).
Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum (SH 16.1.2017). Die Autobahn, welche zum usbekischen Grenzübergang Hairatan-Termiz führt, zweigt ca. 40 km östlich von Mazar-e Sharif von der Ringstraße ab. (TD 5.12.2017). In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen (BFA Staatendokumentation 25.3.2019). Im Januar 2019 wurde ein Luftkorridor für Warentransporte eröffnet, der Mazar-e Sharif und Europa über die Türkei verbindet (PAJ 9.1.2019).
Laut dem Opium Survey von UNODC für das Jahr 2018 belegt Balkh den
7. Platz unter den zehn größten Schlafmohn produzierenden Provinzen Afghanistans. Aufgrund der Dürre sank der Mohnanbau in der Provinz 2018 um 30% gegenüber 2017 (UNODC/MCN 11.2018).
Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure
Balkh zählt zu den relativ stabilen (TN 1.9.2019) und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten (AN 6.5.2019). Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen (RFE/RL o.D.; RFE/RL 23.3.2018). In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete (TN 22.8.2019). Einem UN-Bericht zufolge, gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert (UNSC 1.2.2019). Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet (BAMF 11.2.2019).
Das Hauptquartier des 209. ANA Shaheen Corps befindet sich im Distrikt Dehdadi (TN 22.4.2018). Es ist für die Sicherheit in den Provinzen Balkh, Jawzjan, Faryab, Sar-e-Pul und Samangan zuständig und untersteht der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - North (TAAC-N), welche von deutschen Streitkräften geleitet wird (USDOD 6.2019). Deutsche Bundeswehrsoldaten sind in Camp Marmal in Mazar-e Sharif stationiert (TS 22.9.2018).
Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung
Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen. UNAMA verzeichnete für das Jahr 2018 insgesamt 99 zivile Opfer durch Bodenkämpfe in der Provinz (UNAMA 24.2.2019). Hinsichtlich der nördlichen Region, zu denen UNAMA auch die Provinz Balkh zählt, konnte in den ersten 6 Monaten ein allgemeiner Anstieg ziviler Opfer verzeichnet werden (UNAMA 30.7.2019).
Im Winter 2018/2019 (UNGASC 28.2.2019) und Frühjahr 2019 wurden ANDSF-Operationen in der Provinz Balkh durchgeführt (UNGASC 14.6.2019). Die ANDSF führen auch weiterhin regelmäig Operationen in der Provinz (RFERL 22.9.2019; vgl KP 29.8.2019, KP 31.8.2019, KP 9.9.2019) unter anderem mit Unterstützung der US-amerikanischen Luftwaffe durch (BAMF 14.1.2019; vgl. KP 9.9.2019). Taliban-Kämpfer griffen Einheiten der ALP, Mitglieder regierungsfreundlicher Milizen und Sicherheitsposten beispielsweise in den Distrikten Chahrbulak (TN 9.1.2019; vgl. TN 10.1.2019), Chemtal (TN 11.9.2018; vgl. TN 6.7.2018), Dawlatabad (PAJ 3.9.2018; vgl. RFE/RL 4.9.2018) und Nahri Shahi (ACCORD 30.4.2019) an.
Berichten zufolge, errichten die Taliban auf wichtigen Verbindungsstraßen, die unterschiedliche Provinzen miteinander verbinden, immer wieder Kontrollpunkte. Dadurch wird das Pendeln für Regierungsangestellte erschwert (TN 22.8.2019; vgl. 10.8.2019). Insbesondere der Abschnitt zwischen den Provinzen Balkh und Jawjzan ist von dieser Unsicherheit betroffen (TN 10.8.2019).
IDPs - Binnenvertriebene
UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 1.218 aus der Provinz Balkh vertriebene Personen, die hauptsächlich in der Provinz selbst in den Distrikten Nahri Shahi und Kishindeh Zuflucht fanden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 4.361 konfliktbedingt Vertriebene aus Balkh, die allesamt in der Provinz selbst verblieben (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 15.313 Vertriebene in die Provinz Balkh, darunter
1.218 aus der Provinz selbst, 10.749 aus Faryab und 1.610 aus Sar-e-Pul (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 14.301 Vertriebene nach Mazar-e-Sharif und Nahri Shahi, die aus der Provinz Faryab, sowie aus Balkh, Jawzjan, Samangan und Sar-e-Pul stammten (UNOCHA 18.8.2019).
