TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/26 W133 1422728-5

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Veröffentlicht am 26.02.2020
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Entscheidungsdatum

26.02.2020

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §88 Abs2a

Spruch

W133 1422728-5/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX auch XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.06.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.10.2019 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Erstes Asylverfahren:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 23.06.2011 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 04.11.2011 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 23.06.2011 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 idF Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 (FrÄG 2011) mit einer Ausweisung nach Afghanistan (Spruchpunkt III.). Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine Beschwerde. Mit Erkenntnis vom 07.05.2012 wies der Asylgerichtshof diese Beschwerde gemäß §§ 3, 8 und 10 AsylG 2005 als unbegründet ab. Dieses Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 08.05.2012 rechtswirksam zugestellt und erwuchs damit in Rechtskraft. Am 06.08.2012 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen des Dublin-Übereinkommens (betreffend die Zuständigkeit für das Asylverfahren) von Belgien nach Österreich rücküberstellt.

Zweites Asylverfahren:

Am 06.08.2012 stellte der Beschwerdeführer in Österreich einen neuerlichen Asylantrag. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 12.01.2013 den zweiten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 06.08.2012 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aus (Spruchpunkt II.). Gegen diesen Bescheid erhob er eine Beschwerde. Mit Erkenntnis vom 27.03.2013 wies der Asylgerichtshof diese Beschwerde gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 AsylG 2005 als unbegründet ab. Dieses Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 02.04.2013 rechtswirksam zugestellt und erwuchs damit in Rechtskraft. Am 26.07.2013 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen des Dublin-Übereinkommens aus Deutschland nach Österreich rücküberstellt.

Drittes Asylverfahren:

Am 27.07.2013 stellte der Beschwerdeführer einen dritten Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesasylamtes wurde der dritte Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt II.). Gegen diesen Bescheid erhob er eine Beschwerde. Mit Erkenntnis vom 04.02.2014 wies das Bundesverwaltungsgericht diese Beschwerde gemäß § 68 Abs. 1 AVG ab (Spruchpunkt I.) und verwies das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) zurück (Spruchpunkt II).

Viertes Asylverfahren:

Am 02.06.2014 stellte der Beschwerdeführer einen neuerlichen Asylantrag. Das BFA wies mit Bescheid vom 15.10.2015 diesen vierten Antrag auf internationalen Schutz vom 02.06.2014 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.), stellte fest, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55, 57 AsylG nicht erteilt werde, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen werde und gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II). Im Spruchpunkt III. wurde festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Gegen diesen Bescheid erhob er eine Beschwerde. Mit Erkenntnis vom 28.10.2015 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde hinsichtlich des Teiles des Spruchpunktes I., der sich auf die Zurückweisung wegen § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Asyl) bezog, gemäß § 68 Abs. 1 ab. Der Beschwerde wurde jedoch hinsichtlich des Teiles des Spruchpunktes I., der sich auf die Zurückweisung wegen § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (subsidiärer Schutz) bezog, stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

Gegenständliches Verfahren betreffend die Ausstellung eines Fremdenpasses:

Dem in Österreich subsidiär schutzberechtigten Beschwerdeführer wurde zunächst am 02.01.2017 vom BFA ein bis 27.10.2018 gültiger Fremdenpass ausgestellt.

Am 12.06.2019 beantragte der Beschwerdeführer beim BFA erneut die Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte. Im Antrag ist in der Rubrik des Formulars Staatsangehörigkeit "Afghanistan" eingetragen. Diesem Antrag legte er einen Bescheid des BFA vom 22.10.2018, mit welchem ihm aufgrund seines Antrages auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung eine solche gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 27.10.2020 erteilt wurde, bei.

Im Akt liegt eine Bestätigung auf, dass der Beschwerdeführer seine Originalgeburtsurkunde (Tazkira) am 25.01.2019 vom BFA übernommen hat.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 19.06.2019 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG nunmehr ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer im Besitz einer Tazkira sei, wodurch seine Identität und seine Staatsangehörigkeit zweifelsfrei feststehen würden, daher erfülle er die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG nicht. Es werde davon ausgegangen, dass es ihm bei entsprechendem Engagement möglich und zumutbar sei, ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu erlangen.

