TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/2 I422 2015268-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.03.2020
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Entscheidungsdatum

02.03.2020

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I422 2015268-3/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Susanne SINGER, Ringstraße 9, 4600 Wels, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.08.2019, Zl. 831526600/190361838, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 21.10.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, über welchen die belangte Behörde mit Bescheid vom 24.11.2014, Zl. 831526600/1737109, negativ entschied. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.05.2015, Zl. I403 2015268-1/10E als unbegründet abgewiesen und erwuchs die negative Entscheidung mit 01.06.2015 in Rechtskraft.

2. Am 18.08.2015 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK ("Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens" - "Aufenthaltsberechtigung plus").

3. Mit Bescheid vom 24.03.2016, Zl. 831526600/151116662 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass seit der Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht vom 26.05.2015 keine maßgeblichen Anhaltspunkte für eine besondere Integration im Hinblick auf seine sprachliche, berufliche und gesellschaftliche Entwicklung in Österreich festgestellt haben werden können.

4. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 18.05.2016 als unbegründet ab.

5. Am 09.04.2019 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK ("Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 2 AsylG"). Seinen Antrag begründete er zusammengefasst damit, dass er sich seit rund fünfeinhalb Jahren im österreichischen Bundesgebiet befinde und in diesem Zeitraum intensive familiäre Bindungen habe aufbauen könne. Er sei seit beinahe vier Jahren mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und lebe mit dieser in einem gemeinsamen Haushalt. Er habe aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit als Zeitungsausträger ein Einkommen von rund € 1.250,99 monatlich (brutto) und komme damit für seinen Lebensunterhalt und den seiner Gattin auf. Er sei bei der SVA selbst versichert und bezahle quartalsmäßig seine Beiträge. Um die A2-Prüfung endlich positiv ablegen zu könne, habe er sich auf eigene Kosten erneut zu einem A2-Kurs angemeldet. Er sei in die Familie seiner Ehegattin sehr gut eingebettet, wie das beiliegende Schreiben des Schwiegervaters belege. Außerdem verfüge er über eine Einstellungszusage der R GmbH. Dem Antrag legte er eine Einstellungszusage der R GmbH, diverse Empfehlungsschreiben, welche von Bekannten sowie von seinem Schwiegervater ausgestellt wurden, und eine Versicherungserklärung bei.

6. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 12.08.2019, Zahl:

831526600/190361838, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK zurück (Spruchpunkt I.). Zugleich erließ sie gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Des Weiteren gewährte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Zusammengefasst führte die belangte Behörde aus, dass seit der letzten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und dem nunmehrigen Zeitpunkt keine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten sei.

7. Gegen diesen Bescheid richtete sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 11.09.2019. Zusammengefasst führte der Beschwerdeführer darin aus, dass er aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit als Zeitungsausträger ein monatliches Einkommen von rund €

1.250 brutto erziele und damit für seinen, jedoch auch für den Unterhalt seiner Ehegattin aufkomme. Es stelle eine wesentliche Änderung dar, dass der Beschwerdeführer in den letzten Jahren habe beweisen können, dass er selbsterhaltungsfähig sei und für den Unterhalt für sich selbst und für den Unterhalt seiner Ehegattin sorgen könne. Darüber hinaus könne der Beschwerdeführer eine Einstellungszusage vorweisen und könne er bei Erhalt eines entsprechenden Aufenthaltstitels in diesem Unternehmen sofort zu arbeiten beginnen. Auch dieser Umstand stelle eine wesentliche Änderung des Sachverhalts im Gegensatz zum Zeitpunkt Mai 2016 dar. Eine weitere Änderung des Sachverhalts stelle auch der Umstand dar, dass der Beschwerdeführer aufgrund der nun mehr als fünf Jahre andauernden Ehe mit seiner Gattin sehr gut in die Familie der Ehegattin eingebettet sei

8. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 30.09.2019 als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG sprach es aus, dass eine Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig sei.

9. Mit Schriftsatz vom 15.11.2019 erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof und beantragte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

10. Mit Beschluss vom 25.11.2019, Ra 2019/21/0356-4, erkannte der Verwaltungsgerichtshof der erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zu.

11. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.01.2020, Ra 2019/21/0356-6, wurde das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.09.2019 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behoben. Zunächst wurde festgehalten, dass der im vorliegenden Fall herangezogene Zurückweisungstatbestand nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 an das Bestehen einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung anknüpfe. Anträge gemäß § 55 AsylG 2005 seien demnach als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen worden sei und aus dem begründenden Antragsvorbringen in Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art 8 EMRK erforderlich mache, nicht hervorgehe. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt, der einer Antragszurückziehung nach § 58 Abs. 19 AsylG 2005 entgegen stehe, liege jedoch schon dann vor, wenn die geltend gemachten Umstände nicht von vornherein eine zu Gunsten des Fremden vorzunehmende neue Beurteilung aus dem Blickwinkel des Art 8 EMRK als ausgeschlossen erscheinen lassen (VwGH 19.09.2019, 2019/21/0173, Rn. 9, mwN). Vor diesem rechtlichen Hintergrund sei im vorliegenden Fall als Vergleichsmaßstab der dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.05.2015 zugrunde liegende Sachverhalt heranzuziehen. Insoweit seien bereits mehr als vier Jahre vergangen, in denen sich schon aufgrund der entsprechend längeren Dauer der Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin die familiären Bindungen (auch zu den weiteren Angehörigen) intensiviert haben; darüber hinaus sei der unbescholtene Revisionswerber mittlerweile selbsterhaltungsfähig. Er habe - wie sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht zugrunde gelegten Empfehlungsschreiben ergebe - auch sonst soziale Kontakte geknüpft und verfügt nun über eine Aufenthaltsdauer in Österreich von insgesamt fast sechs Jahren. Dem habe das Bundesverwaltungsgericht nicht Rechnung getragen und mit seiner Erkenntnisbegründung die Rechtslage verkannt. Das angefochtene Erkenntnis war daher in Hinblick auf die Bestätigung der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgenommenen Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet und gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

Darüber hinaus wird auf die im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.09.2019 ausführlich getroffenen Feststellungen mit der Berichtigung verwiesen, dass aus dem begründeten Antragsvorbringen des Beschwerdeführers gemäß § 55 AsylG 2005 im Vergleich zur rezenten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.05.2015 ein im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art 8 EMRK erforderlich macht, hervorgeht.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde sowie sämtlichen Unterlagen im Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zu I422 2015268-3.

Hinsichtlich des Verweises auf die getroffenen Feststellungen im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.09.2019 wird die dortige Beweiswürdigung als maßgeblich erachtet. Die Feststellung, dass ein geänderter Sachverhalt vorliege, ergibt sich jedoch aus der Argumentationslinie des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.01.2020, Ra 2019/21/0356-6.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Behebung des angefochtenen Bescheides:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 23.01.2020, Ra 2019/21/0356-6, mit näherer Begründung dargestellt, dass ein maßgeblich geänderter Sachverhalt, der einer Antragszurückweisung nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 entgegensteht, schon dann vorliegt, wenn die geltend gemachten Umstände nicht von vornherein eine zu Gunsten des Fremden vorzunehmende neue Beurteilung des Art. 8 EMRK als ausgeschlossen erscheinen lassen (VwGH 19.09.2019, 2019/21/0173, Rn. 9, mwN).

Unter anderem führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.05.2015 mittlerweile mehr als vier Jahre vergangen seien, in denen sich schon aufgrund der entsprechend längeren Dauer der Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin die familiären Bindungen (auch zu den weiteren Angehörigen) intensiviert haben; darüber hinaus sei der unbescholtene Revisionsführer mittlerweile selbsterhaltungsfähig. Er habe auch sonst soziale Kontakte geknüpft und verfüge nun über eine Aufenthaltsdauer in Österreich von insgesamt fast sechs Jahren.

Aufgrund dessen liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt vor, der einer Antragszurückweisung nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 entgegen steht.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass bei Vorliegen der Rechtswidrigkeit der Zurückweisung nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 das Bundesverwaltungsgericht nur mit einer Behebung und nicht mit einer inhaltlichen Entscheidung vorzugehen hat (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, § 58 Abs. 10 AsylG 2005, K 14).

Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid zu beheben.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der Sachverhalt zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und wurde auch im Revisionsvorbringen entsprechend wiederholt. Nach § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine mündliche Verhandlung entfallen, wenn - wie hier - bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid zu beheben ist.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das vorliegende Erkenntnis basiert auf der oben genannten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.01.2020, Ra 2019/21/0356-6, sodass es weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, noch es an einer Rechtsprechung fehlt; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Aufenthaltsdauer, Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK, Ehe,
Ersatzentscheidung, geänderte Verhältnisse, Interessenabwägung,
öffentliche Interessen, Privat- und Familienleben, private
Interessen, Selbsterhaltungsfähigkeit, Unbescholtenheit,
Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I422.2015268.3.00

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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