Nangarhar
Nangarhar liegt im Osten Afghanistans, an der afghanisch-pakistanischen Grenze. Die Provinz grenzt im Norden an Laghman und Kunar, im Osten und Süden an Pakistan (Tribal Distrikts Kurram, Khyber und Mohmand der Provinz Khyber Pakhtunkhwa) und im Westen an Logar und Kabul (NPS o.D.na; vgl. UNOCHA 16.4.2010, UNOCHA 4.2018na). Die Provinzhauptstadt von Nangarhar ist Jalalabad (NPS o. D.na; vgl. OPr 1.2.2017na). Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Achin, Bati Kot, Behsud, Chaparhar, Dara-e-Nur, Deh Bala (auch Haska Mena (AB19.9.2016; VOA 28.6.2019)), Dur Baba, Goshta, Hesarak, Jalalabad, Kama, Khugyani, Kot, Kuzkunar, Lalpoor, Muhmand Dara, Nazyan, Pachiragam, Rodat, Sher Zad, Shinwar und Surkh Rud (CSO 2019; vgl. IEC 2018na, UNOCHA 4.2014na, NPS o. D.na) sowie dem temporären Distrikt Spin Ghar (CSO 2019; vgl. IEC 2018na).
Die afghanische zentrale Statistikorganisation (CSO) schätzte die Bevölkerung von Nangarhar für den Zeitraum 2019-20 auf 1.668.481 Personen - davon 263.312 Einwohner in der Hauptstadt Jalalabad (CSO 2019). Die Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Paschtunen, gefolgt von Pashai, Arabern und Tadschiken (NPS o.D.na). Mitglieder der Sikh- und Hindu-Gemeinschaft lebten in der Provinz Nangarhar, insbesondere in und um Jalalabad (AAN 23.9.2013). Viele von ihnen haben Afghanistan aus unterschiedlichen Gründen wie z.B. Unsicherheit verlassen. Mit Stand September 2018 lebten noch 60 Familien in der Gemeinde in Nangarhar (SW 23.9.2018).
Die asiatische Autobahn AH-1 führt durch die Distrikte Surkhrod, Jalalabad, Behsud, Rodat, Batikot, Shinwar, Muhmand Dara zum afghanisch-pakistanischen Grenzübergang Torkham (MoPW 16.10.2015; vgl. UNOCHA 4.2014na). Die Provinz, die an die ehemaligen Stammesgebiete unter Bundesverwaltung (FATA) Pakistans grenzt, dient als inoffizieller Korridor für in- und ausländische Aufständische (AAN 27.9.2016; vgl. VOA 28.6.2019; PF 15.5.2019; NA 25.1.2018).
Laut dem UNODC Opium Survey 2018 war Nangarhar in der östlichen Region die führende Provinz beim Schlafmohnanbau, obwohl die Anbaufläche 2018 im Vergleich zu 2017 um 9% gesunken ist. Der Rückgang betraf die Distrikte Khogyani, Chaparhar und Lalpoor, während in Kot, Shinwar und Achin ein Anstieg verzeichnet wurde. Die meisten staatlich durchgeführten Mohnvernichtungsaktionen fanden in der Provinz Nangarhar statt (UNODC/MCN 11.2018).
Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure
In Nangarhar, die als strategische Provinz gilt (RY 27.4.2019), war seit 2011 eine Verschlechterung der politischen und sicherheitspolitischen Situation zu beobachten (AAN 27.9.2016; vgl. TBIJ 30.7.2018, NA 25.1.2018). Korruption, lokale Machtkämpfe und das Versagen, effektive Dienstleistungen zu erbringen, untergruben das Vertrauen der Bevölkerung in die afghanische Regierung, die die Bevölkerung ungeschützt gegen Aufständische zurückließ, aber auch der Rückzug der internationalen Streitkräfte in der Provinz ab dem Jahr 2013 trug dazu bei (AAN 27.9.2016). Nichtsdestotrotz sind Bemühungen der Regierung auf dem Weg, um Sicherheit zu gewährleisten, Landraub und Korruption vorzubeugen sowie die Koordinierung zwischen den Sicherheits- und Rechtsorganen zu verbessern (PAJ 20.1.2019). So arbeitet die UNAMA auch weiterhin auf lokaler Ebene mit ansässigen Gemeinschaften und Behörden, um Frieden und Konfliktlösungsbemühungen umzusetzen und voranzutreiben; so auch in der Provinz Nangarhar, wo UNAMA eine Friedensjirga zwischen zwei St