Mit Verfahrensanordnung vom 19.06.2019 wurde dem Beschwerdeführer ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

Gegen den Bescheid des BFA erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und brachte dabei im Wesentlichen vor, dass er seine Tazkira bei einem Umzug verloren habe und daher die Voraussetzungen für die Ausstellung eines afghanischen Reisepasses nicht erfülle. Er habe eine Kopie der Verlustanzeige betreffend seine Tazkira im Juni 2019 bei der belangten Behörde abgegeben. Der Beschwerdeführer sei auch schon bei der Botschaft gewesen, um einen afghanischen Reisepass zu beantragen. Diese habe ihm jedoch mitgeteilt, dass ihm kein Pass ausstellt werden könne, ohne dass er die Tazkira vorlege. Für den Besuch der Botschaft habe er keine Bestätigung mehr erhalten, da die Botschaft nur einmal eine Bestätigung ausstelle und er bereits im Vorverfahren eine Bestätigung ausgestellt bekommen habe. Daher könne er den Besuch bei der Botschaft in Wien nicht beweisen, obwohl er tatsächlich dort gewesen sei. Der Beschwerde beigefügt sind eine vom Beschwerdeführer gezeichnete Vollmacht vom 02.07.2019 zugunsten seiner Rechtsvertretung, eine Kopie eines Zahlscheines, eine Verlustanzeige der XXXX vom XXXX , aus welcher sich ergibt, dass er angegeben habe, seine Tazkira im März 2019 im Raum XXXX und Umgebung verloren zu haben, sowie zwei Anfragebeantwortung der Staatsdokumentation betreffend Afghanistan.

Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 13.08.2019 vom BFA vorgelegt.

Am 29.10.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer, dessen Rechtsvertretung und ein Dolmetscher für die Sprachen Paschtu und Dari teilnahmen. Die belangte Behörde blieb entschuldigt der Verhandlung fern. Im Rahmen der Verhandlung wurde der Beschwerdeführer eingehend betreffend den Verlust seiner Tazkira befragt. Dem Beschwerdeführer wurde aufgetragen, dem Gericht binnen vier Wochen einen aktuellen schriftlichen Nachweis der afghanischen Botschaft Wien vorzulegen, aus dem eindeutig ersichtlich sei, dass die Botschaft ihm die Ausstellung eines Reisedokumentes verweigere.

Daraufhin wurde eine Bestätigung der afghanischen Botschaft vom 12.12.2016 vorgelegt, aus welcher hervorgeht, dass der Beschwerdeführer zum damaligen Zeitpunkt nicht alle Anforderungen für die Ausstellung eines afghanischen Reisepasses erfüllte. Im beiliegenden Schreiben der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers wird ausgeführt, dass das Schreiben zwar mit 12.12.2016 datiert sei, dieses allerdings nach wie vor aktuell sei. Eine Nachfrage des Beschwerdeführers bei der Botschaft habe ergeben, dass ihm nach wie vor kein Reisepass ausgestellt werden könne. Ein neuerliches Schreiben sei ihm - mit Verweis auf die Gültigkeit des vorgelegten Schreibens - nicht ausgestellt worden. Außerdem wurde eine Kopie des abgelaufenen Fremdenpasses des Beschwerdeführers vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans. Mit Bescheid des BFA vom 22.10.2018 wurde seine befristete Aufenthaltsberechtigung in Österreich als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 27.10.2020 verlängert.

Im Rahmen seines Asylverfahrens legte der Beschwerdeführer seine Tazkira im Original bei der belangten Behörde vor.

Am 25.01.2019 wurde dem Beschwerdeführer seine Tazkira im Original vom BFA ausgehändigt.

Es kann zum Entscheidungszeitpunkt nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zur Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den vorliegenden Verwaltungsakten, sind unzweifelhaft und wurden nicht bestritten.

