Entscheidungsdatum
27.02.2020Norm
BVergG 2018 §12 Abs1 Z4Spruch
W187 2228746-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hubert REISNER über den Antrag der AAAA ,[HR1] vertreten durch die Scherbaum Seebacher Rechtsanwälte GmbH, Schmiedgasse 2, 8010 Graz, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "Projekt Gasenbach (Gemeinde Gasen, Bezirk Weiz) Baggerleistungen, Wasserbausteine/Schotter und LKW-Materialtransporte loco Baustelle Gasenbach zu GZ: 4-Gasenbach-66-2020 (Ausschreibung vom 17.01.2020)" der Auftraggeberin Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, Stubenring 1, 1010 Wien, vertreten durch die vergebende Stelle Gebietsbauleitung Steiermark Ost des forsttechnischen Dienstes für Wildbach- und Lawinenverbauung, Ziegelofenweg 24, 8600 Bruck an der Mur, vom 19. Februar 2020 beschlossen:
A)
Das Bundesverwaltungsgericht gibt dem Antrag der AAAA auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, "mit der im Vergabeverfahren ‚Projekt Gasenbach (Gemeinde Gasen, Bezirk Weiz) Baggerleistungen, Wasserbausteine/Schotter und LKW-Materialtransporte loco Baustelle Gasenbach zu GZ: 4-Gasenbach-66-2020 (Ausschreibung vom 17.01.2020)' die Zuschlagserteilung untersagt wird", gemäß §§ 350 Abs 1, 351 Abs 1, 3 und 4 BVergG 2018 statt.
Das Bundesverwaltungsgericht untersagt der Auftraggeberin Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens im Vergabeverfahren "Projekt Gasenbach (Gemeinde Gasen, Bezirk Weiz) Baggerleistungen, Wasserbausteine/Schotter und LKW-Materialtransporte loco Baustelle Gasenbach zu GZ: 4-Gasenbach-66-2020 (Ausschreibung vom 17.01.2020)", den Zuschlag zu erteilen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG
I. Verfahrensgang
1. Mit Schriftsatz vom 19. Februar 2020 beantragte die AAAA ,[HR2] vertreten durch die Scherbaum Seebacher Rechtsanwälte GmbH, Schmiedgasse 2, 8010 Graz, in der Folge Antragstellerin, die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung, die Akteneinsicht, die Ausnahme von der Akteneinsicht in das eigene Angebot, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Stattgabe der Beweisanträge, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie im Spruch unter A) wiedergegeben und den Ersatz der Pauschalgebühr. Die Anträge betreffen das Vergabeverfahren "Projekt Gasenbach (Gemeinde Gasen, Bezirk Weiz) Baggerleistungen, Wasserbausteine/Schotter und LKW-Materialtransporte loco Baustelle Gasenbach zu GZ: 4-Gasenbach-66-2020 (Ausschreibung vom 17.01.2020)" der Auftraggeberin Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, Stubenring 1, 1010 Wien, vertreten durch die vergebende Stelle Gebietsbauleitung Steiermark Ost des forsttechnischen Dienstes für Wildbach- und Lawinenverbauung, Ziegelofenweg 24, 8600 Bruck an der Mur.
1.1 Nach der Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und Darstellung des Sachverhalts, Angaben zur Rechtzeitigkeit und der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts macht die Antragstellerin ihr Interesse am Vertragsabschluss durch Teilnahme am Vergabeverfahren und Angebotslegung durch Abgabe eines Angebots geltend. Der Schaden bestehe im Verlust des Deckungsbeitrags, der Frustration des bisherigen Aufwands für die Teilnahme am Vergabeverfahren in Höhe von ca € 5.000 und dem Verlust eines Referenzprojekts. Die Antragstellerin erachtet sich in ihren Rechten auf Reihung ihres Angebots an erster Stelle und Zuschlagserteilung unter Anwendung des Billigstangebotsprinzips, insbesondere in den Rechten auf rechtskonforme Durchführung eines Vergabeverfahrens, auf Unterlassung einer willkürlichen ausschreibungswidrigen Zuschlagsentscheidung, auf Durchführung einer rechtskonformen Angebotsprüfung und Angebotsbewertung, auf Zuschlagserteilung, auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung, auf gesetzmäßige Beurteilung der Eignungskriterien und in der Ausschreibung festgelegten sonstigen Teilnahme- und Mindestkriterien, auf eine zu ihren Gunsten lautende Zuschlagsentscheidung mit nachfolgender Zuschlagserteilung, auf ausschreibungskonforme Beurteilung der technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie auf ausschreibungskonforme Beurteilung der angegebenen Referenzen verletzt.
