Entscheidungsdatum
03.03.2020Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
G314 2202864-1/24E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, kroatischer Staatsangehöriger, vertreten durch die AUER BODINGBAUER
LEITNER STÖGLEHNER
Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.06.2018, Zl. XXXX, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der XXXX geborene Beschwerdeführer (BF) ist kroatischer Staatsangehöriger. Er reiste mit seinen Eltern erstmals im September 2001 nach Österreich ein und lebt seit März 2003 durchgehend im Bundesgebiet, wo er sich nach Schulbesuch und Lehre - mit Unterbrechungen - in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen befand.
Der BF wurde spätestens ab 2007 straffällig. Es ergingen insgesamt acht strafgerichtliche Verurteilungen (darunter einmal eine Zusatzstrafe gemäß §§ 31, 40 StGB), und zwar zunächst zu (bedingten) Geldstrafen und zu einer bedingten Freiheitsstrafe. 2014 - mit der fünften Verurteilung - kam es wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (Erwerb und Besitz ausschließlich zum persönlichen Gebrauch nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG) erstmals zur Verhängung einer unbedingten Freiheitsstrafe (in der Dauer von drei Monaten), die der BF zwischen XXXX.03.2015 und XXXX.06.2015 verbüßte. Erst mit der achten Verurteilung vom Februar 2018 wurde wieder eine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt, und zwar wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und siebenter Fall, teilweise Abs 2 SMG, eine solche in der Dauer von 14 Monaten. Aus dieser Freiheitsstrafe wurde der BF nach Verbüßung von 12 Monaten am 09.10.2018 bedingt entlassen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot (in Verbindung mit einem einmonatigen Durchsetzungsaufschub). Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Erkenntnis vom 22.10.2018, G314 2202864-1/10E, teilweise Folge, indem es die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf drei Jahre reduzierte. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hob dieses Erkenntnis aufgrund der außerordentlichen Revision des BF wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf (VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0248).
Der BF unterzog sich 2018 und 2019 mehrmals einer psychosozialen Beratung bei einer Beratungsstelle für Suchtfragen. Seit seiner bedingten Entlassung wohnt er in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen, am XXXX geborenen Sohn. Die Bewährungshilfe konnte Ende 2019 aufgehoben werden, weil sie aufgrund eines positiven Berichts nicht mehr als notwendig erachtet wurde.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und dem Gerichtsakt des BVwG.
Die Feststellungen basieren auf den vom BVwG im Erkenntnis vom 22.10.2018, G314 2202864-1/10E, getroffenen Sachverhaltsannahmen, denen die Revision nicht substantiiert entgegentrat und die auch der VwGH seiner Entscheidung zugrunde legte. Die Entwicklungen seither konnten aufgrund der Angaben des BF in seiner Eingabe vom 13.02.2020 und den gleichzeitig vorgelegten Urkunden festgestellt werden.
Rechtliche Beurteilung:
Aufgrund der Aufhebung des Erkenntnisses des BVwG vom 22.10.2018, G314 2202864-1/10E, durch das Erkenntnis des VwGH vom 24.01.2019, Ra 2018/21/0248, tritt die Rechtssache gemäß § 42 Abs 3 VwGG in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung der Entscheidung befunden hat. Die Herstellung des der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustands erfolgt durch die Erlassung einer Ersatzentscheidung des BVwG (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 1407 ff).
Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.
Mit diesem zuletzt angeführten verschärften Gefährdungsmaßstab nach § 67 Abs 1 fünfter Satz FPG soll Art 28 Abs 3 lit a der Freizügigkeitsrichtlinie (§ 2 Abs 4 Z 18 FPG) umgesetzt werden, wozu der EuGH bereits judizierte, dass hierauf gestützte Maßnahmen auf "außergewöhnliche Umstände" begrenzt sein sollten; es sei vorausgesetzt, dass die vom Betroffenen ausgehende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit einen "besonders hohen Schweregrad" aufweise, was etwa bei bandenmäßigem Handeln mit Betäubungsmitteln der Fall sein könne, wobei vom EuGH auch darauf hingewiesen wurde, dass es "besonders schwerwiegende[r] Merkmale" bedarf.
Da der BF mehrfach Probezeiten bestanden hat und mit dem letzten Strafurteil vom XXXX erstmals wegen Suchtgifthandels und dem Überlassen und Anbieten von Suchtgift an Dritte verurteilt wurde, wobei kein professionell strukturierter Suchtgifthandel vorlag, erstmals für längere Zeit in Haft war, bedingt entlassen wurde und vorhabe, seine Drogensucht behandeln zu lassen, kann nach der Rechtsansicht des VwGH nicht von "außergewöhnlichen Umständen" mit besonders hohem Schweregrad" bzw. von "besonders schwerwiegenden Merkmalen" der vom BF begangenen Straftaten gesprochen werden. Somit kommt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn auf Basis des § 67 Abs 1 fünfter Satz FPG nicht in Betracht, und zwar insbesondere auch deshalb, weil sich seine Lebensumstände nach der bedingten Entlassung stabilisiert haben.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, unterbleibt eine mündliche Beschwerdeverhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG.
Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zuzulassen, weil das BVwG aufgrund der Bindung an die für das Erkenntnis des VwGH vom 24.01.2019, Ra 2018/21/0248, ausschlaggebenden Entscheidungsgründe keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Rechtsanschauung des VwGH,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2202864.1.00Zuletzt aktualisiert am
30.06.2020