Wie bereits die belangte Behörde festgestellt hat, legte der Beschwerdeführer im Rahmen seines Asylverfahrens seine Tazkira im Original vor. Trotzdem wurde dem Beschwerdeführer am 02.01.2017 vom BFA ein bis 27.10.2018 gültiger Fremdenpass ausgestellt. Dies augenscheinlich deshalb, da die Tazkira damals von der Behörde nicht aufgefunden werden konnte. Daher wurde dem Beschwerdeführer nach Vorlage einer Bestätigung der afghanischen Botschaft vom 12.12.2016, aus welcher hervorgeht, dass er zum damaligen Zeitpunkt nicht alle Anforderungen zur Ausstellung eines afghanischen Reisepasses besaß, von der belangten Behörde ein befristeter Fremdenpass ausgestellt. Am 25.01.2019 wurde dem Beschwerdeführer seine Tazkira im Original vom BFA ausgehändigt, da diese nun offenbar im Asylakt aufgefunden worden war. Diesbezüglich befindet sich auch eine Übernahmebestätigung im Akt, auch wurde die Aushändigung der Tazkira im Original vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Am 11.06.2019 erstattete der Beschwerdeführer eine Verlustanzeige und gab an, dass er seine Tazkira im März 2019 verloren habe. Am 12.06.2019 beantragte er beim BFA erneut die Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte.

Die Angaben des Beschwerdeführers, dass er seine Tazkira verloren habe, werden vom erkennenden Gericht aufgrund der widersprüchlichen Aussagen des Beschwerdeführers betreffend den Verlust der Tazkira, trotz Vorlage einer Verlustanzeige, als nicht glaubhaft erachtet. In der Beschwerde vom 16.07.2019 wird dazu ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Tazkira bei einem Umzug in eine neue Wohnung verloren habe. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 29.10.2019 gab er betreffend den Verlust der Tazkira an, dass er diese, als er sie von der Polizei zurückbekommen habe, in seine Tasche, welche er auch bei der Verhandlung dabeihatte, gesteckt habe. Dann wisse er nicht wie es passiert sei, aber es sei diese dann verloren gegangen.

Auch betreffend den Zeitpunkt des Verlustes der Tazkira machte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung völlig widersprüchliche Angaben:

Nach der im Akt aufliegenden, vom Beschwerdeführer unterfertigten Übernahmebestätigung, hatte er die Tazkira im Original am 15.01.2019 von der Behörde ausgehändigt erhalten (AS11).

Auf die Frage in der Verhandlung, wann er seine Tazkira im Original bei der Polizei abgeholt habe, gab er an, dass er sich an das genaue Datum nicht erinnere, es sei aber damals gewesen, als er seinen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses gestellt habe. Er habe zum zweiten Mal einen Fremdenpass beantragt (Anmerkung: Antragstellung am 12.06.2019), nach ein paar Tagen sei er von der Behörde angerufen worden, welche ihm mitgeteilt habe, dass seine originale Tazkira gefunden worden sei. Er solle kommen und das Original abholen und damit zur afghanischen Botschaft gehen. Er habe schließlich die Tazkira geholt, sie aber leider ein paar Tage später verloren. Auf Vorhalt, dass auf der Verlustanzeige März 2019 als Verlustzeitraum angegeben sei, korrigierte sich der Beschwerdeführer und führte aus, dass er die Tazkira im März verloren habe. Auf Vorhalt, dass er gesagt habe, dass er die Tazkira im Juni, als er den zweiten Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses gestellt habe, verloren habe, führte er aus, dass er die Verlustanzeige im März gemacht habe, deshalb stehe darauf geschrieben, dass er die Tazkira im März verloren habe. Er wisse nicht, wann er sie genau verloren habe. Auf Vorhalt, dass er die Anzeige am 11.06.2019 gemacht habe und angegeben habe, dass er die Tazkira im März verloren habe, gab er an, dass er im Juni bei der Polizei gewesen sei. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer vom Gericht auf seine erhöhte Mitwirkungspflicht im gegenständlichen Verfahren hingewiesen. Schließlich führte er aus, dass er den zweiten Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses im sechsten Monat gestellt habe, im sechsten Monat sei er auch bei der Polizei gewesen und habe eine Verlustanzeige aufgegeben. Er sei von der Polizei gefragt worden, wann die Tazkira verloren gegangen sei und habe daraufhin gesagt, dass dies im März gewesen sei. Dass der Beschwerdeführer seine Tazkira im Original tatsächlich verloren hat, kann vor dem Hintergrund der vollkommen widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers nicht angenommen werden.