1.2 Als Gründe für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung gibt sie im Wesentlichen an, dass die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin zwar das billigste Angebot gelegt habe. Ihr Angebot wäre jedoch mangels Erfüllung mehrerer Eignungskriterien und sonstiger Mindestanforderungen laut Ausschreibung zwingend auszuscheiden gewesen. In der Ausschreibung werde verbindlich festgelegt, dass nur Fahrer mit großer Erfahrung und Fertigkeit im Umgang mit dem Haydraulikbagger, insbesondere beim Verlegen von Wasserbausteinen mit dem Steingreifer, daher mit der erforderlichen Berufspraxis und entsprechenden Referenzen zum Einsatz kommen dürfe. Dies sei eine Mindestanforderung. Es seien zwei entsprechende "betriebseigene Baggerfahrer" namhaft zu machen. Über einen längeren Zeitraum von drei Monaten sollten vier Hydaulikbagger mit Fahrern mit der gleichen Berufserfahrung gleichzeitig zum Einsatz kommen. Es seien mindestens vier Baggerfahrer bereits bei Angebotsabgabe namentlich zu nennen. Die Nachweise für die Berufserfahren seien gegenüber der Auftraggeberin zu erbringen. Die Antragstellerin habe diese Anforderungen erfüllt. Die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin könne diese Anforderungen nicht einmal ansatzweise erfüllen. Eine entsprechende Eignungsprüfung könne daher nicht stattgefunden haben. Diese hätte ergeben, dass keiner der von der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin namhaft gemachten Baggerfahrer die nötige Berufserfahrung habe. Sie müsse dafür Subunternehmer einsetzen. Es werde bezweifelt, dass sie Subunternehmer angegeben habe. Die Nachweise müssten von der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin mit dem Angebot vorgelegt worden sein. Die Auftraggeberin müsse diese Anforderungen prüfen. Das Angebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin wäre auszuscheiden gewesen.
1.3 Die Antragstellerin erhob ihr Vorbringen zum Nachprüfungsantrag zum Vorbringen zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens. Die einstweilige Verfügung sein notwendig, damit die Auftraggeberin keine unumkehrbaren Tatsachen schaffe, da dem Nachprüfungsantrag keine aufschiebende Wirkung zukomme. Die Antragstellerin würde ihre Chance auf Erhalt des Zuschlags endgültig verlieren. Es bestünden keine besonderen Interessen der Republik Österreich bzw der Gebietsbauleitung Steiermark Ost des forsttechnischen Dienstes für Wildbach- und Lawinenverbauung, die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprächen. Die Auftraggeberin hätte die Dauer eines Vergabekontrollverfahrens in ihre Zeitplanung einbeziehen müssen. Bei der begehrten einstweiligen Verfügung handle es sich und die einzige und gleichzeitig gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme.
