Entscheidungsdatum
06.03.2020Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15Spruch
W221 2228685-1/2E
W221 2228686-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerden 1.) der XXXX , geb. XXXX und 2.) der XXXX , geb. XXXX , beide StA.
Syrien, vertreten durch: VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH, gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 23.01.2020, Zl. 1.) 1238748309-190732224 und 2.) 1238747203-190732283, zu Recht:
A)
Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und 1.) XXXX sowie 2.) XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass 1.) XXXX und 2.) XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführer stellten am 18.07.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Die minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin wurden dabei von ihrer Mutter, der Erstbeschwerdeführerin, als gesetzliche Vertreterin vertreten.
Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Erstbeschwerdeführerin statt. Dabei gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie Syrien am 10.02.2019 mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter illegal über die Grenze zur Türkei verlassen habe. Befragt, warum sie ihren Herkunftsstaat verlassen habe, antwortete die Erstbeschwerdeführerin, dass ihr Ehemann, für den Fall, dass er nicht mit der kurdischen Armee kämpfen wolle, mit dem Tod bedroht worden sei. Darüber hinaus sei ihr Ehemann auch als Reservist für die syrische Armee einberufen worden. Ihr Ehemann wolle jedoch weder mit der einen Armee noch mit der anderen kämpfen. Aus Angst um ihr Leben sei die Familie schlussendlich geflüchtet.
Am 21.10.2019 wurde die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei erklärte die Erstbeschwerdeführerin, dass sie aus Al Malikiya in Syrien stamme. Sie gehöre zur Volksgruppe der Kurden und sei sunnitisch muslimischen Glaubens. Darüber hinaus sei sie mit XXXX , mit welchem sie eine gemeinsame Tochter, XXXX (Zweitbeschwerdeführerin), habe, seit 06.06.2015 verheiratet. Die Erstbeschwerdeführerin gab, zu ihren Fluchtgründen befragt, an, dass sie sich auf die Fluchtgründe ihres Mannes stütze und auch ihre Tochter keine eigenen Fluchtgründe habe.
Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.01.2020, zugestellt am 29.01.2020, wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung der Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde den Beschwerdeführerinnen der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und den Beschwerdeführerinnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 23.01.2021 erteilt (Spruchpunkt III.).
Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 24.01.2020 wurde den Beschwerdeführerinnen gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.
Gegen die Spruchpunkte I. der oben genannten Bescheide wurden fristgerechte Beschwerden erhoben, welche am 11.02.2020 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangten.
Die gegenständlichen Beschwerden und Bezug habenden Verwaltungsakte wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 18.02.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässigen Beschwerden erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige Syriens und Angehörige der Volksgruppe der Kurden. Sie bekennen sich zum muslimischen Glauben.
Die Beschwerdeführerinnen reisten illegal am 10.02.2019 in die Türkei aus, reisten illegal nach Österreich ein und stellten am 18.07.2019 Anträge auf internationalen Schutz.
Die Beschwerdeführerinnen haben für sich keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.
Die Beschwerdeführerinnen sind die Ehefrau und die Tochter des XXXX , dem mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, W221 2228684-1, aufgrund drohender Verfolgung bzw. Bestrafung wegen "Wehrdienstverweigerung" und somit wegen seiner zumindest unterstellten politischen Gesinnung gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde.
Die Beschwerdeführerinnen sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführerinnen, ihrer Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Erstbeschwerdeführerin sowie auf die Kopien der vorgelegten Dokumente (Syrischer Personalausweis gemäß AS 167 sowie syrisches Familienbuch gemäß AS 147 ff.). Die Identität wurde auch bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt.
Die Zeitpunkte der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur familiären Situation der Beschwerdeführerinnen ergeben sich aus ihren Angaben im Rahmen des Verfahrens. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
Dass bei den Beschwerdeführerinnen keine eigenen Fluchtgründe vorliegen, ergibt sich aus dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin.
Die Feststellung, dass es sich bei den Beschwerdeführerinnen um die Ehefrau sowie die Tochter des XXXX handelt, gründet sich auf die Aktenlage und das vorgebrachte Familienbuch als Beweismittel.
Dass dem Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführerinnen mit Erkenntnis vom 06.03.2020 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus dem Gerichtsakt zu W221 2228684-1.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
In den vorliegenden Beschwerdefällen ergibt sich, dass aus den Akteninhalten der Verwaltungsakte die Grundlage der bekämpften Bescheide in Verbindung mit den Beschwerden unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Der maßgebliche Sachverhalt war aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen.
Zu A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt wurde, hat die Erstbeschwerdeführerin für sich und ihre Tochter keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht, weshalb keine individuelle asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat festgestellt werden kann.
Im vorliegenden Fall liegt jedoch ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 bezüglich der Verfahren der Beschwerdeführerinnen und ihres Ehemannes bzw. Vaters vor.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist.
Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.
Dem Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführerinnen wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, W221 2228684-1, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten aufgrund drohender Verfolgung bzw. Bestrafung wegen "Wehrdienstverweigerung" und somit seiner zumindest unterstellten politischen Gesinnung zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Da dem Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführerinnen der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 auch den Beschwerdeführerinnen der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, zumal keine Sachverhaltselemente, die unter einen der Tatbestände des § 34 Abs. 2 Z 1 und 3 AsylG 2005 zu subsumieren wären, erkennbar sind.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalem Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Den Beschwerden ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 stattzugeben und festzustellen, dass der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz am 18.07.2019 gestellt wurden, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall bereits Anwendung finden.
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu. Diese Aufenthaltsberechtigung verlängert sich kraft Gesetzes nach Ablauf dieser Zeit auf eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Aberkennungsverfahrens nicht vorliegen oder ein Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Dementsprechend verfügen die Beschwerdeführerinnen nun jeweils über eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben und ist auf den vorliegenden Fall übertragbar.
Schlagworte
Asyl auf Zeit, Asylgewährung, Asylverfahren, befristeteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W221.2228685.1.00Zuletzt aktualisiert am
30.06.2020