Aber selbst wenn man annimmt, dass der Beschwerdeführer seine Tazkira tatsächlich verloren hat, wovon das erkennenden Gericht - wie eben dargelegt - nicht ausgeht, kann das Verwaltungsgericht zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage wäre, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen. Es wird davon ausgegangen, dass die belangte Behörde eine Kopie der Tazkira für den Asylakt des Beschwerdeführers angefertigt hat. Somit hätte sich der Beschwerdeführer vom BFA eine Kopie der Tazkira besorgen können, welche er bei der afghanischen Botschaft vorlegen hätte können. Die Aussage des Beschwerdeführers, dass er mit einer Kopie seiner Tazkira bei der afghanischen Botschaft gewesen sei (Anmerkung: gemeint im Jahr 2016) , ihm jedoch dort gesagt worden sei, dass eine Kopie der Tazkira nicht akzeptiert werde, wird - ohne die Vorlage einer entsprechenden Bestätigung - als nicht glaubhaft erachtet. Dies auch insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben in der Verhandlung in seiner Heimat bereits einen afghanischen Reisepass besessen hatte, welcher nur abgelaufen ist. Es ist evident, dass Vertretungsbehörden von Staaten bei Vorliegen von zweifelsfrei mit dem Original übereinstimmenden Kopien von Identitätsdokumenten ihres Entsendestaates, über Möglichkeiten verfügen, Dokumentenüberprüfungen durchzuführen, allenfalls unter Befassung der Ausstellungsbehörden im Herkunftsstaat. Es sind keine Hinweise hervorgekommen, die die Annahme rechtfertigen würden, die afghanische Botschaft würde dies im Fall des Beschwerdeführers nicht tun. Dem Beschwerdeführer war in der Verhandlung am 29.10.2019 auch ausdrücklich aufgetragen worden, dem Gericht binnen vier Wochen einen aktuellen schriftlichen Nachweis der afghanischen Botschaft Wien vorzulegen, aus dem eindeutig ersichtlich ist, dass die Botschaft ihm die Ausstellung eines Reisedokumentes verweigert. Der Beschwerdeführer legte keinen aktuellen Nachweis vor, sondern nur eine Bestätigung der afghanischen Botschaft vom 12.12.2016, aus welcher nur hervorgeht, dass der Beschwerdeführer zum damaligen Zeitpunkt nicht alle Anforderungen für die Ausstellung eines afghanischen Reisepasses erfüllte.

Es kann derzeit somit nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen.

Letztlich ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren, trotz eindeutiger Aufforderung in der mündlichen Verhandlung, überhaupt keinen Nachweis (beispielsweise eine Zeitbestätigung) vorgelegt hat, aus welchem hervorgehen würde, dass er überhaupt aktuell bei der afghanischen Botschaft in Wien vorgesprochen hat. Die im Verfahren vorgelegte Bestätigung der Botschaft ist mit 12.12.2016 datiert und wurde im Rahmen der ersten Antragstellung auf Ausstellung eines Fremdenpasses vom Beschwerdeführer vorgelegt. Aus welchen Gründen die afghanische Botschaft dem Beschwerdeführer die Ausstellung einer neuen Bestätigung, unter Hinweis auf das Schreiben vom 12.12.2016, zum aktuellen Zeitpunkt verweigern sollte - wie der Beschwerdeführer dies behauptet - kann nicht nachvollzogen werden. Dies insbesondere auch deshalb, da sich die Umstände seit der Ausstellung des Schreibens vom 12.12.2016 geändert haben, da die Tazkira im Original bzw. eine Kopie davon, nunmehr vorhanden ist und auch aus der Bestätigung der Botschaft vom 12.12.2016 nicht hervorgeht, aus welchen genauen Gründen der Beschwerdeführer zum damaligen Zeitpunkt nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Reisepasses erfüllt hatte.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 88 Fremdenpolizeigesetz FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, lautet:

"Ausstellung von Fremdenpässen

§ 88. (1) Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für

1. Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen;

2. ausländische Staatsangehörige, die über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;

3. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" (§ 45 NAG) gegeben sind;

4. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen oder

5. ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt.