2. Am 25. Februar 2020 sprach sich die Auftraggeberin gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus, da ein besonderes und dringendes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vorhabens bestehe. Im fraglichen Gebiet sei das Hochwasserschutzprojekt Gasenbach-Zubringer wegen der Katastrohen und Hochwässer in den Jahren 2005, 2016, 2017 und 2018 erstellt worden. Nach einer Darstellung der bisherigen Ereignisse und Schäden stellt die Auftraggeberin die geplanten Maßnahmen und ihre Bedeutung dar. Die Verbauungsmaßnahmen müssten bereits im März 2020 beginnen um in den Hochwassermonaten einen Schutz zu erreichen. Jede ungeplante Verzögerung im Bauzeitenplan erhöhr das Risiko von erneuten Hochwasserschäden im Siedlungsbereich von Gasen sowie der gesamten Infrastruktur. Die Dringlichkeit und das sehr hohe öffentliche Interesse an den Schutzmaßnahmen werde ua auch durch die besondere Finanzierung der Maßnahmen durch Bund und Land Steiermark dokumentiert (Änderung des WBFG). In den Wintermonaten 2020 (Jänner und Februar) seien am Hagenhofergraben und Haberlbach Sicherungsmaßnahmen in Form von Spritzbeton und Verankerungen durchgeführt worden, um den Baustart im März 2020 aufrecht zu erhalten. Eine lange bis in die Hochwasserzeit (ab ca Mai) offen stehende Baugrube im Haberlbach erhöhe das Schadenspotential im Bereich der Sperrenbaustelle bei Baustellenhochwässern ebenfalls enorm. Dies sei gegebenenfalls mit massiven Kosten für die Wiederherstellung der Baugrube und der begonnenen Fundamentierungsarbeiten verbunden. Ein verzögerter Baustart habe daher massive zeitliche und finanzielle Auswirkungen auf das gesamte Hochwasserschutzprojekt. Die gesamte Baustelleneinrichtung (für 10 Arbeiter) befinde sich bereits seit Anfang 2019 vor Ort, die Gemeinde Gasen, die Anrainer sowie alle weiteren Beteiligten (Bezirkshauptmannschaft, Leitungsträger, ...) seien bereits über den Baustart am 9. März 2020 informiert worden und die Ressourcen seien eingeteilt worden. (Straßenpolizeiliche Bewilligungen, diverse Lieferungen, usw.). Weiters erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
1. Feststellungen (Sachverhalt)
1.1 Die Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus vertreten durch die vergebende Stelle Gebietsbauleitung Steiermark Ost des Forsttechnischen Dienstes für Wildbach- und Lawinenverbauung schreibt unter der Bezeichnung "Projekt Gasenbach (Gemeinde Gasen, Bezirk Weiz) Baggerleistungen, Wasserbausteine/Schotter und LKW-Materialtransporte loco Baustelle Gasenbach zu GZ: 4-Gasenbach-66-2020 (Ausschreibung vom 17.01.2020)" einen Bauauftrag mit den CPV-Code 45112000-5 - Aushub- und Erdbewegungsarbeiten im Unterschwellenbereich in einem nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung nach dem Billigstangebotsprinzip aus. Der geschätzte Auftragswert beträgt € 527.000 ohne USt. (Angaben der Auftraggeberin)
1.2 Die Öffnung der Angebote erfolgte am 6. Februar 2020, 13.15 Uhr, in Anwesenheit eines Vertreters eines Bieters. Dabei wurden folgende Angebote mit den genannten Angebotspreisen ohne USt geöffnet:
* -BBBB € 428.050, --
* -AAAA € 441.600, --
* -XXXX € 464.550, --
* -XXXX € 441.375, --
* -XXXX € 494.900, --
* -XXXX € 452.550, --
(Angaben der Auftraggeberin)
1.3 Am 13. Februar 2020 teilte die Auftraggeberin allen Bietern die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der BBBB mit. (Auskünfte der Auftraggeberin)
1.4 Die Auftraggeberin hat weder das Vergabeverfahren widerrufen noch eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen. (Auskünfte der Auftraggeberin)
1.5 Die Antragstellerin bezahlte Pauschalgebühren in der Höhe von €
1.620. (Verfahrensakt)
2. Beweiswürdigung
2. Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammern genannten Quellen. Diese sind Veröffentlichungen und die Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie Auskünfte, die nur die Auftraggeberin erteilen kann. Auskünfte und Unterlagen der Antragstellerin betreffen ebenso ausschließlich mit der Auftraggeberin gemeinsame Dokumente. Die Echtheit und Richtigkeit von in den Schriftsätzen herangezogenen Unterlagen hat keine der Verfahrensparteien bestritten. Die herangezogenen Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche traten nicht auf.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1 Anzuwendendes Recht
3.1.1 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes - BVwGG, BGBl I 2013/10, idF BGBl I 2019/44 lauten:
"Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist."