(2) Fremdenpässe können auf Antrag weiters ausgestellt werden für Staatenlose, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

(2a) Fremdenpässe sind Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.

(3) Die Gestaltung der Fremdenpässe wird entsprechend den für solche Reisedokumente international üblichen Anforderungen durch Verordnung des Bundesministers für Inneres bestimmt. Im Übrigen hat die Verordnung den für Reisepässe geltenden Regelungen des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839, zu entsprechen.

(4) Hinsichtlich der weiteren Verfahrensbestimmungen über die Ausstellung eines Fremdenpasses, der Bestimmungen über die Verarbeitung und Löschung von personenbezogenen Daten und der weiteren Bestimmungen über den Dienstleister gelten die Bestimmungen des Passgesetzes entsprechend."

Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (2144 BlgNR XXIV. GP) geht zu Abs. 2 und Abs. 2a des § 88 FPG Folgendes hervor:

"Die Statusrichtlinie sieht die Angleichung der Rechte von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, unter anderem in Bezug auf den Anspruch auf Ausstellung von Reisedokumenten durch den schutzgewährenden Mitgliedstaat, vor. Art. 25 Abs. 2 Statusrichtlinie sieht diesbezüglich vor, dass subsidiär Schutzberechtigten, die keine Reisedokumente ihres Herkunftsstaates erhalten können, durch den schutzgewährenden Mitgliedstaat Reisedokumente auszustellen sind, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Diese Richtlinienbestimmung wird durch § 88 Abs. 2a umgesetzt, indem subsidiär Schutzberechtigten nunmehr ein Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Fremdenpasses eingeräumt wird, der nur aus Gründen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung beschränkt werden kann. Humanitäre Gründe für die Anwesenheit in einem anderen Staat sind nicht mehr erforderlich."

Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte sind dann nicht in der Lage, sich ein Reisedokument ihres Heimatstaates (Herkunftsstaates) zu beschaffen, wenn dessen Vertretungsbehörde die Ausstellung verweigert. Mit der Ausstellung eines Fremdenpasses an den Betroffenen übernimmt Österreich die völkerrechtliche Rücknahmeverpflichtung. Die "zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung" müssen sich auf die den Betroffenen mit dem Fremdenpass eröffnete Reisefreiheit beziehen (Szymanski in Schrefler-König/Szymanski (Hrsg.), Fremdenpolizei und Asylrecht, Fremdenpolizei- und Asylrecht [2014] § 88 FPG Anm. 2).

Das in § 88 Abs. 2a FPG normierte Erfordernis, dass der Fremde nicht in der Lage ist, sich ein Reisedokument seines Herkunftsstaates zu beschaffen, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Ausstellung eines Fremdenpasses einen massiven Eingriff in die Hoheitsrechtes des Herkunftsstaates bedeutet, weshalb dem Gesetz die Prämisse zugrunde liegt, dass Fremde sich zuerst an ihre Heimatvertretung hinsichtlich der Ausstellung eines Reisedokumentes wenden müssen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, K 8 zu § 88 FPG 2005).

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies:

Wie oben in den Feststellungen dargelegt und in der Beweiswürdigung ausführlich begründet, kann zum Entscheidungszeitpunkt nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen.

Es liegen die Voraussetzungen des § 88 Abs. 2a FPG somit nicht vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Für einen allenfalls vom Beschwerdeführer beabsichtigten neuerlichen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses wird er geeignete aktuelle Nachweise dafür zu erbringen haben, dass ihm die afghanische Vertretungsbehörde in Österreich (afghanische Botschaft in Wien) die Ausstellung eines Reisedokuments des Heimatstaates verweigert.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Fremdenpass, Mitwirkungspflicht, Reisedokument, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.1422728.5.00

Zuletzt aktualisiert am

02.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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