3.1.2 Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG, BGBl I 2013/33 idF BGBl I 2018/57, lauten:
"Anwendungsbereich
§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
...
Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) ...
Beschlüsse
§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.
(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.
(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
..."
3.1.3 Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 - BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idF BGBl II 2019/91, lauten:
"4. Teil
Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht
1. Hauptstück
Zuständigkeit, fachkundige Laienrichter, Ausschluss und Ablehnung
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes
§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.
Senatszuständigkeit und -zusammensetzung
§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.
(2) ...
2. Hauptstück
Besondere Bestimmungen über das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes
1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Anzuwendendes Verfahrensrecht
§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.
Zuständigkeit
§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.
(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig
1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie
2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.
(3) ...
2. Abschnitt
Nachprüfungsverfahren
Einleitung des Verfahrens
§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern
1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und
2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
(2) ...
3. Abschnitt
Einstweilige Verfügungen
Antragstellung
§ 350. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.
(2) Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat zu enthalten:
1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie des Auftraggebers, des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,
2. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 342 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,
3. die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,
4. die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,
5. die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und
6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.
(3) ...
Erlassung der einstweiligen Verfügung
§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.
(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.
(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar."
3.2 Zu Spruchpunkt A) -Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung
3.2.1 Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages
3.2.1.1 Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus. Sie ist öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs 1 Z 1 BVergG 2018 (st Rspr zB BVwG 3. 12. 2015, W114 2116410-1/13E; 20. 12. 2018, W187 2208747-2/26E; 14. 1. 2019, W123 2210191-2/19E). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich um einen Bauauftrag gemäß § 5 BVergG 2018. Der geschätzte Auftragswert des Gesamtvorhabens liegt jedenfalls unter dem relevanten Schwellenwert, des § 12 Abs 1 Z 4 BVergG 2018, sodass gemäß § 12 Abs 3 BVergG 2018 ein Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich vorliegt.
3.2.1.2 Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 342 Abs 2 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit a B-VG ist sohin gegeben.
3.2.1.3 Da darüber hinaus laut Stellungnahme des Auftraggebers das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 342 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.
3.2.1.4 Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Der Nachprüfungsantrag wurde rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.
3.2.1.5 Im Ergebnis ist daher vorläufig davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen.
3.2.2 Inhaltliche Beurteilung des Antrages
3.2.2.1 Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 351 Abs 1 BVergG 2018 sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung beabsichtigt ist. Es kann aus der Sicht des Provisorialverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin relevierten Rechtswidrigkeiten zutreffen und sie daher an einem sodann rechtmäßigen Verfahren erfolgreich teilnehmen wird können, wodurch ihr auf Grund der behaupteten Rechtswidrigkeiten der Entgang des Auftrages mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht. Mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung müssen daher - bei Nichtüberwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 - Maßnahmen getroffen werden, die eine spätere den Grundprinzipien des Vergaberechts entsprechende Teilnahme am Vergabeverfahren über die ausgeschriebenen Leistungen und eine Zuschlagserteilung ermöglicht. Zur wirksamen Sicherung dieser möglicherweise bestehenden Ansprüche muss daher das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesvergabeamt in einem Stand gehalten werden, der eine allfällige spätere Zuschlagserteilung an die Antragstellerin ermöglicht (BVwG 29. 1. 2015, W187 2017416-1/3E).
3.2.2.2 Die Interessen der Antragstellerin bestehen im Wesentlichen in der Abwendung des drohenden Schadens und im Erhalt des Auftrags.
3.3.2.3 Die Auftraggeberin sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung im Wesentlichen deshalb aus, da die geplanten Baumaßnahmen wegen drohender Hochwässer sofort durchgeführt werden müssten.
3.2.2.4 Bei der Interessenabwägung ist schließlich auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVwG 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E; 11. 7. 2017, W187 2163208-1/3E), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und schließlich dass gemäß § 329 Abs 1 BVergG von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 2. 3. 2015, W187 2101270-1/6E; 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E). Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 30, Slg 2003, I-3249).
3.2.2.5 Öffentliche Interessen, die eine sofortige Zuschlagserteilung erforderlich machen würden, machte die Auftraggeberin aus Gründen des Hochwasserschutzes geltend. Dem Bundesverwaltungsgericht sind sie insofern nicht ersichtlich, als nach den Ausführungen der Auftraggeberin die stärksten Schadereignisse im Jahr 2005, weniger starke Schadereignisse zuletzt 2018 eingetreten sind.
3.2.2.6 Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen des Auftraggebers gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und einer Auftragserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten. Ungeachtet eines gesetzlichen Auftrags wäre die Auftraggeberin verpflichtet gewesen, die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens bei ihrer Zeitplanung zu berücksichtigen. Die Erfolgsaussichten des Hauptantrags sind im Provisorialverfahren nicht prüfen (zB VwGH 4. 11. 2013, AW 2013/04/0045). Sie gehören nicht zu den Kriterien, die die für Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständige Instanz berücksichtigen muss oder kann, wenn sie über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen gemäß Art 2 Abs 1 lit a RL 89/665/EWG entscheidet; die Richtlinie untersagt eine solche Berücksichtigung jedoch auch nicht (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 29). Sie sind nach dem zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs nach Maßgabe der innerstaatlichen Vorschriften unter Beachtung des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Erfasst sind jedenfalls Fälle, in denen der Nachprüfungsantrag formal unzulässig ist. Dieser Umstand liegt gegenständlich nicht vor. Die Rechtmäßigkeit der Prüfung und Bewertung der Angebote sowie der Durchführung des Vergabeverfahrens kann angesichts der kurzen Entscheidungsfrist im Provisorialverfahren nicht abschließen geklärt werden (zB BVA 14. 11. 2012, N/0103-BVA/10/2012-EV12; 18. 3. 2013, N/0020-BVA-07/2013-EV8). Schließlich hätte die Auftraggeberin das Vergabeverfahren so rechtzeitig beginnen können, dass sie die Dauer eines Nachprüfungsverfahrens einberechnet hätte.
3.2.2.7 Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es demnach, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.
3.2.2.8 Bei der bevorstehenden Zuschlagserteilung ist das nötige und gelindeste Mittel gemäß § 329 Abs 3 BVergG die vorläufige Untersagung derselben (zB BVwG 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E; 17. 11. 2017, W187 2175977-1/3E; 10. 4. 2018, W187 2190113-1/3E). Es soll somit (lediglich) der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert werde, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 7. 8. 2017, W187 2165912-1/2E; 27. 2. 2018, W187 2186439-1/2E).
3.2.2.9 Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens.
§ 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt im Gegensatz zu den Vorgängergesetzen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Der Auftraggeber ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 4. 5. 2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10. 12. 2007, AW 2007/04/0054).
3.2.2.10 Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.
3.3 Zu Spruchpunkt B) - Nichtzulassung der Revision
3.3.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.3.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138;
30. 6. 2004, 2004/04/0028; 1. 2. 2005, 2005/04/0004; 29. 6. 2005, 2005/04/0024; 1. 3. 2007, 2005/04/0239; 27. 6. 2007, 2005/04/0254;
29. 2. 2008, 2008/04/0019; 14. 1. 2009, 2008/04/0143; 14. 4. 2011, 2008/04/0065; 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Bauauftrag, Dauer der Maßnahme, einstweilige Verfügung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W187.2228746.1.00Zuletzt aktualisiert am
02.07.2020